Saison 2023, es kommt mal wieder anders…

Eigentlich ist die Saison 2023 gut gestartet. Mojito ist repariert, der aller letzte Schleifstaub mühsam entfernt, frisch gewachst wartet er am Steg der Bremer Winkler-Werft auf den Start in die neue Saison. Zunächst geht es die Weser hinunter, um dann über die Nordsee nach Norderney zu segeln, und schließlich in den geschützten Greetsieler Hafen zu kommen. Es ist April, es ist kalt, es sind nur vereinzelt Boote unterwegs, auf Norderney liegen wir ziemlich einsam am Steg, sehr ungewöhnlich. Das Segeln läuft perfekt, wir können sogar unseren Parasailor nutzen, was für ein fantastischer Start! Es fühlt sich alles wieder gut an, wer hätte das letztes Jahr gedacht!

Wir sind voller Tatendrang, haben schon die Pläne geschmiedet für diese Saison. Dieses Jahr soll uns unsere Reise nach Frankreich führen, in die Bretagne, so der Plan. Es gibt noch ein paar Aufgaben zu erledigen, an Land und am Boot, und dann soll es im Mai losgehen. 

Aber…, es passiert mal wieder etwas Unvorhergesehenes: ich trage eine volle Proviantkiste an Bord, verfehle  die einzige Stufe, knicke mit dem Fuß um, und dann ist es passiert: Mittelfußfraktur! So ein Pech!

Nun folgt eine gefühlt endlose Zeit der Bewegungseinschränkung und damit verbundenen Übellaunigkeit meinerseits! Der Arzt verstärkt meine Übellaunigkeit indem er von mindestens 12 Wochen Regenerationszeit spricht. Damit nicht genug, denn er erklärt mich für verrückt, überhaupt darüber nachzudenken dieses Jahr auf ein Segelboot zu gehen. Das ist sehr schwer zu akzeptieren, wollen wir doch mal sehen, ob das so hingenommen wird!

Es folgt die Zeit der Akzeptanz und schließlich finden wir einen Weg auch mit Gehhilfen wenigstens die Wochenenden im Greetsieler Hafen an Bord zu verbringen, das wirkt sich positiv auf die Laune und die Genesung aus! Kleine Opfer müssen wir bringen: Neptun schnappt sich eine meiner Gehhilfen, was auch immer er damit will? Doch das haben wir in all den Jahren gelernt, Neptun kann alles gebrauchen, Werkzeug, Wäscheklammern, Handtücher…, und nun Gehhilfen, warum nicht?!

Trotz der ärztlichen Einwände starten wir schließlich 9 Wochen später, mein Fuß fühlt sich wieder ganz  gut an, ich muss etwas vorsichtiger und bedachter mit meinen Bewegungen an Bord sein, und dann wird alles gut, Hauptsache los!

Die Zeit reicht jedoch nicht mehr um in die Bretagne zu segeln, wir haben neue Pläne gemacht, man muss ja flexibel bleiben.

Unsere Planänderung lautet nun: dort weitermachen, wo wir letztes Jahr abgebrochen haben und die Werft aufsuchen mussten. Wir wollen nach Dänemark, durch den Limfjord, dieses Mal mit mehr Zeit, und in die Ostsee, das Versäumte nachholen. Darauf freuen wir uns!

Abendstimmung im Greetsieler Hafen, wir lösen die Leinen..

es ist kurz vor 23 Uhr, es ist noch dämmerig. Wir sind auf dem Weg zur Schleuse und wollen draußen ankern um pünktlich am Morgen starten zu können

Wir beschließen erst Helgoland anzulaufen um unseren Tank mit zollfreiem, günstigen Diesel zu füllen. Doch als wir die Tankstelle ansteuern, tankt gerade eine große Luxusmotorjacht, na toll! Eine Stunde (!) dauert es, bis die Jacht die 3000 Liter getankt hat. Derweil schippern wir gemeinsam mit mehreren Booten im Hafen umher und warten. Als Segler ist man angeblich geduldig! Dann legt auch noch der große Hamburg-Katamaran ab, es wird nun wirklich eng im Hafenbecken, denn durch seine Antriebe entsteht eine unangenehme Sogwelle, puh, immer diese Stressmomente! Endlich ist es so weit, die Jacht hat ihren Tank gefüllt, es scheint doch noch Diesel für uns übrig zu bleiben, ein Wunder bei der durstigen Luxusjacht. Der Tankstellenbetreiber brüllt Anweisungen oben von der Pier, ohne einen Handschlag zu helfen. Ich hab nicht wenig Lust ihm den passenden Kommentar zurück zu pfeifen, doch ich weiß um unsere Abhängigkeit, wir wollen seinen Diesel, also beherrsche ich mich und schweige! Endlich ist unser Tank auch gefüllt, nun können wir zum entspannten Teil des Tages übergehen. Wir haben keine Lust in den Hafen zu gehen, dort ist es eng und überfüllt. Man liegt dort schnell mit mehreren Booten im Päckchen, das macht keine Freude. Wir wollen ankern, zwischen Helgoland und Düne gibt es eine ausgewiesene Reede, da wollen wir hin. Hm, leider sieht es in der Praxis doch nicht so einfach aus. An der einen Stelle ist zu viel Wind, an der anderen zu viel Strömung, es herrscht reger Verkehr, wir sind gefrustet. Schließlich lassen wir einfach den Anker fallen und haben das Gefühl mitten auf einem Autobahnkreuz zu ankern. Fähren, kleine Ausflugschiffe, Windparkversorgungsschiffe fahren an uns vorbei, es ist sehr rummelig. Einzige Alternative bleibt der Hafen und den möchten wir nicht, also durchhalten.  Wir sind sicher, auch die Helgoländer werden irgendwann schlafen gehen, und so verwandelt sich später unser Ankerplatz doch noch zum Guten. Ein schöner Platz in der Abendsonne, Ruhe kehrt ein, Seehunde schwimmen vorbei, die Seevögel übernehmen das Sagen.

Am nächsten Morgen geht es früh in Richtung Sylt. Ein wunderschöner Segeltag, perfekter Wind, strahlende Sonne, und die Nordsee kann sogar blau erscheinen, herrlich!

tausende Quallen sind unterwegs. Sie werden immer mehr zur Plage. Leider eine Folge des Klimawandels

Ankern vor List/Sylt
Anlanden direkt vor der Strandpromenade von List

Im Norden von Sylt, bei List, gibt es eine weitläufige Ankerbucht, sie scheint für uns perfekt. Der Anker fällt, wir genießen die Abendstimmung beim Abendessen und einem Glas Wein, das Leben ist schön!

Doch am nächsten Morgen ändert sich leider der scheinbar perfekte Platz. Der Wind braust auf und passt nicht zur jeweiligen Gezeitenstömung. Beide Kräfte zerren gegenläufig an Mojito und machen das Liegen sehr unangenehm. Obwohl ein Katamaran bezüglich Schwell sehr leidensfähig ist, müssen wir kapitulieren. Auf der Suche nach einem geeigneten Platz  wechseln wir von der Ostseite zur Westseite der Insel, wo wir bei strahlender Sonne Windschutz für den Tag finden. Abends lässt der Wind (entgegen der Vorhersage!) leider nicht nach, also suchen wir Schutz bei der Nachbarinsel Römö, vergeblich. Der Wind nimmt weiter zu, die Sonne verschwindet in der Abenddämmerung hinter Wolken, es wird ungemütlich, der Gasthafen von Römö ist für uns zu klein. Gefrustet beschließen wir einfach im Fischereihafen  festzumachen. Die Kutter sind draußen zum Fischen, bis morgen früh sind sie weg, derweil nutzen wir deren Hafenplatz. Einziges Problem ist der Tidenhub. Ohne Schwimmstege bedeutet es für uns lange Leinen auszulegen und Nachts alle drei Stunden aufstehen und die Lage kontrollieren. Hauptsache wir liegen ruhig und Windgeschützt und bekommen etwas Schlaf, wenn auch nur im Stundentakt, morgen sehen wir weiter!

Am frühen Morgen werden wir wach und hören die Kutter zurückkommen, also schnell die Leinen lösen und den Platz frei machen.  Zum Frühstücken ankern wir kurz vor dem Hafen, bevor es zurückgeht nach Sylt, der Wind hat etwas nachgelassen und erlaubt einen Landgang. Das Anlanden mit dem Dinghi am Strand klappt auch mit „Fußhandicap“ gut. Wir genießen die Sylter Atmosphäre, bei Sonnenschein und guter Laune. Wir probieren die Sylter Austern (wenn schon nicht Austernessen in der Bretagne, dann auf Sylt!) und können einen kurzen Blick auf die schöne Landschaft werfen. Der erste Eindruck gefällt uns gut. Doch zurück an Bord spüren wir, dieser Ankerplatz geht wieder nicht für die Nacht. Also wieder Anker lichten und zurück nach Römö, dort ist die Bucht etwas geschützter,  Strömung und Wind sind heute nicht ganz so stark. 

Wir probieren die Sylter Austern, lecker!

Das muss erst einmal reichen, nun geht es auf zum Limfjord!

Der Limfjord beeindruckt mit seiner weiten Landschaft, endlosen Wasserflächen und einem beeindruckenden Wolkenhimmel. Was für ein schönes Segelrevier! Die Landschaft, mal riesige Ackerflächen, mal Weideland mit Kühen, dann wieder Wald, dazwischen vereinzelte Häuser, landwirtschaftliche Betriebe und Kirchen und immer wieder kleine Inseln, schöne Naturreservate. Die Landschaft wirkt mit ihren aneinander gereihten Farben wie ein Gemälde und strahlt dabei eine wohltuende Ruhe aus, einfach „hyggelig“, das Lieblingswort der Dänen für Gemütlichkeit.

Mojito im Hafen von Lemvig

Abwechselnd steuern wir mal kleine, zauberhafte Orte an und dann wieder ruhige Ankerplätze inmitten schöner Natur. Immer wieder sind wir beeindruckt von der Freundlichkeit und der natürlichen Gelassenheit der Menschen, hier kann man die Seele baumeln lassen, es tut so gut.

Einziger Wermutstropfen bleibt das Wetter! Es dürften gerne 3 – 4 Grad wärmer sein und der sehr starke Westwind lässt die Temperatur noch niedriger erscheinen. Wir besuchen die Stadt Lemvig und ankern vor der Insel Venö. Manchmal ist es sportlich genügend Schutz vor den Winden zu finden, so flüchten wir uns schließlich in den kleinen Hafen von Doverodde und wettern den Wind in Böen bis Windstärke 8 ab. Ein holländisches Segelboot liegt vor uns am Steg und hat durch den Seitenwind eine extreme Schieflage. Gerrit und ich frotzeln darüber, ob ihnen der Tee aus dem Becher schwappt. Der Eigner scherzt am nächsten Tag, er habe die Nacht „auf seiner Frau verbracht“, bei der Schräglage kullerten beide auf einer Seite!

kleiner Hafen von Doverodde
schlechtes Wetter lässt sich in Doverodde aushalten

Aber auch solche Tage können schön sein. Wir lernen Maik, Silke und ihre Tochter Lieke von der SY Kule kennen und verbringen gemeinsam eine nette Zeit miteinander und treffen uns auch später immer wieder an unterschiedlichen Orten im Limfjord. Wir bekommen einige Tipps von ihnen, bevor wir Abschied nehmen, sie müssen wieder nach Hause, ihr Urlaub ist vorbei. 

die kleinste Kirche Dänemarks auf der kleinen Insel Venö. Die Kirche ist 7 Meter lang
sie bietet Platz für 50 Menschen

Der extrem starke Wind hat an unserer Persenning gezerrt und eine Naht gelöst. Gerrit fragt einen Segler im Hafen von Thisted nach einem Segelmacher. Sofort wird telefoniert, der Segelmacher kommt, die Naht wird repariert und die Persenning wieder zum Boot gebracht. Das gleiche für eine erforderliche Schweißarbeit an einer Relingstütze. Wird gleich gemacht, immer freundlich, immer hilfsbereit. So nett!

ein Besuch der kleinen Stadt Thisted
Kirche Thisted

Es bläst unaufhörlich, wenn wir segeln freut es uns, aber mitunter nervt uns der starke, sehr kalte Westwind. Wir wundern uns immer wieder über die Nordlichter. Sie scheinen ihre Bekleidung nicht nach dem tatsächlichen Wetter auszuwählen, sondern dies einfach kalendarisch zu tun. Bei Temperaturen weit unter 18 Grad sieht man die Männer in Shorts und T-Shirts und die Frauen in luftigen Blümchenkleider und Sandalen. Wir beobachten sommerlich gekleidete Menschen, die unbeirrt mit ihrem Hund spazieren, bei gefühlt arktischen Temperaturen und peitschendem Wind, der in Böen den Vierbeiner locker bis nach Schweden pusten könnte. Selbst Regenschauer scheinen sie nicht zu beeindrucken, sie setzen ihren Weg ohne Eile fort. Kein Zweifel, es fließt Wikingerblut in ihren Adern, anders ist es nicht zu erklären!

Wir besuchen die kleinen Inseln  Fur und Livö. Eine schöner als die andere und immer wieder eine naturbelassene Schönheit.

Ankern vor der Insel Fur

und immer wieder schöne Oldtimer

mit dem Fahrrad erkunden wir die Insel Fur

probieren das Bier von Fur in der dortigen Brauerei

staunen über die Steilküste und den Ausblick

endloser Strand auf Fur und endloser Himmel

das schönste sind die Einkaufsstände für Gemüse aus dem Garten. Gemüse auswählen, Geld einwerfen, so einfach und so lecker!

Ankern vor Livö
menschenleere Strände

wandern auf Livö durch Heidelandschaft

durch Wald

wieder zur Küste

Livö Hafen, zu klein für Mojito 🙂

Nanu, wer hat denn das geschnitzt?!

Am Ende des Limfjords steht noch ein Stadtbesuch in der kleinen Stadt Aalborg an. Eine sehr gemütliche Stadt mit alten Häusern, viel Kunst, wie z.B. Street-Art an Häuserfasaden und dänisches Design und Architektur im Utzon-Center, benannt nach dem gleichnamigen Architekten Jörn Utzon, der Zeichner des Sydney Opera House.

Aalborg

kleine Gassen in Aalborg
Kirche in Aalborg

In Aalborg wollen wir eigentlich schick essen gehen, denn Maik, Silke und Lieke haben uns wärmstens ein gutes Restaurant in Aalborg empfohlen. Leider ist es nur an wenigen Tagen geöffnet und passt nicht in unseren Zeitplan. Einige andere ansprechende Restaurants scheinen die Corona-Zeit nicht überstanden zu haben, das fällt uns in anderen Städten leider auch auf. 

Etwas wehmütig nehmen wir Abschied vom Limfjord, es geht hinaus in die Ostsee, die uns gleich mit Böen bis 30 Knoten empfängt, puh. Wir sind froh, abends Schutz im Hafen von Saeby zu finden. Saeby ist ein netter Ort mit einem malerischen Stadtkern aus dem Mittelalter und Kopfsteinpflaster. Obwohl Touristenort, herrscht auch hier eine wohltuende Ruhe und Gelassenheit.

Ansicht von Saeby
Ansicht von Saeby
Wassermühle in Saeby
die Kirche von Saeby. Das gesamte Gewölbe ist mit Kalkmalereien aus dem 15. Jhdt. geschmückt

Graffiti aus vergangener Zeit auf der Kirchenbank. Gab es Langeweile?

Die nächste Insel ruft, es geht hinüber nach Laesö, wir sind gespannt ob wir Aussicht auf einen Platz im Hafen haben. Es wäre schön, wir möchten gerne Fahrradfahren. Das gestaltet sich im Hafen deutlich einfacher als wenn man die Fahrräder mit dem Dinghy an Land  bringen muss.

Der Hafen ist klein, die Einfahrt eng für einen Katamaran. Der Hafenmeister winkt uns heran,  weist uns einen perfekten Platz zu und hilft uns beim Anlegen. Er ist so freundlich und bringt uns gleich noch Infomaterial über die Insel. Der Hafen von Vesterö ist wieder „dänisch gemütlich“, die Insel wunderschön, hier können wir bleiben, es gibt  viel zu sehen!

die Hafeneinfahrt von Vesterö auf Laesö, etwas eng für Mojito

Hafen Vesterö
Abendstimmung am Hafen Vesterö
schwimmen geht immer, auch bei niedrigen Temperaturen

Unser Highlight auf Laesö ist der Besuch der Tang-Häuser, die es nur auf dieser Insel gibt. Ein Museums-Haus gibt uns Einblick über diese besonderen Häuser mit dem imposanten Dach aus Seegras. Zudem haben wir Glück, ein Teil des Hauses wird  gerade neu gedeckt und wir können diese einmalige Technik live mit ansehen.

Das Seegras wurde früher im Südteil der Insel gesammelt und getrocknet. Da die Männer meist auf See waren, war es Aufgabe der Frauen und der Kinder. Es wurden lange Bündel zu Würste gedreht, die dann um die angebrachten Latten gewunden wurden. Danach wurde loses Seegras darüber gelegt und festgetreten, das wiederum war die Aufgabe der Kinder. Was für eine schwere Arbeit! Diese Dächer sind sehr robust, einige sind 400 Jahre alt. Das Seegras kann nicht brennen, es isoliert so gut wie Merinowolle und hält Ungeziefer wie Mäuse, Ratten und Flöhe fern. Ein perfektes Baumaterial, welches wieder Beachtung findet, wie wir bereits im Utzon-Center in Aarlborg erfahren durften, sehr interessant. Zudem ist das alte Museumshaus mit einem Fachwerk aus Treibholz gebaut, außerdem wurden Teile eines gestrandeten Schiffs verwendet. Na, das nennt man doch Nachhaltigkeit!

Tanghaus auf Laesö

Tanghaus innen
die Seegrasbündel werden zu langen Würsten gedreht, hier mit Hilfe einer Bohrmaschine, früher mit der Hand

dann werden die gedrehten Stränge über die Latten gewunden und mit losem Seegras verfüllt

kleine Schutzhütte zum freien Campen mit Seegras

Das Holz verwendeten die Bewohner von Laesö lieber für die Salzsiederei, dahin führt unser nächster Besuch. In holzbefeuerten, riesigen Siedepfannen wird hier das Meerwasser erhitzt und so das Salz gewonnen. Der Ursprung dieser Salzsiederei liegt im Mittelalter. Die Kirche lockte damals die Bauern nach Laesö mit dem Versprechen, Steuern mit Siedesalz bezahlen zu können. Noch heute werden die Siedepfannen befeuert, das Laesö-Salz kann man hier kaufen. Interessant, doch einen Umweltengel gibt es für diese Art der Salzgewinnung sicher nicht. Da erscheinen uns die Salinen im Süden Europas, die die Sonne nutzen, deutlich umweltfreundlicher.

Salzsiederei

ein VW 1600, ein Auto der Familie aus Gerrit´s Kindertagen

Tangknäckebrot, Tangsenf und Tangbrot kaufen auf Laesö

mit dem Fahrrad zurück zum Hafen

Auf unserem Weg nach Süden ankern wir wieder einmal auf einem unserer Lieblingsplätze, im Vejdyb, ein Naturhafen unmittelbar vor dem Hafen von Egense. Hier liegt man geschützt inmitten der vorgelagerten Sandbänke, die Ostseewelle bricht sich an der großen Sandbank. Bei Windstärke 4 – 5 liegen wir ruhig inmitten dieser Idylle und genießen das schöne Licht und die einmalige Stimmung. Es erinnert uns sehr an die Karibik, wenn wir hinter den Riffbänken geankert haben.

Maik gibt uns den Tipp eines dänischen Seglers weiter und empfiehlt uns den nächsten dänischen Fjord zu besuchen, den Mariagerfjord, er gilt als der schönste Fjord Dänemarks. Warum nicht? Das Wetter ist eher herbstlich, sehr starker Wind ist für die kommenden Tage gemeldet, da kann ein behaglicher Fjord schon locken.

Der Mariagerfjord erweist sich wirklich als ein besondere Perle, abseits der Touristenströme.

Uns erwarten eine Vielzahl geschützter Ankerplätze, einer schöner als der andere. Dazu gibt es wunderschöne Wander- und Fahrradwege, die wir Abschnittsweise nutzen.

Mariagerfjord
immer wieder Pferde, Rinder oder Schafe auf endlosen Weiden. Sie denken, sie leben in Freiheit und pflegen die Natur

herrschaftliche Häuser
kleine Landhäuser

Innenhof in der Stadt Mariager

nicht nur die Hauswand ist schief! Gab es vielleicht zu viel Aquavit? 😉

wunderschöne Stimmung im Mariagerfjord
Kirche von Hobro

Am Ende des Fjords rundet ein Besuch des Wikingerortes Fyrkat das Ganze ab. Unsere derzeitige Bordlektüre führt uns in Form eines historischen Romans in die Zeit von König Harald Blauzahn. In Fyrkat gibt es eine der drei verbliebenen Ringburgen aus dieser Wikingerzeit, mit einem Durchmesser von 120 Metern. Dazu kann man die typischen Langhäuser aus der Wikingerzeit besichtigen. Sehr beeindruckend, besonders wenn man das Buch liest. Klare Empfehlung: „Die Abenteuer des röde Orm“ von Frans G. Bengtsson. Ein schönes Buch, wenn man sich an die besondere Ausdrucksweise der Wikinger gewöhnt hat, wird man auf ihre spannende Reise mitgenommen.  

um die kreisrunde Burganlage wurde ein 12 Meter breiter und 3 Meter hoher Wall aufgeschüttet. Die Front des Walls bestand aus eingerammten Planken. Es gab vier Tore, nach Himmelsrichtungen ausgerichtet. Vor dem Wall lag ein 7 m breiter Graben. Die Wikinger konnten vom Kattegat direkt mit ihren Schiffen bis nach Fyrkat gelangen. In dieser Burganlage standen 12 Langhäuser.
ein dänischer Architekt hat in den 80er Jahren ein Wikingerhaus mit konvexen Wänden nachgebaut

Gesendet von Mail für Windows

Wir haben den Mariagerfjord ausgiebig erkundet und müssen nun eine Schlechtwetterfront passieren lassen, es sind Böen bis Windstärke 9 gemeldet. Danach geht es wieder in die Ostsee, langsam südlicher zur Insel Samsö, so der Plan.

Unverhofftes schnelles Ende der Saison

Unsere Segelsaison 2022 nimmt ein schnelles und unerwartetes Ende, leider. Schuld ist ein nicht kartierter Felsen, der uns schließlich zum Abbruch unserer Reise zwingt. Was dann folgt, ist eine zermürbende und kräftezerrende Zeit, in der uns die Muße fehlt den Blog fortzuführen. Jetzt ist alles repariert, wir haben genügend Abstand zum Geschehen, endlich können wir den Blog 2022 beenden, damit wir die neue Saison beginnen können.

Das Unheil nimmt seinen Lauf, nachdem wir den netten Hafen in Mandal (Norwegen) verlassen. Wir lieben es zu ankern, das Leben an der Ankerkette, umherschwoien und dabei den Blickwinkel stetig zu ändern und gleichzeitig die umliegende Natur genießen. Norwegen macht es uns in dieser Hinsicht nicht leicht: die Küste fällt steil ab, das bedeutet große Wassertiefen bis ans Land und das bei schlecht haltendem Grund. Ankern wir sonst am liebsten in vier bis acht Meter Tiefe und in Sand, so müssen wir uns in Norwegen mit Tiefen zwischen 10 und 20 Meter anfreunden und dann auch noch den Anker im felsigen Grund fest platzieren. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Menge Kabel in Küstennähe verlegt sind, um die Wasser- und Stromversorgung zu den entlegensten Sommerhäuser zu bewerkstelligen. Ausgerechnet dort, wo diese Kabel liegen, gibt es für uns annehmbare Wassertiefen. Würden wir hier den Anker fallen lassen, so laufen wir Gefahr die Infrastruktur einiger Siedlungen zu zerstören, das wollen wir auch nicht. Wahrscheinlich würden wir uns damit keine Freunde in Norwegen machen! 😉

Obwohl die Stadt Mandal ganz reizend ist, verspüren wir nach drei Hafentagen die große Sehnsucht nach einem schönen Ankerplatz. Wir haben schon einige Plätze auf der Seekarte ausgesucht, ob sie wirklich taugen, wissen wir erst wenn wir vor Ort sind. Eine weitere Herausforderung sind die zahlreichen Felsen, besonders die nicht sichtbaren Unterwasserfelsen. Johan, unser schwedischer Segelfreund gab uns folgenden Tipp:  „seht euch die Felsen über dem Wasser an, so geht es unter Wasser weiter. Ist es steil, habt ihr nichts zu befürchten, sind die Felsen an Land langsam auslaufend, da gilt Vorsicht unter Wasser.“ Ja gut, das haben wir gelernt, das klappt. Doch wie sieht es mit den Felsen mitten in der Bucht oder die vorgelagerten Felsen aus? Da hilft der Blick in die Seekarte, wenn sie denn verlässlich ist! Genau das ist das Problem, denn die Küstenlinie von Skandinavien ist unglaublich lang und es gibt unfassbar viele Felsen. Allein Norwegen hat eine Küstenlänge von 2500 Km, rechnet man die Fjorde und Buchten mit, sind es sogar 29.000 km! Da kann nicht jeder Fels genau kartiert sein. Anwohner markieren ab und zu nicht sichtbare Unterwasserfelsen mit einer Boje oder Bake, um Unheil von den zahlreichen kleinen und schnellen Booten abzuhalten.

Als wir den Hafen von Mandal verlassen finden wir tatsächlich einen Platz über Sand, bei annehmbarer Tiefe, dafür aber auflandigem Wind…! Der Wind weht ordentlich, also ist dieser Platz keine Option, schade. Die Suche geht weiter, nur Geduld! Ein erneuter Blick in den Habourguide weist uns eine gut geschützte Ankerbucht (laut Guide, die sicherste Ankerbucht weit und breit), diese steuern wir voller Freude an. Gerrit fährt sehr langsam, sicher ist sicher! Doch plötzlich gibt es einen Ruck am Backbordrumpf, Grundberührung mit dem Kiel, oh Schreck. Durch die Bremswirkung am Backbordkiel dreht sich Mojito etwas, nun berührt der Steuerbordrumpf auch noch den Felsen, bremst am Kiel und treibt wieder zurück. Das ist das Fatale wenn man ein Mehrrumpfboot hat, doppelter Rumpf heißt doppelter Schaden!

Der Aufprall fühlt sich harmlos an, obwohl ich frei im Cockpit stehe, braucht es nur einen Ausfallschritt um den Aufprall abzufedern. Aber…., Grundberührung bleibt Grundberührung und…, es ist kein weicher Schlick oder Sand, nein, nein, hier gibt es nur Felsen!

Mir wird doch mulmig und ich kontrolliere, auf Gerrits Anweisung, sofort jede Bilge,  alles ist trocken, es gibt kein Wassereinbruch, puh, zum Glück. Aber wie kann es sein, laut Karte hätten wir hier 3 bis 9 Meter Wassertiefe?! Tja, hätte, hätte… Fahrradkette! Nun erst mal ankern und nachschauen.

Gerrit ist wirklich tapfer, denn die Wassertemperatur liegt bei 9 Grad. Einen Vorteil hat die Kälte: die sonst so zahlreichen Quallen lassen sich nicht blicken, bei der Kälte macht sich keine Qualle auf den Weg, nur hartgesottene Segler!

Gerrit taucht beide Rümpfe ab und sieht Beschädigungen im Frontbereich der Kiele, und Kratzer vorne am Steuerbordrumpf, alles sehr ärgerlich, aber augenscheinlich nicht hochdramatisch. Zum Glück haben wir noch unser Wundermittel aus Martinique an Bord, damit dichtet Gerrit vorsorglich die Kratzer am Steuerbordrumpf ab und den Schaden an beiden Kielen. Epicol heißt das Wundermittel, es lässt sich wunderbar unter Wasser verarbeiten und dichtet jedes Leck bombenfest ab. Davon brauchen wir unbedingt wieder was an Bord!

Der Schaden ist sehr ärgerlich, lässt sich nun nicht mehr ändern, die Reparatur soll dann im Herbst erfolgen, so unser erster Plan.

Die nächsten Tage verbringen wir im Flekkefjord, der Ärger über den Schaden verfliegt, es gibt wieder viel zu sehen, das lenkt uns ab. Wir können den Fjord nicht verlassen, laut Vorhersage braust der Wind vor der Küste ordentlich auf. Im Fjord merken wir nicht so viel davon, hier liegen wir  geschützt. Dann ändert sich die Windrichtung, wir nutzen die Gelegenheit und segeln wieder nach Lindesnes (den südlichsten Punkt Norwegens) um uns in Startposition zu bringen, damit wir dann den Skagerrak bei passendem Wind queren können. Die alte Welle, die sich durch den starken Wind der vergangenen Tagen vor der Küste aufgebaut hat, ist konfus und sehr unangenehm.  Mir ist  flau im Magen, doch wenn ich die Boote auf dem Gegenkurs beobachte, die sich stampfend auf und nieder durch die Wellenberge kämpfen, darf ich nicht meckern, es geht immer noch schlimmer!

Lindesnes ist ein reizender Ort mit einem kleinen Hafen, ein Wohlfühlort, hier könnten wir von mir aus gerne bleiben. Doch die Windvorhersage kündigt nur für den nächsten Tag den passenden Wind an, danach soll es wieder stürmisch aus der Gegenrichtung wehen, und das für mehrere Tage. Also los, da gibt es nichts zu überlegen, der Wecker wird auf 4.30 Uhr morgens gestellt, es sind schließlich 90 sm zu bewerkstelligen. 

 Wir starten in aller Frühe und rauschen bei perfektem Wind und wunderschönem Morgenlicht in Richtung Dänemark.

Spät abends steuern wir die Zufahrt zum Lymfjord an. Wir sind müde, es gibt eine unangenehme Kreuzsee, es ist grau und kalt, hoffentlich finden wir bald einen guten Ankerplatz. Plötzlich sehen wir eine Gruppe Schweinswale direkt um unser Boot, sie jagen um uns herum, was für ein ergreifender Anblick. Die aufgewühlte See scheint den Tisch für diese faszinierende Tiere reich gedeckt zu haben, sie begleiten uns eine ganze Weile, bei diesem Anblick geht uns das Herz auf. Schlagartig ist die Stimmung an Bord euphorisch gut, nur durch diese schöne Begegnung.

Es geht noch ein ganzes Stück in den Lymfjord, es zieht sich, dann finden wir ihn, den Ankerplatz für die Nacht, im Sand bei 4 Meter (!) Wassertiefe, endlich!! Nun eine große Portion Spaghetti und dann in die Koje und schlafen, herrlich!

Abendstimmung im Lymfjord

Am nächsten Tag bemerkt Gerrit, dass etwas Seewasser durch die Innenverschraubungen stetig ins Schiff tröpfelt. Eine Starkwindphase zwingt uns sowieso zum Abwettern, das gibt Gerrit Zeit zahlreiche Telefonate mit der Versicherung, deren Gutachter und diversen Bootsbauern zu führen. Gemeinsam kommen wir zu der Einsicht, Mojito muss aus dem Wasser, der Schaden muss an Land begutachtet werden und die notwendige Reparatur durchgeführt werden. Wenn Wasser ins Boot eindringt scheint der Schaden doch größer als zunächst gedacht zu sein und die Gefahr, dass es vielleicht einen Spannungsriss gibt, den man unter Wasser nicht erkennt, ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Nun beginnt die Suche nach einem passenden Kran und das ist schwieriger als zunächst gedacht. Man ist hier in der Ostsee nicht auf breite Katamarane eingestellt. Außerdem haben die Werften keine freien Kapazitäten. Wir erwägen zurück nach Norddeich (unser Winterquartier) zu segeln, dort gibt es den einzigen Traveller-Lift weit und breit. 

Schade, es ist erst Ende Juli, wir wollten doch jetzt ausgiebig die dänische Südsee erkunden! Wie sagte unsere australische Nachbarin in Licata: “it is like it is!“ Also nicht jammern, sondern die Dinge annehmen wie sie sind.

Der Gutachter unserer Versicherung weist uns eine Werft in Bremerhaven an. Er kennt sie und hat mit dem Werft-Chef gesprochen, sie können uns angeblich sofort reparieren und einen passenden Kran sollen sie auch haben. Das klingt fast zu schön um wahr zu sein, vielleicht ist die Saison dann doch noch nicht vorbei, ein Hoffnungschimmer.

Es ist viel Wind gemeldet, wir entscheiden uns daher für den längeren Weg durch die Ostsee, der ist sicherer, da weniger Welle. Würden wir den direkten Weg über die Nordsee nehmen, müssten wir in die Welle hinein. Das Risiko erscheint uns und der Versicherung zu hoch, da ein Spannungsriss nicht ausgeschlossen werden kann.

Das Wetter wird endlich schön, der Sommer ist nun da und wir müssen zurück in die Nordsee, wie schade. Die dänische Südsee stand dieses Jahr fest im Programm und es wäre perfekt aufgegangen. Bereits in der Saison 2021 mussten wir aus unterschiedlichen Gründen unseren Besuch der Dänischen Südsee vorzeitig beenden.  Wir wollen jetzt wenigstens einmal hindurchsegeln, wenigstens das…! 

Nachdem wir den Lymfjord wieder verlassen haben, segeln wir entlang der Küste Jütlands in Richtung Süden. Auf den langen Segelstrecken messen wir uns mit anderen Booten und liefern uns hier und da kleine Regatten. Ein netter Zeitvertreib und das Abschneiden macht uns stolz auf Mojito. Mojito erweist sich immer wieder als zuverlässiger und rasanter Segler (so lange wir keine Wende fahren müssen oder hoch am Wind segeln müssen, dann sind nämlich die Monohulls im klaren Vorteil!), es macht Spaß. Der Wind treibt uns durch den Großen Belt, entlang von Fünen  und dann weiter westlich durch die Dänische Südsee, vorbei an Svendborg und vielen kleinen reizvollen Ortschaften. Wir kommen aus dem Staunen nicht raus, so viele schöne Häuser und Gärten, traumhaft. Wir ankern eine Nacht vor Aerö und schlendern durch den Ort. Was für eine Atmosphäre, es ist Jazzfestival, es gibt viele Oldtimer und es ziehen Musiker durch diesen entzückenden Ort. Schade, dass wir weiter müssen. Wir wissen definitiv, hierher kommen wir noch einmal wieder. Beim dritten Anlauf muss es doch klappen!

wir segeln durch den Großen Belt
Storebaeltsbroen die längste Hängebrücke Europas. Die beiden Stahlbetonpylonen sind 254 Meter hoch, beeindruckende Baukunst!

wir segeln vorbei an wunderschöner Landschaft
wir kommen wieder, mit mehr Zeit!

Mit dem Dinghi anlanden auf Aerö

Aerö
Blick zur Ankerbucht
es ist Jazzfestival in Aerö
liebevoll restaurierte Oldtimer

Zurück geht es natürlich durch den NOK und wir pausieren für die Nacht an der Gieselau-Schleuse. Wir sind spät, die Plätze sind alle belegt, so ein Mist. Ich frage bei der MY Bandit ob wir uns im Päckchen dazulegen dürfen, wir dürfen, wie nett. Wir kommen ins Gespräch, es sind Marco und Karin aus Berlin. Wir verbringen einen sehr netten und unterhaltsamen Abend zusammen. Ich mag solche zufälligen Begegnungen, man lernt so nette Menschen kennen. Hoffentlich treffen wir uns eines Tages wieder.

Wir müssen morgen sehr früh raus, der Weg ist lang und wir müssen die Tide der Elbe berücksichtigen um mit dem Strom locker nach Cuxhaven zu kommen.

eine Übernachtung an der Giselau-Schleuse. Mojito im Päckchen an Bandit

Morgenstimmung mit Nebel an der Schleuse
...und im Nordostsee-Kanal. Da wird der Frühaufsteher belohnt!
… und im Nordostsee-Kanal. Da wird der Frühaufsteher belohnt!

in Cuxhaven ist der Hafen voll, alle müssen zusammenrücken

Nach einer Woche erreichen wir die Werft in Bremerhaven, Mojito wird aus dem Wasser gekrant. Unser Bauchgefühl sagt uns gleich, auf dieser Werft sind wir nicht richtig. Der Kran ist eigentlich nicht breit genug für Mojito, das Werftgelände nicht optimal, wir haben ein schlechtes Gefühl. Wir schieben unser Bauchgefühl beiseite und versuchen positiv zu bleiben. Wir vertrauen dem Gutachter und dem Fachwissen der Werft. Sie sind doch die Experten, nicht wir. Wird schon gut gehen…!

Ankunft in Bremerhaven. Warten an der Pier

die Box zum Kranen ist für Mojito zu eng. Es bleibt kaum Platz zum Abfendern. Der Winkel ist zu steil, die Stoßleiste wird beim Kranen herausgerissen

Mojito sieht traurig aus. Aus beiden Kielen läuft Seewasser hinaus, eine Feuchtigkeitsmessung der Rümpfe zeigt hohe Feuchtigkeitswerte an beiden Außenseiten der Rümpfe. Wie kann das sein? Nur der Steuerbordrumpf hat Kratzer. Wie kommt das Wasser in beiden Rümpfen?  Die Kiele sind ein gesondertes Bauteil, ohne Verbindung zum Sandwich. Das Wasser im Rumpf bleibt ein Mysterium, Niemand kann es sich erklären. Die Experten kommen zum Entschluss das gesamte Antifouling abzuschleifen, um vorhandene Risse zu lokalisieren. Wir vertrauen ihnen, ein fataler Fehler, der die Situation zum Albtraum werden lässt.

Der Kiel ist beschädigt
der Rumpfschaden ist provisorisch abgedichtet

Gerrit und ich haben das Antifouling gerade erst vor einem Jahr in mühseliger Arbeit aufgetragen. Da es ein Coppercoat-Anstrich ist, mussten 5 Schichten aufgetragen werden, nass in nass, d.h. an einem Tag! Nun soll alles wieder abgeschliffen werden! Aber was muss, das muss!

Das Wasser ist in die Innenschicht, dem Sandwich, eingedrungen. Wie das Wasser dahin kommt ist nicht zu erklären, aber es ist frisches Salzwasser, das ist Fakt. 

Also wird zunächst geschliffen. Das Coppercoat ist viel härter als gedacht und es vergehen Wochen mit mühseligen Schleifarbeiten. 

Die Werft erweist sich mehr und mehr als völlig inkompetent und verursacht durch unsachgemäßes Abschleifen des gesamten Unterwasserschiffs einen noch größeren Schaden am Rumpf. Das gesamte Unterwasserschiff ist nun in Wellenform geschliffen. Der aggressive Coppercoat-Schleifstaub hat sich über das gesamte Boot gelegt und sich in Form einer grauen Schicht ins Gelcoat gefressen. Jeder Versuch diese graue Schicht zu entfernen endet in Frust. Das Agieren dieser Werft ist wahrlich nicht Vertrauen einflößend. Gerrit führt zahlreiche Telefonate, erkundigt sich bei anderen Gutachtern und kommt zu der Erkenntnis, dass wir augenscheinlich an die falsche Werft geraten sind. Ihr bisheriges Vorgehen lässt keine weitere kompetente Reparatur erwarten. 

das gesamte Unterwasserschiff ist in Wellenform geschliffen. Mojito hat eine Orangenhaut!

der Schleifstaub hat sich ins Gelcoat gefressen. Mojito ist nicht mehr weiss sondern dreckig-grau! Die graue Schicht lässt sich mit keinem Putzmittel entfernen.

Wir könnten heulen, aber das löst nicht das Problem. Wir müssen Mojito hier wegholen, das ist uns klar, doch leider nicht so einfach. Es folgen weitere endlose Gespräche mit der Versicherung und dem Gutachter. Auf unsere Anweisung werden alle weiteren Arbeiten gestoppt, wir möchten nicht noch mehr Schaden am Boot, es reicht!

Wir brauchen eine Alternative und Gerrit telefoniert die in Frage kommenden Werften an. Dieses Mal brauchen wir nicht wieder einen Reinfall, dieses Mal suchen wir die Werft selbst aus.

Wir finden die Winkler-Werft in Bremen, fahren hin, der erste Eindruck wirkt kompetent und positiv.

Es vergehen noch einige Wochen bis wir Mojito nach Bremen überführen können. Erst müssen einige von der Werft zugefügte Bohrungen im Rumpf wieder abgedichtet werden.

Mojito wird mit einem Slipwagen aus dem Wasser geholt

Mittlerweile ist es November und viel zu kalt für die Reparatur geworden, Mojito kommt auf der Winkler-Werft in eine beheizte Halle. Die Rümpfe müssen außen im Unterwasserbereich über die gesamte Länge geöffnet werden und der innenliegende Würfelschaum ausgetauscht werden. Danach muss das Laminat neu aufgebaut werden, schließlich das Gelcoat und der Coppercoatanstrich aufgetragen werden. Innen müssen einige Wrangen neu laminiert werden. Die Kiele müssen abgebaut und repariert werden. Zum Glück erweist sich die Winkler-Werft als kompetente Adresse. Die Arbeiten werden fachmännisch ausgeführt, der Rumpf wieder aufgebaut. Der Rumpf hat tatsächlich wieder eine glatte Form. Nach dem Wellenschliff in Bremerhaven hätten wir das fast nicht mehr für möglich gehalten. Die Winkler Werft hat sehr gute Arbeit geleistet.

die Wrangen in den Bilgen werden teilweise neu laminiert. Es wird sauber gearbeitet, alles ist mit Folie abgehängt!

auch von außen ist Mojito gut eingehüllt und gleicht einem Kunstwerk von Christo.
die Außenrümpfe sind im Unterwasserbereich der Länge nach aufgetrennt, der innenliegende, nasse Würfelschaum wird entfernt
der nasse Schaum wird mühevoll entfernt
die Kiele sind abgebaut und werden gesondert repariert, mit Schaum verfüllt und wieder laminiert
der Rumpf ist wieder aufgebaut und glatt gearbeitet. Das Coppercoat, als Unterwasseranstrich, wird in fünf Schichten aufgetragen
der Mast hat sein Winterlager verlassen und wird für den Aufbau vorbereitet

Alles in allem war es eine viel aufwendigere Reparatur, als zunächst gedacht. Und das alles wegen einem dusseligen, nicht kartierten Fels! Aber den haben wir gemeldet, der ist nun kartiert, der Lümmel! Navionics (die elektronische Seekarte) hat es bereits geändert. Die norwegische Küstenwache hat es aufgenommen und uns ein Dankeschreiben geschickt, dass sie es neu vermessen haben und es nun vermerkt ist. Hm, in Schweden bekommt man 100 € für solch eine Meldung, egal,  Hauptsache der Fels ist nun aufgenommen.

Ankerplatz bei Mandal
die Seekarte vor der Kollision mit dem Felsen. Die Wassertiefe ist angeblich bei 3 bis 9 Meter. Einzelne Felsen sind erkennbar
Nun ist der Felsen als Plateau erkennbar und die Wassertiefe mit 0,5 Meter vermerkt!

Nun ist Mojito endlich repariert, er schwimmt wieder, die neue Saison kann beginnen!

Mojito ist repariert und wartet am Ponton der Winkler-Werft an der Lesum in Bremen

Ach ja, eins hat sich geändert: der offizielle Heimathafen ist nicht mehr Norddeich, es ist nun Greetsiel. Jetzt ist Mojito ein Krummhörner 😉!

Norwegen – das Land der Trolle

Vor 35 Jahren bereisten wir schon einmal Norwegen, damals als „Landtouristen“ mit einem Campingbulli.

Nun ist es an der Zeit Norwegen noch einmal zu besuchen, doch dieses Mal von See aus. Wir sind gespannt was uns erwartet und wie sich Norwegen von See aus präsentieren wird.

Wie bereits erwähnt, haben unsere schwedischen Freunde, Johan und Lisa, uns dazu gebracht, unsere ursprünglich geplante Route zu überdenken. Wir haben uns entschieden den Oslofjord auszulassen, es würde zu viel Zeit kosten, den Fjord hinein und wieder hinaus zu segeln. Lieber möchten wir die Zeit vor den anstehenden norwegischen Ferien ausnutzen, man sagt uns, dann wird es sehr voll.

Norwegen hat eine Küstenlänge von 2.500 Kilometer, zählt man die vielen Inseln und Buchten hinzu, dann sind es sogar 29.000 Kilometer! Dafür reicht unser Leben nicht aus, also folgen wir Johan und Lisas Rat und beschränken uns auf die Südküste. Sie ist bei den Norwegern als Urlaubsregion sehr beliebt und gilt als Norwegens Riviera, aufgrund der (für Norwegen!) milden Temperaturen. Bei den übrigen Touristen ist diese Küste eher unbekannt und wird, wenn, nur für die Durchreise genutzt oder für Angelurlaube an den Flüssen.

In unserer Erinnerung gab es bei unserer ersten Norwegenreise nur schlechtes Wetter, sogar Schnee und es gab sehr selten Gemüse zu kaufen, und wenn, dann unbezahlbar.

Gerrit hat große Bedenken nach Norwegen zu segeln und zählt die negativen Seiten auf: das unbeständige Wetter; schlechte Ankerbedingungen aufgrund der großen Tiefen und dazu wenig geeignete Ankerbuchten und Häfen für einen Katamaran.

Wir beschließen einfach zu probieren was geht und können, falls es nicht passt, jederzeit den Kurs wechseln und wieder nach Dänemark segeln.

Die Norweger waren stets ein Volk von Seefahrern, angesichts der bescheidenen Fruchtbarkeit ihres Landes, machten sie sich schon in frühen Zeiten auf dem Weg in die weite Welt. Das spürt man noch heute. Die Infrastruktur für den Bootstourismus ist perfekt ausgebaut. Wir fühlen uns als Segler überall willkommen, die Häfen sind  preisgünstig, dazu gibt es zahlreiche kostenlose Naturhäfen mit liebevoll angelegten Steganlagen. Das muss man anerkennen, der norwegische Staat tut viel für seine Bürger und die Menschen wissen dies zu schätzen und behandeln die Sachen pfleglich. 

Von seinen fünf Millionen Einwohnern besitzt gefühlt (!), jeder Norweger ein Haus, dazu ein Sommerhaus, ein oder mehrere Boote und vielleicht noch ein Haus in einem norwegischen Skigebiet. Die Kinder lernen den Umgang mit einem Boot schon sehr früh. Zur Grundausstattung gehört selbstverständlich das Tragen einer Schwimmweste. Damit ausgerüstet, geht es für Kinder und Jugendliche hinaus aufs Wasser, ohne Begleitung von Erwachsenen. Sie treffen sich, statt mit Mofas, häufig mit ihren Booten und cruisen gemeinsam durch die Gewässer, Benzin scheint nicht das Problem zu sein!

Kein Wunder, dass auch dieses skandinavische Land seit Jahren um den Titel des glücklichsten Volk der Erde stets die Nase vorn hat. Eigentlich wechseln sich diese skandinavischen Länder nur mit Island um den Titel ab und belegen immer die ersten Plätze.

Was uns gleich auffällt und uns immer wieder staunen lässt, sind die wunderschönen Lichtverhältnisse und der strahlend blaue Himmel. Diese Lichtintensität haben wir so noch nirgends gesehen.

Um aus dem Svinesund kommend, den Oslofjord zu queren , müssen wir zunächst nach Süden segeln, durch den Ytre Hvaler Nationalpark. Der direkte Weg ist uns aufgrund einer festen und, für uns, zu niedrigen Brücke versperrt. 

Unsere erste Nacht in Norwegen verbringen wir im Nationalpark vor der Insel Akeröy, an einem historischen Ankerplatz. Obwohl wir inmitten einer niedrigen Felsenlandschaft ankern, liegen wir hier sehr geschützt, direkt unter den Resten einer alten Festung. Auf der Insel leben einige Schafe, ihr Blöken hallt durch die Bucht. Außerdem gibt es zahlreiche Kanuten, die ihr Zelt für die Nacht richten und gemeinsam am Lagerfeuer sitzen. Eine friedliche Abendstimmung, bei stimmungsvollem Abendlicht, hier fühlt man sich geborgen.

Ankern vor Akeröy

Weiter geht es am nächsten Morgen, wir starten früh und wollen die Einfahrt zum Oslofjord queren und in Richtung Langesund segeln. Hier soll sie beginnen, die Riviera am Skagerrak. Die Zeitschrift „The Independent“ hat diese Region als die „coolste Riviera Europas“ gekürt. Angeblich finden sich nirgends sonst in Norwegen solch reine Landschaftsformen, wie sie die über 3000 Schären dieser Region bieten, solch karibisch schöne Strände im Saum tiefer Wälder und prächtiger Holzbaustädte. Diese Küste ist bekannt für ihre weißen Küstenorte, mit verwinkelten Kopfsteinpflastergassen und stolzen Villen, von Rosen umrankt. All diese Städte haben ihren einstigen Wohlstand dem Holz- und  Lachshandel zu verdanken.

Abends laufen wir die Insel Haöya an und ankern in der Paradisbukta (Paradiesbucht), na, wenn das nicht vielversprechend ist! Wir trauen uns nicht in den inneren Teil der Bucht hinein, da die Durchfahrt sehr eng scheint und ankern lieber in der vorderen Bucht. Schon hier ist es traumhaft schön. Dicke runde Felsen, mit Bäumen bewachsen, umrahmen diese malerische Bucht mit türkisblauem Wasser. Wow! Da gehen wir doch gleich ein paar Runden schwimmen, wenn man lang genug im Wasser ist, fühlt es sich auch nicht mehr so kalt an! In der inneren Bucht gibt es einen Naturhafen, das heißt, Boote können hier an einer Steganlage, oder direkt am Felsen an Schärennägeln, festmachen. An Land gibt es mehrere Grillmöglichkeiten, mit Sitzgelegenheiten (teilweise wettergeschützt), Müllentsorgung und Toiletten, alles kostenlos und in einem tadellosem Zustand. Zudem starten von hier markierte Wanderwege, wirklich ein Traum. Nach dem Abendessen fahren wir mit dem Dinghy an Land und wandern eine wunderschöne Tour mit grandiosen Ausblicken über die Landschaft. Es ist eine Abenteuertour mit steilen Kletterpassagen verbunden mit einem riesigen Spaßfaktor. Zurück am Ausgangspunkt werden wir von einer norwegischen Familie angesprochen, sie sind mit drei Erwachsenen und vier Kindern auf einem Segelboot unterwegs. Ein Katamaran ist hier sehr selten, wir fallen auf. Wir plaudern nett miteinander, sie geben uns noch einige Tipps, wir werden diese nette Familie später noch einige Male wieder treffen. Es ist so herrlich in dieser Paradiesbucht!

Naturhafen Paradisbukta

Wanderwege ab Paradisbukta

Mojito in der Paradisbukta von oben

Am nächsten Morgen frühstücken wir ausgiebig und genießen weiterhin die Stimmung, doch plötzlich schlägt das Wetter um, der Wind fegt mit großer Gewalt durch die schmale Öffnung der Bucht, es fängt an heftig zu regnen. Unser eigentlich zuverlässiger Anker kapituliert unter diesen Bedingungen (Wind und felsiger, tiefer Ankergrund), Mojito treibt gefährlich auf die Felswand zu, wir müssen eiligst den Anker lichten und aus dieser Bucht raus. Das eigentlich türkisblaue Wasser wechselt in ein unfreundliches Grau, das Wasser ist aufgepeitscht, die Paradiesbucht sieht nicht mehr so paradiesisch aus! Wir sind froh, durch die schmale Zufahrt hinaus zu kommen, doch auch draußen ist es sehr ungemütlich. Von der Umgebung können wir nichts erkennen, die Sicht ist schlecht, es gibt keine geschützte Bucht in erreichbarer Entfernung. Da hilft kein Jammern, wir müssen uns durch dieses Wetter kämpfen und erreichen nach ein paar Stunden den Hafen von Kragerö. Erleichtert machen wir am Steg fest und müssen uns erst wieder sortieren. Hauptsache wir liegen erst mal geschützt. Wir haben an einem der ersten Außenstege festgemacht und fühlen uns wie im Parkhaus. Es ist ein Kommen und Gehen von Menschen, die von den umliegenden Schären  mit ihren kleinen Booten hier anlegen und zum Einkaufen in den Ort gehen. In Norwegen braucht man tagsüber in den Häfen nicht zu bezahlen, erst abends ab 18 Uhr. Das ist super, man kann die Städte tagsüber besichtigen oder einkaufen gehen und abends wieder ablegen. Man darf selbstverständlich auch kostenlos Wasser tanken und den Strom nutzen, das ist wirklich ein toller Service! Wir schauen vom Boot aus dem geschäftigem Treiben an unserem Steg zu, bewundern die unterschiedlichen Boote und staunen über die Mengen an Alkohol, die aus dem Vinmonopolet heraus geschleppt werden. Wenn eine Stadt mehr als 2700 Einwohner zählt, erhält sie das Stadtrecht und hat Recht auf ein Vinmonopolet. Das ist das offizielle und staatlich geführte Geschäft, das Alkohol verkaufen darf. Die Preise sind exorbitant hoch, mindestens das dreifache wie in Deutschland. Alkohol trinken in der Öffentlichkeit ist in Norwegen verboten, ausgenommen sind Restaurants und Bars.

mit dem Boot zum Einkaufen

Kragerö ist die erste der weißen Städte an der Südküste Norwegens. Diese zauberhaften Städtchen mit ihren weißen Holzhäusern säumen die Südküste und sind allesamt sehenswert. Die Südküste gilt bei den Norwegern als ihre Riviera, da sie als sonnenreich gilt, mit milden Temperaturen. Davon spüren wir wenig. Es ist zwar sonnig, aber das Thermometer steigt selten über 20 Grad, dazu gibt es einen starken, eisigen Nordwestwind, der die Temperatur, gefühlt, um einige Grade sinken lässt. Während die Norweger hier in Shorts oder luftigen Kleidchen den kalendarischen Sommer genießen, frösteln wir oft mit unseren Fleecepullovern und zweifeln an unserem Temperaturempfinden.

Wir beobachten das Kind von unserem Nachbarboot, dass bei 12 Grad Wassertemperatur wiederholt jauchzend ins Wasser springt und zwischendurch nass im kalten Wind steht. Keine Frage, da sind sie wieder die Wikinger-Gene! Kein Wunder, dass die Wikinger bei Wind und Wetter über die Weltmeere segeln konnten.

Uns ist häufig kalt und dazu macht uns der stetige Nordwestwind das Segeln unmöglich, da unser Weg uns von Ost nach West führt, also müssen wir mal wieder unter Maschine fahren. 

Wir finden immer wieder Ankerbuchten, doch das Ankern bleibt speziell, da der Untergrund meist felsig ist und die großen Tiefen eine Herausforderung bleiben. Auch das tägliche Schwimmen fehlt uns dieses Jahr schmerzhaft. Es ist immer ein besonderer Luxus direkt vom Boot aus ins Meer zu springen und mehrere Runden um Mojito zu drehen. Die niedrigen Wassertemperaturen ( 8 bis 14 Grad!) erschweren dies zum einen, aber auch die unzähligen Quallen lassen es meist nicht zu. Das ist für uns wirklich ein Wermutstropfen, denn die Quallen lassen sich nicht ignorieren, da es sich ausschließlich um, teils, gewaltige Feuerquallen handelt, mit denn man sich keinen Hautkontakt wünscht!

Aber die wunderschöne Küste entschädigt für all die übrigen Einschränkungen und wir besuchen abwechselnd die allesamt wunderschönen weißen Städte, dazwischen malerische Buchten in den Schären und immer wieder atemberaubende Passagen, das alles in unglaublichem Licht.

Wanderung von der Ankerbucht Lindviksdalen

Eine besondere Perle unter den weißen Städten entlang der Südküste ist das reizende Städtchen Risör. Der Hafen ist gut belegt, doch wir entdecken ganz vorne in der Ecke noch einen passenden Platz. Wir spazieren über die Kopfsteinpflasterstraßen und bewundern die schönen Villen und Holzhäuser. Risör gilt als eine der besterhaltenen Holzbaustädte Europas und ist wirklich sehenswert. Zurück im Hafen macht uns unser norwegischer Nachbar darauf aufmerksam, dass unser Platz vielleicht eine zu geringe Wassertiefe haben könnte. Momentan reicht das Wasser noch, das hatten wir beim Anlegen im Blick. Doch durch die Gezeiten wird der Wasserstand um 30 cm sinken, dann könnte es knapp werden, der gewaltige Unterwasserfels wirkt etwas bedrohlich. Also gut, wir beschließen doch lieber auf Nummer sicher zu gehen und verlassen abends den Hafen und suchen uns eine Ankerbucht.

Risör

Risör
herrliche Wanderwege
Wandern mit Kletterpassagen
Ankern im Sand bei starkem Wind vor Sömskilen
Blick auf Grimstad

Grimstad

Grimstad
Haus in den Schären

Eine besonders schöne Passage soll der Schärenkanal Blindleia sein, ein Gebiet zwischen der schönen Stadt Lillesand und Kristiansand. Die Hauptroute bleibt uns in Teilen verwehrt, entweder aufgrund einer zu niedrigen Brücke oder zu engen Passagen. Wir fahren die Strecke in Abschnitten und kommen uns aufgrund der vielen schnellen Boote wie auf einem Highway vor. Deshalb entscheiden wir uns dafür die Hauptroute zu verlassen und befahren eine Nebenstrecke, die wir landschaftlich dann sogar viel reizvoller finden. Und auch hier finden wir eine schöne Ankerbucht, ankern in 16 Meter Tiefe auf steinigem Untergrund und wettern den kräftigen Wind der kommenden Tage im Schutz der hohen Küste ab. 

Ytre Hellesund

Blindleia
Narvika, eine Bucht, eine Familie
Besuch an Bord. Erst noch freundlich, nachdem das Brot verspeist ist, wird unfreundlich gedroht

Ankerbucht Amlandskilen

Wir fühlen uns sehr wohl in Norwegen. Die Menschen sind unglaublich freundlich und entspannt. Immer wieder werden wir angesprochen und gefragt, wo wir denn herkommen, so nett und immer höflich distanziert.

Lillesand
Lillesand

In Norwegen wird überall mit Kreditkarte bezahlt, Bargeld ist die Ausnahme und unnötig, das finden wir als Touristen großartig, es erspart uns das lästige Wechseln in Fremdwährung. Als ich in Mandal an einem Marktstand die Erdbeeren nicht bezahlen kann, weil das Kartenlesegerät defekt ist, bietet sich ein Herr an, dieses für mich zu übernehmen. Das ist mir peinlich, doch bevor ich etwas erwidern kann, hat er das Geld hinübergereicht und ist gegangen. Ich bin sprachlos, besonders weil die Erdbeeren wirklich nicht billig sind!

Häufig treffen wir in Abständen die selben Yachten wieder, da unser Weg der gleiche ist. So treffen wir immer mal wieder Andrea und Guido auf ihrer SY Anna aus Deutschland und verbringen nette Abende miteinander. Sie haben schon ihre Erfahrungen mit dem Anlegen am Felsen gesammelt und assistieren uns bei unserem ersten Versuch. Nachdem wir eine Nacht in der Mitte der schönen Bucht NY Hellesund geankert haben, bietet sich am nächsten Tag eine Chance, als eine Yacht ihren Platz am Felsen verlässt. Guido inspiziert mit seinem Standup-Paddelboard die Stelle auf mögliche Unterwasserfelsen und schlägt einen zusätzlichen Schärennagel für uns ein. Das Anlegen klappt perfekt und es fühlt sich gut an, so windgeschützt am Felsen gekuschelt zu liegen. Wir fühlen uns nun fast als „locals“!

zufälliges Treffen in den Schären. Guido und Andrea SY Anna

Festmachen am Fels bei ausreichender Wassertiefe

Abendstimmung in der Ankerbucht. Der Himmel brennt!

Wie überall entlang der Küste, finden sich auch hier große Bunker- und Befestigungsanlagen aus der deutschen Besatzungszeit. Von der Ankerbucht NY Hellesund starten wir einen Landgang und staunen über die Vielzahl an Bunker, Schützengräben, Flaggstellungen und Reste der Unterkünfte, die hier einst gebaut worden sind. Es ist alles so belassen worden, dadurch fühlt es sich bedrückend authentisch an, so als wären die deutschen Soldaten gerade erst abgezogen. Teile der Ausrüstung stehen noch dort, die Bunkeranlagen sind frei zugänglich. Es ist gespenstig und ebenso bedrückend. Aber eins ist sicher: die Deutschen sind Weltmeister im Betonbau. Kein Beton ist so haltbar wie der der Wehrmacht!

verlassene Stellung der Wehrmacht

Unsere letzte Stadt an der Südküste, bevor wir das Kap Lindeness umrunden, ist das charmante Städtchen Mandal. Auch hier suchen wir Schutz vor dem stetig starken Nordwestwind, der uns so langsam wirklich nervt!

Mandal

Wir nutzen die Zeit und packen unsere Fahrräder aus und fahren am Fluss Mandalselva entlang, ein beliebter Angelplatz für Lachse. Der Fluss führt durch schöne Landschaften und  beeindruckt immer wieder mit reißenden Stromschnellen. Hier schwimmen die Lachse vom Meer herein und schwimmen gegen den Strom, gegen Stromschnellen, den Fluss hinauf bis zu ihren Laichplätzen. Was für eine Quälerei, die armen. Warum nur hat sich die Natur solch eine Strapaze ausgedacht! Wie gut, dass ich nicht als Lachs geboren wurde!

der Fluss von Mandal
Stromschnellen von Mandalselva
hier müssen die Lachse gegen den Strom schwimmen!

Unsere Tour führt uns durch eine so schöne Landschaft, dass wir auf dem Rückweg beschließen noch eine Bonusrunde zu nehmen und die Tour auszudehnen. Was wir Ostfriesen leider zu spät bemerken, ist, dass diese Tour stetig bergauf führt, dazu mit Gegenwind, das ist definitiv die Steigerung zum Fahrradfahren mit Gegenwind in Ostfriesland!! Die Oberschenkel brennen, wir kämpfen uns im kleinsten Gang Meter für Meter hinauf, immer in der Hoffnung den Pik gleich zu erreichen. Den erreichen wir nach fünf Kilometern steil bergauf, ein Anwohner zollt uns oben Respekt und versichert uns, dass wir gleich mit schönen Ausblick belohnt werden, immerhin!

Auch Mandal verzaubert uns und wir bleiben drei Tage an diesem schönen Platz. Wir erfahren, dass die Einwohner von Mandal Mandalitten (ein reizender Name) heißen und vom Lachsfang und vom Holzhandel mit Holland gelebt haben.

Ihr Motto heißt: „Lachs in den Taschen, Eier in den Schuhen und Brot im Hut“, dann ist die Welt in Ordnung!

die Mandalitten – Lachs in den Taschen, Eier in den Schuhen, Brot im Hut

In Mandal wechseln wir im Hafen den Platz und liegen nun neben Lars aus Deutschland. Er hat ein Erasmus-Semester in Göteborg absolviert und befindet sich mit seiner kleinen, feinen, 45 Jahre alten Segelyacht nun auf dem Weg nach Amsterdam. Hier in Mandal besucht ihn seine Familie und wir staunen, dass sie alle vier Platz finden auf diesem 26 Fuß kleinem Segelboot. Wir haben schon ein schlechtes Gewissen und fühlen uns etwas dekadent, dass wir zu zweit auf dem Katamaran wohnen, während sie sich zu viert in ihrer winzig kleinen Kajüte zusammenquetschen. Doch sie sind gutgelaunt und die beiden Kinder scheinen dieses Abenteuer sehr zu genießen. Lars beeindruckt uns durch seine Freundlichkeit und Entspanntheit und seinem Optimismus im Hinblick auf seine bevorstehende, nonstop Überfahrt in Richtung Niederlande.

Lars mit seiner SY Galadriel. Das Boot ist unglaubliche 45 Jahre alt

Bevor wir den südlichsten Punkt Norwegen, das Kap Lindeness, umrunden, ankern wir in einer wunderschönen Bucht und unser abendlicher Spaziergang durch den kleinen Ort wirkt schon kitschig, wie aus einem Film und erfüllt alle denkbare Klischees über Norwegen. Ein Häuschen schöner als das andere, die Anwohner grüßen uns freundlich. Eine Frau im Blümchenkleid läuft mit frisch gebackenem, duftenden Kuchen an uns vorbei, alle Menschen sind gut gelaunt, hier muss das Schlaraffenland sein!

Ankerbucht Hillvägen
Hillvägen, kitschig schön

Bevor wir Norwegen verlassen, möchten wir noch wenigstens in einem richtig großen Fjord gewesen sein. Also umrunden wir das Kap Lindeness und segeln durch den Flekkefjord zur Stadt Flekkefjord.

Kap Lindesnes, der südlichste Punkt von Norwegen

Auf dem Weg ankern wir erst in einer kleinen Ankerbucht am Fjordanfang. Die Einfahrt ist so eng und verwinkelt, dass wir sie erst erkennen, als wir genau davor stehen. Dicke Wolken hängen tief über die Felsen und lässt die Stimmung mystisch erscheinen. Es fehlt entweder ein Troll oder mindestens ein Elch, dann wäre das Bild perfekt! Was für ein Ort, mitten im Nirgendwo!

hier soll die Durchfahrt zur Ankerbucht Kalvekilen sein??
was für eine mystische Stimmung! Einfahrt in die Ankerbucht

Ankern in Kalvekilen
die mystische Bucht Kalvekilen am nächsten Morgen bei Sonne

Der Fjord ist so schön, wir beschließen noch einen Naturhafen anzulaufen und machen an der Steganlage fest, gleich hinter der SY Anna. Guido und Gerrit angeln abends noch einen Fisch, den wir vier gemeinsam verspeisen und damit einen weiteren netten Abend zusammen verbringen. Anschließend fallen wir todmüde in einem tiefen Schlaf aus dem wir frühmorgens durch lautes Klopfen am Rumpf, abrupt aus den Träumen geweckt werden. Aus dem Tiefschlaf gerissen, sind wir zunächst etwas orientierungslos und stolpern an Deck, um nachzusehen, wer uns da wecken möchte. Am Steg stehen drei Männer in voller Montur, es sind die Seenotretter, nanu! Sie erklären uns, dass sie eine Distress-Meldung (einen Notruf) von Mojito erhalten hätten und deshalb ausgerückt wären um nach dem Rechten zu schauen. Häh??! Warum sendet Mojito einen Notruf während wir schlafen?? Was sind denn das für neue Marotten?! Wir können es uns nicht erklären. Unser Funkgerät ist ausgeschaltet, wer soll da einen Notruf gesendet haben? Plötzlich hat Gerrit eine Idee: unsere Rettungswesten. Wir haben unsere Rettungswesten mit einem zusätzlichen MOB-Sender (man over bord) ausgestattet. Wenn einer von uns über Bord fällt, wird der Sender aktiviert und sendet Alarm aus. Wir holen die Rettungswesten aus der Kiste und siehe da, ein Sender hat sich einfach von alleine aktiviert, mitten in der Nacht, während wir friedlich schliefen, na sowas! Es ist uns sehr unangenehm, dass wir einen Rettungseinsatz ausgelöst haben, wir entschuldigen uns dafür. Die Seenotretter sind überaus freundlich und versichern uns, dass für sie alles okay ist und sie froh sind, dass es kein Notfall ist und bei uns alles in Ordnung sei. Sie deaktivieren den Notruf, der in diesem Fall über Rescue Bremen geht und wünschen uns noch einen schönen Tag.

Segeln durch den Flekkefjord
Naturhafen Torsöyene

Nach diesem Schreck geht es weiter zur Stadt Flekkefjord. Auch dieses charmante weiße Städtchen erobert sofort unser Herz. Der einstige Holzhandel mit Holland hat hier Spuren hinterlassen, es gibt hier ein sehr schönes holländisches Viertel.

Flekkefjord Stadt
oben wohnen, unten Bootsgarage

Wir mieten uns eine Draisine und fahren auf den alten Schienen entlang des Fjords, durch alte tropfende Tunnel und entlang schöner Landschaften, eine durchaus schweißtreibende Angelegenheit mit großem Spaßfaktor. Auf der Rücktour reißt die Kette der Draisine von Guido und Andrea. Zum Glück fahren sie ein Stück vor uns, so können wir gemeinsam die Draisine von den Schienen heben. Weiter geht es zu viert auf einer Draisine, wobei Gerrit und Guido in die Pedale treten müssen und Andrea und ich auf der Kinderbank Platz nehmen. Die Männer schlagen unser Angebot aus, sie beim Treten abzulösen. Zu viert haben wir  eine gewaltige Schwungmasse, die uns die abschüssigen Abschnitte der Strecke hinabsausen lassen. Bergauf feuern wir natürlich die beiden Männer an, so schaffen wir es schließlich die 17 Km zurück zum alten Bahnhof. Ein schöner Abschluss unserer Norwegenreise. 

Abfahrbereit mit der Draisine
über die Schienen entlang der schönen Landschaft

Kulinarisch hat uns Norwegen nicht so gepackt, außer natürlich das wunderbare Angebot an fangfrischem Fisch und der vorzüglichen skandinavischen Garnelen. Leider hatten wir beim eigenen Fischfang kein Glück. Der ersehnte selbst gefangene Lachs blieb uns leider verwehrt. 

Das Angebot an Gemüse hat sich doch in den letzten Jahren deutlich gewandelt, es gibt, im Vergleich zu früher, ein großes Angebot. Leider ist jedes Gemüse in Folie eingeschweißt, aus Umweltsicht nicht nachvollziehbar, da enttäuschen uns die Norweger.

Wir haben uns noch einmal an dem norwegischen Braunkäse, dem Brunost, probiert. Aber so wie damals auch, können wir keinen Gefallen daran finden. Er schmeckt süß, wie Karamell, und hat eine klebrige Konsistenz. Da gibt es schmackhaftere Käse!

Ein Blick auf die Wetterkarte zeigt uns, dass wir die Gelegenheit nutzen sollten, wenn wir den Skagerrak queren möchten um nach Dänemark zu kommen. Wind und Welle ändern sich hier ständig, man muss den Zeitpunkt gut abpassen. Entweder es ist zu viel Wind oder zu wenig, aber dann mit alter Welle (dann meutert die Crew!) oder der Wind kommt komplett aus der falschen Richtung. Die Passage von Lindeness nach Thyborön beträgt 90 sm, da muss der Wind passen damit wir es in einem Tag schaffen.

Hafen Lillehaven direkt am Kap Lindesnes

Wie immer fällt der Abschied schwer, auch wenn dieses Revier nicht unser Lieblingsrevier mit dem Katamaran ist. Trotzdem bleibt uns Norwegen mit seinen sehr überaus liebenswerten Menschen, seiner atemberaubenden Landschaft, seinem faszinierendem Licht und seiner wohltuenden Entspanntheit in sehr guter Erinnerung.

südlichster Leuchtturm Kap Lindesnes mit vielen deutschen Befestigungsanlagen. Tschüß Norwegen!

Schweden – Westküste von Göteborg zum Svinesund

Von Anholt segeln wir hinüber nach Schweden, der Wind passt perfekt. Bei Sonnenschein gleiten wir durch das Kattegat, so macht es Spaß! Wir müssen noch die Hauptschifffahrtsroute vor Göteborg kreuzen, bei dem regen Verkehrsaufkommen der zahlreichen Frachtschiffe, ist es für uns unter Segel eine spannende Sache.

Es ist zwar kein Verkehrstrennungsgebiet, d.h. die Frachtschiffe haben keine Vorfahrt und wir sind nicht verpflichtet den Weg rechtwinklig zu queren. Trotzdem möchten wir nicht auf unser Vorfahrtsrecht pochen, welches uns unter Segel eigentlich zusteht. Also suchen wir uns eine Lücke, in der es vielleicht passen könnte. Leider ist der eine Frachter langsamer als gedacht und der nächste dafür schneller, so ein Mist. Wir funken den zweiten Frachter an und fragen, ob wir noch vor ihm lang können. Er bittet uns, hinter ihm zu passieren, das wäre ihm lieber. Na gut, für uns heißt es das Vorsegel einzuholen um Fahrt rauszunehmen. Wir haben ja Zeit, was soll´s!

Nun suchen wir noch einen passenden Ankerplatz in den Schären, wir brauchen Schutz vor dem starken Westwind.

Abendstimmung in den Schären vor Göteborg

Der Wind bläst jeden Tag beständig in Stärke 4 – 6 und dazu auch noch sehr kalt. Dementsprechend kleiden wir uns zum Segeln: Funktionsunterwäsche, dicker Pulli und Jacke. Die Schweden und Norweger begegnen uns in T-Shirt und Shorts!! Keine Frage, sie stammen von den Wikingern ab, anders ist dies nicht zu erklären!

Das Segeln durch die Schären ist schon etwas aufregend. In den äußeren Schären pustet der Wind ganz ordentlich, er drückt das Wasser gegen die Felsen und lässt die Gischt eindrucksvoll hochschlagen. Die inneren Schären sind geschützter, dort segeln wir teilweise durch wunderschöne kleine Ortschaften, oder an bewaldeten Felsen vorbei. Die gerundeten Felsen aus der letzten Eiszeit zeigen bizarre Formen, man kann sich nicht sattsehen.

Segeln durch die Schären

…durch zauberhafte Orte

Gerade bewundern wir tiefe Wolkenfelder, von See kommend, ein schönes Naturschauspiel. Da wird uns schlagartig bewusst, was das für uns bedeutet: von jetzt auf gleich herrscht dichter Nebel, man kann die Hand vor Augen nicht mehr sehen, und das mitten im uns unbekannten Schärengebiet – gefühlt ein worst case!!

Unser Radar will nicht starten, das auch noch! Warum zickt der denn jetzt rum?! Zum Glück haben wir den Plotter und müssen uns nun blind auf ihn verlassen, von der Umgebung sehen wir nichts. Ein entgegenkommender Segler funkt uns an und bittet uns weiter zur Seite zu gehen, Scherzkeks, da sind nur Felsen! Er hat so viel Abstand zu uns, dass wir ihn nicht einmal sehen als er auf unserer Höhe ist. Vielleicht hätte er den Maßstab am Plotter ändern sollen! Als wir nach gefühlt endloser Zeit an Marstrand vorbei kommen, fragen wir gleich im Hafen an, ob wir vielleicht einen Platz bekommen können. An Ankern ist nicht zu denken, wir können nichts sehen und die anderen Yachten würden uns am Ankerplatz auch nicht sehen.  Zum Glück können wir einen Platz im Hafen bekommen, yippieh!

Eine deutsche Yacht kommt nach uns in den Hafen und ruft uns strahlend zu: „danke, dass ihr vor uns wart. Wir konnten euch auf AIS sehen und sind euch durch den Nebel gefolgt, das war super!“  Nun können wir auch wieder lachen, jetzt wo wir so sicher im Hafen liegen! Die Sonne versucht langsam den Nebel zu verjagen und gibt immer mehr vom  zauberhaften Ort Marstrand frei. Der Hafenmeister ist so freundlich und rundet zum Bezahlen unsere Bootslänge ab anstatt sie aufzurunden (!!), wie nett, das ist uns noch nie passiert. Häufig müssen wir einen Katamaran-Zuschlag bezahlen, aber bislang nicht in Skandinavien. Und als besondere Überraschung stehen auch noch saubere Waschmaschinen und Trockner kostenlos zur Verfügung, wow!  Gut, dass der Nebel uns hierher verschlagen hat! Wir erledigen unsere gesamte Wäsche, kaufen ein und haben auch noch Zeit zum Spazieren. Marstrand ist ein entzückender Ort mit wunderschönen Holzhäusern und einer Festungsanlage. Der Ort ist so schön, dass wir uns nicht satt sehen können und die Gassen mehrfach laufen. Abends lockt uns noch der schöne Wanderweg durch Wald und über Felsen und ermöglicht verschiedene Ausblicke auf die weite Schärenlandschaft, dazwischen das glitzernde Meer, traumhaft.

Marstrand
Marstrand
Bäderarchitektur in Marstrand
Marstrand Promenade
Blick auf Marstrand
Blick über die Schärenlandschaft von Marstrand

Der Abschied fällt schwer, bei strahlendem Sonnenschein, mit eisigem und starkem Wind geht es weiter nach Fjällbacka. Hier wohnen Lisa und Johan, unsere Segelfreunde aus Schweden. Mit ihnen sind wir 2017 über den Atlantik gesegelt und haben uns auch in der Karibik mehrfach getroffen. Die beiden sind dann weiter um die ganze Welt gesegelt und letztes Jahr wieder in Fjällbacka angekommen. Der letzte Teil ihrer Reise wurde durch die Pandemie sehr kompliziert, doch sie haben sich durchgebissen und sind schließlich von Südafrika über Brasilien, Karibik, Azoren gezwungenermaßen mehr oder weniger Nonstopp zurück nach Schweden gesegelt. Chapeau!!

Als wir gemeinsam in der Karibik waren, sprachen wir oft über ein späteres, gemeinsames Wiedersehen in Schweden und nun sind wir tatsächlich hier, es ist unglaublich, die Vorfreude ist riesig.

Die Zufahrt durch die Schären nach Fjällbacka hat es in sich, der Wind braust weiter auf, der Himmel zieht sich zu und wechselt in ein unfreundliches grau, die See ist aufgepeitscht, es regnet. Gerrit ist hochkonzentriert, wahrlich kein einfaches Revier, besonders für einen Katamaran und unter Segeln. Johan zollt uns dafür später größten Respekt, das macht uns ein wenig Stolz. 

Es gibt für uns keine Möglichkeit im Hafen von Fjällbacka anzulegen. Die einzigen freien Plätze sind außen am Steg, der Wind weht mit 5 bis 6 Bft. und würde uns auf den Steg drücken, keine Chance! Außerdem würden wir hier sehr unruhig liegen. Wir entscheiden uns für die nahegelegene Ankerbucht, dort haben wir perfekten Schutz für die Nacht. Doch die Entfernung zum Ort macht es uns unmöglich, bei den herrschenden Wetterverhältnissen mit dem Dinghy an Land zu fahren. 

Lisa und Johan leihen sich spontan von ihrem Nachbarn ein stärkeres Boot und kämpfen sich durch das stürmische Wetter zu uns. Triefendnass kommen sie zu uns an Bord und wir liegen uns lachend in den Armen. Es ist eine riesige Wiedersehensfreude auf beiden Seiten. Fünf Jahre sind vergangen, es gibt so viel zu erzählen, wir sind alle vier überwältigt. 

Lisa und Johan haben sich durch Regen und Wind zu uns an Bord gekämpft! Wiedersehen nach 5 Jahren!

Johan will uns am nächsten Morgen abholen. Gemeinsam wollen sie uns die Umgebung von Fjällbacka zeigen.

Ankern vor Fjällbacka
Spaziergang durch Fjällbacka

Fjällbacka hat sich vom einstigen Fischerort zum quirligen Touristenort entwickelt. Es gibt hier nette kleine Lokale, Läden und eine 200 m lange Felsspalte. Diese Felsspalte ist sehr beeindruckend und unter den Namen „Kungsklyfta“ – Königsklippe bekannt, da sich dort einst der schwedische König bei einem Besuch mit einer Felszeichnung verewigte. Noch heute sind die Menschen in Fjällbacka sehr stolz darauf, erzählt Johan. Eine weitere berühmte Persönlichkeit aus Fjällbacka ist Ingrid Bergman. Sie besaß die Nachbarinsel Dannholmen und war hier ein häufiger und gern gesehener Gast. Sie veranstaltete für die Kinder Regatten rund um Dannholmen. Trotz der zahlreichen Touristen ist Fjällbacka wirklich ein angenehmer Wohlfühlort.

„Im Winter ist es hier sehr ruhig, da freut man sich, wenn man jemanden auf der Straße trifft“, so Lisa lachend.

Felsenschlucht in Fjällbacka
Blick über Fjällbacka

Nach einem kleinen Snack in einem reizenden Lokal am Hafen geht es mit dem Auto weiter. Johan und Lisa zeigen uns imposante Küstenabschnitte mit kleinen roten Fischerhäuschen, weiter geht es zu einer Grabstätte aus der Wikingerzeit. Diese, so erzählt Johan, stammt aus der Zeit, als die Wikinger ständig Schottland überfielen und plünderten. Die Schotten beschlossen eines Tages das gleiche mit den Wikinger zu tun und segelten hinüber nach Schweden. Das wiederum fanden die Wikinger nicht lustig, es gab eine große blutige Schlacht, sie erschlugen alle schottischen Eindringlinge. Danach errichteten sie zahlreiche Hügelgräber, teilweise mit Urnen, in denen sie die Schotten bestatteten. Zusätzlich stellten sie große,spitze Felssteine auf die Gräber. Ein mystischer Ort.

Grabfeld aus der Wikingerzeit
Schroffe Küste nördlich von Fjällbacka
Lisa, Johan und Pascale
Fischerhütten
traditionelles Fischerboot

Weiter geht es nach Tanums Hällristningar. Dort bewundern wir Felszeichnung aus der Bronzezeit, die zum Unesco Weltkulturerbe gehören. Auch dies ist sehr beeindruckend.

Felszeichnung aus der Bronzezeit
Links ist die Lebenszeit abgebildet, die gestrichelte Linie bedeutet den Übergang in die Zeit nach dem Tod

Von Lisa und Johan bekommen wir viele Tipps und stellen dadurch unsere ursprüngliche Reiseroute um. Sie raten uns davon ab in den Oslofjord zu segeln. Wir sollten uns statt dessen mehr Zeit für die Südküste Norwegens nehmen, so ihr Tipp. Zusätzlich erfahren wir eine Menge über Schwedens Kultur. So z.B. über das „Jedermannsrecht“. Bei uns an Bord gab es zu diesem Thema stets lebhafte Diskussionen, z.B. wenn Gerrit mit dem Dinghy an fremden Stegen anlegen wollte, während ich zweifelte, ob wir das wirklich dürfen. Lisa bestätigt es tatsächlich. Man kann überall, an jedem privaten Steg anlegen und über das Grundstück zum öffentlichen Weg laufen. Man sollte nur so viel Anstand haben und die Privatsphäre der Bewohner respektieren. Ich bin beeindruckt von der schwedischen Kultur! 

Abends gibt es noch ein Barbecue in Johan und Lisas Sommerhaus. So viele Eindrücke, die auf uns einwirken, dazu den ganzen Tag Englisch sprechen, wir sind Abends alle fix und fertig aber sehr glücklich, was für ein Tag!

Am nächsten Tag treffen wir uns noch  mit Numo und Rita aus Greetsiel, unserer alten Heimat. Sie kommen von Oslo und  segeln in umgekehrter Richtung als wir. Hier in der Ankerbucht von Fjällbacka treffen wir uns und verbringen einen schönen Abend zusammen, bevor es für uns in Richtung Norden weitergeht, für die beiden geht es weiter in Richtung Göteborg.

Numo und Rita, SY Clabbydoo, Greetsiel

Ankerbucht in den Schären
Austern satt! „All you can eat“ für Möwen. Wer räumt den Rest weg?!
Sonnenuntergang in der Ankerbucht

Wir segeln weiter durch die beeindruckende Schärenlandschaft, vorbei an unzähligen Inseln, so zahlreich, dass man sich deren Namen nicht mehr merken kann. Plötzlich erreicht uns ein Funkruf, hier inmitten dieser Naturlandschaft funkt jemand Mojito an. Wer kann das sein? Kein Segler in sichtbarer Nähe, wir sind irritiert.

Wir wechseln auf den vereinbarten Kanal und sind gespannt, wer da etwas von uns will…!„sagt mal, wir sehen euch auf AIS gerade an Grebbestadt vorbeiziehen. Kann es sein, dass wir in der Karibik nebeneinander geankert haben?“, so die Anfrage über Funk. Ja, tatsächlich, Katamaran Alegria mit Heimathafen Emden und wir, Mojito, mit Heimathafen Norddeich, ankerten nebeneinander in Grande Anse/ Martinique und wir verbrachten einen netten Abend mit Hermann und Conny. Alegria ist verkauft, so erfahren wir von Hermann, und sie sind nun mit einem Motorboot und Familie unterwegs von Grebbestadt in Richtung Süden. Die Welt ist manchmal so klein!!

Nach einem Stopp in Strömstad geht es hinüber zu den Kosterinseln, ein vorgelagertes Naturreservat mit zwei Hauptinseln und einer Vielzahl kleinerer Schären. Die Ankerbucht auf Südkoster erweist sich als nicht geeignet, der Wind bläst kräftig hinein, hier finden wir keinen Schutz. Auf Nordkoster finden wir einen reizenden kleinen Hafen, das Anlegen gegen den Wind gestaltet sich schwierig und der kräftige Wind macht das Liegen sehr unruhig. Die Leinen knarren während Mojito am Steg stetig hin und her tanzt. Trotzdem ist es ein zauberhafter Ort, wie aus einer anderen Zeit. Wir erkunden die Nordinsel zu Fuß. 

entzückender kleiner Hafen von Nordkoster. Mojito passt nicht wirklich hierher!
und muss deshalb außen am Steg liegen

Nun wird es langsam Zeit sich von Schweden zu verabschieden, doch bevor wir nach Norwegen gehen, wollen wir doch noch gerne das Mittsommerfest in Schweden erleben. Es wird in ganz Schweden ausgiebig gefeiert, so heißt es. Wir haben eine wunderschöne kleine Ankerbucht im Svinesund entdeckt. Sie ist perfekt, denken wir, denn die eine Seite gehört zu Norwegen und die andere Seite zu Schweden. In Norwegen wird Mittsommer ein Tag früher gefeiert, sie entzünden dafür große Feuer und trinken sehr viel Alkohol (obwohl sehr, sehr teuer!), lesen wir. Wir lesen weiter, dass man die Feuer am besten von See aus bewundern kann. Ah, super, genau hier bleiben wir und beobachten erst die norwegische Feier und ein Tag später die schwedische. Perfekt! Doch…, nichts passiert. Weder feiern am ersten Tag die Norweger noch die Schweden am nächsten Tag, hm! Dafür war die Ankerbucht super schön, nun geht es weiter nach Norwegen.

Ankern in der Bucht Saltbacken in Schweden, mit Blick nach Norwegen
Brücke über den Svinesund, links Norwegen, rechts Schweden
Mitternacht in Mittsommernacht

Skandinavien 2022, „hyggeliges“ Dänemark

Unsere Segelsaison 2022 startet und auch dieses Jahr schreiben wir einen Blog und laden jeden Interessierten gerne dazu ein, uns gedanklich zu begleiten.

Unsere Planung für dieses Jahr war ursprünglich eine andere. Wir wollten in den Bothnischen Meerbusen, die Ostküste Schwedens ganz nach Norden segeln und dann entlang der finnischen Küste zurück ins Baltikum. Doch angesichts der augenblicklich angespannten Lage durch Putins Krieg und der damit verbundenen militärischen Präsenz in dieser Gegend, sahen wir uns genötigt, den ursprünglichen Plan zu überdenken. Recht kurzfristig haben wir uns daher lieber für Plan B entschieden! Plan B bedeutet, wir segeln durch Dänemark nach Norden, hinüber nach Schweden und dann in Richtung Norwegen – so der grobe Plan. Sind wir in Norwegen, werden wir je nach Wind und Wetter entscheiden, wie weit und wann wir zurück segeln. 

Zunächst müssen wir Mojito aus dem Winterschlaf wecken. Das Wetter ist noch kalt und nass, da fällt es schwer, sich für die notwendigen Arbeiten am Schiff aufzuraffen. Überhaupt fällt es bei den Temperaturen sehr schwer sich vom heimischen Sofa zu erheben und daran zu denken hinaus ins Ungewisse zu reisen. Es ist ja so bequem Zuhause! Aber genau diese Bequemlichkeit wollen wir nicht zulassen, also heißt es aufstehen, rausgehen..!

Mojito steht im Winter auf einem Außenplatz mit Blick auf Norderney, leider auch dem norddeutschen Wind und Wetter ausgesetzt! Wir beginnen also erst innen und arbeiten uns mit den langsam steigenden Temperaturen nach außen. Der Anfang fällt schwer, schon aufgrund der niedrigen Temperaturen, doch nach und nach arbeiten wir uns weiter und schließlich sind die ersten Arbeiten geschafft! Der Inverter und die Impeller-Pumpen sind getauscht, die Schränke sind gesäubert, die Rümpfe sind gewachst, das Teakdeck vom Grünspan befreit und neu behandelt, die Antriebe neu gestrichen. Mojito kann ins Wasser gekrant werden. Los geht es, zunächst soll es für ein paar Tage nach Greetsiel gehen, um die restlichen nötigen Vorbereitungen abzuarbeiten.

vom Winterplatz über die Straße ins Wasser

Wir merken jedoch schon gleich, dass eins der beiden Ruder sehr schwergängig ist. Wir versuchen es zunächst schön zu reden und hoffen, dass es von alleine wieder gängig wird. Das klappt leider nicht, wie schade. Das bedeutet, dass Mojito wieder aus dem Wasser muss, hm! Es ist wie es ist!

Aber erst einmal freuen wir uns wieder in Greetsiel zu sein und vielen netten Menschen zu begegnen, alle sind voller Vorfreude auf die bevorstehende Saison. Als Highlight steht für uns außerdem ein Treffen mit Angela und Christoph an. Sie sind mit ihrem Boot auf dem Weg in die Ostsee und wollen in Greetsiel Halt machen. Vor fünf Jahren fassten wir gemeinsam den Plan über den Atlantik zu segeln, doch sie sind dann erst ein Jahr nach uns gestartet. Wir haben uns seit fünf Jahren nicht gesehen und haben genügend Gesprächsstoff über all unsere Erlebnisse in der Karibik und anderswo. Es ist ein schönes Wiedersehen, so als wäre unser letztes Treffen gerade gestern gewesen.

im Hafen von Greetsiel
Wiedersehen mit Angela und Christoph nach 5 Jahren

Die restlichen Arbeiten an Bord sind erledigt, wir haben wieder reichlich proviantiert, die letzten „Landtermine“ sind erledigt. Bleibt nur noch das Ruderproblem, dafür muss ein Krantermin bei der Werft vereinbart werden. Wenn alles nach Plan verläuft, könnten wir das auf dem Weg erledigen, das wäre prima! Das Timing ist speziell, wir müssen mit auflaufendem Wasser von Greetsiel nach Norddeich, dort kranen, reparieren und noch bei Hochwasser wieder ins Wasser um noch Norderney erreichen zu können, das wäre perfekt, aber auch sportlich! Da uns dieses Ruderproblem bereits bekannt ist, und wir die nötige Reparatur kennen, hat Gerrit das passende Werkzeug und den Ausbau des Ruders vorbereitet, alles läuft nach Plan, Mojito ist eine Stunde später wieder im Wasser, das Ruder läuft wieder leicht und wir erreichen Norderney am späten Nachmittag.   Nun kann die Saison starten!

In aller Frühe verlassen wir am nächsten Morgen Norderney und segeln hinaus in die windige, graue Nordsee. Es ist ein ruppiger Törn mit unangenehmer Welle, es ist kalt, die Nordsee wirkt grau und unfreundlich. Mojito und Gerrit machen ihren Job prima, nur ich bin etwas seekrank, da müssen wohl noch erst die „Seebeine“ wachsen! 

Gerne wären wir den direkten Weg nach Dänemark gesegelt, doch der Wind passt nicht. So können wir leider nicht, wie ursprünglich geplant, auf Helgoland zollfrei tanken, das ist bei den aktuellen Spritpreisen natürlich sehr schade. Statt dessen geht es nun durch den Nord-Ostsee-Kanal, aber zunächst laufen wir Cuxhaven an. Als wir am nächsten Morgen in Cuxhaven tanken, kommt ein Mann auf uns zugerannt und wir staunen, als wir ihn schließlich erkennen. Es ist Martin! Er ist zusammen mit seiner Familie, mit dem Katamaran „Tamouré“, in der „Sail The Odysee“-Gruppe mit uns über den Atlantik gesegelt. Gemeinsam sind wir später nach Union Island gesegelt, dort trennten sich unsere Wege. Nun, fünf Jahre später, treffen wir uns zufällig in Cuxhaven an der Tankstelle wieder!! Was für ein Zufall und was für eine Freude, die Welt ist so klein. Es ist leider nur ein kurzes Wiedersehen. Wir müssen die Tankstelle freimachen und Martin bereitet sich mit seiner Crew auf eine Regatta vor. Mal sehen, wo wir uns das nächste Mal treffen. Vielleicht wenn wir Martins Wohnort, die Bretagne, bereisen. Dieses Ziel steht definitiv auf unserer Wunschliste und ein Wiedersehen, mit mehr Zeit, wäre wunderbar!

Dieselpreis – da hoffen wir mal auf den richtigen Wind!
Selfie von Martin mit Mojito

Der NOK spuckt uns in die Ostsee aus und wir suchen gleich „unseren“ Ankerplatz in der Kieler Förde auf, direkt vor Heikendorf. Der Sonnenuntergang ist mal wieder spektakulär, die Farben wirken fast übertrieben.

Schleuse Brunsbüttel
eine Übernachtung im NOK, Hafen Rendsburg
Bummel durch Rendsburg
Abendstimmung in der Kieler Förde
Heikendorf – Ankern in „unserer“ Ankerbucht

Am nächsten Tag frühstücken wir gemütlich und lassen uns Zeit, laut Vorhersage haben wir wenig Wind zu erwarten. Noch beratschlagen wir, ob es überhaupt Sinn macht heute zu segeln oder ob wir heute einfach vor Anker liegen bleiben. Wir beschließen schließlich, es ganz gemütlich angehen zu lassen. Wir segeln ein paar Seemeilen, mal sehen wie weit wir kommen, so der Plan.

Kaum gestartet nimmt der Wind zu und wir brausen mit 7 – 9 Knoten Geschwindigkeit durch die Kieler Förde. Es ist ein Regatta-Wochenende, mit vielen Regattafeldern und dazu kommen noch unzählige Wochenendsegler. Wir fühlen uns ein wenig wie auf einem Autobahnkreuz, so haben wir uns unser „gemütliches Segeln“ heute definitiv nicht vorgestellt! Wir müssen höllisch aufpassen nicht versehentlich in eines der vielen Regattafelder zu kommen, dazu noch die Vorfahrtregeln mit den übrigen Segelbooten beachten. Hui! Da steigt der Adrenalinspiegel durchaus mal kurz an! Geschafft! Wir sind raus aus der Förde und rauschen hinaus in die Ostsee, nun haben wir viel Platz und können entspannen. Wir machen viel mehr Strecke als gedacht und ankern abends schon in Dänemark. Unterwegs fangen wir sogar noch einen schönen Hornhecht, was für ein Tag!  Abends essen wir zum ersten Mal einen Hornhecht, er schmeckt vorzüglich und die blaugrünen Gräten wirken sehr stylisch und lassen sich sehr gut finden, wie praktisch! Warum haben nicht alle Fische farbige Gräten?!

grüne Gräten vom Hornhecht

Unser Weg führt uns zunächst durch Sönderborg zum Kleinen Belt. Die Landschaft ist wunderschön, es gibt schöne Ankerplätze und würde das Wetter auch mitspielen, dann wäre es das Paradies!

Ankern hinter Sönderborg

Leider ist es vornehmlich grau und kalt, schade. Um der Temperatur zu trotzen und um Gerrit ein wenig zu imponieren, springe ich trotz allem ins 12 Grad kalte Wasser, puh!! Kleiner Trost: es strafft das Gewebe! Hoffentlich!

schlechtes Wetter zieht auf

Wir ankern schließlich vor Kolding. Die Stadt ist unter den 10 Highlights Dänemarks in unserem Reiseführer aufgelistet. Es ist kalt und es regnet, ein perfekter Tag für einen Museumsbesuch, wenn man nicht mit dem Dinghi hinfahren müsste! Als Segler ist man ja bekanntlich hart im Nehmen, so sagt man, also warm anziehen und dann geht es los. Der Weg ist lang, die Welle kommt von der Seite und es regnet. Eins ist sicher: wir werden nass, von oben und von der Seite! Nun noch eine passende Anlegemöglichkeit suchen und an Land klettern, alles nicht so einfach! 

Geschafft, nun sehen wir uns dänische Kunst und Design an. Die Ausstellung packt uns nicht wirklich, dafür bekommen wir im stark geheizten Museum, aufgrund unserer warmen Kleidung, Hitzewallungen und beschließen nach dem Museumsbesuch wieder zurück, durch die graue Bucht, zum Boot zu fahren. Dieses Mal schwappt die Welle von der anderen Seite ins Boot, nun wird Gerrit nass, ha, geteiltes Leid..!

Kurzer Stopp an Bord, dann geht es wieder mit dem Dinghi in Richtung Stadt. Dieses Mal gegen die Welle, nun werden wir beide gleichermaßen nass! Soll noch einer sagen,  das Bordleben sei ein Luxusleben, tsse!

Nach diesen Strapazen möchten wir zunächst eine Kleinigkeit essen, bevor wir die Besichtigungstour durch Kolding starten. Ein Smörrebröd wäre gut. In Dänemark befindet sich schließlich die Wiege des Smörrebröd. Wer nun denkt, es handelt sich hier nur um ein Butterbrot, der irrt sich! Um diese Delikatesse richtig zubereiten zu können, muss man in Dänemark ein dreijährige Ausbildung absolvieren und darf sich dann  „Smörrebrödjomfru“ nennen, was übersetzt so viel wie „Butterbrotjungfrau“ heißt, auch für Männer (da wäre doch mal gendern angebracht!!)

Wir studieren die Aushänge, doch nirgends steht Smörrebröd im Angebot, dafür immer wieder Tapas und Burger!! Tapas essen wir in Spanien, nicht hier, und Burger konnten uns noch nie locken! Trotzig beschließen wir statt dessen dann eben ein Hotdog zu essen. Das ist zwar auch nicht unser Favorit, aber immerhin auch das ist typisch dänisch! Ich erblicke am Ende der Straße ein Geschäft, geschmückt mit dänischen Fahnen und der Aufschrift „Hot G…“, was für mich Hot Grill heißt. Voller Vorfreude eile ich dort hin. Hätte ich meine Brille gehabt, dann hätte ich mir den Weg gespart. Als ich vor dem vermeintlichen Imbiss stehe, entpuppt es sich als Sex-Shop, auf dem Schild steht „Hot-Girl“! Das war wohl nix! Nun steuern wir einen Pölsevogn (Hotdog-Wagen) in der Fußgängerzone an und kaufen uns ein Hotdog „traditional“ mit allem drum und dran. Danach noch ein Dänisches Eis und unser Bedarf ist endgültig gedeckt, uns ist beiden schlecht! Das nächste Mal werden wir die Suche nach einem Smörrebröd intensivieren!

Dafür ist das Koldinghus sehr beeindruckend. Eins der bedeutendsten Königsschlösser Dänemarks aus dem 13. Jhdt. Nach einem Brand im 19. Jhdt blieb nur noch eine Ruine übrig. Aus der Schlossruine hat ein Architektenpaar über viele Jahre eine architektonische Meisterleistung vollbracht. Über begehbare Gerüste, durch geschwungene Holzsäulen gehalten, präsentiert sich ein wirklich gelungenes Gesamtwerk. Durch eine raffinierte Beleuchtung wird das Ganze hervorragend in Szene gesetzt. Wir sind sehr beeindruckt.  

Koldinghues von außen
Koldinghues Innenkonstruktion
beeindruckende Konstruktion
Altstadt von Kolding
morgendliche Stimmung in Skrillinge Strand

Unser nächstes Ziel ist die Insel Samsö. Wir staunen als wir die Ankerbucht anlaufen, denn dort ankert bereits ein Katamaran und dann auch noch eine Privilège. Wir dachten, wir wären hier im Norden einzigartig, falsch gedacht! Es sind Brigitte und Christian mit ihrem Katamaran „Emma Marie“ aus Stralsund. Auch sie waren bereits in der Karibik. Wir haben alle eine Menge zu erzählen, die Zeit verfliegt wie im Zeitraffer. Wir haben grob die gleichen Pläne für diesen Sommer, mal sehen ob und wo wir uns wieder treffen.

Emma Marie und Mojito ankern vor Samsö

Samsö ist zauberhaft! Wir erkunden Teile der Insel zu Fuß und wechseln auch zweimal den Ankerplatz. Wir spüren die dänische Lebensart, es ist hier „hyggelig“- gemütlich. Wir verstehen nun, weshalb Dänemark stets eins der ersten drei Plätze im Ranking des „World Happiness Report“ der Vereinten Nationen belegt. Zum Vergleich: Deutschland liegt auf Platz 26! 

Samsö ist bekannt für seine Kartoffeln. Man kann sie, und weiteres Gemüse, vor privaten Häusern kaufen, auf Holzregalen ausgelegt, das Geld steckt man in eine Büchse. „Dänisch Einkaufen“!

Hier auf Samsö könnten wir länger bleiben, es ist so heimelig. Aber unsere Reise beginnt gerade, da können wir nicht schon gleich sesshaft werden! 

Hafen Ballen auf Samsö – kein Platz für Mojito
Mojito muss draußen ankern
Samsö – zauberhafter Hafen Ballen
Idylle auf Samsö
Karibikfeeling auf Samsö

Der Wind zeigt uns die Richtung, wir müssen starten wenn wir nach Norden möchten. Der Wecker klingelt um 4 Uhr morgens, der Wind ist jetzt günstig. Es ist super, dass es in dieser Jahreszeit in Skandinavien so früh hell wird, da fällt es leichter so früh aufzustehen.

Bereit für den nächsten Törn

Wir peilen die Insel Laesö an, doch unterwegs ändern wir aufgrund der wechselnden Windrichtung und der vorhandenen Welle unser Vorhaben. Wir segeln statt dessen nach Anholt, eine kleine dänische Insel im Kattegatt, genau zwischen Dänemark und Schweden. Zum Glück finden wir dort genügend Schutz vor dem starken Westwind und ankern mitten im Nirgendwo auf der Ostseite von Anholt. Die Nacht wird unruhig, es ist ständig Schwell, Mojito schwoit unruhig am Ankerplatz, die Kette knarzt unentwegt. Wie gut, dass wir unserem Anker vertrauen können, hat er doch in der Karibik seine Zuverlässigkeit mehrfach bewiesen.

der lange Marsch zum Dorf
unglaublich teuerer Apfelkuchen und Wasser
zurück in Richtung Strand

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Dinghi zum Strand und machen uns von dort auf dem Weg in Richtung Zivilisation. Wir fühlen uns ein wenig wie Robinson Crusoe. Ein endloser, menschenleerer Strand, türkisblaues Wasser und eine Menge unterschiedlicher Vögel, die scheinbar keine Notiz von uns nehmen. Wir laufen über Dünen, durch Heidelandschaft und finden nach gefühlter Ewigkeit endlich einen Sandweg, an dessen Ende wir Zivilisation vermuten. Tatsächlich erreichen wir nach 6 km den Ort, ein paar Häuser, wie aus einer anderen Zeit. Wir finden tatsächlich das einzige kleine Café im Ort, ein zauberhaftes B&B, essen einen Dänischen Apfelkuchen und trinken ein Glas Wasser. Die Rechnung holt uns zurück in die Wirklichkeit, raus aus der verträumten Idylle. 

Wir stellen mal wieder fest: essen gehen in Dänemark ist entweder teuer, sehr teuer oder unfassbar teuer!

Egal, die kurzzeitige Schnappatmung ist überwunden, der verwunschene Ort war es wert! Wir laufen den endlos langen, unberührten Strand kilometerweit zurück zum Boot. Hier muss es doch irgendwo Bernstein geben. Schließlich gibt es hier nur sehr wenige Menschen, demnach steigt die Wahrscheinlichkeit einen Bernstein zu ergattern. Wir finden zahlreiche mögliche Exemplare, man soll sie vorsichtig gegen einen Zahn klopfen, ein weicher Ton verrät einen erfolgreichen Fund. Unsere Fundstücke klingen alle hart, also sind es nur gewöhnliche Steine. Nach mehreren erfolglosen Test knirscht dafür der Sand zwischen den Zähnen.

Dafür finden wir wenigstens einen „Hühnergott“. Ein Hühnergott ist ein Feuerstein mit einem oder mehreren Löchern. Diese besonderen Steine sollen gegen die böse Dämonin Kikimora schützen, die allgemein Unglück bringt, speziell soll sie Hühner am Eierlegen hindern oder auch Hühner stehlen. Hühner haben wir keine an Bord, aber wenn der Stein uns allgemein gegen Unglück schützt, dann ist es auch gut. Nun liegt er an Bord und schützt uns hoffentlich gegen Kikimora, auf jeden Fall ist er ein Andenken an Anholt.

Dänemark hat uns verzaubert. Wir verstehen, weshalb es so viele Menschen in den Urlaub hierher zieht. Für uns ist Dänemark perfekt, es gibt unzählige, wunderschöne Ankermöglichkeiten, die das Reisen mit einem Katamaran zum Genuss machen. Stets ankern wir über Sand, dadurch hält der Anker perfekt. Karibikfeeling pur!

Wir freuen uns schon, wenn wir auf dem Rückweg wieder durch Dänemark kommen. Erst einmal geht es weiter in Richtung Schweden.  

Die Ostsee-das haben wir uns alles ganz anders vorgestellt!

Große Erwartungen hatten wir keine, Vorurteile, wie sich unsere „Ostseezeit“ gestalten würde, hatten wir dafür genügend!

Nach unseren Jahren im Mittelmeer und in der Karibik, waren wir uns sicher, dass uns nun vornehmlich kalte Temperaturen erwarten würden. Dementsprechend packten wir viele warme Pullover ein, Funktionswäsche und warme Decken, frieren wollten wir nicht!

Zum Glück haben wir dann doch auch noch ein paar Sommersachen mitgenommen, nur für den Fall vielleicht in den Genuss ein paar  Sommertage zu kommen. 

Was wir jetzt erleben, haben wir uns in unseren kühnsten Träumen so nicht vorgestellt:

Perfekte Sommertemperaturen! Wir tragen meist Shirts und Shorts, laufen barfuß und können wieder täglich morgens schwimmen, das Wasser ist herrlich!

Die Temperaturen werden nie so heiß, dass man sich nicht mehr bewegen möchte. So können wir ausgedehnte Fahrradtouren unternehmen und die Landschaft bei schönstem Sommerwetter erkunden.

Nachts fallen die Temperaturen angenehm ab und damit steht einem erholsamem Schlaf nichts im Wege.

Was für ein Kontrast zu den letzten Jahren in teilweise brütender Hitze im Mittelmeer und der Karibik.

Eine weitere Befürchtung waren die Möglichkeiten zu Ankern.

Wie bereits mehrfach erwähnt, ankern wir am liebsten und sind nicht so gerne in Häfen. Ein Katamaran eignet sich dafür perfekt und für Häfen sind wir häufig zu sperrig. Wir hatten große Zweifel, ob wir in der Ostsee überhaupt Ankermöglichkeiten finden würden. Wie würde es dann in den Häfen aussehen, bekommen wir überhaupt einen Platz?  

In der Ostsee haben wir perfekte Ankermöglichkeiten vorgefunden und bislang nur eine Nacht im Hafen verbracht (und das nur um bequemer proviantieren zu können!). 

Zum Ankern finden wir immer passende Stellen, wir liegen meistens alleine oder in weitem Abstand mit ein paar Booten. Es ist kein Problem mit dem Dinghi an Land zu fahren und entweder an Stegen festzumachen oder am weitläufigen Strand an Land zu ziehen.

Gerrit hatte Sorge, ob das Ostseewasser für unseren Wassermacher tauglich wäre. Die Nordsee, besonders das Wattenmeer, ist dafür nicht tauglich, da viel zu viele Schwebteile vorhanden sind, die dann die Filter verstopfen.

In der Ostsee finden sich, außer in den Bodden oder stellenweise bei übermäßiger Algenblüte, immer wieder geeignete Stellen. Aufgrund des niedrigen Salzgehaltes in der Ostsee rauscht das Wasser blitzschnell durch, die Ausbeute an Trinkwasser pro Stunde ist  groß. Im Mittelmeer hat der Wassermacher, aufgrund des hohen Salzgehalts, dagegen richtig arbeiten müssen und viel länger gebraucht um die gleiche Wassermenge zu produzieren.

Wir fürchteten uns vor den zahlreichen Mücken, von denen wir schon im Vorfeld viel gehört hatten.

Eigentlich sind die Mücken nur mein Problem, Gerrit wird selten gestochen. Dazu kommt, dass ich auf Mückenstiche ziemlich heftig reagiere, wie auch auf Quallenstiche. Schlimme Erinnerungen sind für mich die Kap Verden, Griechenland und Martinique, wo ich Antihistaminika einnehmen musste, um überhaupt wieder die allergische Reaktion in den Griff zu bekommen.

Es gibt in der Ostsee überall sehr viele Quallen, doch sie tun nichts. Man kann gefahrlos an ihnen vorbei schwimmen und eigentlich finde ich Quallen dann auch ganz hübsch.

Mücken gibt es manchmal sehr viele (besonders in den Bodden) und manchmal gar keine. Aber auch die Mücken scheinen hier nur selten zu stechen, oder sie mögen uns nicht . Sie sind nur etwas unangenehm weil sie dauernd um uns herum schwirren. Wir sind vorbereitet und zünden unsere mitgebrachten Räucherspiralen aus Italien an, das zeigt Erfolg, viele Mücken verschwinden.

Aber der größte Pluspunkt, den die Ostsee sich verdient: man kann hier wunderbar segeln!!

Der Wind bleibt beständig aus einer Richtung, nimmt mal eine Windstärke zu oder ab. Keine Winddreher oder plötzliche Fallwinde wie im Mittelmeer oder noch schlimmer – überhaupt keinen Wind mehr. Bislang konnten wir jeden Törn von Anfang bis Ende wirklich segeln, ein Genuss.

Kurzum: die Ostsee überzeugt und wir sind froh es so zu spüren und zu erleben. Die Ostsee macht wirklich Lust auf weitere Törns, wer hätte das gedacht!

Trotz all der positiven Überraschungen, warten in der Ostsee auch neue Herausforderungen auf uns, aber sie sind auch die Würze im Seglerleben.

Die Fehmarnsundbrücke hat eine ausgewiesene Durchfahrthöhe von 21 Meter, je nach Pegelstand auch mal etwas mehr. Unser Schiff ist 21.60 Meter hoch, das heißt für uns, wir müssen Fehmarn umrunden, den längeren Weg auf uns nehmen. Nun ja, es gibt schließlich schlimmeres!

Wir hören den Notruf eines festgefahrenen Seglers irgendwo an der Küste. Die Seenotretter schleppen ihn wieder frei. Für uns eine Erinnerung die Wassertiefen noch mehr im Auge zu behalten, denn einmal festgefahren, gibt es in der Ostsee kein Hochwasser, wie in der Nordsee, das einen wieder aus der misslichen Lage befreit. 

Unser Weg führt uns zunächst von Warnemünde in Richtung Barther Bodden unterhalb von Zingst. Ein wunderschöner Segeltörn entlang der Ostseeküste, mit ihren endlosen Stränden. Die Ansteuerung schlängelt sich zwischen Hiddensee und Zingst und schon erblicken wir einen imposanten Seeadler, der über uns seine Runden zieht um sich dann im Naturschutzgebiet der Südspitze von Hiddensee niederzulassen. Was für ein beeindruckender Anblick!

Nicht weit davon steuern wir unseren Ankerplatz an, eine ausgewiesene Reede unterhalb des Naturschutzgebietes von Zingst. Aus der bewaldeten Fläche sind viele unterschiedliche Vogelstimmen zu hören und um uns herum schwimmen zahlreiche Schwäne, teilweise ganze Familien mit Babyschwänen.

Rund herum sind ausgewiesene Naturschutzflächen mit Betretungsverbot, dementsprechend reich gestaltet sich hier die Tierwelt. Es gibt viel zu sehen und zu hören und wir mitten drin!

Am nächsten Tag geht es weiter hinein ins Boddengewässer, Richtung Barther Bodden, vorbei an zahlreichen Landschaftsschutzgebieten. Wir können uns nicht sattsehen an weitläufige Uferbereiche mit einzelnen Häusern und immer wieder große Sandbänke mit vielen unterschiedlichen Vögeln auf Nahrungssuche.

Das getonnte Fahrwasser ist eng, besonders bei Gegenverkehr, meine Nerven sind etwas angespannt und ich bewundere mal wieder Gerrits Ruhe. Im Barther Bodden finden wir einen perfekt geschützten Ankerplatz, den wir auch brauchen, denn es ist viel Wind und Starkregen für die Nacht vorhergesagt. Die geringe Wassertiefe von etwas mehr als 2 Meter bereitet uns  Sorge, damit haben wir nämlich nur 0,7 Meter Wasser unterm Kiel. Das ist eigentlich nicht genug um viel Wind abzuwettern. Sollte sich eine größere Welle aufbauen, könnte es für Mojito zu einer Grundberührung kommen. Es ist abends, eine Alternative zum Ankerplatz bietet sich nicht, also bleiben wir, ein mulmiges Gefühl haben wir dennoch, doch wir trösten uns, denn es ist ja nur weicher Schlick. Nachts schüttet es wie aus Eimern, es ist so laut, dass wir beide keinen Schlaf finden, doch die befürchtete Wellenbildung bleibt zum Glück aus. 

Am nächsten Tag ist der Spuk vorbei, das Wetter ist wieder sommerlich, wir hören im Radio, dass es infolge des Starkregens (80 l/qm!!!) einige Küstenabbrüche auf Rügen gab.

Wir bringen mit unserem Dinghi unsere Fahrräder an Land und erkunden Barth, Prerow, den Darß und Zingst. Barth, Prerow und der Darß gefallen uns besonders gut: schöne Wege durch ausgedehnte Wälder, dazwischen immer wieder der Blick auf die Ostsee. In Prerow bewundern wir schöne reetgedeckte Häuser mit teilweise bunten Darßer Türen. Diese bunten Türen stammen aus dem 18 Jhdt. und zeugen von dem einstigen Wohlstand der Bewohner und waren zur damaligen Zeit eine Art Visitenkarte.

Ankern im Barther Bodden. Das Dingi ist an Land gezogen, wir bauen unsere Fahrräder zusammen
mit dem Fahrrad nach Prerow
Ostseestrand auf Darß
Darßer Türen mit Symbolen der Antike, die aufgehende Sonne als Glückssymbol, der Lebensbaum in Form eines Tulpenstraußes
Seemannskirche von Prerow

Trotz Hochsaison herrscht hier eine sehr angenehme Atmosphäre. Die Menschen sind wunderbar entspannt, es gibt keine laute Gruppen, alles sehr unaufgeregt. Wir essen ein leckeres Fischbrötchen auf einer Bank und genießen den Moment.

Weiter geht es für uns nach Hiddensee, wieder eine schöne Ankerbucht im Bodden unterhalb von Neuendorf. Wieder ankern wir direkt neben einem Naturschutzgebiet im Süden der Insel, fünf Minuten Fußmarsch quer über die Insel und man hat einen herrlichen einsamen Ostseestrand vor sich. Auch hier nehmen wir unsere Fahrräder mit dem Dinghi an Land und fahren  bis nach Dornbusch, der Nordspitze von Hiddensee. Die Insel verzaubert uns, hier kann man die Seele baumeln lassen und die Zeit vergessen. Das tun wir und bleiben ein paar Tage, fahren immer wieder mit dem Dinghi an Land und baden ausgiebig am herrlichen einsamen Ostseestrand. Hiddensee überzeugt, wir könnten auch einfach hier bleiben, aber die Neugierde treibt uns doch weiter.

Landgang auf Hiddensee, Mojito am Anker
Weg vom Ankerplatz nach Neuendorf auf Hiddensee
Leuchtfeuer Gellen auf Hiddensee
Abendstimmung Strand Hiddensee
Dorfstraße von Neuendorf
Blick von Dornbusch hinüber nach Rügen
Pause am Hafen von Kloster auf Hiddensee

Wir fahren weiter nach Rügen, in den Wieker Bodden. Zu Zeiten der DDR war dies teilweise  Militärsperrgebiet, dadurch ist eine herrliche Natur erhalten geblieben. Wir beschließen in der Nähe von Dranske zu ankern, damit wir im Ort frisches Gemüse einkaufen können. Ich habe in einem Buch gelesen, Dranske ist ein Ort für ausgesprochene Naturliebhaber, „Nachts hört man gar nichts, außer es wird ein Tier erlegt“. Bei uns ist es kein Tier das wir abends hören, bei uns ist es die Dransker Jugend, die Abends beschließt eine kleine aber laute Beachparty direkt vor unserem Ankerplatz zu veranstalten! Erst nehmen wir dies noch mit Gelassenheit hin, doch die Beats aus den Boxen nehmen mit jeder weiteren Abendstunde an Lautstärke zu (ein exponentielles Wachstum!!) und so beschließen wir kurz vor der völligen Dunkelheit unseren Ankerplatz zu wechseln, die Freiheit besitzen wir, zum Glück!

Wir ankern schließlich neben der verlassenen Militäranlage, lauschen den Vogelstimmen und genießen wieder die Ruhe. Keine dröhnende, monotone Beats mehr, statt dessen wünschen sich hier Fuchs und Hase eine gute Nacht, wie wohltuend!   

Wir erfahren, dass Investoren genau hier einen großen Ferienkomplex planen, mit 2000 Betten und großer Marina. Oh je, das wäre sehr schade. Hoffentlich lässt sich das verhindern! Rügen würde sich damit eher schaden, schließlich besteht schon jetzt ein Überangebot an Betten.

In Dranske gestaltet sich die Einkaufsmöglichkeit sehr bescheiden, so beschließen wir doch noch Wiek anzulaufen. Wir möchten eigentlich nur nachsehen, ob wir überhaupt eine Chance haben im Hafen von Wiek einen Platz zu bekommen. Der sehr freundliche Hafenmeister unterbricht für uns seine Mittagspause und winkt uns heran damit wir längsseits anlegen können. Ein netter kleiner Hafen mit einem ebenso nettem Ort, das alles zu einem sehr moderatem Liegegeld und ohne Katamaranzuschlag.

Wir nutzen die Gelegenheit, dass wir unsere Fahrräder so bequem an Land bekommen können und erkunden die weitläufige Landschaft von Rügen bei wunderschönem Abendlicht. 

perfekte Fahrradstrecke durch endlose Getreidefelder auf Rügen
Blick über den Breeger Bodden auf Rügen
Breege auf Rügen

Wind und Wetter sind perfekt, wir überlegen nun spontan doch noch nach Schweden zu segeln. Über Schweden liegt ein stabiles Hoch, der Wind passt auch, also los! Den Wecker auf 5 Uhr morgens stellen, kurzes Frühstück und los geht´s. 

Wir müssen erst 12 sm (2 Stunden Fahrt) aus dem Bodden rausfahren um dann in die Ostsee zu kommen. Das Fahrwasser ist eng, die morgendliche Stimmung wirkt gespenstisch. Plötzlich geht ein starker Ruck durchs Boot, Mojito steht, wir haben uns festgefahren, upps. Zum Glück nur mit einer Kufe, nach einigem hin und her kommen wir wieder frei, ist noch mal gut gegangen!

Es ist doch mehr Wind als gemeldet, statt Bft 4-5 sind es 5-6. Das sind die Momente in denen uns unser innerer Schweinehund ins Ohr flüstert:„ eh, bleib doch einfach hier. Hier ist es schön und safe. Was willst du draußen in der Welt?“

Nein, trotz aller Verlockung, wir hören nicht auf den inneren Schweinehund und werden dafür belohnt.

Mojito kämpft sich mit Bravour durch das launische Wetter, die Segel sind vorsorglich gerefft und wir „fliegen“ nach Simrisham, eine hübsche kleine Stadt in Südschweden, mit einem perfekten Ankerplatz direkt vor dem Strand.

Ankunft in Simrishamn, Schweden
Abendspaziergang
erstes Ankern in den Schären von Karlskrona, vor Flakskär
Komposttoilette für Besucher der Insel
einfache Mietunterkünfte für Kanuten oder Bootfahrer auf Flakskär
Die Ölandsbron, die Brücke nach Öland war lange Zeit die längste Brücke Europas ( 6 Km)

Wir denken natürlich wieder mal „deutsch“ und suchen am nächsten Tag gleich einen Geldautomaten damit wir in den Besitz von schwedischen Kronen kommen. Den einzigen Automaten, den wir erblicken ist ein ATM, doch den wollen wir aufgrund der hohen Gebühren nicht. Wir finden eine Bank, doch ohne Geldautomaten!? Eine Nachfrage bei Google gibt des Rätsels Lösung: in Schweden bezahlt man überall mit Karte, auch Kleinbeträge, das sei schließlich viel hygienischer. Stimmt! Tatsächlich können wir das Gemüse auf dem Wochenmarkt mit Karte bezahlen, auch ein kleines Eis ist kein Problem. Jeder macht es so, wie praktisch. Warum tun wir uns in Deutschland damit so schwer? Und dann denken wir auch noch, wir wären so innovativ!? I

In Schweden überzeugt auch mal wieder das gute Mobilfunknetz. Egal wo wir sind, ob in den entlegensten Schären oder in Stadtnähe, überall haben wir ein hervorragendes Netz. Diese Erfahrung haben wir bereits in anderen Ländern gemacht, nur Deutschland kann da nicht mithalten.

Es wartet schon wieder eine weitere Herausforderung auf uns: die schwedischen Schären. Wunderschön aber tückisch. Hier gibt es Untiefen, die eine Unaufmerksamkeit nicht verzeihen, denn hier ist es kein weicher Schlick oder Sand, hier sind es Felsen. Wir wagen uns hinein in das Schärengebiet und sind wieder einmal etwas angespannt. Es klappt gut, wir finden einen schönen Ankerplatz und wie so oft beim Segeln – ab dem zweiten Mal wird es fast Routine!

Wieder sind wir überrascht von der ausgestrahlten Ruhe und das mitten in der Hochsaison. Wir finden wunderschöne Ankerplätze in den Schären und besuchen anschließend die Stadt und das Schloss Kalmar. Hier ankern wir direkt vor dem Schloss und erfahren später, dass dies der Hauptankerplatz aller Handels- und Kriegsschiffe im Mittelalter war. Das zu fühlen ist immer ein besonderer Moment, wenn man sich vorstellt, was sich hier, an unserem jetzigen Ankerplatz, alles abgespielt hat. 

Im Schloss Kalmar treffen wir unerwartet auf eine Verbindung nach Ostfriesland, auf Katharina Wasa. Sie lebte im 16. Jhdt und war die älteste Tochter des König von Schweden, der sie nach Ostfriesland verheiratete. Katharina Wasa hat die Burg in unserem Heimatdorf Pewsum erbauen lassen. So klein ist die Welt! Wir besichtigen das Schloss und begeben uns auf Katharinas Spuren. Das Schloss ist hervorragend restauriert und die Ausstellung ist die beste, die wir je in einem Schloss gesehen haben. Man hat das Gefühl, die Bewohner sind nur kurz aus dem Raum gegangen. Im Kamin lodert ein künstliches Feuer, die Festtafel ist reichlich gedeckt und dekoriert, man hört im Hintergrund leise Stimmen und Musik. In der Hofküche brodelt die Suppe auf dem Feuer, man riecht angenehme Essensgerüche. Am liebsten möchte man eine von den frischen Pasteten stibitzen, sie sehen täuschend echt und lecker aus, doch leider sind sie aus Plastik. 

Wir bekommen eine Vorstellung in welch einem Luxus das Königshaus lebte. Die Wasa-Könige liebten das Feiern und zelebrierten ausschweifende Essen. In einem Monat benötigten sie:

  • 63 Ochsen, 28 Kälber, 298 Schafe und Lämmer, 26 Hasen, 63 Gänse, 980 Hühner und Hähnchen, 950 Wildvögel, 858 Lachse und Hechte, 6 Fässer gesalzenen Fisch, Schinken usw. dazu viel Bier und Wein (den sie importieren mussten)
Schloß Kalmar
Mojito am Anker vor Schloß Kalmar
luxuriöser Anlegesteg in Kalmar
die Festtafel auf Schloß Kalmar ist gedeckt, wie nett
in der Schlossküche wird scheinbar fleissig gearbeitet
Catharina Wasa, die schwedische Verbindung nach Pewsum

Kalmar präsentiert sich als hübsche, kleine Stadt. Nach zwei Tagen an diesem schönen Ankerplatz zieht es uns weiter in das nächste Schärengebiet, die Bla Kusten, zwischen Oskarhamn und Nyköping. Wir ankern mitten im Schärengebiet, umgeben von lauter Sommerhäuschen, eins schöner als das andere. Es duftet nach Nadelbäumen und aus einzelnen Häusern hört man leises Gemurmel. Wir fühlen uns sofort pudelwohl, hier könnten wir für immer bleiben. So stelle ich mir Bullerbü vor.

Anwohner kommen mit dem Boot vorbei und grüßen freundlich, suchen manchmal das Gespräch. Eine Frau entschuldigt sich, dass sie so nah vorbei fährt. Dabei sind wir es doch, die vor ihrem Haus ankern!

Die Schweden sind so freundlich und zurückhaltend, es ist einfach nur schön.

Als es Abends dunkel wird, sieht man von den Häusern einzelne Lichter um uns herum und wir mitten drin! Es wirkt heimelig und es fehlt nur noch, dass wir uns alle eine gute Nacht wünschen!

Abendstimmung in den Schären – kitschig schön
manche Durchfahrten sind auch eng und abenteuerlich
noch ein Ankerplatz in den Schären

Wir verbringen noch einige Tage in diesen wunderschönen Schären und erleben unseren ersten Regentag mit starkem Wind. Es hat den positiven Effekt, dass Mojito wieder sauber gewaschen wird.

Start in die Ostsee, anders als ursprünglich geplant

Das Jahr 2021 ist ein merkwürdiges Jahr, das ist es wohl für uns alle.

Bei unserem Start in Spanien, im vergangenen Jahr, hatten wir uns dieses Jahr  ganz anders vorgestellt. Die große Ostseerunde war geplant, hinauf in den Botnischen Meerbusen, dort wollten wir Mitsommer erleben. All das haben wir uns in den schönsten Farben ausgemalt, doch dann kam Corona und veränderte die Welt und unsere Pläne!

Mojito hat den Winter in Norddeutschland an Land verbracht, zwar mit herrlichem Blick auf die Insel Norderney, aber dafür dem norddeutschen Wetter erbarmungslos ausgesetzt. Wenn wir während der Wintermonaten nach Mojito schauten, bot sich (für uns) ein trauriges Bild: die seltenen Sonnentage und die niedrigen Temperaturen ließen  Mojito nur selten trocknen, an vielen Stellen zeigte sich schon Grünspan. „Oh je, das bekommen wir nie wieder hin!“ – so unsere Befürchtung.

Das Frühjahr 2021 lässt lange auf sich warten, doch so bald die Temperaturen es zulassen, arbeiten wir unermüdlich am Schiff. Auch das Team der Störtebeker Werft in Norddeich ist, wenn es gebraucht wird, verlässlich und immer sehr freundlich zur Stelle.

Zunächst muss noch einmal der Mast gelegt werden, um die Mastplatte neu zu fertigen. Die alte Mastplatte war zu klein und bot für den Mast keine ausreichende und zuverlässige Standfestigkeit. Leider wurden nach unserem Mastbruch einige Arbeiten unbefriedigend erledigt. Nun endlich ist auch dieser Fehler beseitigt. Die Störtebeker Werft fertigt uns eine neue Platte an, mit Sachverstand und fachmännischem Geschick, genau nach Gerrit´s Vorstellung.

Der Mast wird abgebaut, eine kniffelige Angelegenheit. Die Elektrik im Mast und die Wanten müssen abgebaut werden.

Mojito ohne Mast

Der alte Grundplatte unter dem Mastfuß ist zu klein. Für uns keine vertrauenserweckende Konstruktion

Die neue Mastplatte sieht doch viel Vertrauenserweckender aus!

Der Mast wird wieder montiert

Es werden noch einige Gelcoat-Arbeiten erledigt, Gerrit und ich spucken uns in die Hände und streichen das Unterwasserschiff neu. Da wir hier das spezielle Coppercoat auftragen, eine Kupfer-Epoxy-Mischung, bedeutet das, es müssen fünf Schichten aufgetragen werden, ohne dass sie zwischendurch durchtrocknen. Sprich: morgens früh anfangen und bis spät abends streichen. Das ist der Moment indem man sich doch ein Einrumpf-Boot wünscht!! Am folgenden Tag schmerzen alle Muskeln und die Knie, doch die Mühe war es wert, nun haben wir hoffentlich für zehn Jahre Ruhe.

Mojito ohne Mast, das Unterwasserschiff ist angeschliffen und zum Streichen vorbereitet

Nun wird gestrichen

Fertig!

Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden

Zum Schluss noch ein paar Polierarbeiten und dann kommt der lang ersehnte Moment:  der Kran hebt Mojito  wieder ins Wasser!

Mojito muss über eine öffentliche Straße zum Wasser

Der lang ersehnte Moment: es geht wieder ins Wasser

Jetzt noch das Teakdeck schrubben, das übrige Deck wachsen und Mojito strahlt wie lange nicht mehr! Keine Spur mehr vom Grünspan und von den schwarzen Regenstreifen, wer hätte das gedacht.

Damit wir nicht verhungern wird noch proviantiert. Ich muss mich bremsen: es geht nur in die Ostsee, nicht über den Atlantik! Es droht keine Hungersnot, auch an der Ostsee gibt es Supermärkte!

Endlich geht es los Richtung Ostsee. Leider nicht die geplante große Runde, nur eine kleine Runde, wir machen keine Pläne mehr, wir werden sehen was geht.

Die erste Nacht liegen wir vor Anker unter Juist und genießen die herrliche Stimmung im Wattenmeer, umgeben von Seehunden, die sich faul auf der Sandbank wälzen und zahlreichen Vögeln, ein Traum.

Am nächsten Tag stellen wir den Wecker auf 5 Uhr, wir wollen das auflaufende Wasser  und die damit verbundene Strömung nutzen um nach Cuxhaven zu kommen. Die morgendliche Stimmung im Wattenmeer ist unbeschreiblich, leichte Nebelschwaden ziehen an uns vorbei, die Tierwelt erwacht. Ein schöner Tag auf dem Wasser, leider ohne Wind, dafür eine platte Nordsee,  wie man sie selten erlebt. Wir fühlen uns wie im Mittelmeer.

Zum Glück die Ausnahme: Hafenliegen in Cuxhaven

Wir sind gespannt auf unsere erste Passage durch den Nord-Ostsee-Kanal. Natürlich haben wir uns belesen und hoffen alles richtig zu machen. Als wir uns Brunsbüttel nähern, hören wir im Funkverkehr, dass einige Sportboote schon über eine Stunde vor der Schleuse warten und der Schleusenwärter sie um eine weitere Stunde vertrösten will. Eine Seglerin lässt nicht locker und fragt noch einmal nach, entnervt verkündet der Schleusenwärter nun die Sportboote doch schon zu schleusen. Perfekt für uns, wir können ohne Wartezeit direkt in die Schleuse fahren, Glück muss man haben! Wir haben Mojito gut abgefendert und erwarten, wie in anderen Schleusen, unangenehme Strudel. Doch gefühlt passiert nichts und nach kurzer Zeit öffnet sich das zweite Tor. Das war alles?? Und dafür wird geschleust? Egal, wir sind im Nord-Ostsee-Kanal, unglaublich. Die Landschaft ist schön, wir fühlen uns ein bisschen wie in Holland, das Wetter ist sommerlich, so kann es weiter gehen. Wir ankern Nachts im Flemsee, ein idyllisches Plätzchen am Rand des Kanals.

Einfahrt in den Nord-Ostsee-Kanal

Festmachen im Nord-Ostsee-Kanal

Nord-Ostsee-Kanal

Über Nacht ankern im Flemsee, ein schöner Platz am Rand des Nord-Ostsee-Kanal

Am nächsten Morgen geht es weiter nach Kiel und nach einer weiteren perfekten Schleusung (wieder ohne Wartezeit!) werden wir in die Ostsee ausgespuckt. Nun noch bezahlen, so steht es in der Broschüre, in den aktuellen Handbüchern und auch im Internet. Der Bezahlautomat am Ufer in Holtenau ist schnell ausgemacht, doch die Anlegestege sind alle belegt, na toll!

Die Boote scheinen hier nicht nur zum Bezahlen zu liegen, die Crews verlassen ihre Boote mit Einkaufstaschen. Und wie sollen wir nun bezahlen??? Einfach weiterfahren ohne zu bezahlen – nein, das tun wir nicht. Ein Steg ist mit Flatterband gesperrt, anlegen ist hier verboten. Mit mir kann man grundsätzlich nichts verbotenes tun, da bin ich sehr strikt, doch hier sehe ich entnervt ein, hier bin ich doch bereit für eine Ausnahme. Wir legen unter widrigen Umständen an, machen so gut es geht fest, Gerrit klettert über das Absperrband an Land und hechtet zum Bezahlautomat. Ein Segler fährt vorbei und macht mich darauf aufmerksam, dass wir hier nicht anlegen dürfen. Ich weiß, entgegne ich, wir wollen nur bezahlen, wir sind gleich wieder weg. Er klärt mich auf, dass das Schleusen im Jahr 2021 für Sportboote kostenlos ist. Wie schön! Noch schöner wäre es, wenn es zumindest im Internet vermerkt wäre. Na ja, nun wissen wir es auch! Gerrit kann wieder an Bord, wir können die Leinen lösen und direkt in die Kieler Förde, in die nächste wunderschöne Ankerbucht. Weiter östlich soll es, laut Wetterbericht, unwetterartige Gewitterzellen geben. Da bleiben wir lieber hier, gehen endlich wieder ausgiebig schwimmen und sehen dem regen Treiben in der Kieler Förde zu. Herrlich!

Ankerbucht in der Kieler Förde

Abendstimmung in der Ankerbucht der Kieler Förde

Da wir die bescheidene Infrastruktur der Nordseeküste kennen, beschließen wir die gute Infrastruktur  der Kieler Förde zu nutzen und fahren die nächste Tankstelle an, gemäß dem Motto: „was man hat, das hat man!“

Wie wählen jene Tankstelle aus, die laut Handbuch, die am besten anzusteuernde Tankstelle der gesamten Kieler Förde ist. Das klingt sehr gut!  Wir wissen schon, dass es hier nicht sehr viele Katamarane gibt und dass die Vielzahl der Ostseeboote eher klein ist und wir eher überdimensioniert sind. Wir sind zuversichtlich, dass sich alles meistern lässt. Doch als wir die Tankstelle ansteuern, bekomme ich Schweißperlen auf der Stirn. Eins ist sicher: wenn wir tanken, passt kein zweiter hierher! Ich bewundere Gerrit´s Ruhe.

Nun kommt der Moment, den wir beide nicht mögen: wenn ich die Leine aus der Hand gebe, bin ich demjenigen der sie annimmt gnadenlos ausgesetzt! Deshalb gebe ich stets die klare Anweisung, mir doch bitte die Leine gleich zurückzugeben, sie nur einmal um die Klampe oder Poller zu legen, biiitte!  In der Karibik und auch im Mittelmeer ist das kein Problem, dort kennen sie sich mit Katamaranen aus und wissen wie sie festmachen müssen, damit wir in die Leine „eindampfen“ können und uns problemlos an den Steg ziehen können. Der Tankwart fordert die Leine für sich, lieber würde ich sie selbst um die Klampe legen, dann hätte ich sie nämlich weiterhin in der Hand! Doch ein echter Kieler Tankwart lässt sich von einer Frau nichts sagen, schaut er doch auf einer langen Erfahrung mit Segelbooten zurück. Er denkt überhaupt nicht daran mir die Leine wiederzugeben, nein, er wählt zum Festmachen auch noch die vordere Klampe am Steg, so kann Gerrit unmöglich anlegen! Der Steg ist nach vorne durch ein Segelboot an seinem Liegeplatz begrenzt und von hinten wuselt ein Gruppe Jollensegler dicht an uns vorbei. Nun schwindet, zu recht, Gerrit´s Gelassenheit, er weist mich scharf an, Mojito an der hinteren Klampe festzumachen. Ich flehe den Tankwart an, mir die Leine zurückzugeben, doch er denkt überhaupt nicht daran. Statt dessen kommt etwas machomäßig: „nun beruhig dich mal, ich mach das schon“. Tatsächlich löst er nun die Leine von der Klampe, kurz habe ich die Hoffnung, dass er doch die hintere Klampe am Steg belegt. Doch da werde ich enttäuscht, nun versucht er den Katamaran mit Muskelkraft zu sich zu ziehen. 11 Tonnen mit zwei Rümpfen, oh je! Als Gerrit und ich kurz vorm Herzinfarkt sind, sieht der Tankwart es endlich ein und belegt die hintere Klampe. Endlich, warum nicht gleich so! Mein Blutdruck ist wahrscheinlich nicht mehr messbar! Gut dass die Ostsee nicht so viel Strömung hat wie die Nordsee und dass der Wind heute sehr wohlwollend ist. Puh, alles nochmal gut gegangen!

Wir verbringen ein paar weitere Ankertage in der Kieler Förde und sind sehr angenehm überrascht. Die Landschaft ist schön, das Wasser lädt wieder zum morgendlichen Schwimmen ein, so kann es weiter gehen. Und tatsächlich, nach einem perfekten Segeltag (ohne ständig wechselnde Winde wie im Mittelmeer!) finden wir die nächste schöne Ankerbucht vor Heiligenhafen und wechseln nach wunderbaren Tagen hinüber nach Fehmarn. Auch hier traumhafte Ankerbedingungen, wow, das hatten wir nicht erwartet. Wir sind von der Ostsee sehr angenehm überrascht.

Wir verlassen den Ankerplatz vor Heiligenhafen

Beim Landgang im gemütlichen Hafen Orth auf Fehmarn geraten wir in die Dreharbeiten der Krimi-Reihe Nord-bei-Nordwest. Ach, Schwanitz ist eigentlich Orth?! Tatsächlich, wir erkennen zahlreiche Requisiten. Mal sehen, ob wir in den nächsten Filmen irgendwo Mojito im Hintergrund ausmachen können, draußen in der Ankerbucht. Schließlich hat es Mojito schon einmal als Wetterbild in die Tagesschau geschafft, vielleicht jetzt im Krimi, wer weiß!

Fehmarn in Sicht

Ankern vor Fehmarn

Der gemütliche Hafen Orth auf Fehmarn

Landfall bei Warnemünde

Ostseestrand oder vielleicht doch die Karibik?

Der Weg zurück in unsere Heimat

Unsere letzte Wegstrecke und unsere Ankunft in Ostfriesland ging so rasend schnell und war gespickt mit zahlreichen Ereignissen und vielen netten Begegnungen mit Familie, Freunden und Bekannten, dass uns die Zeit einfach davon gelaufen ist. Zu Recht kamen mehrere Nachfragen, wo wir eigentlich stecken und ob oder wann wir ankommen. Es stimmt, wir müssen endlich unsere Versäumnisse aufarbeiten!


Unser Weg führt uns zunächst von Boulogne-sur-Mer nach Dünkirchen. In Dünkirchen stoppt uns mal wieder der beständige Nordostwind, verbunden mit einer kräftigen Welle, die uns den Weg Richtung Osten nicht ermöglicht. Jeden Tag laufen wir die Hafenmole hoch um einen Blick auf die See zu werfen, und müssen immer wieder feststellen, dass es keinen Sinn macht dagegen „anbolzen“ zu wollen. Ich erinnere mich an den Spruch: „Herr, gib mir die Gelassenheit, Dinge zu akzeptieren die ich nicht ändern kann!“ Da weder Geduld noch Gelassenheit zu meinen Stärken gehören, stellt mich das Seglerleben immer wieder vor großen Herausforderungen!


Dünkirchen hat eine interessante Geschichte und gebe es nicht gerade Corona, dann gebe es eine Menge zu besichtigen. Leider sind viele Museen geschlossen, schade. Dafür gibt es endlich wieder einen Wochenmarkt mit vielen Leckereien, das entschädigt für andere Unannehmlichkeiten! Die Warterei hat auch eine positive Seite: Deutschland hat die Quarantänepflicht für Wiederkehrer aufgehoben, juhu, das ist doch mal eine sehr gute Nachricht für uns. Nun aber schnell nach Deutschland, bevor sie das wieder kippen. Man weiß ja nie, Dinge ändern sich manchmal drastisch, das hat uns Corona gelehrt. Nichts ist sicher, eine uns bislang vollkommen fremde Wahrnehmung.

Mojito in der Marina von Dünkirchen
Blick auf die Stadt


Endlich können wir starten, nach einer Woche festliegen im Hafen! Der Wind ist zwar wieder nicht perfekt, doch diese Bedingungen kennen wir nun zu genüge, wir stellen keine Ansprüche mehr, Hauptsache es besteht eine kleine Chance Richtung Osten zu kommen.
Wir arbeiten uns an Belgien vorbei und erreichen den ersten holländischen Hafen Cadzand. Holland fühlt sich gut an und vermittelt uns bereits heimatliche Gefühle. Corona scheint hier keine große Rolle zu spielen, für uns noch sehr gewöhnungsbedürftig. Schließlich haben wir acht Wochen die äußerst restriktiven spanischen Maßnahmen erlebt und nun das: kein Mundschutz, ab und zu ein paar Warnhinweise und gefühlt, tobt hier das Leben! Wir haben Mühe den Abstand zu wahren, es gibt hier viele Urlauber und jeder genießt die wiedergewonnene Freiheit. Cadzand ist ein überaus reizvoller Ort direkt an der belgischen Grenze mit weitläufigen Stränden und Dünenlandschaften. Hier könnten wir gerne noch einige Zeit verbringen, es ist sehr schön.


Weiter geht es, nach einem nächtlichen Stopp in Ijmuiden, nach Texel. Den Luxus wollen wir uns gönnen und zwei Tage hier verbringen. Laut Wetterbericht ist es eine gute Entscheidung, der Wind soll drehen, für uns wäre er dann perfekt. Wir erkunden Texel mit dem Fahrrad und genießen dieses wiedergefundene Lebensgefühl der Freiheit. Texel ist eine unglaublich vielfältige Insel, wunderschön! Wir trauen uns nach Monaten wieder eine Strandbar zu besuchen und, fast unbeschwert, einen leckeren holländischen Apfelkuchen mit „Slagroom“ zu schlemmen. Corona scheint weit weg, den einzigen Warnhinweis finden wir auf der Toilette: „bitte hier nicht länger aufhalten als nötig!“ Aha, okay…, aber eigentlich haben wir uns auch vor Corona nicht länger als nötig auf der Toilette aufgehalten…! Vielleicht handhaben andere Gäste dies anders, wer weiß?!

Heimatgefühle! Wir liegen gleich hinterm Deich
hübsche Orte auf Texel
Texel ist bekannt für seine Strandgutsammler
endlich wieder Fahrradfahren auf Texel
das typische Texel-Schaf. Es ist freundlicher als es aussieht!


Das hinterhältige Wetter spielt uns mal wieder böse mit. Nicht nur, dass ein fieser schräger Regen mit Gegenwind just dann eintritt als wir am entferntesten Punkt unserer Fahrradtour sind. Nein, auch das angekündigte Wetter schlägt um und wieder einmal sitzen wir schließlich länger, als geplant, fest. Wir müssen uns wieder daran gewöhnen, dass wir nebst Wind auch die Gezeiten beachten müssen, das ist kniffelig. Denn, hat man den passenden Wind, dann hat man nicht genügend Wasser oder die Gezeitenströmung gegen sich, es ist verflixt! Der Wind auf Texel bläst stürmisch und gibt uns wenig Hoffnung auf eine Wetteränderung. Gerrit checkt alle Wetterdienste, doch alle machen unterschiedliche Vorhersagen und weichen stark voneinander ab, das macht die Sache nicht einfacher. Er entdeckt ein Zeit- und Wetterfenster und wir beschließen am nächsten Tag zu starten. Wohl wissend, dass es vermutlich eine harte Nuss wird, durch das Seegatt (der Durchlass zwischen zwei Inseln vom Wattenmeer ins offene Meer) zwischen Vlieland und Terschelling zu kommen.

Alles läuft nach Plan und Mojito kämpft sich tapfer durch die hohe und steile Welle im Seegatt. Sein Bug taucht tief in die Welle um sich gleich im nächsten Moment hoch hinaus zu heben. Es kracht und ächzt, das müssen wir nun eine gute Stunde aushalten, dann wird es besser.
Geschafft, puh! Wir haben die offene See erreicht und das ohne Blessuren!

Weiter geht es in Richtung Ostfriesland. Nachts erreichen wir Borkum und ankern an der Ostseite in der Osterems. Die Tonnen im Fahrwasser sind hier nicht befeuert, es ist weit nach Mitternacht und wir sind zu müde um uns durch das Wattfahrwasser zu arbeiten. Am nächsten Morgen freuen wir uns mitten im Wattenmeer aufzuwachen und zu frühstücken. Einige neugierige Seehunde kommen vorbei, die Greetsieler Kutter fischen eifrig um uns herum. Es fühlt sich noch ungewohnt an, mit Mojito durch unser einstiges Heimatrevier zu fahren, die Schleuse Leysiel zu passieren und in Greetsiel festzumachen. In Greetsiel werden wir freundlich empfangen, es ist schön hier zu sein. Greetsiel wird für diesen Sommer unser fester Standort bleiben. Unser Freund Numo hat uns dies ermöglicht, in Zeiten von Corona war das ein gutes Gefühl für uns. Dafür sind wir ihm sehr dankbar!

Ankunft in Greetsiel
und später Norderney
das Wasser ist etwas kälter als im Mittelmeer!
es ist schön wieder unsere Freunde zu treffen
wir sind wieder in Norddeutschland 🙂


Diesen Moment hatten wir uns in den letzten Wochen so sehr herbeigesehnt, manchmal schien er uns gar illusorisch. Nun sind wir hier und es gibt ein freudiges Wiedersehen mit Familie und Freunden. Wir werden jetzt die Zeit nutzen und uns erst einmal, wie bereits länger geplant, eine Wohnung einrichten, doch unser Seglerleben soll weitergehen. Wie und wann, das entscheidet Corona. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr die Ostsee erkunden können. Ob es gelingt oder wir unsere Pläne wieder einmal ändern müssen, werden wir dann zu gegebener Zeit an dieser Stelle weiter berichten.


Erst einmal schließt sich der Kreis unserer ersten Reise. Vor drei Jahren sind wir in Spanien gestartet und haben seitdem eine Menge erlebt. Es war sehr schwierig die Leinen zu lösen, doch wir haben es nie bereut, es war sogar eine der besten Entscheidungen unseres Lebens, wir sind sehr glücklich und dankbar für diese Lebenserfahrung. Es war eine sehr intensive Zeit mit Höhen und Tiefen, mit vielen Erlebnissen und netten Begegnungen. Wir hoffen unser Seglerleben noch lange leben zu können, die Liste unserer Wunschziele ist noch sehr lang und kann durchaus mit Leichtigkeit mehrere Jahre füllen.

Galicien, Biskaya und der Ärmelkanal

Immer wenn der Wind günstig ist, versuchen wir weiter Richtung Norden zu kommen. Der reparierte Motor auf Steuerbord scheint seine Aufgabe anstandslos zu meistern. Gerrit misst ständig die Temperatur am Motor, wie bei einem kranken Patienten. Es gibt keine Beanstandungen, es ist alles im grünen Bereich, wie schön. Langsam können wir uns entspannen und die schöne Landschaft Galiciens genießen. Obgleich uns gleichzeitig auch bewusst ist, dass wir hier an der Costa da Morte, der Todesküste, entlang segeln. Eine sehr gefährliche Küste, da macht es schon Sinn, dass an Bord alles verlässlich funktioniert! Abends ankern wir vor Finisterre, der berühmteste Ort an der Todesküste, früher vermutete man hier das Ende der Welt. Der Ort sieht aus der Ferne einladend aus, wie das übrige Galicien auch, schade dass wir in Corona-Zeiten nicht an Land dürfen.

Finisterre

Am nächsten Tag führt uns unser Weg an der nördlichen Costa da Morte, in Richtung A Coruna. Das Wetter erlaubt den kürzeren Weg, mitten durch die Inselgruppe Islas Sisargas, ein Naturschutzgebiet mit mehreren unbewohnten Vogelinseln und vielen Untiefen. Der laue Wind lässt das Segeln nicht mehr zu, also bergen wir die Segel und starten die Motoren. Genau in dem Moment, indem wir uns  zwischen all den Unterwasserfelsen befinden, fängt der Steuerbordmotor an zu qualmen. Es kann ja wohl nicht wahr sein!! Warum zickt denn jetzt der zweite Motor auch noch? Warum gerade jetzt, es sind so viele Untiefen um uns, hier kann man so etwas überhaupt nicht gebrauchen!! Doch dieses Mal können wir zum Glück den Motor rechtzeitig ausstellen, bevor ein Schwelbrand entstehen kann, wenigstens das. Mit einem Motor und einem mulmigen Gefühl fahren wir weiter und erreichen Abends die schöne Ankerbucht von A Coruna. Gerrit sieht sich den Schaden genauer an und muss feststellen, es ist das gleiche Problem wie bereits beim Backbordmotor, nur mit weniger Schaden! Der beständige Nordostwind lässt eine Überquerung der Biskaya nicht zu, so haben wir genügend Zeit für die nötige Reparatur. In Baiona hatten wir zunächst den falschen Wassersammler bestellt und mussten noch einen zweiten bestellen. Diese Fehlbestellung passt aber nun genau auf die Steuerbordseite, so ein Glück. Gerrit ist ja nun in Übung und die Reparatur ist zügig erledigt.

Die Guardia Civil besucht uns umgehend und klärt uns darüber auf, dass wir selbstverständlich hier ankern dürfen und ein passendes Wetterfenster abwarten dürfen, aber dass wir nicht an Land dürfen. Wie immer, sind sie sehr freundlich und fahren mindestens einmal täglich vorbei, um nachzusehen ob wir uns an ihre Vorgaben halten.

Die Bucht ist wieder einmal wunderschön, wir können uns nicht sattsehen. Wenn man vor Anker liegt, dann ändert man mehrmals täglich die Perspektive. Je nach Wind und Strömung schwojt das Boot um den Anker. Das ist wunderbar, so wechseln sich die schönen Strände und Felsformationen mit sanften Hügellandschaften ab, oder man blickt auf bewaldete Flächen und dann wieder auf kleine Dörfer. Morgens werden wir von zahlreichen Vogelstimmen geweckt, ihren Gesang haben wir im Mittelmeer vermisst. Diese Bucht ist wirklich ein Wohlfühlort, hier kann man verweilen.

Die Ankerbucht bei A Coruna

Ab und zu kommen ein paar Tagessegler vorbei, das Leben in Spanien scheint sich etwas zu lockern, die Menschen dürfen nun täglich eine Stunde nach draußen. Ein übermütiger Segler hat ausgerechnet uns als Wendeboje für sein Segelmanöver ausgesucht und überschätzt dabei leider sein Können. Wir sind in dieser riesigen Bucht das einzige ankernde Boot und er schafft es tatsächlich uns seitlich zu rammen, Bingo, wir sind fassungslos! Ausgerechnet die Backbordseite, unsere schöne Schokoladenseite, da diese nach dem Mastbruch repariert und makellos ist. Nun leider nicht mehr!! Gerrit darf nun wieder spachteln und schleifen und sich maßlos über so viel Dummheit ärgern. Komisch, dass uns immer wieder die Frage gestellt wird, ob uns das Leben auf dem Boot nicht langweilig wird. Ich denke, diese Frage beantwortet sich an dieser Stelle von selbst!

Ein bescheidenes Wetterfenster zeigt sich nach einer Woche vor Anker, um die Biskaya queren zu können, der Wind soll auf Nordwest drehen. Es ist nicht perfekt, wir müssten hart am Wind segeln (also Wind von schräg vorne), kein guter Kurs für einen Catamaran, aber machbar. Es gibt sogar Hoffnung dass der Wind weiter dreht und wir dann südwestliche Winde bekämen, das wäre super, also los! Wer nichts wagt, der nichts gewinnt!

Die See ist kabbelig und bleibt es auch die ganze Zeit, wir können zwar segeln, brauchen aber meist einen Motor zur Unterstützung um nicht seitlich abzudriften, da wir zu hart am Wind sind. Dafür werden wir zum Schluss belohnt und können schließlich auf den Motor verzichten. Nun segeln wir bei schönstem Morgenlicht an der bretonischen Küste entlang, von der Strömung werden wir direkt in den Ärmelkanal gesogen. Mit achterlichem Wind, dem Sog und einer glatten See rauschen wir mit 13 Knoten Geschwindigkeit völlig schwerelos an der Ile de Quessant vorbei, was für ein Erlebnis! „Qui voit Quessant boit son sang“, ein alter Spruch der bretonischen Seeleute und heißt: wer Quessant sieht, trinkt sein Blut. Dieses Gebiet ist berüchtigt, es gibt hier zahlreiche Wracks, es haben sich hier viele Tragödien ereignet. Das gilt dieses Mal nicht für uns, zum Glück. Die Insel präsentiert sich aus der Ferne in einem wundervollen Licht und zeigt ihre windgeschliffene, bretonische Schönheit. Außerdem duftet es nach Heu und getrockneten Kräutern, und das hier draußen auf See! Wir werden die Ile de Quessant in bester Erinnerung behalten, für ein unglaublich schönes Licht, eine tolle Stimmung und ein unvergleichliches Segelerlebnis. Da kann man wieder sehen, das alles anders kommt als man denkt. Ausgerechnet vor dieser Stelle hatten wir uns etwas gefürchtet und nun das…!

Wir ziehen weiter durch und wollen in Richtung Roscoff, in die Marina. Leider erreichen wir die Marina erst um Mitternacht, die Ansteuerung durch das Tidengebiet erweist sich etwas spannend. Manchmal hat man bei nächtlichen Ansteuerungen so viele Blinkzeichen, dass sie sich schwer deuten lassen oder man gar geblendet wird. Hier in der Bretagne scheinen sie diesbezüglich einen Sparkurs zu fahren. Die zahlreichen Untiefen sind durch weiße Blinkfeuer gekennzeichnet, doch für die Hafenzufahrt hatten sie wohl nur noch eine einzige grüne Leuchttonne übrig, mehr nicht…! Ich bin etwas angespannt und bewundere Gerrit´s Ruhe, wenngleich seine nun wortkarge Art mich auch nervt. Gerade jetzt verspüre ich einen großen Diskussionsbedarf über diese dusselige Befeuerung und bekomme kein Feedback! Irgendwie schaffen wir es tatsächlich in die Marina und machen Mojito am Steg fest, was für ein schöner und erlösender Moment!

Roscoff zeigt sich als ein überaus reizvoller bretonischer Ort und das Beste ist: wir dürfen uns wieder frei bewegen und nach mehr als 8 Wochen eingesperrt sein, dürfen wir nun gemeinsam spazieren gehen, es ist unglaublich! Fast fühlen wir uns, als müssten wir das Laufen neu erlernen! 

Wir hatten uns bei unserer Reiseplanung vor der Corona-Zeit so sehr auf die Bretagne gefreut, auf Crêpes, Baguette und andere Delikatessen. Doch nun haben wir die Hoffnung begraben, dass wir in diesen Genuss kommen und freuen uns einfach über diesen schönen Ort. Wir können unser Glück nicht fassen, als wir tatsächlich eine geöffnete Crêperie sehen, natürlich nur außer Haus Verkauf, aber immerhin. Wir genehmigen uns jeweils eine Crêpe mit salzigem Karamell und genießen sie mit Blick auf den alten Hafen. Hm.., was für ein Leben!

Zurück auf Mojito erfüllt sich ein weiterer Herzenswunsch. Unser Stegnachbar ist zufällig der Bruder eines Bäckers. Er bringt uns am nächsten Morgen zwei Croissants, eine Baguette und ein traditionelles bretonisches Brot. Es ist eine hervorragende Baguette, pures Lebensglück, nun fehlt nur noch der Ziegenkäse und der Rotwein! Aber man kann nicht alles haben. Die Windvorhersage zeigt uns, dass wir aufbrechen müssen. Die ortskundigen Segler bestärken uns darin, also lösen wir schweren Herzens die Leinen und machen uns weiter auf den Weg Richtung Nordosten. Eines Tages kommen wir wieder, das ist sicher!

Mojito eingebettet im sicheren Hafen von Roscoff
der Kran auf Stelzen, bei mehr als 5 Meter Tidenhub
der alte Hafen von Roscoff fällt bei Niedrigwasser trocken
das Leben kehrt zurück – Boules-spielen nach Corona
Kapelle in Roscoff

Wir haben achterlichen Wind und die Gezeitenströmung läuft mit uns, alles ist perfekt. Es wäre perfekt wenn wir in Alderney, eine der Kanalinseln, ankern dürften. Aber ein Anruf beim örtlichen Hafenmeister zerschlägt unsere Hoffnung, Alderney ist wegen Coronamaßnahmen gesperrt. Wir könnten Guernsey anlaufen und dort an ein Schwimmsteg anlegen ohne an Land zu dürfen. Doch Guernsey bringt uns etwas vom Kurs ab, also beschließen wir weiter zu segeln, es läuft außerdem gerade so gut. Wir segeln weiter durch die Nacht, die unruhige See macht es zwar nicht komfortabel, aber wir kommen trotz Gegenströmung voran. Am nächsten Tag überlegen wir Le Havre anzulaufen, doch das würde einige Seemeilen Umweg bedeuten und der starke Wind von hinten bringt uns gut vorwärts, also lieber weiter. Ja, man sollte nicht übermütig werden im Seglerleben, dann bekommt man gleich die Quittung. Gerade wähnten wir uns noch in einer entspannten Situation: das haben wir uns alles viel schwieriger vorgestellt, aber es läuft recht easy. Na ja, die See könnte etwas ruhiger sein, die Welle schräg von hinten schüttelt uns doch unsanft durch, aber wir wollen ja nicht meckern. Gegen Abend schlägt die Strömung um, nun kommt sie uns entgegen. Von einem Moment zum nächsten türmt sich die Welle auf und es entsteht eine steile, kurze und extrem hohe Welle, dazu bläst der Wind von achtern in Böen mit Windstärke 7-8 Bft. und schickt uns in regelmäßigen Abständen lange Wellen von hinten. Mojito wird nun zum Spielball der Gewalten. Was nun folgt ist ein Höllenritt, der sich durch die ganze Nacht zieht und an unsere Nerven zerrt. Ein Einsteiger (große Welle von hinten) schlägt mit großem Getöse quer durchs Cockpit und flutet alle Backskisten. Oh Mann, das sind die Momente in denen man sich aufs heimische Sofa sehnt, mit der Fernbedienung in der Hand und der einzigen Sorge, das richtige Fernsehprogramm zu wählen.  Anstatt dass der Wind, wie gemeldet, ab Mitternacht abnimmt, bläst er kontinuierlich und wir brausen mit, auf nur 15 qm gerefften Segel (statt sonst gut 150 qm) durch die raue See und erreichen Geschwindigkeiten von 6-8 Knoten. Bei diesen Bedingungen ist es gefühlt viel zu schnell, die Welle knallt laut von unten gegen das Brückendeck, es lässt sich aber gerade leider nicht ändern.

Der schönste Moment nach so einem Erlebnis ist es, wenn man dann einen Hafen oder Ankerplatz erreicht. Wir sind Morgens in Boulogne-sur-Mer, die Sonne scheint, gleich machen wir uns ein schönes Frühstück und dann holen wir den versäumten Schlaf nach. Schließlich haben wir zwei Nächte wenig geschlafen. Was für schöne Aussichten! Doch da stehen plötzlich, wie aus dem Nichts, drei Männer an unserem Boot, sie sehen offiziell aus, es steht „Douane“ (Zoll) auf ihre Uniform. Sie erklären uns freundlich aber bestimmt, dass sie zu uns an Bord kommen möchten. Mist, dazu haben wir nun überhaupt keine Lust. Ich erkläre ihnen also ebenso freundlich, dass wir gerade angekommen sind und eine blöde nächtliche Segeltour hinter uns haben. Das versteht doch sicher jeder sensible Mensch, was ich eigentlich sagen will: „passt gerade nicht, kommt doch einfach später noch mal wieder.“  Ja, entgegnen sie, sie haben uns ankommen sehen und deshalb sind sie jetzt hier! Ach so, na dann…!     Sie suchen nach Drogen, große Mengen an Zigaretten, Alkohol (da fallen mir gleich unsere Weinvorräte aus Spanien ein. Müssen wir die angeben? Ich weiß gar nicht wie viel erlaubt ist, wir sagen nichts!) und große Geldmengen, so ab 10 000 €. Haha! Das wäre toll, wenn sie die finden würden! Tatsächlich gehen sie zu dritt durch Mojito und drehen alles auf links. Sie sind aber sehr nett und völlig begeistert von unserem Boot, das hört man gerne! Schließlich verlassen sie das Boot ohne den von uns erhofften Geldbetrag gefunden zu haben. Dafür haben sie unseren Weinvorrat auch nicht entdeckt, haha! Doch wir denken, der bewegt sich noch im Rahmen des Legalen. Aber man weiß ja nie!

Boulogne sur Mer

Zweiter Ausbruchsversuch- nun muss es klappen!

Wir sitzen in Cadiz fest und es scheint sich in absehbarer Zeit keine nennenswerte Änderung in Sachen Corona zu ergeben. Immer wieder legen Boote der Guardia Civil neben uns an, um die Nacht im Hafen zu verbringen. Wir kommen ins Gespräch, sie sind überaus freundlich, und auch sie raten uns möglichst zeitnah nach Deutschland zu gehen. Für uns ist aber eins klar: Mojito muss mit! Entweder wir gehen zu dritt oder überhaupt nicht. Mojito hier in Spanien zurück zu lassen und nicht zu wissen, wann wir wieder nach Spanien fliegen dürfen, ist für uns indiskutabel. Vielleicht herrscht in zwei Monaten wieder Normalität, vielleicht auch nicht, wer weiß das schon. Außerdem war es von Anfang an unser Plan mit Mojito nach Deutschland zu segeln und das ziehen wir jetzt durch.

Wir beobachten auf AIS jede Schiffsbewegung, es sind nur wenige, und immer wieder sehen wir Yachten, die wieder umdrehen, aus welchen Gründen auch immer, um dann wieder zurück zu ihrem Startpunkt zu segeln. Das ist so bitter, wir wissen  zu genau wie sich das anfühlt, die Armen!

Wir fühlen uns von der Botschaft und vom Auswärtigen Amt im Stich gelassen. Außer ein paar warme Worte gibt es keinerlei Unterstützung. Der Konsul von Malaga rät nun den deutschen Bürgern dringend zur Heimreise, da sich die Situation in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Es wäre nett, wenn wir von offizieller Seite ein klein wenig Unterstützung bekämen, zumindest eine Zusage, dass wir in Portugal irgendwo ankern dürfen. Nichts dergleichen!

Wir kontaktieren unseren Trans-Ocean Verein, ein Verein für Langfahrtsegler, sie haben ein Programm ins Leben gerufen um die Karibik-Rückkehrer zu unterstützen. Einer der Hauptakteure ist Johannes, wir kennen uns persönlich aus unserer gemeinsamen Zeit in der Karibik. Johannes versorgt uns mit Infos und will versuchen etwas für die Rückkehrer aus dem Mittelmeer zu erreichen. Sie leisten für die Rückkehrer eine großartige Arbeit, dafür gebührt ihnen viel Lob!

Scheinbar haben die offiziellen Seiten, wie z.B. das Auswärtige Amt, die Segler aus dem Mittelmeer oder den Kanaren nicht auf den Schirm. Dabei haben wir uns beim Auswärtigen Amt auf der dafür vorgegebenen Seite registriert, doch das scheint die Mühe nicht wert!

Wir wissen nun endgültig, dass wir keine Hilfe zu erwarten haben, wir müssen uns selbst helfen und uns auf den Weg machen. Gerrit checkt das Wetter und sieht plötzlich ein neues Wetterfenster: wenn wir uns an der Südküste Andalusiens und Portugal entlangkämpfen, bekommen wir tatsächlich einige Tage Südwestwinde vor der Westküste Portugals. Diese Winde sind so selten, das ist unsere jetzige Chance, demnach müssen wir morgen früh los. Wir kontaktieren die Marina und können tatsächlich sofort unsere Rechnung begleichen (obwohl Sonntagabend!), der Wecker ist gestellt, morgen früh soll es los gehen.

Es fühlt sich gut an, aus der Marina herauszufahren, endlich wieder ein Stück Freiheit. Komisch ist nur das Gefühl zu wissen, dass wir nun nirgends anlanden dürfen, in Portugal gar unerwünscht sind, es fühlt sich feindselig an. Diese Gedanken verdrängen wir, wir haben ein Ziel, möglichst weit nach Norden zu kommen. Eine Stunde später sind wir mitten in ein Schlechtwettergebiet mit Windböen bis 40 Knoten, oh je, wenn das nun so weiter geht…! Mojito kämpft sich tapfer durch Wind und Welle, wir dürfen nicht jammern, nein, wir können uns über jede geschaffte Seemeile freuen. Die Welle ist unangenehm, mir ist etwas flau im Magen, hoffentlich wird es besser wenn wir das südliche, portugiesische Kap Sagres geschafft haben, bis dahin dauert es ein Tag und eine Nacht.

Das Kap präsentiert sich bei Tagesanbruch in einem wundervollem Licht, die See ist glatt, es gibt fast keinen Wind. Wir müssen mal wieder die Motoren nutzen, zum segeln reicht der Wind nicht. Dafür können wir draußen duschen, bei herrlichem Sonnenschein frühstücken und uns über die schöne Landschaft freuen. Gerrit bemerkt, dass die Backbordmaschine etwas qualmt, also nicht sauber verbrennt. Er überprüft den Motor, misst mit der Messpistole die Temperaturen, alles im grünen Bereich, wir scheinen unsauberen Diesel in Cadiz getankt zu haben. Die Steuerbordmaschine qualmt auch leicht, das untermauert unsere Theorie.

Das Wetter hält, was uns der Wetterbericht versprochen hat, wir haben südliche Winde, mal weniger, mal mehr bis stürmisch aufbrausend, aber immerhin aus Südwest! Die Welle ist leider aus Nordwest, das macht das Ganze sehr unangenehm. Mojito knallt in die Wellentäler und vibriert wenn die Welle unter das Brückendeck schlägt. Die Schiffsbewegung ist ruppig, ich habe eine dauerhafte leichte Übelkeit, aber auch hier hilft kein Jammern, da muss ich jetzt durch. Am meisten tut uns Mojito leid, er bekommt wirklich harte Schläge. Gemeinsam schaffen wir es tatsächlich an Portugal komplett vorbei zu segeln, vier Tage und drei Nächte, 460 sm, eine stolze Leistung unter diesen Gegebenheiten. Wir beschließen Baiona anzulaufen, die erste Ankermöglichkeit in Spanien. Bei dem Gedanken eine Nacht durchschlafen zu können, ohne von den hohen Wellen durchgeschüttelt zu werden, kommt Freude auf. Auch  ein gemütliches Abendessen mit einer riesigen Portion Spaghetti sehe ich schon bildlich vor mir…, oh Baiona, wir kommen, was für eine schöne Vorstellung! Wir beratschlagen, ob wir Traffic Controll anfunken sollen und um Erlaubnis fragen sollen. Ich erinnere an unseren Kapitän von dem Frachtschiff „Dijksgracht“: auf unsere Frage, ob er sich in den Hoheitsgewässern anmelden würde, verneinte er dies und meinte: sollen sie uns doch anfunken, wenn sie was wissen wollen. So! Genauso machen wir es auch. Wer viel fragt, kriegt auch viele Antworten. In Portugal haben wir versucht uns anzuschleichen und haben vorher unser AIS ausgeschaltet, doch wir wurden sofort entdeckt. Warum sollen wir uns anmelden, wenn sie uns doch alle auf ihrem Radarschirm sehen. Auch unser AIS-Signal ist für alle sichtbar. Also verschwenden wir keine weitere Gedanken daran und nehmen die Ansteuerung in den Fokus.

Vor der Bucht braust der Wind noch einmal richtig auf, die Wellen brechen sich eindrucksvoll an der Küste, die See um uns scheint zu brodeln. Wir starten die Motoren, bergen die Segel und steuern die Bucht an, die Sicht ist schlecht, gut dass wir heutzutage einen Plotter haben. Wir sind auf die Ansteuerung konzentriert, die vielen Untiefen und die Gefahrentonnen müssen beachtet werden, wir versuchen uns zu orientieren. Plötzlich sehen wir, dass die Backbordmaschine dicke Rauchschwaden von sich gibt, ein denkbar ungünstiger Moment, wobei es fraglich ist, ob es dafür überhaupt einen günstigen Moment gibt! Ein brennender Motor ist immer ein worst case auf einem Schiff! Gerrit stellt sofort den Motor ab, nun geht es mit einer Maschine weiter. Ein Catamaran ist dann nur eingeschränkt manövrierfähig, aber immerhin, wir haben eine zweite Maschine, für einen Monohull wäre dies noch schlimmer. Wir haben jetzt, an dieser Stelle, keine andere Wahl als weiter die Bucht anzulaufen. Mit nur einer Maschine haben wir keine Chance umzudrehen. Die Anspannung bleibt hoch, die See ist unruhig und der Wind braust auf 25 Knoten von der Seite auf. Wir beraten uns und beschließen die Motorluke erst einmal nicht zu öffnen, um dem vermutlichen Schwelbrand  keinen Sauerstoff zuzuführen. Im Motorraum haben wir Fireballs installiert, die sich ab einer bestimmten Temperatur selbst auslösen, auf die setzen wir nun unser Vertrauen. Zusätzlich holen wir noch einen weiteren Feuerlöscher, den wir für den Fall der Fälle bereithalten. Ich beobachte weiter die Rauchentwicklung, während Gerrit Mojito langsam Richtung sichere Bucht steuert.  Die 4 Meter hohe Atlantikwelle schiebt uns von hinten, es ist schwierig mit nur einer Maschine Mojito grade zu halten, es besteht große Gefahr querzuschlagen, ein Albtraum. Die Tiefe nimmt schnell ab, das macht die See so brodelnd, dazu kommen die zahlreichen Riffe und Felsen, gefühlt befinden wir uns in einem Hexenkessel.  Es geht quälend langsam voran, der Adrenalinspiegel steigt stetig, dafür bilden wir uns ein, dass der Rauch langsam weniger wird. Oder ist es nur ein Wunschdenken? Wir funken die Marina an und erhoffen uns eventuell Hilfestellung beim Anlegen (mit nur einer Maschine), leider bekommen wir keine Rückmeldung. Also beschließen wir zu ankern. Der Wind lässt deutlich nach, je tiefer wir in die Bucht kommen. Hauptsache der Anker greift beim ersten Versuch, denn wir haben keine Möglichkeit mehrere Ankermanöver zu fahren. Laut Handbuch soll der Ankergrund hier schlecht haltend sein, auch das noch! Unser Rocna-Anker lässt uns auch dieses Mal nicht im Stich und greift sofort, wow!!  Ein Blick im Motorraum zeigt das Ausmaß der Zerstörung: es gab einen Schwelbrand am Auspuff, der Wassersammler ist geschmolzen, es stinkt nach verbranntem Plastik. Das Wichtigste: es brennt nichts mehr, soweit ist alles gut. Nun werden wir uns erst von dem Schreck erholen, essen, schlafen und morgen sehen wir uns das alles genauer an. Weitere Verluste/Schäden auf dieser Reise: unsere portugiesische Gastlandflagge ging verloren (das hat Symbolcharakter!!), eine Segellatte hat sich gelöst und das Lazzybag ist durch die Reffleinen eingerissen. Doch das lässt sich alles reparieren oder ersetzen.

Zum Glück lässt sich am nächsten Morgen der Motor kurz starten, demnach ist es kein Totalschaden, das ist doch schon mal sehr positiv. Vor Freude tanze ich jubelnd durch den Salon. Gerrit verbringt den ganzen Tag im Motorraum, baut die beschädigten Teile aus, kontrolliert alle anderen und sucht nach der Ursache. Der Wassersammler ist komplett geschmolzen, ebenso der Abgasschlauch. Der gesamte Motorraum ist verrußt. Wir versuchen den ansässigen Volvo-Penta-Händler zu kontaktieren, erfahren aber auf Spanisch, dass heute der 1. Mai ist, dann Wochenende und vor Montag also nichts zu machen ist. Wir hätten die jetzigen südlichen Winde so gerne genutzt, um die Biskaya zu queren, es wäre perfekt gewesen. Nun ja, das Seglerleben zeigt mir immer wieder, dass ich mich in Geduld üben muss, wahrlich nicht meine Stärke, aber ich lerne! Derweil schauen wir uns sehnsüchtig von unserem Ankerplatz das Land an und erkennen einen beschaulichen Ort.

In den Hafen von Baiona lief 1493 die Karavelle von Christoph Kolumbus ein und brachte die Nachricht von der Entdeckung der neuen Welt, von Amerika, mit. Trotz der dicken Regenwolken sieht es sehr schön aus, diese weitläufige Bucht mit ihren Stränden, umgeben von sanften bewaldeten Hügeln. Auf der angrenzenden Halbinsel gibt es eine große Burg mit einer weitläufigen Wehrmauer, heute ein Parador (Hotel). Ach, wie gerne würden wir auf Erkundungstour gehen, so selbstverständlich wie wir es vor Corona taten.

                                                                                                                                     Wir staunen als uns eine nette Email erreicht. Hello, schreiben sie uns auf Englisch, wir sind Mihai and Ioana  und wir sehen euren schönen Catamaran von unserer Terrasse aus. Wir heißen euch willkommen in Baiona und wenn wir etwas für euch tun können, lasst es uns wissen. Auch teilen sie uns mit, dass es noch keinen Covid-Fall in Baiona gegeben hat, wir uns also keine Sorgen machen müssen. Wie nett! Wie herzerwärmend es immer wieder ist, so lieben Menschen zu begegnen. Als sie von unseren technischen Problemen erfahren, bieten die beiden uns sogar an, wenn nötig, uns mit dem Auto zu fahren. Sie schicken uns auch eine Karte, in der sie den besten Supermarkt gekennzeichnet haben und ein Fischgeschäft empfehlen. Vielen, vielen Dank dafür, das ist wirklich sehr lieb! Schon gleich ist das alles gar nicht mehr so schlimm und Galicien hat ganz sicher einen Platz in unserem Herzen!  

Marina Puerto Sherry
das Unterwasserschiff wird gesäubert
Die nötigen Besorgungen lassen einen kurzen Blick auf die Sehenswürdigkeiten zu. Hier die Stierkampfarena von El Puerto De Santa Maria
während die einen in den Winterschlaf geschickt werden, müssen andere arbeiten. Ameisen schleppen gemeinsam eine Blüte weg
Die Burg von Baiona
die weitläufige Bucht von Baiona
unser geschmolzener Wassersammler

Ausbruchsversuch!

Wir hängen mittlerweile schon 14 Tage in Cadiz fest und die Meldungen werden eher schlechter, als besser. „Wir hätten es besser wissen müssen und nach Portugal durchziehen müssen…“, sagen wir uns immer wieder, wenn wir über diesen unfreiwilligen Stillstand in unserem Seglerleben nachdenken.

Wir sind angewiesen worden, unser Boot nicht zu verlassen, nicht einmal den Steg sollten wir betreten, Ausnahme nur um den Müll zu entsorgen. Die Marina dürfen wir nicht verlassen, nur unter Angabe eines triftigen Grundes, wie Einkaufen (nur der nächste Supermarkt und dann alleine) oder Apotheke.

In Spanien wird die Lage in den Krankenhäusern immer dramatischer, es fehlt an allem, das medizinische Personal arbeitet weit über die Belastungsgrenzen. Eine deutliche Besserung der Corona-Situation ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, wir sind der Meinung, dass Spanien mit ihrer eigenen Bevölkerung mehr als genug zu tun hat. Daher sind sie sicher froh über jeden Nicht-Spanier, der das Land verlässt, für den sie dann keine Sorge tragen müssen.

Für uns besteht eine große Gefahr, uns bei den nötigen Besorgungen in der Stadt mit dem Corona-Virus zu infizieren. Daher wächst bei uns die Einsicht: wir müssen hier weg!

Auf dem Wasser fühlen wir uns vor dem Virus absolut sicher, wir haben genügend gebunkert und eingekocht um locker vier Wochen ohne Landgang zu überstehen. Das Auswärtige Amt schreibt zu diesem Zeitpunkt sinngemäß auf seiner Internet-Seite: Yachten dürfen in Portugal anlanden um zu tanken und Proviant aufzunehmen, die Crew darf nicht an Land gehen. Transit-Yachten auf dem Heimweg dürfen die Portugiesischen Gewässer befahren.

Unser ernstzunehmender Gegner in unserem Seglerleben ist der Wind. Wir müssen ihn genau checken, und wenn erforderlich rechtzeitig Schutz suchen und abwettern. So lange das klappt, ist der Wind unser Freund, der uns voranbringt. Wenn es nicht klappt, wird er schnell zum Feind, der uns in lebensbedrohliche Situationen bringen kann. Wir haben großen Respekt vor der Westküste von Portugal und von Frankreich, dort ist die See sehr launisch und rau.

Während unserer Vorbereitungszeit für diese Reise, als uns das Wort „Corona“ nur in positiven Zusammenhängen, wie Bier, Geschichte oder Kultur bekannt war, hatten wir geplant, während des Törns häufig in Häfen Schutz zu suchen und nur bei sicheren Wetterlagen weiterzuziehen. „Immer sutje“ wie der Ostfriese sagt. Heute sieht die Welt ganz anders aus, als vor einem Monat, wer hätte das für möglich gehalten. Also brauchen wir eine Planänderung, da wir uns im Klaren sind, dass wir in Portugal keinen Hafen anlaufen dürfen. Wir checken die Buchten an der Westküste und die Distanzen und kommen zum Entschluss: es ist nicht perfekt und nicht die bequemste Lösung, aber es ist machbar und wenn das Wetter es zulässt, können wir durchaus mehrere Tage und Nächte durchsegeln und Strecke machen. Sollte das Wetter nicht mitspielen, so gibt es einige passende Buchten zum Abwettern. Unser Ziel: möglichst zügig nach Deutschland zu kommen. In diesen unklaren Zeiten möchten wir unser Schiff nicht irgendwo zurücklassen und noch weniger möchten wir zur Zeit gemeinsam mit vielen anderen Menschen per Flugzeug, Zug oder Bus reisen. Auch hier schreibt das Auswärtige Amt sinngemäß zu dieser Zeit: wer sich mit eigenen Mitteln auf dem Heimweg begeben kann, sollte dies tun.

Also schnell noch die Wäsche waschen (das Wasser brauchen wir schon mal nicht selbst zu produzieren, gibt es noch am Steg), ein Brot backen, Abend essen und vor der völligen Dunkelheit legen wir Samstagabend ab und werden durch winken und Schiffshorn von unserer kleinen Hafengemeinschaft verabschiedet.

Es fühlt sich alles ganz anders an als sonst, wir starten nicht um neue Ziele zu entdecken, nein, wir wollen einfach nur unsere Situation zum Besseren verändern, denken wir.

Nach einer durchsegelten Nacht, laufen wir Sonntagmittag in das große Lagunengebiet vor Faro und Olhao ein, hier gibt es reichlich Ankerplatz, wir ankerten hier bereits vor drei Jahren. Sollte man uns hier zu einer 14-tägigen Quarantäne vergattern, wäre es erträglich. Das Licht ist wunderschön, die Insel Culatra zeigt sich in den herrlichsten Farben. Es ankern einzelne Yachten in diesem weitläufigen Gebiet. Vor der Einfahrt zur Lagune wurden wir von einer Delfinschule begleitet und zahlreiche Albatrosse flogen ihre Runden. In solchen Momenten geht einem das Herz auf und die Welt scheint wieder in Ordnung, Corona spielt hier keine Rolle.

Doch wir kommen nicht zum Ankern, wir werden von der Maritimen Polizei abgefangen und nach unserem Vorhaben befragt. Wir erzählen unser Anliegen und dass wir nur eine Nacht ankern möchten und dann in Richtung Deutschland weiterziehen. Wir brauchen nicht an Land und sind auch bereit, wenn erforderlich, eine 14-tägige Quarantäne hier vor Ort einzuhalten. Die beiden sind sehr nett, tragen aber zu unserer Verwunderung weder Mundschutz noch Handschuhe, nehmen unsere Personalien auf und führen mehrere Telefonate. Schließlich teilen sie uns mit, dass sie leider nichts für uns erreichen konnten und es ihnen sehr Leid täte, aber wir dürften hier nicht ankern. Ihre Begründung ist, dass dieses Lagunengebiet ein Hafen ist und daher nun nicht mehr angelaufen werden darf. Sie scheinen selbst ganz unglücklich über diese Aussage zu sein und sagen, dass sie trotzdem hoffen, dass sie uns nächstes Jahr hier wiedersehen. Wie nett! Sie erklären, dass wir vor der Küste ankern dürfen und in Buchten die keinen Hafenstatus haben. Überhaupt sollten wir stets die jeweilige Port Authority anfunken und um Erlaubnis fragen, denn das würde jeder unterschiedlich handhaben, da gebe es kein einheitliches Vorgehen.

Okay, damit können wir leben. Wir machen uns auf dem Weg weitere 20 sm bis zur, von den Polizisten angewiesenen Ankerbucht vor Albufeira. Wir erreichen die Bucht bei Dämmerung, sie ist nicht perfekt, da sie wenig Schutz bietet und viel Schwell hat. Aber in diesen Zeiten kann man nicht anspruchsvoll sein. Wir beschließen Mojito mit Hilfe eines Heckankers zu stabilisieren, morgen geht es eh weiter, Hauptsache in Ruhe essen und schlafen, mehr möchten wir nicht. Der Strand von Albufeira ist menschenleer, die Hotels sind verwaist, eine komische Stimmung. Volle Strände sind nicht schön, aber in diesen Zeiten wünscht man sie tatsächlich wieder herbei! Die Freude über den Ankerplatz ist von kurzer Dauer, es meldet sich die Maritime Police über Funk und erklärt, dass wir nicht Ankern dürfen. Ich ziehe alle Register und erkläre dem Beamten unsere Situation und versichere ihm, dass wir nur ankern, weit ab vom menschenleeren Strand, dass wir morgen früh wieder verschwinden und nicht an Land gehen. Ich flehe ihn an, Verständnis zu haben und einen vernünftigen Weg in diesen schlechten Zeiten zu finden. Ich wundere mich über mich selbst, dass ich all das auf Englisch über Funk geregelt kriege und bin ein wenig Stolz. Der Polizist bittet mich um einen Moment Geduld und meldet sich nach kurzer Zeit, und teilt uns mit, dass das Ankern an der gesamten Portugiesischen Küste ab sofort verboten sei und das Navigieren ebenfalls, außerdem seien alle Häfen gesperrt. Auf meine Frage, wo wir denn dann hin sollen, antwortet er flapsig: „go to Germany“!  Haha, kleiner Scherzkeks!

Die portugiesischen Hafenbehörden versagen hier nach unserer Meinung auf ganzer Linie. Sie schotten sich einfach ab, ohne Sachverstand und ohne wohl überlegte Strategie. Ein Armutszeugnis für eine alte Seefahrernation! Es gab schon früher Quarantänestege in der Seefahrt, warum nicht jetzt? Außerhalb Europas ist es für uns Europäer Pflicht bei Ankunft die gelbe Quarantäneflagge zu hissen und so lange bis alle Autoritäten ihren Stempel erteilt haben, darf niemand von Bord. Warum kann Europa dieses Vorgehen in Krisenzeiten nicht wieder einführen und so zumindest die Durchreise erleichtern. In der Karibik sehen zur Zeit viele Segler angstvoll in die Zukunft, sie haben die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder sie verbringen die Hurrican-Saison an Ort und Stelle, wo sie plötzlich und unfreiwillig durch Corona ausgebremst wurden. Dann sind es nicht unbedingt Hurrican-sichere Inseln, also haben sie dort keinen Versicherungsschutz. Oder sie wagen die nördliche Atlantiküberquerung ohne derzeitige Möglichkeit in Portugal anzulanden. Das heißt, eine deutsche Yacht muss sich augenblicklich darauf einstellen nonstop von der Karibik nach Deutschland segeln zu müssen. Für kleine Crews oder Familien mit Kindern ist dies fast nicht zu bewältigen.

„In der langen Geschichte der Menschheit hat gesunder Menschenverstand nicht gerade die größte Erfolgsbilanz vorzuweisen!“ Welch passender Spruch in dieser verworrenen Situation.

Wir realisieren langsam, dass wir keinen Status mehr haben, dass wir niemanden interessieren und kommen uns vor wie Bootsflüchtlinge, die keine Hilfe erwarten dürfen. Unsere Europaflagge weht trotzig im Wind, aber das Europa, dass wir kannten und so sehr schätzten, zerfällt gerade zu einem Scherbenhaufen.

Wir beobachten auf AIS eine schwedische Yacht von Madeira kommend und scheinbar nach Nordeuropa wollend. Sie fahren die Küste ab und werden offensichtlich überall abgewiesen, sie wagen schließlich den Weg entlang der Westküste und ankern später vor Lissabon, als einzige Yacht, mal sehen wie lange. Es gibt noch andere, die herumirren.

Wir bekommen moralische Unterstützung durch andere Yachties, die uns über AIS beobachten und entweder anfunken oder per mail kontaktieren. Vielen Dank, dafür! Hans und Gaby bemühen sich aus der Marina von Portimao heraus eine Lösung für uns zu finden, wie rührig. Jens und Dörte schreiben uns, obwohl sie uns persönlich nicht kennen, von ihrem Ankerplatz in Portimao und bieten uns ihre Hilfe an. Das sind die netten Erlebnisse, die uns aufmuntern und zeigen, dass es auch Menschlichkeit gibt in diesen verrückten Zeiten. Gerade Portimao zeigt beispielhaft wie unsinnig diese Sperrungen sind. Dort gibt es einen riesigen geschützten Vorhafen, wo im Sommer zahlreiche Yachten ankern, dieser würde sich nun für weiterziehende Yachten perfekt anbieten. Doch leider bleibt uns die Zufahrt verwehrt, da die Bucht einen Hafenstatus hat.

Zunächst beschließen wir der schwedischen Yacht zu folgen und um das Kap Sagres in Richtung Cascais zu segeln. Doch was erwartet uns dann, fragen wir uns. Werden wir überall abgewiesen, können wir nirgends Schutz finden vor den angekündigten starken Nordwinden. Wir lesen, dass auch Frankreich die Maßnahmen verschärft hat und ein Ankerverbot, Navigationsverbot und alle Häfen geschlossen hat. Unsere Situation wird immer verworrener, besonders weil Maßnahmen von jetzt auf gleich umgesetzt werden und man dabei mit sofortiger Wirkung einfach durchs Netz fällt. Also beschließen wir umzukehren und wieder zurück nach Cadiz zu segeln, 240 sm umsonst zurückgelegt. Wir sind übermüdet, gefrustet und voller Sorge und Angst wohin das alles gerade führt. Wir haben keine Rechte mehr, nicht einmal die Menschenrechte scheinen noch gewahrt zu werden. Wir können nun einen kleinen Bruchteil der Gefühle nachfühlen, die die Flüchtlinge empfinden. Dieser kleine Bruchteil fühlt sich schon wie ein Albtraum an.

Während wir zurückfahren erfahren wir, dass auch Spanien die Maßnahmen weiter verschärft hat und das ganze Land nun einen Winterschlaf halten soll. Angstvoll fragen wir uns, was passiert wenn die Spanier uns nun auch nicht mehr aufnehmen? Wenn das passiert, dann haben wir ein großes Problem. Dann können wir bis nach Deutschland nirgends anlanden.

Hans schreibt uns und schlägt uns vor den ersten spanischen Hafen Ayamonte anzulaufen. Sie kennen den Hafen, er ist gut und es wäre nur die Hälfte der Strecke zurück. Gute Idee, danke Hans!

Sobald wir am Morgen wieder Netz haben, rufen wir den Hafen an und erfahren dass alles geschlossen ist, keine Chance auf Einlass. Also weitere 60 sm Richtung Cadiz, die Angst sitzt uns im Nacken keinen sicheren Platz mehr zu finden. Am späten Nachmittag erreichen wir spanisches Hoheitsgewässer, es wird von einem Schiff der Küstenwache überwacht, wir spüren einen Kloß im Hals und zucken bei jedem Knacken im Funkgerät zusammen. Wir erwarten ständig den Funkspruch: „Mojito, Mojito, this is the Spanish Coast Guard“, doch nichts passiert. Also weiter. Kurz vor der Dunkelheit haben wir wieder Netz und rufen die Marina von Cadiz an. Doch auch dort die Antwort: „ the marina is closed“ Nun ziehe ich alle weiblichen Register, flehe und bitte, ohne Erfolg. Der Mann spricht zwar kein Englisch, aber er gibt uns den Tip in Puerto Sherry anzufragen, was wir umgehend tun. Auch hier spricht der Marinero kein Englisch, aber irgendwie verständigen wir uns und als ich das Wort „si“ höre, kann ich nur noch „gracias, gracias, mucho gracias“stammeln, welch ein Glück! Es sind aber noch zwei Stunden Weg, wir sind noch nicht da, bloß nicht zu früh freuen, sonst ist die Enttäuschung umso größer. Schon sehen wir von weitem ein Schiff, welches sehr nach Guardia Civil aussieht, oh nein, bitte nicht! Es scheint aber Kurs auf Cadiz zu haben, an uns vorbei. Es ist nur eine kurze Erleichterung, denn schon ändert es den Kurs und kommt auf uns zu. Mist! Wir hatten schon extra das AIS ausgestellt um uns unsichtbar zu machen, aber wir wurden trotzdem entdeckt. Sie halten längsseits Abstand zu uns, funken uns an und wollen wissen woher wir kommen. Ich erzähle ihm unsere Odyssee, die englischen Worte sprudeln nur so, wir können es nicht fassen, als ersagt: „okay, dann setzt euren Weg fort“, was für eine Freude. Nun kommt uns zugute, dass wir als letzten Hafen Cadiz angeben können und damit von Spanien nach Spanien gereist sind, also offiziell kein anderes Land betreten haben.

Kurze Zeit später fahren wir in die Marina, der Marinero hilft uns beim Anlegen und empfängt uns freundlich. Er klärt uns auf, dass wir nicht an Land dürfen. Wollen wir auch nicht, wir sind so froh wieder einen Status zu haben, wir stellen keinerlei Ansprüche mehr, versprochen!

Was für ein Glücksgefühl wieder irgendwo sein zu dürfen. Wir sind völlig übermüdet, voller Stresshormone und killen an dem Abend zur Feier des Tages eine Flasche Wein und stoßen auf die Spanier an, die Menschen, die in Krisenzeiten Menschlichkeit zeigen.

Am nächsten Tag besucht uns die Guardia Civil und befragt uns freundlich, kontrolliert die Papiere und klärt uns über die Verhaltensregeln auf. Zum Abschied sagen sie „welcome in Spain“ Uns wird ganz warm ums Herz. Kurze Zeit später kommt die Policia Local um die Formalitäten zu erledigen, wieder sehr freundlich. Sie fragen wie lange wir planen hier zubleiben. „Äh…, wir bleiben so lange wie es braucht“ antwortet Gerrit „wenn alles vorbei ist und wir wieder navigieren dürfen, setzen wir die Reise nach Deutschland fort“ daraufhin antwortet der Polizist: „Aber warum? Wer hat euch gesagt, dass ihr nicht navigieren dürft. Wenn ihr nach Deutschland wollt, dann könnt ihr es tun.“ Wir wissen nicht ob wir lachen oder weinen sollen. Gerrit erzählt ihnen unsere Geschichte, nachvollziehen können sie es nicht, wir auch nicht. Aber unsere Meinung ist nicht gefragt.

Sollte Europa diese Krise überstehen, dann gibt es einige Hausaufgaben zu erledigen, das Denken und Handeln als geeintes Europa hat in diesem und in anderen Bereichen nicht funktioniert.

Aber die Spanier sind uns dafür noch mehr ans Herz gewachsen!

Nun heißt es für uns abwarten und hoffen dass sich das Virus abschwächt und die Länder ihre Maßnahmen dann wieder lockern. Oder dass zumindest zeitnah eine Regelung für uns Langfahrtsegler gefunden wird.

Gefangen in Cadiz

Wir hatten uns so sehr auf Cadiz gefreut, wir mögen die schöne Altstadt sehr. Doch niemand konnte ahnen, wie schnell die Dinge einen anderen Lauf nehmen sollten. Als wir vor einer Woche in Cadiz einliefen, merkten wir schnell, dass Corona die Dinge verändert, wie sehr, das war uns damals noch nicht so bewusst.

Wir ändern unseren ursprünglichen Plan, Cadiz ausgiebig zu besuchen und beschließen so schnell wie möglich Richtung Portugal zu segeln. Wir stellen uns den Wecker um früh zu starten, es liegen schließlich 80 sm vor uns. Das Wetter ist schlechter als gemeldet, es regnet sehr stark und es herrscht starker Wind. Keine idealen Bedingungen um zu starten! Während wir noch zögern, lesen wir die Nachricht, dass Portugal seit heute Morgen die Grenzen geschlossen hat. 

Unter diesen Voraussetzungen beschließen wir lieber nicht abzulegen. Es stürmt draußen, sollten wir nicht in portugiesische Gewässer einlaufen dürfen, dann haben wir bei dem Wetter ein großes Problem. Möglich, dass uns dann auch keine spanische Marina mehr akzeptiert, das Risiko ist groß. Hier liegen wir einigermaßen gut geschützt, wir wissen nicht was uns dort erwartet.

Im Laufe des Tages teilt uns die Marina mit, dass sie offiziell geschlossen ist. Wir dürfen zwar mit unserem Schiff hier liegen, dürfen aber die Marina nicht verlassen, nur zum Einkaufen und dann nur einzeln. Die sanitären Einrichtungen und das Büro sind geschlossen, wir haben nicht mal eine Schlüsselkarte für die Eingangstür, wir sollen schließlich nicht raus. Die meisten Boote sind verwaist, mit uns sind noch drei weitere Boote bewohnt. Mojito hier in Cadiz zurücklassen und mit den letzten Flieger nach Deutschland zu fliegen ist für uns keine Option. Wir wissen nicht ob und wann wir wieder nach Spanien fliegen können. Niemand ist für die Boote hier zuständig, wir können uns nirgends offiziell anmelden, der Hafen ist nur mäßig geschützt. Das Risiko ist uns viel zu groß, wir bleiben hier und stehen das gemeinsam durch. Schließlich haben wir den Mastbruch auch zusammen überstanden, dann werden wir uns doch von diesem kleinen, fiesen Virus nicht einschüchtern lassen.

Wir tun uns trotzdem schwer diese Situation zu akzeptieren und schmieden „Ausbruchspläne“. Wir sind uns der Verantwortung jedes Einzelnen in dieser Pandemie bewusst, doch wir sehen uns nicht als potentielle Gefährder, schließlich brauchen wir nicht an Land. Wir haben genügend gebunkert und können uns locker vier Wochen selbst versorgen. Am Anker haben wir keine Berührungspunkte mit anderen Menschen, also perfekte Voraussetzungen für uns und für die anderen.

Wir recherchieren über Internet, doch die Aussagen für uns Segler sind schwammig, man kann sie so oder so auslegen. Gerrit kontaktiert einen deutschen Segler, den wir auf AIS vor der portugiesischen Insel Culatra ankern sehen. Doch auch er ist von der Polizei angewiesen worden, sein Boot nicht zu verlassen, nicht einmal zum Einkaufen, schreibt er uns. Dagegen sind wir ja noch in einer komfortablen Situation. Nur das Wetter ist an der Algarve schöner als hier, das macht neidisch. Wir haben hier leider sehr viel Wind, Regen und Gewitter, das ist nicht so toll für die Laune an Bord. Dafür haben wir eine nette französische Familie als Nachbarn mit einer zuckersüßen kleinen Tochter, das ist wieder schön. Ab und zu treffen wir uns zum morgendlichen Kaffee und tauschen uns aus, von Schiff zu Schiff mit viel Wasser dazwischen (das Virus kann ja zum Glück nicht schwimmen). 😉

Wir geben aber noch  nicht auf und gehen zunächst Einkaufen, um noch mehr Vorräte einzukochen, wir müssen autark sein. Die Stadt zeigt sich von der schönsten Seite, die Bäume und Blumen blühen in allen Farben, die schönen Fassaden strahlen im Sonnenlicht. Die Stadt ist leer und still, vereinzelt sieht man Menschen vorbeihetzen, man geht sich aus dem Weg, niemand möchte Kontakt.

Im Supermarkt wird man nur einzeln eingelassen, nur mit Handschuhen, die meisten Menschen tragen Mundschutz. Alle verhalten sich sehr diszipliniert, niemand meckert. Ich habe mir ein Tuch vor Mund und Nase gezogen, hoffentlich ist das Vermummungsverbot nun ausgesetzt. Da bekommt man doch eine ganz andere Sichtweise auf den Tschador! 😉

 Ich vermisse die spanische Lebensfreude, die Gespräche im Supermarkt fehlen. Jeder ist konzentriert mit seinen Besorgungen beschäftigt, bloß nicht zu viel Zeit hier verbringen. Mehl und Hefe sind ausverkauft, es scheinen noch andere ihr Brot selbst zu backen, Mist!

In der Stadt patrouillieren  Polizisten und fragen jeden nach dem Grund, weshalb er sich draußen bewegt. Wir werden nicht gefragt, doch unser „Hackenferrari“ zeigt es schließlich unmissverständlich.

Zurück an Bord werden Paprika und Tomaten zu Peperonata verarbeitet und in Gläser eingekocht.

Wir versuchen eine Erlaubnis als Transit-Yacht zu bekommen, schließlich sind wir auf dem Weg nach Deutschland. Wir würden auch je nach Wetter zügig weitersegeln, Sightseeing ist dieses Jahr eh nicht angesagt, das haben wir nun  verstanden. Gerrit kontaktiert die Deutsche Botschaft in Malaga und bekommt zügig eine freundliche Antwort vom Konsul persönlich. Soweit er weiß, schreibt er uns, gilt das Verbot für Freizeitschiffe auch für uns Deutsche auf Heimreise, wir dürfen uns derzeit in Spanien also nicht bewegen.

Wir stellen fest, die einzige Möglichkeit für uns wäre, die 12 sm-Zone zu verlassen und außerhalb der Hoheitsgewässer direkt nach Deutschland zu segeln. In dieser Jahreszeit ist das für uns aber keine Option, also fügen wir uns dem Schicksal.

Wir sitzen fest, wie so viele andere auch, daran lässt sich erst einmal nichts ändern. Doch genau betrachtet, ist es ein Luxusproblem: wir sind gesund, wir haben auf dem Catamaran genügend Platz, wir haben wahrlich genug zu essen an Bord und ein paar Flaschen Wein sind auch noch da. Also machen wir das beste daraus. 🙂

Menschenleere Promenade von Cadiz
Menschenleere Straßen, am Ende wacht die Guardia Civil
Anstehen vor dem Supermarkt mit großem Abstand
Mojito im Hafen von Cadiz

Start von Torrevieja , Corona verfolgt uns

Der Winter ist vorüber, obwohl er eigentlich nie da war. Es wird Zeit zu starten, wir warten nur noch auf den perfekten Wind, das ist schwierig, denn die hier vorherrschende Winde kommen aus West, da wollen wir hin, das heißt wir hätten Gegenwind. Da sind sie wieder, die Gefühlskapriolen – einerseits möchte ich dass es endlich losgeht, doch anderseits sind da schon wieder die Wurzeln, die mich in der Geborgenheit festhalten möchten. Jedes Jahr das gleiche Drama, wir müssen das Gewohnte loslassen und uns wieder ins Abenteuer stürzen, in die Ungewissheit. Auch wenn es immer wieder schwer fällt, doch genau das lässt uns spüren, dass wir lebendig sind. Genau das macht den Reiz unserer Lebensform aus, auch wenn es ab und an schwer fällt und man sich überwinden muss.


„… kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise und traulich eingewohnt, so droht erschlaffen. Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, der mag lähmender Gewöhnung sich entraffen“, sagt Hermann Hesse.


Recht hat er, der Hermann Hesse, also los. Nur keine „Marina-Potatoes“ werden!
Mojito ist von Innen und Außen geputzt. Alle Bilgen, alle Schränke sind gesäubert und aufgeräumt. Das was sich als nicht brauchbar erwiesen hat, muss hier das Schiff verlassen. Schließlich ist der Platz begrenzt, da wird kein unnützes Zeug weiter rumgeschleppt.
Während ich Mojito von außen gewachst und poliert habe, hat Gerrit die Technik überarbeitet und perfektioniert. Er hat die Sonnenkollektoren weiter optimiert, die Motoren und den Generator gewartet. Gemeinsam haben wir die acht Winschen auseinander geschraubt, gesäubert und gefettet. Das Lazzybag musste repariert werden, da die aggressive Sonne den Reißverschluss nach einem Jahr einfach „weggebruzzelt“ hat.
Außerdem mussten wir die Elektrik im Mast wieder erneuern, der Rigger hat die Kabelverbindungen beim neuen Mast schlecht gelötet und das gesamte Kabel ist nun nach knapp zwei Jahren korrodiert. Das ist ärgerlich, aber eine schlechte Funkverbindung ist noch ärgerlicher, also müssen wir in den sauren Apfel beißen, da führt kein Weg dran vorbei. Der Rigger hat wahrlich keine gute Arbeit gemacht, es zeigen sich nach und nach immer wieder Versäumnisse. So knallte uns im Sommer der, weit oben in den Wanten angebrachte, Radarreflektor plötzlich auf das Deck. Zum Glück blieb es nur beim Schreck durch den lauten Aufprall, nicht auszudenken wenn er jemand aus der Höhe getroffen hätte. Da ich grundsätzlich Menschen erst einmal Vertrauen schenke und davon ausgehe, dass jeder sein Bestes gibt, hat mich der Rigger sehr enttäuscht. Er war zwar nett, aber gute Arbeit hat er nicht geleistet. Zum Glück ist Gerrit handwerklich begabt und kann sich gut in Sachen hinein fuchsen, so konnte er die Mängel mittlerweile alle überarbeiten und beseitigen.

Den Winter habe ich genutzt um Mandarinen-, Zitronen- und Orangen-Marmelade in Hülle und Fülle einzukochen, damit wir im Norden noch davon schlemmen können und uns dann an die tollen Zitrusfrüchte im Mittelmeer erinnern. Auch habe ich verschiedene Gerichte eingekocht, so sind wir auf längere Seepassagen vorbereitet. Die Bilgen und Schränke sind zum Bersten gefüllt, verhungern können wir nicht, das ist sicher! Zwar meint Gerrit, dass Mojito nun wieder eine Tonne schwerer ist, aber Hunger an Bord macht schlechte Laune!
Der Winter in Torrevieja ist so schnell vergangen, unsere Bedenken, wir würden uns langweilen ohne Community, waren völlig unbegründet. Das unerwartet schöne Wetter hat es uns natürlich auch leicht gemacht. Sogar für die Spanier war dieser Winter ungewöhnlich warm. Blauer Himmel, Sonne und über Tag häufig Temperaturen um 20 Grad – es war perfekt. Nur der Klimawandel, der lässt sich nicht leugnen, das bereitet zunehmend Sorgen.
Ein besonderes Highlight war ohne Zweifel der wöchentliche Wochenmarkt. Auch wenn es stets ein weiter Weg war, immerhin 9 Km hin und zurück. Hier muss ich mal lobend unseren treuen Begleiter erwähnen, unseren Hackenporsche. Dabei ist unser Einkaufstrolley eher ein Ferrari, denn er ist rot und extrem leichtläufig. Er hat schon große Lasten geschleppt, hätten wir ihn nicht, dann wären unsere Arme sicher schon ein Meter länger!
Der Wochenmarkt von Torrevieja soll der größte Wochenmarkt von ganz Spanien sein, so erzählt man hier. Also groß ist er, das können wir bestätigen. Es gibt dort ein unglaubliches Angebot an Gemüse, Früchten, Oliven, Käse, Schinken und andere Leckereien. Unser Hackenferrari erreicht dann sein höchstzulässiges Ladegewicht in kürzester Zeit. Dann ist für uns die Zeit für eine leckere Portion frische Churros (Fettgebäck), in der Sonne, doch statt traditionell mit flüssiger Schokolade lieber nur zwei Café solo. Sooo… lecker und die Kalorien laufen wir uns auf dem Weg wieder ab, wie praktisch!

sommerliche Stimmung in Torrevieja
Frühstück in der Sonne im Januar
Karneval in Torrevieja
unser „Hackenferrari“
Produktion von Orangenmarmelade
Churros und Café solo


Wie sieht unser Plan für dieses Jahr eigentlich aus? Es geht Richtung Norden, das ist sicher. Wir möchten uns genügend Zeit nehmen für die portugiesische Atlantikküste und für Galicien und das Baskenland. Schließlich wollen wir weiter die Bretagne und die Normandie besuchen, und, wenn es uns immer noch im Norden gefällt, weiter über die Niederlande nach Norddeutschland segeln. So der Plan, wir werden sehen was daraus wird.


Tschüß Torrevieja, du wirst uns fehlen!


Der perfekte Wind kommt selten, oder aber er wird angesagt und dann kurz vorher wieder zurückgenommen, es ist verhext. Nun scheint es einigermaßen zu passen, also los. Doch nach einer Stunde Segelvergnügen ist es vorbei, der Wind kommt wieder genau von vorne. Biegen wir um das Cabo De Palos und denken nun müsste der Wind passen, aber…., wieder von vorne! In diesem Seglerleben gibt es schon sonderbare Begebenheiten. Eine weitere sind nämlich die Schrauben! Die Schrauben, die man lösen möchte sind stets korrodiert und lassen sich nur mit viel Geduld und unter Einsatz von reichlich Balistol lösen. Die Schrauben, die fest sein müssten, lösen sich dauernd wie von Zauberhand und korrodieren nie! Dadurch haben wir bereits zwei Kappen der Segellattenhalterung verloren. Es gibt Dinge, die muss man nicht verstehen.
Wir lassen die spanische Küste an uns vorbeiziehen, die schöne Berglandschaft mit den unterschiedlichen Lichtspielen, die teilweise fürchterlichen Bausünden und massenhaften Hotelanlagen, dann wieder eine Landschaft unter Plastik (die riesigen Gewächshäuser). Es gibt zwischendurch immer wieder schöne Abschnitte, die erahnen lassen, wie schön diese Gegend einst gewesen ist.

ein Zwischenstop in Almerimar. Im Hintergrund die schneebedeckten Berge der Sierra Nevada
Seetage werden auch zum Arbeiten genutzt, wie hier Edelstahlpflege


Wir erreichen Gibraltar und werden zum ersten Mal mit dem Coronavirus konfrontiert. Überall stehen Spender mit Desinfektionsmittel, sogar im Naturschutzgebiet. Gerrit muss zusätzlich zu den üblichen Anmeldeformalitäten noch einen Fragebogen bezüglich Corona ausfüllen. Das Leben in Gibraltar läuft aber sonst ganz normal ohne besondere Einschränkungen. Wir feiern Gerrit´s Geburtstag und lassen ihn mal wieder hoch leben. Letztes Jahr waren wir dazu auf den Ätna, dieses Jahr ist es der Fels von Gibraltar. Wir fahren mit der Seilbahn hinauf und laufen vier Stunden durch das Naturschutzgebiet wieder hinunter, insgesamt 12 km. Das gibt so einen höllischen Muskelkater, dass ich mir am nächsten Tag unsicher bin, ob ich vielleicht diejenige bin, die gestern älter geworden ist. Gerrit zeigt keinerlei Anzeichen, oder er gibt es nicht zu!
Es war ein schöner Tag mit einer grandiosen Aussicht, durch eine schöne Landschaft und die Affen sind immer wieder ein Besuch wert, einfach herrlich.
Gleich zwei Tage später wartet ein weiteres Highlight auf uns: Frank und Conny mit ihrem Katamaran „Kattu“ fahren in die Marina ein, welch eine Freude. Wir hatten vor zwei Jahren vor Porquerolles, in Südfrankreich, nebeneinander geankert und uns so kennengelernt. Nun treffen wir uns zum ersten Mal wieder und es gibt so viel zu erzählen. Jeder hat eine Menge Abenteuer erlebt, Handbücher und Reiseführer werden ausgetauscht, wir kochen und essen gemeinsam und verbringen einen kurzweiligen und wunderschönen Abend zusammen. Es ist zusammen so nett und vertraut, als hätten wir uns gestern zuletzt gesehen. Wir hätten ohne Schwierigkeiten noch genügend Gesprächsstoff für mehrere Tage, doch wir haben für den nächsten Tag den passenden Wind und die passende Strömung um weiter nach Cadiz zu kommen und müssen es nutzen, schade! Wir sehen uns wieder, irgendwo und irgendwann, das ist sicher und wir freuen uns jetzt schon darauf!

Mojito in der Marina von Gibraltar
Meditation
die Kanonen sind auf die Straße von Gibraltar gerichtet
er ist für die Bedienung der Kanone zuständig
es gibt mehr als 50 Km Tunnel, also fast mehr Tunnel als Felsen!
kein schlechter Job als Polizist in Gibraltar: mit dem Motorrad durch die Gegend cruisen
noch etwas Gemüse kaufen

In Cadiz holt uns das Coronavirus wieder ein. Hatten wir uns doch im Vorfeld schon riesig auf diese schöne Stadt gefreut. Wir hatten uns schon in den Markthallen schlemmen sehen und in der Bodega wollten wir alten Sherry kaufen, außerdem wollten wir wieder in dieses kleine Restaurant Tapas essen. Uns kommen Zweifel, ob das alles so sein wird, als wir Cadiz anlaufen. Die Stadt wirkt wie eine Geisterstadt, so als würde hier niemand mehr leben. Sonst sind die spanischen Städte quirlig, es fahren Schiffe und Boote und es stehen immer Angler am Ufer. Dieses Mal ist es so still, dass wir sogar die sonst so nervigen Jetskis vermissen. Wir funken die Marina an und bekommen nur den Steg genannt, aber kein Marinero hilft beim Anlegen und die Marina ist ziemlich leer. Der Marinero kommt kurze Zeit später und möchte nur die Formalitäten erledigen, außerdem klärt er uns auf, dass es laut Anordnung verboten ist sich in der Stadt aufzuhalten. Alle Geschäfte wären geschlossen und wir dürfen die Marina nicht verlassen. Upps, es kommt also schlimmer als wir dachten. Wie gut dass ich so viele Lebensmittel gebunkert habe, verhungern werden wir so schnell nicht. Wir müssen einen Tag in Cadiz bleiben, da die Windvorhersage nicht passt und wir mit starkem Gegenwind rechnen müssen. Doch dann wollen wir so schnell es geht nach Portugal, bevor sie uns vielleicht nicht mehr reinlassen, wer weiß. Die aktuelle Lage bleibt spannend und es ist fraglich wie und ob wir unsere Reise wie geplant fortsetzen können.

Zurück auf Start – Torrevieja, Costa Blanca

Wir tingeln weiter entlang der spanischen Küste und mögen nicht daran denken bald wieder fest in einer Marina zu liegen, obwohl wir auch eine kleine Freude spüren wieder nach Torrevieja zurück zu kehren, um zu sehen was sich dort während unserer Abwesenheit getan hat. Torrevieja ist wahrlich keine Schönheit, auch hier hat der ungezügelte Bauboom gnadenlos zugeschlagen. Aber die Stadt verfügt über eine sehr gute Infrastruktur und die Nähe zum Flughafen von Alicante ist für uns perfekt.

Noch haben wir ein paar Tage Zeit und fahren zunächst an Torrevieja vorbei um noch den einen oder anderen schönen Ankerplatz anzulaufen.

Unsere Kupplung meldet sich wieder, sie möchte sich wohl wieder in Erinnerung bringen. Da sind sie wieder, die bösen Geister die man einfach so verdrängt und sich dabei einredet, sie wären nicht mehr da. Weit gefehlt! Die Kupplung hatte uns bereits in Griechenland große Probleme bereitet: damals, als wir einen Ankerplatz auf Ithaka wegen starkem auflandigem Wind verlassen mussten und die Kupplung ausgerechnet in dem Moment, als der Anker gelichtet war, beschloss ihren Dienst zu quittieren und wir dadurch nur eingeschränkt manövrierfähig waren. Das sind  die Momente in denen man dann kurzzeitig einen kräftigen Adrenalinstoß bekommt. Doch bevor wir dann an der Küste zerschellten, überlegte es sich die Kupplung doch noch mal und beschloss die Reise gemeinsam mit uns fortzusetzen. Dafür bekam sie von Gerrit noch einmal frisches Öl und alle waren glücklich. Doch nun meldet sie sich wieder, vielleicht fühlt sie sich nicht wahrgenommen und  möchte einfach  nicht in Vergessenheit geraten.

Wir diskutieren unser weiteres Vorgehen und überlegen ob es sinnvoll wäre, einfach mal der Werft in San Pedro einen Überraschungsbesuch zu machen, vielleicht freuen sie sich ja auch, uns nach zwei Jahren Abwesenheit wieder zu sehen.

Zudem ist Gerrit auch beunruhigt, weil er beim Schwimmen ein paar Bläschen im Gelcoat im hinteren Bereich der Kufen entdeckt hat. Er hat auch gleich ein furchtbare Vermutung: OSMOSE!

Osmose ist eines der großen Schreckgespenster für jeden Eigner eines GFK-Bootes. Bei Osmose tritt Feuchtigkeit in das Gelcoat ein und zersetzt die Struktur und damit die Stabilität des Schiffes. Als wir Mojito gerade gekauft hatten und vor Ibiza über eine Seegraswiese ankerten, da spürten wir dieses große Schreckgespenst das erste Mal: es knisterte im gesamten Boot und wir waren uns sicher, das muss Osmose sein. Nach einigen schlaflosen Nächten und Recherchen im Internet konnten wir den Übeltäter ausmachen: es war nur der Pistolenkrebs. Dieser kleiner Krebs im Mittelmeer schießt einen Wasserstrahl auf seine Beute und viele Pistolenkrebse machen diese knisternde Geräusche im Boot, was für eine Erleichterung.

Doch nun haben wir Bläschen, das muss ich auch zugeben, die kann man nicht schön reden. Eigentlich habe ich keine Lust unsere schönen Ankertage gegen einen Werftaufenthalt zu tauschen, aber mir fallen keine Gegenargumente ein, also gebe ich mich geschlagen und wir machen uns auf den Weg.

Wie der Zufall es will, beschließt unsere Kupplung in dem Moment, in dem wir in das Hafenbecken der Werft einlaufen, nun endgültig das zeitliche zu segnen und verweigert jegliche weitere Mitarbeit. Das kann man natürlich auch positiv bewerten und sich freuen, dass die Kupplung alles gegeben hat und bis zur letzten Minute durchgehalten hat. Die beiden Chefs von der Werft heißen beide Manolo, das kann man sich auch nach längerer Abwesenheit gut merken, sehr praktisch. Die beiden Manolos freuen sich tatsächlich uns wieder zu sehen, wobei ich meine ein paar Euro-Zeichen in ihren Augen zu erkennen, beide wittern die fette Reparatur. Dem einen sein Leid, dem anderen seine Freud – so ist das Leben!

Jetzt gibt es wenigstens keine weitere Überlegung, ob oder ob nicht. Nein, die Sache ist klar: wir werden gekrant und für ein paar Wochen zur Reparatur an Land gestellt.

Wenn die eine Kupplung nach zwölf Jahren Lebenszeit den Dienst quittiert macht es Sinn auch gleich die zweite Kupplung  zu tauschen. Es ist auch eine gute Gelegenheit die beiden Bälge zu tauschen, da auch diese nun zwölf Jahre alt sind. Die Bälge sind die dicken Gummimanschetten, die die unter Wasser liegende Eintrittstelle der Antriebe im Rumpf abdichten. Diese Tatsache macht es verständlich dass es durchaus in unserem Interesse ist, dass diese rechtzeitig getauscht werden und nicht erst wenn sie porös und undicht sind.

Manolo 1 begutachtet unsere Bläschen und gibt Entwarnung, es ist keine Osmose. Aber es ist eine Vorstufe, irgendwo dringt Feuchtigkeit ein, wir haben auch schon eine böse Vermutung. Nach unserem Mastbruch mussten wir die beschädigte seitliche Stoßleiste erneuern. Um das passende Gesamtbild des Bootes zu erhalten, gaben wir der Werft in Martinique den Auftrag nicht nur die seitlichen Stoßleisten zu erneuern, sondern auch die hinteren Stoßleisten am Heck auszutauschen. Dies geschah während unserer Abwesenheit und Gerrit hat nun die Vermutung dass die Schrauben nicht ordentlich abgedichtet wurden. Gerrit montiert die beiden Leisten ab und wir können nicht glauben was da zu Tage kommt. Tatsächlich waren die Bohrlöcher, wie vermutet, nicht fachgerecht abgedichtet. Doch scheinbar war diese Schutzleiste vom Vorbesitzer schon einmal neu angebracht worden und auch damals die Löcher nicht verschlossen worden. Das Heck gleicht einem Schweizer Käse, wir zählen pro Kufe 120 (!) Löcher, durch die fleißig bei achterlicher Welle Feuchtigkeit ins Gelcoat eindringen kann. Sticht man die Blasen am Gelcoat an, tritt ein Tropfen Wasser aus. Wie gut dass wir nicht länger damit gewartet haben, noch ist der Schaden gering und relativ einfach zu beheben. Aber trotzdem ärgerlich und eigentlich unnötig, wenn jeder einfach seine Arbeit ordentlich ausführen würde. 

Die befallenen Stellen müssen nun abgeschliffen werden, durchtrocknen, wieder verschlossen und neu lackiert werden. Das passt gut zu unserem Zeitplan, wir müssen für eine geplante ärztliche Untersuchung nach Deutschland, derweil kann Mojito in der Herbstsonne trocknen.

Mojito hängt im Kran
aufgestochene Bläschen am Heck
die Übeltäter: nicht abgedichtete Bohrlöcher
120 Löcher pro Kufe

Als wir nach fast drei Wochen Abwesenheit zurückkehren, ist Mojito nicht wie versprochen fertig. Manolo erklärt uns mit Welpenblick, es gab nur schlechtes Wetter, sie konnten leider die Arbeiten nicht ausführen. Komisch, diese Ausrede scheint international zu sein. Als wir Mojito in Martinique zurückließen, folgte auch dort eine angeblich mehrwöchige Schlechtwetterperiode und auch damals konnten außer der unsachgemäß angebrachten Stoßleisten, keine weiteren Arbeiten ausgeführt werden.

In meinem früheren Leben hätte ich mich an dieser Stelle maßlos geärgert und ich hätte mich den ganzen Tag darüber aufgeregt, und…., was hätte es gebracht??

Am besten man atmet tief durch und sieht es wie unser australischer Nachbar in Licata letzten Winter. Sein Spruch: „It is like it is“. So ein Leben auf dem Boot entschleunigt und entspannt ungemein!

Anstatt uns sinnlos über diese Situation aufzuregen gehen wir zu den benachbarten Salinen, in ein kleines Restaurant, schlürfen eine leckere Gazpacho (kalte Gemüsesuppe) in der warmen Herbstsonne und beobachten die Salzernte in den Salinen. Dort wird das Salz mit mehreren Radladern auf LKW geladen und zum Hauptgebäude gefahren, wo es dann getrocknet wird und als Streusalz abgesackt und für den Weitertransport vorbereitet wird. Es herrscht eine rege Betriebsamkeit und es erinnert uns an die Getreideernte in unserem früheren landwirtschaftlichen Betrieb. Es ist schön das Geschehen zu verfolgen, die rosa leuchtende Salinenfelder und dahinter die riesigen geernteten Salzberge zu sehen. Wir haben uns nie so wirklich Gedanken gemacht, wo unser Streusalz eigentlich herkommt, nun wissen wir es. Doch bei den augenblicklichen Sommertemperaturen fällt es schwer an Glatteis zu denken.

Salzberge in den Salinen
die Saline ist abgeerntet, nun wird planiert und für die kommende Ernte vorbereitet

Die Tage auf der Werft  gehen tatsächlich auch vorbei und wir werden mit zwei neuen Kupplungen, zwei neuen Bälge, zwei frisch aufgearbeitete Heckkufen, ein sauberes Unterwasserschiff und  poliertem Rumpf wieder in die Freiheit entlassen. Die zusätzlichen Standtage auf der Werft  werden uns nicht in Rechnung gestellt, das ist fair.

Nach einem Kurzbesuch in Torrevieja beschließen wir die schönen Herbsttage noch zu nutzen und fahren wieder raus zum Ankern. Leere Ankerplätze bei sommerlichen Temperaturen laden zum Schwimmen und Verweilen ein und das wunderschöne Licht in dieser Jahreszeit verstärkt noch das „Wohlfühl-Gefühl“.

Wir machen einen Abstecher nach Cartagena, um diese schöne Stadt zu besuchen, aber auch weil Frank und Eva dort dieses Jahr Überwintern. Es ist schön die beiden wieder zu treffen und wir verbringen schöne Stunden zusammen, an Gesprächsstoff mangelt es nicht!

Einziger Wermutstropfen in Cartagena sind die Kreuzfahrtschiffe. Wir entwickeln eine zunehmende Allergie gegen diese Dreckschleudern, auch weil sie sich scheinbar unkontrolliert vermehren. Bei unserem letzten Besuch in Cartagena (vor vier Jahren) lagen hier nur vereinzelt Kreuzfahrtschiffe der mittleren Größe und das nicht jeden Tag. Nun da Barcelona wegen Unruhen nicht angefahren wird, suchen sie nach Alternativen und kommen geballt  nach Cartagena. Es liegen hier täglich drei Kreuzfahrtschiffe, davon zwei Riesen-Monster. Alle drei stoßen fortlaufend ihre Abgase in die Luft und lassen die Motoren unangenehm brummen und außerdem nehmen sie uns die Sonne. Die Stadt kann diese Menschenmassen nicht unbemerkt schlucken, auch hier spüren wir die Hektik und den Konsumrausch der Kreuzfahrer. Somit beschließen wir unseren Aufenthalt in Cartagena vorzeitig zu beenden und uns einen Platz fernab der Kreuzfahrtschiffe zu suchen. Das heißt natürlich auch, dass wir uns von Frank und Eva verabschieden müssen. Doch wir treffen uns wieder, irgendwann und irgendwo, das ist sicher!

Cartagena
ein Kreuzfahrtschiff direkt vor der Stadt und dem Jachthafen

Dafür wartet die nächste nette Begegnung auf uns: Alain und Fabiola, unsere französischen Freunde, sind von La Grande Motte in Südfrankreich gestartet und wollen in die Karibik. Sie segeln entlang der spanischen Küste und möchten sich unbedingt noch mit uns treffen, was für eine Freude! Wir vereinbaren den Ankerplatz bei Cabo de Palos und verbringen drei gemeinsame Tage an einem wunderschönen Platz. Die beiden sind voller Vorfreude und leichter Anspannung im Hinblick ihrer bevorstehenden Atlantiküberquerung. Wir sind etwas neidisch und fühlen uns wieder in die Zeit vor unserer eigenen Atlantiküberquerung versetzt, was für ein Erlebnis, wie gerne würden wir es noch einmal tun. 

Ankern in Cabo de Palos mit Va´a
ein letzter Aperitif mit Alain und Fabiola in der Herbstsonne. Wann werden wir uns wieder sehen?

Für uns heißt es nun endgültig unseren Liegeplatz für den Winter zu beziehen. Wir haben noch einige Arbeiten am Boot zu erledigen, bevor wir für mehrere Wochen nach Deutschland gehen.

Wir sind wieder in Torrevieja an der Costa Blanca in Spanien. Hier haben wir vor über fünf Jahren Mojito entdeckt und gekauft und damit hat sich unser Leben damals grundlegend geändert. Wir entdeckten dass es ein anderes Leben gibt, jenseits des getriebenen Alltagsleben im Erfolgsstress. Mojito veränderte uns Stück für Stück und wir sind ihm sehr dankbar dafür. Torrevieja war damals eine Zeitinsel für uns, das Leben tickte hier anders, es tat unendlich gut hier eine Zeitlang „abzutauchen“.

eine nachgebaute spanische Karavelle läuft Torrevieja an. Nach der Besichtigung wissen wir, dass wir damit nicht über den Atlantik gesegelt wären
Seesteg von Torrevieja
Sehnsucht nach Meer

Dann wagten wir spontan einen weiteren Schritt, verlagerten unser Leben ganz auf Mojito und starteten damit das Abenteuer „wir-leben-auf-dem-Wasser-und-segeln-über-den-Atlantik“. Seitdem haben wir in den vergangenen 2 Jahren gemeinsam 13.000 sm zurückgelegt, das entspricht etwa 24.000 Km. Gemeinsam haben wir 14 Länder bereist, 50 Inseln erkundet und in unzähligen Buchten geankert. Wir haben gemeinsam gutes und schlechtes Wetter erlebt, einen Mastbruch und eine zweite gemeinsame Atlantiküberquerung auf einem Frachter. All das schweißt zusammen, macht uns stolz und glücklich.

Wie schon bereits erwähnt, stellten wir uns die Frage ob sich Torrevieja verändert hat. Nein, Torrevieja hat sich, bis auf wenige Einzelheiten, nicht verändert. Aber wir, das spüren wir sehr deutlich, wir haben uns verändert. Es ist zwar schön wieder hier zu sein, bekannte Gesichter zu sehen und die Annehmlichkeiten der Stadt zu nutzen. Doch spüren wir in uns einen großen Entdeckungsdrang, wir möchten noch viel mehr von dieser wunderbaren Welt sehen und nicht im Bekannten verharren. Wir können es schon jetzt kaum erwarten im Frühjahr zu starten und uns in das nächste spannende Abenteuer zu begeben.

Mojito hat seinen geschützten Winterliegeplatz

Ich habe keine Angst vor der Welt, aber ich habe Angst vor Menschen, die Angst vor der Welt haben. (Elisabeth Gilbert)

Weiter in Richtung Westen

Nach einigen schönen Tagen auf Sardinien genießen wir noch einen kurzen Aufenthalt auf der vorgelagerten Insel San  Piedro. Das schöne Städtchen Carloforte ist uns schon bei unserem letzten Besuch ans Herz gewachsen und wir nehmen hier etwas wehmütig Abschied von Italien. Wir genehmigen uns einen letzten Aperitif, mit den typischen, dazu servierten, kleinen Leckereien und holen uns noch beim örtlichen Pizzabäcker eine super leckere Pizza auf die Hand, was für ein Genuss. Wir werden es vermissen, da sind wir uns sicher!

Die Windvorhersage ist nicht sehr vielversprechend, wir haben mal wieder die Wahl: entweder zu wenig Wind oder, falls wir warten, Gegenwind. Das heißt, wir haben mal wieder die Wahl zwischen Pest und Cholera – es ist wirklich zum Verzweifeln.

Also entscheiden wir uns für die Version „zu wenig Wind“ und machen uns auf den Weg nach Menorca. Dann plötzlich entscheidet sich der Wind doch für uns und, was für eine Freude, wir können tatsächlich segeln und rauschen mit 7 bis 8 Knoten Geschwindigkeit in die stockdunkle Nacht (das ist wieder nicht so schön…, aber bloß nicht meckern, wir freuen uns über den Wind!). Leider behält der Wind nicht seine Kraft und schon während der Nacht geht das bekannte Wechselspiel wieder los: Segel rein, Motor an, Segel raus, Motor aus.

Nach 36 Stunden erreichen wir endlich in der finsteren Nacht die Bucht von Mahon auf Menorca.

Vor einigen Jahren haben wir bereits dort geankert und kennen die Bucht, denken wir, also sollte es doch kein Problem sein sie bei Nacht anzulaufen. Man fährt erst das Fahrwasser an, alles relativ einfach, man braucht sich nur an die roten und grünen Blinklichter zu orientieren. Der einzige, der uns die Anfahrt erschwert ist ausgerechnet das Leuchtfeuer. In regelmäßigen Abständen leuchtet er uns frontal entgegen und macht uns für einen kurzen Moment völlig blind. Hat das Auge sich gerade von diesem Flash erholt, kommt wieder der nächste. Demnach sind Leuchtfeuer nicht immer toll.

Wir müssen aus dem Fahrwasser abbiegen und einen Seitenarm nehmen bis zur Ankerbucht, alles ist dunkel, es gibt keine beleuchtete Bojen mehr. Ich gehe aufs Vorschiff und leuchte mit einer Lampe die Umgebung aus, damit wir uns besser orientieren können. Komisch ich hatte es ganz anders in Erinnerung. Die von mir angestrahlten Felsen wirken gespenstisch, unsere blubbernde Fahrgeräusche ebenso, ab und zu taucht plötzlich eine Boje auf, wir müssen aufpassen sie nicht zu rammen.  Das Anfahren einer Ankerbucht ist, so wie auch das Anlegemanöver im Hafen, immer eine besondere Prüfung im Eheleben eines Seglerpaares. Da gibt es manchmal Kommunikationsprobleme zwischen Mann und Frau, entweder durch unklare Anweisungen oder einfach durch die schlecht übertragene Akustik vom Steuerstand (Gerrit) zum Vorschiff (Pascale) und umgekehrt.

Man möchte nur ungern schreien, aber die Entfernung auf dem Boot ist für die Kommunikation schon eine große Herausforderung. Das Anfahren einer Ankerbucht bei Nacht setzt dem Ganzen  noch eine Stufe drauf. In der Ankerbucht hat sich bereits die Nachtruhe eingestellt, man sieht noch vereinzelt Lichter auf den anderen Booten, hier und da wird leise gesprochen, da kommen wir uns vor  wie Störenfriede. Jedes von uns gesprochene Wort scheint diese Stille dröhnend zu durchschlagen. Also laufe ich ständig hin und her, natürlich mit meiner Taschenlampe, damit wir uns gemeinsam auf einen geeigneten Ankerplatz einigen können. Das wiederum bringt mir eine Ermahnung von Gerrit ein, ich würde ihn mit meiner Lampe blenden. Okay, nun bin ich eingeschnappt, also Lampe aus, dann sehen wir halt nicht mehr viel, selber Schuld. Diese Konfliktdiskussion im Flüsterton, Nachts in der Ankerbucht, das kann zu kleinen Disharmonien an Bord führen. Doch trotz dieser Widrigkeiten schaffen wir es tatsächlich in der gut gefüllten Bucht einen einigermaßen geeigneten Platz für uns zu finden und lassen den Anker fallen. Müde aber auch ein wenig stolz diese besondere Anforderung gemeistert zu haben, versöhnen wir uns bei einem Glas Wein und freuen uns wieder eine Nacht durchschlafen zu können.

Menorca ist immer wieder schön, besonders im September, wenn die Hauptsaison zu Ende geht und die Ankerbuchten sich leeren. Die wunderschöne Natur, das türkisblaue Wasser, die schönen Wanderwege und die sehr schönen Städte Mahon und Cituadella bescheren uns wieder einmal wunderbare Tage auf Menorca.

die lange Fjord-ähnliche Bucht von Mahon
Mahon
schöne Buchten auf Menorca
Abendspaziergang entlang der Küste
Einfahrt von Cituadella
Arkaden in Cituadella
die Markthallen

Aber der Wind bestimmt unser Leben, wir müssen früher als geplant nach Mallorca segeln, sonst bleiben wir länger als wir wollen auf Menorca stecken, die Windvorhersage kündigt für die nächste Zeit nur Gegenwind an. Das passt nicht in unserem Zeitplan, also los, auf nach Mallorca, schließlich sind wir flexibel.

Auf Mallorca wartet eine schöne Überraschung auf uns, wir treffen Johann, ein Freund aus unserem „alten Leben“, aus  Ostfriesland. Er fährt uns mit seinem Boot entgegen und da treffen sich  „Mojito“ und „Don´t smoke“, zwei Boote mit dem gemeinsamen Heimathafen Norddeich in Ostfriesland, zum ersten Mal ausgerechnet auf Mallorca. Wir verbringen zwei Tage mit Johann und sammeln  viele Eindrücke und lernen dabei Cala Rajada kennen und schätzen. 

Treffen mit Johann auf Mallorca

Wir hatten bereits vor einigen Jahren zwei Tage vor Cala Rajada geankert und konnten keinen richtigen Zugang zu diesem Ort finden. Wir sahen die Partymeile an der Hauptstraße, das überwiegend deutsche Party-Publikum, angetrunkene Jugendliche am Hafen, all das passte zum Klischee. Das war nicht unsere Welt.

Johann zeigt uns nun eine andere Seite von Cala Rajada. Entgegen unserer Prinzipien entscheiden wir uns in den Hafen anzulegen. Das Ankern war schon bei unserem letzten Besuch nicht sehr komfortabel, da die Bucht sehr offen ist und meist eine unangenehme Dünung in die Bucht steht. 

Wir sind sehr überrascht eine angenehme und ruhige Atmosphäre hier zu erleben, da müssen wir unsere vorherige Meinung doch revidieren. Mit Johann verbringen wir einen sehr schönen Abend, essen Tapas und trinken einen leckeren mallorquinischen Wein direkt am Hafen, das ist Lebensfreude pur. Als absolute Krönung lädt uns Johann am nächsten Morgen ein mit seinem originalen alten Käfer Cabrio, den er liebevoll restauriert hat, zum nahegelegenen Leuchtturm und Aussichtspunkt zu fahren. Was für ein Erlebnis, ich glaube es ist länger als 35 Jahre her, dass ich in solch einem VW Käfer saß, wow! Das schönste daran, ist die Reaktion der Passanten, wenn wir vorbeifahren. Ich komme mir vor wie eine Königin, so viel Aufmerksamkeit bekommt man ja sonst selten. Es ist beeindruckend zu sehen, wie viel Lächeln und Freude so ein altes Auto bei den Menschen hervorzaubert. Wir sehen eine wunderschöne Landschaft, herrliche Pinienwälder, schöne Buchten. Ein großartiges Erlebnis! Danke Johann!

Blick auf den Hafen von Cala Rajada
Pascale, Johann und Gerrit, im Hintergrund Mojito
im Cabrio durch die Straßen
Johann und sein schöner Käfer Cabrio

 Gerrit hatte sich in der Karibik darüber beklagt, dass wir Deutschen nicht wie die Franzosen über eigene Inseln in der Südsee oder Karibik verfügen. Nun stellen wir fest, wir Deutschen haben dafür Mallorca, ha! Als wir uns einen Kaffee bestellen wollen und ich noch mühsam meine spanischen Vokabeln aus den untersten Hirnwindungen wieder hervorhole und dabei versuche sie von den italienischen Vokabeln zu trennen, antwortet mir schon der spanische Kellner auf deutsch „okay, Kaffee mit ein wenig Milch“. Ja stimmt, wir sind doch fast in Deutschland. In den Straßen hört man mehr deutsche als spanische Worte, für uns noch gewöhnungsbedürftig aber durchaus bequem!

Das nächste Highlight wartet schon auf uns: wir haben uns mit Frank und Eva,  Freunde aus unserer gemeinsamen Zeit in Licata, verabredet. Wir wollen uns auf der Isla Cabrera treffen, der vorgelagerten Naturschutzinsel. Für dieses maritime Schutzgebiet gelten strenge Regeln, man muss online eine Genehmigung beantragen und im Voraus eine Boje buchen. Wir wollten schon immer dort hin, nie hat es geklappt. Dieses Mal soll es klappen. Die Boje ist gebucht und wir sind voller Vorfreude.

Leider meldet der Wetterbericht nichts gutes und mit jedem Tag wird die Vorhersage unerfreulicher. Schließlich entscheiden wir uns wieder einmal gegen Cabrera (schade!) und dafür lieber für einen geschützten und sicheren Platz auf Mallorca. Wir ziehen es vor eine Anker-Boje in Portocolom zu nehmen, Frank und Eva tun das gleiche in Andratx, wie schade!  Wir erleben ein heftiges Unwetter mit Sturmböen, Gewitter und Hagelschauer und sind schließlich doch froh uns so entschieden zu haben. Das Unwetter dreht ständig über die Balearen und hält uns länger als gewollt in der Bucht fest, aber zum Glück sind wir hier sicher.

Ankerbucht von Portocolom
Portocolom
das Unwetter kommt..
..mit einem heftigen Hagelschauer
zum Glück gibt es Pausen zum Verpusten! Aber die Sprayhood von unserem Nachbarboot ist zerfetzt.
zwischen zwei Schlechtwetterphasen fahren wir mit dem Bus nach Palma
Palma ist so schön, vorausgesetzt es sind nicht mehrere Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen

So bald sich das Wetter einigermaßen beruhigt hat, ergreifen wir die Gelegenheit um die Passage nach Ibiza zu bewältigen. Wie alle längeren Passagen dieses Jahr, ist auch diese kein Vergnügen. Viel zu viel Welle, der Wind schräg von vorne, nicht der Lieblingskurs für einen Katamaran, aber wir drei müssen uns durchbeißen. 

Müde und angenervt erreichen wir Abends Ibiza, das Wetter macht es uns schwer eine geeignete Ankerbucht zu finden. Die einzige perfekte Ankerstelle ist nun Schutzgebiet für das Poseidongras geworden, damit ist das Ankern dort verboten.

Wir steuern die nächsten Buchten an, doch sie sind zu offen, überall tritt eine unangenehme Dünung ein, kein guter Platz für die einbrechende Nacht.

 Die Crew steht mal wieder kurz vor einer Meuterei, als sich zum Glück doch noch eine Ankermöglichkeit bei Santa Eulalia findet. Nicht perfekt, aber einigermaßen geschützt und nachdem wir einen zusätzlichen Heckanker ausgebracht haben, sind die Schiffsbewegungen auch erträglich.

Am nächsten Morgen sieht die Welt wieder besser aus und wir sind wieder auf Ibiza, wie schön. Ibiza war schon immer eine unserer Lieblingsinseln. Die  felsigen Steilküsten, die unzähligen Buchten und herrlichen Sandstrände, die weitläufigen Pinienwälder und dazu das fantastische Licht, wir können uns nicht sattsehen. 

Hier treffen wir auch endlich Eva und Frank und verbringen eine schöne, gemeinsame Zeit, schließlich haben wir uns so viel zu erzählen, da wird es nicht langweilig.

Gemeinsam ankern wir vor Es Vedra, eine imposante, steil aufragende Felseninsel im Südwesten von Ibiza. Es Vedra  verbreitet eine einzigartige Stimmung und ist je nach Lichteinfall immer wieder beeindruckend. Es ranken sich viele Mythen um diese unbewohnte Insel, z.B. dass sie der Ort mit dem drittstärksten Magnetismus der Welt sei und dass hier schon öfters UFOs gesichtet wurden. Na ja, unser Kompass verhält sich wie immer und UFOs haben wir auch nicht gesichtet, das ist sicher auch davon abhängig was für ein Kraut man geraucht hat!

Wir freuen uns wieder  Es Vedra, Ibiza und Formentera zu besuchen, es ist fantastisch und auch einmalig. Hier findet man einsame Fincas und Luxusherbergen, Hippies und Jetset, Luxusjachten, klassische Segelboote oder Fahrtenjachten. Auf Ibiza ist alles gemischt, es ist ein „leben und leben lassen“, Ibiza ist einfach Ibiza!

Ankern vor Ibiza
Eva und Frank kommen zum Aperitif
freudiges Wiedersehen mit Eva und Frank
Mojito am Anker
Es Vedra, ein UFO ist nicht zu sehen!
Ankerbucht und Strandrestaurant mit Blick auf Es Vedra
hier gibt es eine leckere Paella zusammen mit Eva und Frank
wunderschönes Ibiza und Mojito
dramatische Sonnenuntergänge

Doch auch hier bestimmt das Wetter unser Leben und es heißt wieder Abschied nehmen, wir müssen den Wind nutzen um einigermaßen zum spanischen Festland zu gelangen. Frank und Eva wollen nach Valencia, aber wir sehen uns wieder, irgendwo und irgendwann, wir freuen uns drauf!

Uns bleiben noch ein paar wunderbare Tage entlang der spanischen Küste, in dieser Jahreszeit ist es immer wieder ein Genuss. Die Costa Blanca ist an vielen Orten gnadenlos zugebaut worden, konzentrieren sich hier eine große Anzahl an Wolkenkratzern, die teilweise an Orte wie Las Vegas oder Hongkong erinnern. Doch es gibt auch durchaus reizvolle Landstriche an dieser Küste und das Licht ist einzigartig. Wir gleiten bei glatter See und wenig Wind mit 4 Kn Geschwindigkeit entlang der Küste und lassen die Landschaft an uns vorbei ziehen, wie schön, das ist Ankern mit Fortbewegung!

Immer wieder ankern wir gerne vor Calpe, auch hier ein städtebaulicher Irrsinn, da hat sich sicher manch einer eine goldene Nase verdient. Es ist ein Hochhausghetto für Residenten, absolut nicht unser Geschmack, aber es scheint Menschen zu geben denen es gefällt.  Was uns hier gefällt, ist der gigantische Felsen des Penón de Ifac. Er galt  schon zu Zeiten der Phönizier als sicherer Ankerplatz. Dieser Felsen ist mehr als 300 m hoch und ragt einen Kilometer weit ins Meer, er steht unter Naturschutz und ist fest in Vogelhand. Es ist immer wieder beeindruckend vor dieser Felswand zu ankern, dabei die vielen Seevögel zu beobachten und die unterschiedlichen Vogelstimmen zu hören. Bei unserem letzten Besuch vor drei Jahren konnten wir den Ifac nicht bis zum Gipfel besteigen, es war Brutzeit, überall waren aufgeplusterte Jungvögel, die von den Eltern gut bewacht wurden. Dieses Mal ist der Aufstieg erlaubt, er ist sehr anspruchsvoll und abenteuerlich, aber wir werden oben auf dem Gipfel mit einem Ausblick belohnt, wie aus dem Flugzeug, großartig!

Der Penón de Ifac bei Calpe
dieses Mal wollen wir zum Gipfel!
bereits auf halber Strecke ist der Ausblick fantastisch
Dreiviertel der Strecke
geschafft!
Selfie vom Gipfel
Blick auf die gnadenlos zugebaute Küste von Calpe. Mojito wartet unten am Anker auf uns!

Unsere Saison neigt sich dem Ende zu. Wir werden mit Mojito in Torrevieja, unserem früheren Hafen in Spanien, überwintern und Pläne für das nächste Jahr schmieden. Wieder einmal haben wir unsere ursprünglichen Pläne geändert und planen nun zeitig im Frühjahr entlang der portugiesischen Küste nach Norden zu segeln, mal sehen wo uns Wind und Wetter hin treiben.

Wir lieben dieses Leben als Seenomaden und wir lieben unser Boot „Mojito“, haben wir doch gemeinsam schon so vieles erlebt!  Dieses Jahr sind wir 3000 sm gereist. Mojito ist unser Zuhause und unser Fortbewegungsmittel und ermöglicht uns damit eine grandiose Form des Lebens und Reisens. Wir empfinden dieses Leben als unglaublich spannend und abwechslungsreich und sind so dankbar dieses Abenteuer erleben zu dürfen. Es ist eine großartige Zeit und wir hoffen dieses noch einige Jahre fortsetzen zu können.  

Die Winterzeit werden wir nutzen um notwendige Reparaturen am Boot durchzuführen, kleine Verbesserungen vorzunehmen, unsere Familie und Freunde zu besuchen und auch um all das Erlebte zu verarbeiten. Wir sind schon jetzt voller Vorfreude auf die kommende Saison und werden dann natürlich weiter berichten.

„Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen“ (Kurt Marti)

Kalabrien und die Liparischen Inseln

Wir wissen nicht wirklich ob wir heute Griechenland verlassen. Wir haben noch einen langen Weg ins westliche Mittelmeer, die Wetterprognose für die nächsten Tage sagt starke Winde aus der Adria voraus, denkbar schlecht für uns um nach Italien zu kommen. Schon auf der Herfahrt hatten wir diese unangenehme seitliche Welle aus der Adria, bitte nicht schon wieder!

Was machen wir? Wagen wir die Überfahrt…? Reicht der Wind zum Segeln…?

Als wir den Kanal von Lefkas verlassen, spüren wir den Wind. Es könnte passen, also los…! Sollte der Wind passen, dann wollen wir so weit wie möglich in Richtung Straße von Messina segeln, das bedeutet zwei Tage und zwei Nächte durchsegeln. Wenn der Wind passt, dann ist es kein Problem. Doch leider dreht der Wind dauernd, manchmal ist er ganz weg, dann ist er wieder da… Für uns bedeutet es dauernd Segel rein, Segel raus, Motor an, Motor aus….! Dazu wieder diese unangenehme seitliche Welle, mir ist etwas flau im Magen. Wir ändern unseren Kurs, vielleicht wird es besser.

Nachts hören wir über Funk eine Sturmwarnung für unseren Kurs. Wir checken die Wetterdienste und tatsächlich, der Wind von der Adria hat gedreht und kommt nun über die Fußspitze von Italien mit Windstärke 7 bis 8. Upps, dazu haben wir nun überhaupt keine Lust und dann auch noch diese blöde Welle, also beschließen wir den Kurs gänzlich zu ändern, eine Nacht vor Crotone in Kalabrien zu ankern und wenn das Wetter sich beruhigt hat, weiter zu segeln. Unsere Kurslinie sieht dementsprechend chaotisch aus, aber egal, Sicherheit und Komfort für Crew und Schiff gehen vor, so lange es die Option gibt den Kurs zu optimieren, dann tun wir es.

Das hat uns das Seglerleben gelehrt: man muss flexibel sein!

Am nächsten Tag geht es gemütlich weiter und nach einer Übernachtung in Rocella Ionica segeln wir entlang der schönen Küste von Kalabrien bis zur Fußspitze Italiens.

Als wir schließlich wieder den Ätna sehen, ist es als würden wir einen alten Kumpel treffen. Wie schön er aussieht im rosarotem Morgenlicht mit seiner Wolke am Gipfel, die scheinbar zu ihm gehört. Hallo alter Freund, schön dich wieder zu sehen!

Die Nacht verbringen wir vor der Stadt Reggio di Calabria, sie ist keine Schönheit, aber der Anker hält und eine Alternative gibt es nicht. Morgen wollen wir früh starten und den perfekten Tide-Strom für die Straße von Messina nutzen. Wir sind schon sehr gespannt und auch etwas aufgeregt.

Diese Durchfahrt ist schon speziell, da treffen das Tyrrhenische und das Ionische Meer aufeinander. Beide haben unterschiedliche Hoch- und Niedrigwasserzeiten. Außerdem ist das Wasser des Tyrrhenischen Meer wärmer und enthält weniger Salz als das im Ionischen Meer. Das führt zu unterschiedlicher Dichte und damit zu wechselnden Strömungen, Verwirbelungen und Strudeln.

In der Antike galt diese Durchfahrt als extrem gefährlich, Odysseus und seine Männer fürchteten sie sehr. Der Legende nach wohnte auf der Festlandseite Skylla in einer Höhle in den Klippen. Sie hatte zwölf Hundefüße und sechs Hundeköpfe, mit denen sie sich alles Leben griff, das die Straße von Messina passieren wollte, ob Delfine, Schwertfische oder Matrosen.

Auf der gegenüberliegenden Seite wohnte Charybdis, die dreimal am Tag das Wasser aus der Straße von Messina schluckte und wieder ausspie. Schiffe die in ihren Sog gerieten waren hoffnungslos verloren.

Tatsächlich können wir zahlreiche Verwirbelungen auf dem Wasser  erkennen. Trotz auflaufendem Wasser haben wir Gegenstrom. Wir checken noch einmal den Gezeitenkalender, es stimmt alles, nur der Strom nicht. Wie kann das sein??

Wir ändern den Kurs und fahren etwas weiter in die Mitte, da schlägt tatsächlich der Strom um und wir werden getragen, ein schönes aber auch ein verwirrendes Gefühl. 

die Straße von Messina, wir sind nicht gefressen worden, welch ein Glück!

Es ist eine vielbefahrene Schifffahrtsstraße, es fahren viele Frachtschiffe und Fähren, man muss sehr achtsam sein. Eindrucksvoll sind die speziellen Kutter zum Schwertfischfang, den es hier scheinbar noch gibt. Der Schwertfisch schläft tagsüber nahe der Wasseroberfläche und die Fischer jagen ihn mit speziellen Booten, den Passerella-Booten. Diese Boote haben einen 20 m hohen Mast mit einem Ausguck, in welchem ein oder zwei Mann in luftiger Höhe sitzen. Nach vorne gibt es einen ca.  15-20 m langen Arm mit der Harpune und dem Harpunierer in Stellung. Aufgrund dieser Konstruktion können diese Boote nur bei extrem ruhigen Wetter gefahren werden. Ich wäre auch bei ruhigem Wetter garantiert seekrank und wir haben Zweifel ob diese Boote in Deutschland zugelassen wären. Die Berufsgenossenschaft hätte garantiert, und zu Recht, ihre Einwände. Für uns bietet sich dennoch ein interessantes Schauspiel.

die Passerella-Boote, oben sitzen die Männer im Ausguck, vorne im langen Arm der Harpunier

Wir haben die Durchfahrt geschafft und sind nicht gefressen worden, ein wenig stolz sind wir schon!

Weiter geht es an der Nordküste Kalabriens, der Costa Viola. Hier gibt es wieder türkisblaues Wasser, eine sehr grüne Küstenlandschaft, schöne Strände umrahmt von Felsklippen. Wir genießen hier endlich wieder das wunderbare italienische Eis, wir haben es so sehr vermisst! In dieser Gegend Kalabriens ist  die Eispezialität der Tartuffo. Es gibt ihn in unterschiedlichen Variationen: da gibt es zum Beispiel  den Tartuffo Bianco, ein cremiges Vanilleeis mit einem schmelzenden Kaffeekern und einer Krokanthülle, oder den Tartuffo al Limoncello aus Zitroneneis mit einem Kern aus in Limoncello getränkten Biscuit, oder den Tartuffo Nero mit einem Schokoladenkern und, und, und… ! Köstlich, wir sollten sie alle probieren, es gibt noch mehr Kreationen!!

Tartuffo al Limoncello…. sooo lecker!
die Costa Viola, Kalabrien
es ist voll, Hauptsaison im August, Blick auf Tropea
die schönen Gassen von Tropea

Gerrit muss zu einem wichtigen Termin nach Deutschland fliegen, dafür werden Mojito und ich für ein paar Tage in einer Marina „geparkt“! Bei diesen Temperaturen ist es eigentlich nicht erstrebenswert im Hafen zu schwitzen, aber alleine an Bord könnte ich nicht auf plötzliche Wetterkapriolen reagieren um, falls erforderlich, einen neuen Ankerplatz suchen. Also geht es nach Vibo Marina, von hier ist es nicht weit zum Flughafen und die Marina ist bezahlbar. Eigentlich will ich diese Zeit nutzen um diverse Arbeiten an Bord zu erledigen. Ich habe mir vorgenommen das Boot zu putzen und unsere Wäsche zu waschen, da wir hier unbegrenzten Zugang zum Frischwasser haben, was für ein Luxus, dann hat unser Wassermacher mal Pause! Was ich nicht einkalkuliert habe, ist das enorm heiße Wetter, das hier im August an der Küste Kalabriens herrscht. So entwickelt sich dieser Aufenthalt für mich zu einer Tortur, die Temperaturen steigen täglich auf 33 – 35 Grad, kein Wind weht, auch ohne Bewegung ist man ständig verschwitzt. Da hilft auch kein Tartuffo-Eis! Ich beneide Gerrit um seinen Deutschlandbesuch und sehne mich nach dem norddeutschen Schmuddelwetter, mit all seinen Grautönen, ein Regenschauer wäre jetzt ganz oben auf meiner Wunschliste!

Ich beobachte die Italiener auf den Nachbarbooten und bin etwas irritiert. Alle gehen sehr sorglos mit dem Frischwasser um, und die Familie direkt neben uns schlägt alles. Sie haben zwei Wasserschläuche gleichzeitig in Beschlag und berieseln sich und sämtliche Gegenstände den ganzen Tag mit Frischwasser. Demnach müssen die Italiener über eine unbegrenzte Frischwasserquelle verfügen, von der wir alle nichts wissen, unglaublich!

So schön Kalabrien auch ist, die Temperaturen sind unerträglich und ich sehne mich danach diese Marina so schnell wie möglich  wieder zu verlassen.

Auf dem Weg zurück nach Vibo Marina steigt Gerrit versehentlich eine Station zu früh aus und landet in Pizzo. Ziemlich verlassen steht er am Bahnsteig und fragt einen Mann vor dem Bahnhof, ob es einen Bus oder ein Taxi nach Vibo Marina gibt. Der Mann, der sich eigentlich gerade gemütlich eine Zigarette drehen wollte, verneint und meint „um diese Zeit gibt es weder das eine noch das andere und ein Zug fährt heute auch nicht mehr. Die einzige Möglichkeit ist Autostop.“ Da er nur wenige Brocken Englisch spricht, gibt er Gerrit zu verstehen, ihm zu folgen. Er hält an der Hauptstraße einen Bus an, der schon außer Dienst ist, und erklärt dem Fahrer die Situation von Gerrit. Kein Problem, er kann mitfahren und wird gleich in Vibo Marina abgesetzt. Das ist Italien, so nett und unkompliziert, einfach liebenswert!

Abends beobachten wir vom Boot aus mehrere Flächenbrände am Festland, greifbar nah. Wir scheinen aber die einzigen zu sein, die es beunruhigt, niemand scheint sich zu kümmern. Das Feuer frisst sich schmatzend durch die Natur und verschlingt Bäume und Büsche in atemberaubender Geschwindigkeit. Nach gefühlter Ewigkeit hören und sehen  wir ein (!) Feuerwehrauto. Es fährt mit Blaulicht und Sirene von einem Feuer zum anderen, wendet und fährt wieder zurück ohne irgendeinen Löschversuch zu starten. „Na ja“ meint Gerrit, als wir dem Geschehen etwas ratlos zusehen „man kann nicht sagen, sie haben nichts gemacht. Sie haben schließlich geguckt.“ Stimmt! Haha!

Doch wir trauern um all die Zikaden und anderen Lebewesen die dabei umkommen, am nächsten Tag sehen wir die verbrannte Landschaft wie eine klaffende Wunde, sehr traurig.

es brennt

Wir möchten zu den Liparischen Inseln, am liebsten segeln, doch das ist ein hochgestecktes Wunschdenken im Mittelmeer! Der Wind sieht im Wetterbericht gar nicht so schlecht aus, es könnte sich entwickeln. Es ist zu wenig Wind vorhergesagt und wir müssen hart am Wind segeln, kein schöner Kurs, aber mit Glück dreht der Wind ein wenig und dann wäre es perfekt.(wie oft haben wir das schon gedacht?!) Die Wirklichkeit sieht natürlich wieder anders aus. Erst geht es gemächlich los,  mit etwas zu wenig Wind, okay, dann eben Motorunterstützung. Auf den letzten Drittel der Strecke nimmt der Wind an Stärke zu, erreicht Windstärke 6, (viel mehr als gemeldet), das wäre noch alles noch okay wenn er nicht von vorne käme. Mir kommt der Verdacht, der Windgott der Äolischen Inseln, Äolus, möchte nicht unser Freund sein. Er hat schon Odysseus das Leben schwer gemacht und nun sind wir wohl dran!

Dieses Seegebiet  von den Liparischen Inseln zur Festlandsküste bis zur  Straße von Messina nennt man das Äolische Dreieck, ähnlich wie das berüchtigte Bermuda-Dreieck. Dieses Gebiet ist schon seit der Antike berüchtigt für plötzliche Wetterumschwünge und drehende Winde, die niemand vorhersagt.

Äolus legt noch einen drauf und schickt uns zum Gegenwind noch eine hohe Welle von vorne. Jetzt ist er definitiv nicht mehr unser Freund! Diese letzten 20 sm kosten uns den letzten Nerv, wir bewegen uns zeitweise mit knapp 4 kn Geschwindigkeit (also kommen wir fast nicht von der Stelle!) und wir sind kurz vorm Aufgeben. Die Alternative wäre in Richtung Sizilien abzufallen, was bei diesen Bedingungen auch kein einfacher Kurs wäre, also weiter durchbeißen!

Der schönste Moment nach so einem Segeltörn ist, wenn man dann endlich eine Ankerbucht erreicht. Dann versöhnt man sich mit allem, sogar vielleicht mit Äolus!

Wir kommen im Süden von Isola Vulcano an, der südlichsten Insel der Äolischen Inseln. Es sind insgesamt sieben Inseln, alle sind die Gipfel von Vulkanen, von denen noch zwei aktiv sind: Stromboli und Vulcano.

Jetzt sind wir einfach nur glücklich den Anker fallen zu lassen und Vulcano zeigt sich als eindrucksvolle Erscheinung mit seinem schwarzen Lavagestein.

Dass wir vor einem aktiven Vulkan ankern, merken wir gleich am nächsten Morgen: der Cran Cratere hat wohl in der Nacht  Asche gespuckt und Mojito mit  einer dicken schwarzen Ascheschicht überzogen. Oh nein, hatte ich doch gerade in Vibo Marina den letzten roten Saharasand mühsam vom Deck abgeschrubbt und nun ist alles schwarz, es ist manchmal zum heulen!

Zudem füllt sich die leere Ankerbucht am Vormittag in atemberaubenden Tempo, vorbei mit der stillen Natur, wir ergreifen die Flucht. Leider müssen wir feststellen, dass der August wohl nicht die beste Reisezeit ist, um dieses wunderschöne Archipel zu besuchen.

Wir flüchten von einer Ankerbucht in die nächste, immer in der Hoffnung einen ruhigen Platz zu finden, leider ein unerfüllbares Wunschdenken. Wir staunen  über die große Anzahl an neuen (!) Luxusjachten, alle unter italienischer Flagge. Schon in Griechenland hat uns die große Anzahl an Luxusjachten erstaunt. Erstaunlich auch, dass trotz der sehr hohen Treibstoffpreise (besonders in Italien) solche „Spritschlucker“ sorglos bewegt werden. In beiden Ländern scheint die Gesellschaftsschere sehr weit auseinander zu klaffen, entweder sehr arm oder unglaublich reich. Doch von diesem unermesslichen Reichtum scheinen beide Staaten nicht zu profitieren, außer über die Benzinsteuer.

Es ist sehr schwierig einen geeigneten Ankerplatz zu finden, da die Küste sehr  steil abfällt und ein Ankern damit fast unmöglich macht. Die übrigen Plätze sind so stark befahren, dass es vergleichbar ist, als würde man auf dem Grünstreifen einer Autobahn sein Zelt zum campen aufschlagen. Ich glaube, dass höchste der Glücksgefühle eines italienischen Motorbootfahrer ist, mit seinem PS-starken Gefährt

in hoher Geschwindigkeit durch das Ankerfeld zu rauschen und die Jachten so richtig aufzuschaukeln, dass wir uns dann  fühlen, als wären wir  in einem Cocktailshaker. 

Wir genießen die Abende, wenn die großen und kleinen Luxusjachten eilig die überteuerten Marinas anlaufen um in den noch teureren Restaurants am Abend essen zu gehen. Dann wird es still in den Buchten und wir können diese wunderbare Natur genießen und die Stille spüren. Eindrucksvoll beobachten wir den Stromboli bei Nacht, wie er in regelmäßigen Abständen sein Feuer spuckt, was für ein Schauspiel. Es wundert nicht, dass die Seefahrer in der Antike dachten, es wäre das Fegefeuer. Unglaublich, dass der Stromboli schon seit so langer Zeit seine Lava spuckt, dass sogar Odysseus den gleichen Anblick hatte wie wir heute. Er ist wohl das älteste Leuchtfeuer des Mittelmeeres. Allerdings stellen wir fest, dass die beiden Burschen wohl keine Chance hätten eine grüne Umweltplakette zu bekommen. Da kann man nicht mal mehr von einer Feinstaubbelastung sprechen, das ist ganz klar eine Grobstaubbelastung! Mojito ist nun mehr dunkelgrau als weiß, die Vulkanasche zusammen mit dem Meersalz ergibt eine besonders klebrige Mischung, da kommt Freude auf!

der qualmende Stromboli
Stromboli, immer wieder schön!
Abendstimmung im Archipel, es kehrt Ruhe ein

Nachdem wir den Jet-Set auf Lipari, Vulcano und Panarea genügend bewundert haben, erhoffen wir ein wenig mehr Ursprünglichkeit auf den westlichen Inseln zu finden. Salina gefällt uns schon besser, die Landschaft ist sehr grün und vielfältig. Ganz besonders  entzückt uns aber Filicudi, so hatten wir uns die Inseln vorgestellt, wie schön! 

Ankern vor Filicudi
auf beiden Seiten schöne Ankerbuchten
Klettertour bei 30 Grad
geschafft!
was für ein Ausblick
Reste einer prähistorischen Siedlung auf Filicudi
der Ort Filicudi
die Apotheke
ein schönes Auto aus vergangenen Tagen
Aperitif auf Filicudi, sehr rustikal, so lieben wir es!
der Hafen von Filicudi
was für eine schöne Abendstimmung im Hafen

Noch ein kurzer Ankerstop auf der kleinsten Insel Alicudi und dann geht es nach Ustica, eine sehr schöne und grüne Insel, wenn auch mit einer finsteren Geschichte.

Die Griechen nannten sie die Knocheninsel, da 6000 karthagische Soldaten nach einer Meuterei hier ohne Wasser und Nahrung ausgesetzt wurden und einen qualvollen Tod fanden. Später wurde die Insel von Piraten bewohnt, die mit ungebetenen Besuchern nicht besonders zimperlich umgingen. Unter Mussolini kamen politische Strafgefangene auf diese Insel. 

Och.., wenn ich heute die Wahl habe zwischen Kerker und Ustica, dann muss ich nicht lange überlegen. 

Von außen sieht Ustica sehr hübsch aus, leider ist auch hier das Ankern nicht optimal da die Küste sehr  steil abfällt und unser Anker in den Steinen keinen guten Halt findet. Es ist kein Wind gemeldet, für die Nacht wird es reichen.

Die Äolischen Inseln sind auf jeden Fall sehenswert und auch wir kommen irgendwann wieder, das ist sicher, nur nicht im Juli oder August, das ist auch sicher!

Alicudi, die kleinste Insel, hier gibt es keine befestigte Straßen
Ankern vor Alicudi

Für uns heißt es morgen früh aufstehen, auf  nach Sardinien, hoffentlich mit Wind,zwei Tage und eine Nacht, dann sollten wir in Capo di Pula auf Sardinien sein.

Die Überfahrt, wie sie war..? Was soll ich sagen, wie so oft im Mittelmeer :

wenig Wind 🙁

doch dafür mit einem schlafenden Wal, direkt an der Wasseroberfläche. Wir konnten seinen grauen Rücken und seine Rückenflosse sehen und den  Blas, den er regelmäßig und eindrucksvoll versprühte, wow 🙂

Die Umrundung des Peloponnes

Nachdem wir den Kanal von Korinth durchquert haben, befinden wir uns in der Ägäis, genau genommen im Saronischen Golf. Wir segeln an der Ostküste des Peloponnes entlang und steuern die passenden Ankerbuchten an, die uns einen sicheren Schutz vor den vorherrschenden Nordostwinden bieten. So treffen wir immer wieder auf unsere französischen Freunde, Alain und Fabiola, die den gleichen Weg haben wie wir. Wir tauschen unterwegs  Informationen, über gute Buchten oder Orte die  einen Besuch wert sind, aus, oder aber wir treffen uns und verbringen kurzweilige, gemeinsame Abende in einer Taverne oder bei einem Aperitif an Bord.

Hier im saronischen Golf gibt es besonders viele Fischzuchtanlagen, sehr zu unserem Nachteil. Denn bedauerlicherweise haben diese Fischzuchtanlagen die gleichen Kriterien für ihre Standorte, wie wir zum Ankern. Die Fischzuchtanlagen brauchen windgeschützte Buchten mit nicht zu großen Wassertiefen, so wie wir. Außerdem brauchen diese Anlagen ständig neue Buchten, da sie das Wasser stark verschmutzen und für die Fischzucht unbrauchbar werden lassen. Sie ziehen dann weiter, sind häufig nicht kartiert, was für uns dann für unangenehme Überraschungen sorgt, da die angepeilte Bucht plötzlich schon „besetzt“ ist.

Es ist nicht nur dieser Standortkonflikt, der uns zunehmend kritisch gegenüber dieser Art der Fischzucht werden lässt. Wir bemerken den dramatischen Zustand der Meere, besonders Griechenland ist völlig leergefischt. Wir haben schon Skrupel unsere Angel zu nutzen oder in der Taverne Fisch zu bestellen, jeder einzelne Fisch scheint wertvoll.

Nun könnte man meinen: „na, dann ist doch gut, wenn diese Fischzuchtanlagen den Fischbestand sichern.“ Ja, so haben wir früher auch gedacht. Doch die Realität sieht leider anders aus: diese Fischfarmen verschmutzen stark das Meer (wir merken es an den Wasserfiltern unserer Entsalzungsanlage) und stellen dadurch eine Gefahr für die wenigen wildlebenden Fische dar. Wenn man sich dann auch noch vergegenwärtigt, dass über 50% dieser Fische direkt als Fischmehl in die Fleischproduktion gehen,  dann wird einem richtig schlecht. Das alles nur um unsere unersättliche Gier nach Fleisch zu stillen, darüber müssen wir alle nachdenken!

Abgesehen von dieser negativen Seite, genießen wir Griechenland in vollen Zügen.

Die Landschaft ist wunderschön, das Wasser türkisblau, die Temperaturen sind für uns Norddeutsche etwas hoch (schwitz) und was wir nicht erwartet hätten: es gibt sehr viel Platz in den Ankerbuchten, was für ein Luxus!

Gibt es interessante Kulturstätten zu besichtigen, so verlegen wir es in die frühen Morgenstunden, das ist angenehmer. 

So besichtigen wir als erstes das wunderschöne und gut erhaltene Amphitheater Epidaurus, früh morgens, menschenleer in einem wunderschönen Licht. Die Akustik ist bemerkenswert, auf jedem der 14 000 Sitzplätze kann man klar und deutlich hören, was auf der Bühne gesprochen wird. Was mir dann auch prompt eine Ermahnung von Gerrit einbringt, der auf der gegenüberliegenden Seite im Theater steht: man würde mein lebhaftes Gequassel mit Fabiola tatsächlich überall im Theater hören können. 😉 Frechheit!

Amphitheater Epidaurus

Beeindruckend ist, dass dieses Theater in der Antike nicht so bedeutend war, sondern der gesamte Ort eine wichtige Heilstätte war. Hier wurden Kranke und Gebrechliche geheilt, es gab Tempelanlagen, Krankenhäuser (mit Sichtschutz für die Privatsphäre, die unseren heutigen Sichtschutzelementen aus dem Baumarkt erstaunlich ähneln!), Liegehallen und Badehäuser. Das Theater und das angrenzende Stadion dienten nur zur Unterhaltung der Kranken, also kurz gesagt, es gab schon damals vor 2500 Jahren,Kuranstalten! Unglaublich!

Unser Sohn Neels kommt uns 14 Tage an Bord besuchen, wir wollen ihn in Athen aufnehmen, wir freuen uns riesig! Also wechseln wir die Seite und queren den Saronischen Golf mit einem Zwischenstopp auf der schönen Insel Aigina. 

Hier gibt es den Tempel der Aphaia zu besichtigen, die Göttin zum Schutz der  Frauen (die alten Griechen verblüffen mich immer mehr!). Aphaia, die Helle oder die Unsichtbare, ist die Beschützerin der Frauen, die von Männern bedrängt werden und sie gewährt den Frauen Schutz durch Unsichtbarkeit.

 So starten wir gemeinsam mit Fabiola und Alain früh morgens zu einer Wanderung, doch müssen wir, auf dem Berg angekommen, dann leider feststellen, dass die Tempelanlage erst in zwei Stunden öffnet. So eine Panne! Egal, wir begnügen uns mit dem Blick durch den Zaun, freuen uns über die schöne Wanderung im Morgenlicht und genießen den phantastischen Ausblick über den Golf und auf Athen, das sich aber unter einer riesigen Smogwolke präsentiert.

Tempel der Aphaia

Wegen der hohen Temperaturen und der Smogwolke verzichten wir auf eine Besichtigung von Athen und ankern dafür direkt vor der passenden Bushaltestelle vom Flughafen-Shuttle um Neels an Bord zu nehmen und gleich wieder Richtung Peloponnes zu fahren (leider nicht segeln, da kein Wind). Athen verschieben wir auf einen anderen, unbestimmten Zeitpunkt.

Angesichts der herrschenden Temperaturen scheint es sinnvoller schöne Ankerbuchten zu besuchen, außerdem muss sich Neels erst akklimatisieren.

Hier in Griechenland gibt so viel zu sehen und zu besichtigen, das alles muss man auch verarbeiten. Nebenbei probieren wir die griechische Küche. Unsere französischen Freunde hatten uns schon gleich zu Anfang zu bedenken gegeben, dass die griechische Küche nicht sehr variiert wäre, hätte man ihnen erzählt. 

Aha, die Franzosen! Sicher wollen sie nur ihre französische Küche hervorheben, denke ich. Später mussten sie dann doch die eine oder andere Köstlichkeit  lobend anerkennen, aber in einem Punkt behalten sie recht: besonders variiert ist die Küche nicht. Da gibt es aber, abseits der ausgetretenen Touristenpfade, die eine oder andere nette Taverne, mit einer einmaligen Atmosphäre. Diese Einfachheit der familiäre geführten Tavernen, ohne Speisekarte, wenn die Chefin noch selbst kocht ist ein wahres Erlebnis. So manches Mal haben wir direkt am Wasser, mit den Füßen im Sand gegessen, eine wunderschöne Erfahrung. 

Die griechischen Tomaten und die Gurken lassen uns immer wieder wahre Geschmacksexplosionen spüren. Die besten sind die von den zahlreichen fliegenden Händlern, die mit ihren Pickups durch die Dörfer fahren und über Lautsprecher ihre Waren anbieten. Die sizilianischen Tomaten waren schon eine Wucht, aber die griechischen sind der Hammer. Nun sind wir endgültig für den Rest unseres Lebens verdorben und werden in Deutschland keine Tomate mehr genußvoll essen können.

 Wir haben auch wieder unsere alte Bekanntschaft mit dem griechischen Retsina  aufleben lassen. Wenn wir danach fragen, ernten wir das eine oder andere Mal ein  abwertendes Kopfschütteln.  Retsina sei ein schlechter Wein, sagen die Griechen, gab es früher, heute gibt es in Griechenland deutlich bessere Weine. Ja, da haben sie sicher recht. Aber als einfacher Landwein, zusammen mit dem griechischen Essen, schmeckt uns der Retsina auch sehr gut.

schöne Taverne mit Ankerbucht

Wir umrunden den Peloponnes im Uhrzeigersinn. Es gibt viele Argumente, ob es besser ist mit oder gegen den Uhrzeigersinn zu segeln. Ausschlaggebend  für unsere Planung ist der Besuch unserer Kinder. Beide haben unterschiedliche An- und Abreiseflughäfen, so passt es einfach perfekt. Zum Segeln kommen wir sehr selten, da es fast keinen Wind gibt, oder nur stark wechselnde thermische Winde, die nur ein kurzes Intermezzo ermöglichen um dann entweder plötzlich die Richtung zu wechseln oder gänzlich zu versiegen. Wie schon mehrfach erwähnt, ist das Mittelmeersegeln sehr speziell, doch das Segeln in Griechenland schlägt alles was wir bisher erlebt haben.

Wir umrunden zunächst den „Daumen“ des Peloponnes und gelangen zu  einigen Touristenspots, wie die Insel Hydra, Spetses, Porto Heli und vieles mehr. Sehr schön, wir legen immer wieder einen Ankerstopp ein und besichtigen die Orte.

Hydra
mit dem Wassertaxi unterwegs
Ankerbucht auf der Insel Spetses

Da ist zum einen die Stadt Nafplio mit der venezianischen Festungsanlage, Palamidi. Am späten Nachmittag lassen wir uns mit einem Taxi hochfahren, besichtigen die weitläufige Festung  und laufen schließlich die 1000 (!) Stufen wieder runter, mit einem grandiosen Ausblick. Es kommen uns einige ehrgeizige Sportler entgegen, die diese 1000 Stufen hoch joggen, bei den Temperaturen, man mag es nicht glauben, ob das wirklich gesund ist?  Da gefällt mir unsere Variante deutlich besser,  Muskelkater bekommen wir auch beim runter laufen, aber dafür auch ein kühles Bier unten im Ort.

Festungsanlage Palamidi
1000 Stufen hinunter…
..oder waren es doch „nur“ 999? Egal, nun gibt es ein Bier

Der freundliche Taxifahrer erklärt sich bereit, uns am nächsten Morgen in aller Frühe, in unserer  Ankerbucht abzuholen und nach Mykene zu fahren, perfekt.

Mykene ist  ist eine über 3000 Jahre alte Burganlage und eine der bedeutendsten Ausgrabungsstätten Griechenlands.

Wir sind die ersten Besucher und werden gleich von drei Straßenhunden durch diese diese riesige Festungsanlage eskortiert. Wir bestaunen diese alte Baukunst, besonders im Vergleich zu der wesentlich jüngeren Burganlage von Nafplio, die wir am Vortag besichtigt haben. Da stellt sich die Frage, was die alten Baumeister in der „Zwischenzeit“ gemacht haben, weiterentwickelt haben sie sich wohl nicht. Denn betrachtet man die Bauwerke, dann waren sie aber vor Christus deutlich besser als 2000 Jahre später. 

das Löwentor von Mykene

Die gut erhaltenen Kuppelgräber, die Zysternenanlage und die Reste der alten Besiedlung sind raffiniert gebaut und zeugen von der hochentwickelten mykenischen Kultur.

die eindrucksvollen Kuppelgräber
Mykene

Die Mykener waren sehr reich und kontrollierten den Handel im Mittelmeer. Ihre Handelsrouten reichten bis nach England und sogar bis in die Ostsee, um Bernstein zu ordern, unglaublich. So hoch entwickelt die Mykener waren, so endete ihre Epoche um 1000 v. Chr. plötzlich und die Uhr wurde um 400 Jahre zurückgedreht. Es ist erschreckend, dass die Menschheit nicht bereit ist durch die Geschichte zu lernen, so viele Hochkulturen die im Laufe der Zeit untergehen. Wie wird es unserer heutigen Gesellschaft noch ergehen?

Wir müssen weiter, Neels hat seinen Rückflug von Kalamata, schließlich hat der Peloponnes noch zwei weitere Finger, die wir umfahren wollen. Bei den Temperaturen sind die Seetage sehr angenehm. Leider lassen die Windverhältnisse fast kein Segeln zu, also müssen wir mal wieder viel motoren.

Auf dem Weg besuchen wir den schönen, aber sehr touristischen Burgberg Monemvasi. Danach umrunden wir das berüchtigte Kap Maleas. Dieses Kap zu umrunden soll zeitweise der Umrundung des Kap Horns gleichen. Nun, bei uns weht mal wieder kein Lüftchen, also haben wir die Variante „Umrundung für Anfänger“,  wie soll es auch anders sein. Auf der anderen Seite des Kaps gibt es ein Kloster, man soll den Mönchen zuwinken. Bei uns winkt kein Mönch, wahrscheinlich war unsere Umrundung nicht so spektakulär, da lohnt der Aufwand nicht.

Monemvasia

Auf dem Weg nach Kalamata wartet ein weiteres Highlight auf uns – die Höhlen von Dyros. Der Besuch dieser Tropfsteinhöhlen ist ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. Unzählige Stalaktiten hängen von den Decken, wir werden in ein flaches Boot durch die weitverzweigten Gängen geschoben und gestakt. Es tropft überall und der Hall klingt gespenstig. Wir müssen uns ständig bücken, um uns nicht zu stoßen, es ist unglaublich. Eine vergleichbare Höhle haben wir noch nicht gesehen.

die grandiose Höhle von Dyros

Wir verbringen noch ein paar schöne Ankertage bevor wir Neels in Kalamata verabschieden. Dieser Teil des Peloponnes gefällt uns besonders gut, da es nicht so überlaufen ist und keine Charterflotten unterwegs sind.

schöne Ankerbuchten
… mit netten Tavernen, direkt am Wasser

Hatten wir doch gerade frohlockt, dass wir in Griechenland noch nicht einmal durch die Costguard kontrolliert worden sind, so werden wir hier an einem Tag gleich dreimal kontrolliert! Die Beamten sind freundlich, einer entschuldigt sich sogar für die Unannehmlichkeit, wie nett.

Wir umrunden noch den letzten Finger, da hören wir über Funk einen Notruf. Ein Schiff befindet sich in Seenot mit einer nicht bekannten Personenanzahl an Bord. Die Küstenfunkstelle gibt die Position durch und nimmt Kontakt zu umliegenden Schiffen auf. Laut Position ist das besagte Schiff etwa 10 sm von uns entfernt. Wir hören den Funkverkehr und so auch den Kapitän des zur Hilfe eilenden Schiffes. Er meldet der Küstenfunkstelle, dass er Sichtkontakt hat und sich ca. 100 Personen auf dem Schiff befinden. Es ist ein Schiff mit Flüchtlingen, denn nun melden sie sich selbst über Funk. Der helfende Kapitän klingt sehr besonnen und kompetent, bekommt aber von der Küstenfunkstelle nur eine Telefonnummer genannt, die er doch anrufen sollte und die ihm weitere Anweisungen geben würden. Gleichzeitig fährt die Costguard langsam an uns vorbei, aber in die entgegengesetzte Richtung. Mit ihrem hoch motorisiertem Schiff wären sie in einer halben Stunde am Ort des Geschehens. Der arme Kapitän wird mit dem Problem doch sehr allein gelassen. Später lesen wir, dass es ein Kreuzfahrtschiff war und sie die Flüchtlinge aufgenommen haben und nach Kalamata gebracht haben. Respekt vor dem Kapitän, aber mal wieder ein Versagen der offiziellen Stellen. Zugegeben, die südlichen Länder werden von allen anderen EU-Staaten erbärmlich im Stich gelassen.  Puh, das müssen wir erst einmal sacken lassen.

Kloster in Methoni
Festungsanlage von Methoni

In Katakolon, an der Westküste des Pelopones, ankern wir in der großen Bucht. Am nächsten Morgen wollen wir hier den Zug zur  antiken Stätte von Olympia nehmen. Der Ort zeigt sich ruhig, die meisten Geschäfte sind geschlossen. Am nächsten Tag erkennen wir den Ort nicht wieder – zwei Kreuzfahrtschiffe haben zwischenzeitlich angelegt. Nun sind alle Geschäfte geöffnet, der Ort gleicht einem Jahrmarkt,  überall werden griechische Souvenirs angeboten, made in China. Die Preise im Ort sind den Kreuzfahrttouristen scheinbar angepasst, wie wir schmerzhaft zu spüren bekommen: wir essen  am Nachmittag das teuerste Eis unseres Lebens!

Morgens  fahren wir mit dem ersten Zug nach Olympia und durchfahren eine unglaublich fruchtbare Landschaft, die zeitweise an die Karibik erinnert. Olympia ist eingebettet in dieser wunderschönen Landschaft und verbreitet eine wohltuende Stimmung, die alten Griechen hatten wirklich ein Gespür für „Wohlfühlorte“ . 

Aber  diese wohltuende Stimmung wird jäh zerstört als unzählige Busse die Masse an Kreuzfahrttouristen heran karrt. Die Menschen haben jeweils einen Aufkleber mit einer Zahl  auf der Brust und folgen ihrem Anführer, der die passende Zahl  auf einem Schild vor sich herträgt. Diese Menschenmassen verbreiten eine unglaubliche Hektik, wir haben Mühe den Ort auf uns wirken zu lassen. Als wir einer asiatischen Touristin Platz machen wollen, damit sie die Infotafel lesen kann, lehnt sie dankend ab, sie möchte die Infotafel nur fotografieren, gelesen wird wohl später. Wir sehen die Frau von Infotafel zu Infotafel eilen und fotografieren. Vielleicht bereist sie Europa in 10 Tagen, da bleibt wohl  keine Zeit;-).

Diese hektischen Menschen wirken auf uns befremdlich, wie aus einem anderen Leben.Was für ein Luxus, dass wir unser gemächliches Leben auf dem Wasser führen können und uns in einem Schneckentempo fortbewegen und so genügend Zeit haben das jeweilige Land zu fühlen. 

Abends legen beide Kreuzfahrtriesen ab und am nächsten Morgen stehen die nächsten schon wieder da. Die wundersame Verwandlung dieses kleinen Orts geht wieder von vorne los, was für ein Schauspiel.

Olympia
der Eingang der Athleten
das Stadion
Start frei…. wo sind die Gegner?

Für uns geht es im Schneckentempo zurück ins Ionische Meer, die zwei verbleibende Inseln Zakynthos und Kefalonia warten auf uns.

 Zakynthos, die südlichste Ionischen Insel ist eine landschaftliche Schönheit, das ist nicht zu übersehen.

Wir steuern die südlichste Bucht an, die große Bucht von Lagana´s, eins der wichtigsten Laichplätze der Meeresschildkröten im gesamten Mittelmeer. Diese Bucht ist ein von den zwei Nationalparks in Griechenland. Laut Karte gibt einen ausgewiesenen Bereich zum Ankern, da wollen wir hin. Wir halten uns an die Richtlinien und machen einen Bogen um den streng geschützten Teil der Bucht. Doch als wir näher kommen, trauen wir unseren Augen nicht: die Bucht ist voller lärmender Ausflugsboote. Superyachten ankern im eigentlichen Sperrbezirk, keines der kleinen Boote beachtet die Geschwindigkeitsbegrenzung, sie pflügen mit hoher Geschwindigkeit durch das Wasser. Hinzu kommt eine große Anzahl Mietboote, mit denen die Leute die Schildkröten sehen wollen und sich dabei an keinerlei Richtlinien halten, ob aus Unwissenheit oder aus Ignoranz. Die geschützten Strandabschnitten sind von Motorbooten überlaufen, am Strand gibt es schwimmende Cocktailbars mit dröhnender Musik. Urlauber tummeln sich ausgelassen im Sand, wo eigentlich die Schildkröten ihre Eier legen sollten. Wir beobachten das Treiben von unserem Ankerplatz und können es nicht fassen, dass das ein Nationalpark sein soll, was für eine Farce, was für eine Augenwischerei! Ich spüre meine Wut  über so viel Missachtung der Natur. Eine schöne große Schildkröte schwimmt ganz nah an uns vorbei, am liebsten würde ich mich, für uns Menschen, bei ihr entschuldigen. Das alles trübt die Schönheit der Umgebung, es fällt schwer sich zu freuen. Im Ort gibt es unzählige Motorbootverleihe, sie werben ausgerechnet mit den Schildkröten, das wirkt wie Hohn. Die Tavernen im Ort ähneln eher amerikanischen Schnellrestaurants mit Leuchtreklame. Mein Kloß im Hals wird immer größer, ich möchte nur noch weg.

Ich hadere mit uns Menschen, was sind wir doch für Parasiten für die Welt und alle Lebewesen. Ich hadere mit dem Tourismus – er bringt Arbeitsplätze und Geld in die Region, doch wie hoch ist der Preis, den die Natur dafür zahlen muss?

Früh am Morgen  lichten wir den Anker und wollen Richtung Kefalonia, die zweite Insel die uns noch fehlt. Wir segeln entlang der wunderschönen Steilküste von Zakynthos. Beim Anblick der riesigen Felsen frage ich mich, was die wohl schon alles gesehen haben: Odysseus, die Mykener, Seeschlachten, Völkerwanderungen und vieles mehr. Doch unser Zeitalter bringt nun Schmutz, Plastik und die Klimaveränderung. Auf unser Wirken brauchen wir wahrlich nicht Stolz zu sein und ich kann nur hoffen dass kluge Menschen diese wunderbare Welt in Zukunft besser behandeln. Die Meeresbrise pustet meine Seele durch, die dunklen Gedanken verblassen, ein Tag auf dem Meer, wie wohltuend! 

Ich beruhige mich. Nicht alle Menschen sind schlecht und nicht jeder Tourismus ist schlecht. Menschen die reisen sind wichtig um Vorurteile abzubauen, um Kleingeistern keine Chance zu geben.

Aber es ist Zeit, dass wir alle unser Verhalten überdenken. 

„Alle wollen die Welt verändern, aber keiner sich selbst“(Leo Tolstoy)

Griechenland hat unzählige Buchten mit kristallklarem Wasser, leider aber sehr wenig Fische oder andere Meeresbewohner. Seeigel sind weit verbreitet, ab und zu sieht man einen Seestern, doch das ist schon eine Sensation. Dafür sieht man beim Schnorcheln häufig Müll auf dem Meeresboden, achtlos weggeworfen.

Wenn man die zahlreichen stinkenden Müllhalden in der Landschaft sieht, mag man nicht recht glauben, dass diese die EU-Richtlinien erfüllen. Überhaupt scheint die Müllentsorgung, ähnlich wie in Sizilien, nicht wirklich gut zu funktionieren. Die Griechen scheinen  kein großes Umweltbewusstsein zu haben, wie schade. Bei den Gemüsehändlern ernten wir immer wieder Unverständnis, weil wir ihre Plastiktüten nicht möchten. 

Unsere augenblickliche negative Stimmung verstärkt sich als wir wiederholt Ärger mit einem unserer Antriebe bekommen. Ein Antrieb lässt sich nicht mehr verlässlich in den Vorwärtsgang schalten. Unangenehm wird es, als wir in einer Ankerbucht nur mit Mühe gegen den auflandigen Wind von der Küste wegkommen. Daher beschließen wir Richtung Levkas oder Preveza zu fahren, dort gibt es Werften und, falls erforderlich, auch einen Kran.

Gerrit kann die Ursache nicht finden, wechselt ohne große Erwartungen daran das Getriebeöl. Am nächsten Tag funktioniert der Antrieb wieder, welch ein Wunder, hoffentlich hält er jetzt bis Spanien!

Wir sind wieder bestens gelaunt und können also einfach wieder ankern gehen, wir brauchen keine Werft zu suchen, erstmal nicht, ein Problem weniger!

Also laufen wir Poros an, eine hübsche Bucht im Süden von Lefkas, wir haben sie bereits mit Amei besucht. Hier war uns bei unserem ersten Besuch eine schöne Taverne aufgefallen, da gehen wir heute Abend essen, so der Plan. Wir gehen schwimmen, freuen uns über die wiedergefundene Leichtigkeit und beobachten zwei Männer auf einem kleinen Boot. Auf dem Boot steht „Rescue-Boot“, ein Mann in Zivil lenkt das Boot  während ein Mann in einem weißen Hemd und goldenen Schulterklappen stoisch im Boot steht und die jeweils Richtung anweist. Die beiden geben ein lustiges Bild ab und wir amüsieren uns darüber. Amei hätte uns gewarnt: „das gibt ein schlechtes Karma“ hätte sie gesagt  „das fällt alles auf euch zurück“. Und zack, schon passiert: nachdem dieses Gespann zahlreiche, neben uns ankernde, Boote angefahren hat, kommen sie zu uns und verlangen die Bootspapiere. Selbstverständlich reichen wir die nötigen Papiere und staunen als der Mann unsere Papiere einfach einsackt und uns mitteilt, dass wir sie bei der Hafenpolizei in Levkada wieder abholen können. Wie jetzt, das ist doch ein schlechter Scherz, oder?? Er klärt uns auf, wir würden zu nah am Strand ankern und müssten dafür dort Strafe zahlen. ,

Unsere gerade erst wiedergefundene gute Laune schlägt blitzschnell um, augenblicklich sind wir übellaunig und protestieren lauthals, ohne Erfolg.

Dieser Mann in seinem komischen Hemd erzählt uns von einem Gesetz auf Lefkas, demnach ist es verboten näher als 300m zum Strand zu ankern. Wir möchten wissen wo das geschrieben steht, das kann er uns leider nicht zeigen, aber das Gesetz besteht, sagt er. Aha, ein Gesetz oder eine Richtlinie die nirgends geschrieben steht, okay. Dafür zeigt er uns  seinen Dienstausweis, doch das könnte auch sein Mitgliedsausweis für ein Karnelvalsverein sein (würde zur Uniform passen,haha!), lesen können wir ihn nicht, denn es steht alles in griechischer Schrift. Er lässt sich nicht erweichen, also werden wir uns wohl oder übel in den nächsten Tagen auf den Weg nach Lefkada machen müssen, das war nicht der Plan.

Ärgern tun wir uns nicht nur über dieses eigenmächtige,“hausgemachte“ Gesetz, sondern auch weil wir gesehen haben, dass die griechischen Jachten nicht belangt wurden, ebenso wie die großen Superjachten. Außerdem waren wir knapp 200m vom Strand entfernt, was in allen anderen Ländern reicht und dort steht es auch vermerkt.

Zwei Tage später machen wir uns auf den Weg zur Behörde. Dafür müssen wir im Hafenbecken ankern, was nicht wirklich erlaubt ist, ich bleibe an Bord, Gerrit will nur schnell die Papiere wieder holen, denken wir. 

„ach, die Papiere, die müssen erst noch bearbeitet werden und dann muss der Chef entscheiden wie hoch die Strafe ausfällt“. Nun wird Gerrit aber wirklich ungeduldig, außerdem möchte er wissen, wo diese Richtlinie geschrieben steht. Die steht nirgends, aber es ist so. Ah ja.

Ein anderer Beamter fragt Gerrit, ob er Italiener sei. Nein er wäre aus Deutscher. „ Ach so“ so der Beamte „ dann würden sie den Vorgang doch schon heute bearbeiten und er könne in einer Stunde wieder kommen“. Also ist es abhängig von der Staatsbürgerschaft wie und wann ein Vorgang bearbeitet wird?? Das wird ja immer besser. Aber egal, Hauptsache wir  bekommen unsere Papiere wieder und dann sieht uns Griechenland so schnell nicht wieder.  

Nach einer Stunde hat der Chef unsere Strafe bestimmt: 150 €, der Höchstsatz also. Wäre ja interessant zu wissen, was man als Italiener zu zahlen hat. Oder wurde unsere Strafe so „zügig“ bearbeitet, weil die Deutschen immer Höchststrafe zahlen müssen?

Ein Schelm wer da an Behördenwillkür denkt!

Auf Gerechtigkeit braucht man hier wohl nicht zu hoffen, also muss Gerrit  die Kröte schlucken und zahlen um dann endlich seine Papiere wieder zu bekommen. „Bezahlen geht hier nicht, da müssen sie zur Bank“. Die Bank hat nur einen Schalter in Betrieb, die Schlange ist lang…. keep cool!

Bis alles erledigt ist vergehen über drei Stunden. Ich habe kurz Zweifel, ob sie Gerrit verhaftet haben und sehe ihn schon im Kerker von Lefkada bei Fetakäse, Brot und Wasser. So bin ich doch erleichtert, als ich ihn wieder kommen sehe. Eins ist sicher: so schnell geben wir unsere Papiere nicht wieder aus der Hand!

Wir wollen keine Zeit mehr auf Lefkas verbringen und wechseln zur Festlandseite, in einer schönen Bucht. Dort treffen wir drei bekannte Boote aus unserer  Zeit in Licata und verbringen einen netten gemeinsamen Abend. Wir versöhnen uns ein wenig mit Griechenland, aber wir spüren auch, dass wir nun weiter wollen. Außerdem drängt die Zeit, wir haben im Herbst einige Termine in Deutschland, also müssen wir Richtung Westen.

Wir freuen uns auf die Überfahrt nach Italien, draußen auf dem Meer verfliegt der Ärger und wir denken über  unsere Zeit in Griechenland nach. 

Es war für uns beide unsere erste Griechenlandreise.

Nicht gefallen hat uns das mangelnde Umweltbewusstsein der Griechen. Wir haben sogar junge Menschen gesehen, die achtlos ihren Müll ins Meer geworfen haben.

Die zahlreichen, stinkenden Mülldeponien, einfach in der Landschaft abgekippt, sind scheußlich. Es gibt keine Mülltrennung und auch keine wirklich funktionierende Müllabfuhr. Der Müll verteilt sich achtlos in der Landschaft, ein ähnliches Bild wie in Sizilien.

Sehr schön fanden wir die großartige Landschaft gepaart mit der Geschichte der Antike. Überall findet man einen Ankerplatz, einzig die steil abfallende Küste bereitet hin und wieder Probleme.

Das glasklare Wasser in unterschiedlichem türkis Ton ist immer wieder eine Augenweide und macht das tägliche Schwimmen zum Genuss.

Das griechische Gemüse, tatsächlich noch Freiland in der Sonne gereift, ist unbeschreiblich gut, ebenso das feine Olivenöl. Super sind die fliegenden Gemüsehändler mit ihren Pickups.

Überrascht hat uns die Zuverlässigkeit der Griechen. Im Gegensatz zu anderen südlichen Ländern, kann man sich in Griechenland darauf verlassen, dass eine Abmachung auch tatsächlich eingehalten wird. So waren wir überrascht, wenn die vorab bestellten Taxifahrer, tatsächlich überpünktlich ankamen.

Sehr angenehm finden wir die Gelassenheit in Griechenland. Es wird nicht geschimpft, man kann überall problemlos mit dem Dinghy anlanden und braucht es nicht einmal anzuschließen – sehr angenehm.

Wir haben so viel gesehen und erlebt, Griechenland wird noch lange in uns nachwirken, positiv und negativ!

Der Golf von Korinth

Amei ist zurück nach Deutschland geflogen und für uns geht die Reise weiter, vorbei an Patras in Richtung Golf von Korinth. Wir staunen, als wir einen Lidl-Markt entdecken, direkt am Wasser, wie cool! Schnell ankern wir davor, lassen das Dinghi ins Wasser und Gerrit bringt mich kurzerhand an Land, zum ausgiebigen Bunkern, so bequem haben wir es selten!

Mojito parkt vor Lidl 🙂

Die Kühlschränke sind mit lauter griechischen Leckereien zum bersten gefüllt und weiter geht es nach Navpaktos,unser nächstes Ziel im Golf von Korinth. 

Dafür müssen wir zunächst die Rion–Antirion–Brücke, zwischen dem Golf von Patras und dem Golf von Korinth, queren, ein imposantes Bauwerk. Sie ist die zweitlängste Schrägseilbrücke der Welt und eine technische Meisterleistung. Sie wurde 2004 eröffnet. Diese Brücke galt lange Zeit als nicht realisierbar, da der Meeresgrund an dieser Stelle 65 Meter tief ist und keinen tragfähigen Grund aufweist. Außerdem liegt die Brücke in einem Erdbebengebiet, verbunden mit einer tektonischen Verschiebung des Peloponnes vom griechischen Festland um mehrere Millimeter pro Jahr. Trotz aller Widrigkeiten wurde dieses Bauwerk schließlich doch realisiert. Es soll nun Erdbeben der Stärke 7 aushalten, Verschiebungen von bis zu zwei Meter in 120 Jahren, starke Stürme und auch einen  Aufprall durch eine Schiffskollision standhalten. Sogar als Nicht-Ingenieur ist man von diesem Bauwerk tief beeindruckt, außerdem finden wir die Ästhetik durchaus gelungen, eine wirklich schöne Brücke!

Ansteuerung der Rion-Antirionbrücke
ein gelungenes Bauwerk

Für die Durchfahrt müssen wir uns über Funk anmelden und die Schiffsgröße und -höhe durchgeben, dann bekommen wir die erlaubte Durchfahrt zugewiesen, für uns ist es die südliche Durchfahrt. Um sicher zu gehen, dass man die Anweisung verstanden hat, muss man noch einmal wiederholen: „drei Pfeiler links, ein Pfeiler rechts“. So kann es eigentlich nicht zu Missverständnissen kommen, eine Anweisung für Doofe! Wer weiß, was die schon alles mit Sportbooten erlebt haben!?

Die Nacht verbringen wir, wie geplant, vor Nafpaktos, ein schöner mittelalterlicher Hafen mit einer venezianischen Festungsanlage, die wir noch abends erklimmen und mit einem wunderschönen Ausblick über den Golf belohnt werden. Wir finden eine schnuckelige Taverne, sitzen auf einem Mini-Balkon, mit Blick auf Mojito am Anker und genießen allerlei Vorspeisen und ein kühles Glas Wein, herrlich!

Spaziergang durch Nafpaktos
Abendessen mit Blick auf Mojito

Wir wollen uns Zeit lassen und den Golf von Korinth ausgiebig erkunden, bevor wir dann als Highlight den Kanal von Korinth passieren werden, ein lang gehegter Traum von uns beiden!

 Im Golf von Korinth gibt es unzählige Ankerbuchten, Inseln und kleine Orte umrahmt von einer schönen Bergwelt. Die Hitze macht uns noch zu schaffen, das Thermometer klettert täglich auf über 30 Grad und es weht fast kein Wind. An Segeln ist wieder nicht zu denken, dafür suchen wir mehrmals täglich eine Erfrischung und baden ausgiebig im Meer, eine Wohltat!

Nisis Trisiona, eine wunderschöne kleine Insel
…mit schönen Wanderwegen
und netten Cafés

Wir wechseln die Seite und fahren zur Südküste, nach Diakoftó. Hier wollen wir  die Eisenbahn nehmen und ins Gebirge fahren, nach Kalávryta, dem größten Wintersportzentrum Griechenlands. Diese Bahn ist eine Zahnradbahn und auch sie ist ein technisches Meisterwerk aus dem 19. Jhdt.. Sie ist extrem schmal und überwindet, dank ihres zuschaltbaren Zahnradantriebes zwischen den Schienen,  extreme Höhenunterschiede. Es ist Zweifelslos die aufregendste einstündige Zugfahrt unseres Lebens. Es geht durch tiefe Gebirgsschluchten entlang am wilden Fluss Vouraikos. Man weiß nicht was furchterregender ist: die steilen und bröseligen Felswände auf der einen Seite oder der steile Abhang auf der anderen Seite!

mi der Zahnradbahn durch das Gebirge
durch die imposante Bergwelt
überall blüht wilder Oleander
entlang am wilden Fluss Vouraikos
Einfahrt in den Bahnhof von Kalávryta

In Kalávryta haben wir zwei Stunden Aufenthalt bevor wir uns wieder mit dem Zug auf die Rückfahrt machen wollen. Die Zeit möchten wir nutzen und  das Holocaust-Museum besichtigen. Kalávryta ist während des zweiten Weltkrieges zur traurigen Berühmtheit geworden, als deutsche Soldaten hier ein grausames Kriegsverbrechen begannen. Am 13.Dezember 1943 erschossen sie mehr als 400 Menschen. Männliche Teenager ab 13 Jahre und alle übrigen Männer des Ortes mussten sich in der örtlichen Schule versammeln und wurden zu einem nahegelegenen Hügel geleitet wo sie schließlich erschossen wurden.

Die Frauen und übrigen Kinder wurden in der Schule eingesperrt. Als es ihnen gelang zu entkommen fanden sie ihre Liebsten erschossen auf. Der gesamte Ort wurde durch die Wehrmacht zerstört, es war ein Vergeltungsakt für den starken Widerstand auf dem Peloponnes gegen die deutsche Besatzung. Die stehengebliebene Kirchturmuhr ist als Mahnmal an der heutigen Kirche angebracht. Auf der Mahntafel steht: „am 13.Dezember 1943 blieb die Zeit um 14.32 Uhr stehen und das Weinen und Wimmern begann…“

am linken Glockenturm mahnt die stehengebliebene Uhr von Kalávryta

Der Ort und die Schule wurden wieder aufgebaut, im Museum sind Bilder aus früherer Zeit zu sehen, von den Opfern und auch von den Tätern. Was sind das für Menschen, die solche Greueltaten begehen? Ich schaue sie mir genau an und suche nach grausamen Gesichtszügen, doch leider sehen sie „ganz normal“ aus, das macht es noch unerträglicher. An der Wand der Opfer schaue ich in Gesichter von Kindern, Teenagern, Männern, Geistliche. Mir kommen die Tränen. In diesen Momenten lastet die deutsche Vergangenheit schwer auf uns.

 Das müssen wir erst einmal verdauen, ein harter Brocken. Es war ein sehr eindrucksvoller Tag, der noch lange nachwirkt.

Mojito im Hafen von Galaxidhi
ein Gewitter zieht auf
für einen Platz im Schatten kann man schon mal zusammenrücken..
oder in den Olivenbaum klettern

Wir möchten den Nachmittag nutzen und queren wieder einmal den Golf von Korinth und ankern zwei Tage in Galaxidhi, ein verschlafener und reizvoller kleiner Ort, bevor es weiter geht nach Itea. Von hier aus wollen wir Delfi besichtigen, die berühmte Orakelstätte Griechenlands. Wir brauchen Diesel, nach all den langen Strecken ohne Wind 🙁 , und wollen ausnahmsweise eine Nacht im Hafen verbringen, damit wir am nächsten Tag in aller Frühe den Bus nach Delfi nehmen können.

Alle Versuche die Marina oder Hafenbehörden über Funk zu erreichen scheitern, so entscheiden wir uns einfach im Hafen an der Mole festzumachen. Eine nette Amerikanerin vom Nachbarboot nimmt unsere Leinen an und klärt uns über die Gegebenheiten auf: „manchmal kommt jemand zum kassieren, aber das Büro ist nie besetzt. Keiner der Segler weiß, wie es hier funktioniert.“ Wir können es nicht fassen, eine fertige Marina mit Büro und einer riesigen Parkplatzanlage (ohne Autos) und niemand kassiert! Alles wirkt tot, es ist nicht nachvollziehbar, besonders wenn man überall sieht, wie dringend die Griechen Geld brauchen. Warum wird so eine Marina, noch dazu an einem viel besuchten Ort, nicht bewirtschaftet?

Am nächsten Morgen geht es in aller Frühe mit dem Bus ins nahegelegene Delfi. Zusammen mit Tim und Adrielle, zwei Segler aus Neuseeland, starten wir zur Sightseeing-Tour. Es wird ein interessanter Tag, nicht zuletzt durch tolle Gespräche mit den beiden. Sie sind beeindruckt von der reichhaltigen Kultur im Mittelmeerraum, aber genervt keinen Wind zum Segeln zu haben. In Neuseeland haben sie keine Kulturgüter, dafür gleichmäßige, moderate Winde zum Segeln. Tja, so ist es im Leben, man kann nicht alles haben 😉 Es wird ein kurzweiliger Tag mit den beiden, wir hoffen auf ein Wiedersehen, in der Ägäis oder sonst irgendwo auf der Welt, das wäre toll!

Wir bestaunen diesen mystisch anmutenden Ort Delfi, an dem, in der Antike, die Priesterin Pythia den Rat suchenden Gläubigern, die Orakelsprüche des Apollons übermittelte. Diese Dame saß über eine Erdspalte aus der narkotisierende Dämpfe austraten, die sie einatmete. Dadurch war sie stets in Trance (heute würde man sagen, sie war auf Drogen 😉 und nuschelte schwer verständliche Weissagungen, die dann wieder von den Priestern an die Ratsuchende übermittelt wurden. Die undeutlich gestammelten Worte von Pythia waren nie eindeutig und  ließen so einen großen Spielraum der Interpretation zu. Toller Trick, so konnte niemand behaupten sie hätte Blödsinn erzählt.

Drogenproblem hin oder her, der Ort ist beeindruckend – eine unglaubliche Landschaft, ein tolles Licht. Kein Wunder dass die alten Griechen der Meinung waren, dies wäre der Mittelpunkt der Erde, den Zeus mit einem konischen Stein markiert hätte. Tja, es ist wohl schon ein altes Problem der Menschheit, sich stets zu wichtig zu nehmen und zu meinen, der Mittelpunkt der Welt zu sein! Doch nach Hochmut kommt der Fall, wie all diese Hochkulturen zeigen.

das Theater von Delfi mit Blick über das Tal, ein mystischer Ort
das Stadium für die Austragung der Wagenrennen mit Pferden

Für uns geht es zurück nach Itea, wir sind froh dass wir diesen Ort in aller Frühe  besucht haben und wollen uns nun schnell wieder eine ruhige Ankerbucht suchen, in der wir schwimmen können und über all das Erlebte nachdenken können. Was für ein Leben!

Wir finden eine Traumbucht für uns ganz allein, mit Olivenbäumen, Zypressen und Zykaden, die mit ihrem Gezirpe für eine super Stimmung sorgen. Wir bleiben länger als geplant, wir fühlen uns sauwohl und verbringen die Tage mit Standup-Paddeln, lesen, schwimmen, schnorcheln aber auch Arbeiten am Boot, was in solch einer Umgebung wirklich nicht schwer fällt..

eine Traumbucht für uns alleine, ab und zu kommt ein Fischer vorbei

Aber es gibt noch weitere lohnende Ziele auf dem Weg zum Kanal, so verlassen wir schweren Herzen „unsere Bucht“ in Richtung Osten.

Für die Passage im Kanal von Korinth haben wir uns im Vorfeld mit Alain und Fabiola vom Katamaran Va´a verabredet, das wollen wir gemeinsam erleben.

Leider setzt uns ein heftiger Meltemi-Wind fest, Alain und Fabiola in Galaxidhi und wir in einer großen Bucht weiter östlich. Während die beiden guten Windschutz haben, finden wir nur mittelmäßigen Schutz vor einem kleinen Ort, doch es gibt keine Alternative. Wir bringen noch einen zweiten Anker aus  und müssen nun diese Tage ausharren. Eine heftige Windböe reist mir meine Lieblingssonnenbrille von der Nase und ich muss hilflos zusehen wie sie im aufgewühlten Meer versinkt…! Wer weiß, vielleicht wird sie nun von einem Fisch getragen 😉

Der Meltemi schwächt sich ab, endlich können uns mit Alain und Fabiola in einer kleinen  Ankerbucht treffen, unweit des Kanals. Es ist eine unbewohnte Insel mit einem verlassenen Kloster, umrahmt von einer Landschaft die man eher in Schottland vermuten würde. Die Insel ist von Möwen übervölkert, obwohl wir uns unvermeidlich an den Hitchcock-Film „Die Vögel“ erinnert fühlen, finden wir die Umgebung zauberhaft und freuen uns besonders über weniger Wind.

Morgen wollen wir gemeinsam durch den Kanal, voller Vorfreude stellen wir uns den Wecker auf fünf Uhr Morgens.

Als ich als erste am Morgen in unser Cockpit komme, erstarre ich vor Schreck: wir haben eine Ratte an Bord! 

Ein Albtraum, und das an meinem Geburtstag! Schnell schlage ich die Salon-Tür zu und gemeinsam überlegen wir unser weiteres Vorgehen. Mit Besen bewaffnet gehen wir auf die Jagd und nach einigem hin und her, gibt die Ratte  schließlich auf und springt freiwillig wieder ins Wasser. Wir sind fassungslos, das hätten wir nicht gedacht. Eine Ratte schwimmt etwa 100m durch das Meer und klettert zu uns an Bord. Oder wurde sie vielleicht von einer Möwe fallen gelassen? Wir werden es nie erfahren, egal. Anker lichten und bloß weg hier. Unsere Freunde kontrollieren hektisch ihr Boot, zum Glück entdecken sie keine weitere Ratte!

schöne einsame Bucht mit einem verlassenen Kloster und vielen Ratten

Das Morgenlicht ist herrlich, wir nehmen Funkkontakt zum Kontrollturm auf, die Vorfreude steigert sich! Der Kanal von Korinth ist die wichtigste Verbindung zwischen dem Ionischen Meer und der Ägäis. Er ist etwa 5 Km lang und ist vermutlich der teuerste Kanal der Welt, wenn man den Preis auf die Länge des Kanals umrechnet. 

Schon in der Antike gab es Pläne zum Bau eines Kanals, was sich damals aber wegen der Felsmassen nicht umsetzen ließ. Damals wurden die Schiffe mithilfe einer Schleifbahn über die Landenge transportiert, unglaublich! Erst Ende des 19.Jhdt gelang es schließlich diesen ehrgeizigen Plan in die Tat umzusetzen und den Kanal zu bauen.

Man muss sich für die Passage anmelden. Die Durchfahrt erfolgt abwechselnd in jeder Richtung und wird als Konvoi gebündelt, bezahlt wird auf der Ostseite.  Wir warten mit ungefähr zehn Booten auf Anweisungen und fahren derweil vor  der Einfahrt hin und her. „Es kann nicht mehr lange dauern“, denken wir, als wir plötzlich über Funk hören, dass ein Boot aus der Gegenrichtung während der Durchfahrt seine Drohne verloren hat! Persönliches Pech, unsere Meinung dazu! Aber nein, er bekommt tatsächlich die Erlaubnis vom Kontrollturm bei der Ausfahrt festzumachen und mit seinem Dinghi seine Drohne im Kanal zu suchen. Aber mit der Bitte sich doch zu beeilen, es wäre ein hohes Verkehrsaufkommen – die Brücke muss auch für sein Dinghi abgesenkt bleiben. 

Als der Skipper sich nach langer Zeit endlich über Funk meldet, dass er sein Spielzeug wiedergefunden hat, kann man ein allgemeines Jubeln auf den wartenden Booten vernehmen. Nach 1,5 Stunden Wartezeit nun der Einlass, was für ein Moment, wow! Der Kanal durchschneidet die Landschaft wie eine Schlucht, die Felswände ragen auf beiden Seiten bis zu 90 Meter hoch. Ein wirklich beeindruckendes Erlebnis, ein tolles Geburtstagsgeschenk.

herrliches Morgenlicht auf dem Weg zum Kanal von Korinth
endlich dürfen wir einfahren
was für ein Erlebnis!

Abends lassen wir den erlebnisreichen Tag in einer Taverne ausklingen, feiern meinen Geburtstag gemeinsam mit Alain und Fabiola und lassen das Erlebte nachwirken. Ein wunderschöner Tag mit netten Menschen, so kann das Leben weitergehen!

Geburtstag feiern mit lieben Freunden


Griechenland – die Ionischen Inseln

Wir starten von Leuca (Apulien) einen Tag früher als ursprünglich geplant, die Windvorhersage klingt erwartungsvoll, schließlich möchten wir segeln!

Der Wind nimmt stetig zu, bis zu 25 Knoten, eigentlich herrlich, wenn da nicht diese unangenehme, seitliche Welle wäre. Die Welle ist hoch und heftig, direkt aus der Adria, volle Breitseite für uns! Wir beschließen die Segel zu reffen, um so den Druck abzubauen und damit das Schiff und die Crew zu schonen. Mir wird bei dieser unangenehmen Schiffsbewegung zunehmend mulmig, ein Gefühl von aufkommender Seekrankheit, das ich lange nicht mehr kannte. Zum Glück haben wir eine gut bestückte Reiseapotheke, da lässt sich ein geeignetes Gegenmittel schnell finden. Die Entscheidung zum Reffen war richtig, die Schiffsbewegungen werden angenehmer. Ein befreundeter Katamaran-Segler beschreibt es so: „ein Katamaran ist ein Autist, er spricht nicht mit dir, wie es ein Einrumpf-Segelboot tut. Ist zu viel Druck im Segel, wird er sich nicht zur Seite neigen. Deshalb ist es wichtig, dass du es rechtzeitig fühlst und dementsprechend handelst“. Damit hat er das Problem eines Katamarans sehr treffend beschrieben.

Abends erreichen wir Griechenland, geplant ist die Nacht auf Othonoi zu verbringen, die kleine Insel nordwestlich von Corfu. Wir wollen am nächsten Tag weiter nach Corfu, um dort die nötigen Anmeldeformalitäten zu erledigen. Uns fällt gleich die  erste Bucht ins Auge, westlich vom Hafen. Das Wasser ist kitschig türkisfarben, der Strand leuchtet weiß, das wollen wir uns näher ansehen. Die Bucht gehört einer großen Vogelkolonie, die von unserem Erscheinen nicht begeistert ist. Wir lassen uns vom lauten Vogelprotest nicht abschrecken und betreten zum ersten Mal griechischen Boden. Was für eine Natur, nur die Vögel und wir. Die Vögel beruhigen sich schnell wieder, hier möchten wir bleiben – „ein Wohlfühlort“. Solche Ankerplätze lieben wir! Der erste Eindruck von Griechenland fällt sehr positiv aus!

unsere erste Ankerbucht in Griechenland

Am nächsten Tag segeln wir, dank achterlichem Wind, mit unserem Parasailor  durch die Meerenge zwischen Corfu und Albanien. Die Bergwelt von Albanien bietet uns ein imposantes Panorama. Albanien ist sicher auch ein lohnendes Ziel, vielleicht beim nächsten Mal.

Dieser herrlicher Segeltag versöhnt uns wieder mit dem Segelalltag, die unangenehme See von gestern ist vergessen, was für ein herrlicher Tag.

In der Bucht von Gouvia, auf Corfu, erwarten uns bereits bekannte Crews aus Licata – Zarazoe und Va´a, ein nettes Wiedersehen!

Gouvia ist ein Port of Entry, hier kann man einklarieren.  Alain und Fabiola, unsere französischen Freunde vom Katamaran Va´a, klären uns über die Gegebenheiten auf. Obwohl sie schon einen Tag früher hier angekommen sind, haben sie noch nichts erreichen können. Die neu eingeführte, griechische Steuer scheint die offiziellen Behörden stark zu beanspruchen, sie benötigen ca. eine Stunde Bearbeitungszeit pro Boot, heißt es. Also morgens früh aufstehen und gleich als erster beim Polizeibüro sein – das ist der Plan.

Tatsächlich sind Fabiola und Alain schon vor uns da, für Franzosen nicht schlecht! 😉 Dafür verweigert ihre Bank die Überweisung nach Griechenland, ein Problem das scheinbar viele französische Crews haben. Es gibt auch keine Möglichkeit bar zu bezahlen, ein großes Dilemma. Unsere Bank hat zum Glück die Überweisung akzeptiert, wir können uns weiter durch die Bürokratie kämpfen. Die Zollbeamtin verlangt unsere Passports, wir reichen unsere Personalausweise. „Das sind keine Passports“ kritisiert sie! Nein, in der Tat, die liegen gut versteckt an Bord. „Aber“, kontere ich „wir sind doch in Europa, da reichen doch die Personalausweise?“ Sie schaut uns verunsichert an und gibt mir schließlich Recht. Puh, zum Glück. Sonst hätten wir alles noch einmal von vorne machen können. Es folgen unzählige Fotokopien unserer und Mojito´s Dokumente (wo bleiben all diese Papiere? Werden die vielleicht wieder geschreddert oder tatsächlich ordentlich abgeheftet?), mehrere abgestempelte Zettel und die letzte zu zahlende Gebühr. Die letzte Gebühr wird fällig, wenn man über das Ausland nach Griechenland einreist. Hm! Wie soll man denn sonst einreisen, wenn nicht über das Ausland? Vom Himmel fallen vielleicht? Egal, keine überflüssigen Fragen, wir wollen nur unsere abgestempelten Papiere. Wir reichen ihr einen 20,- € Schein, aber die Zollbeamtin hat kein Wechselgeld. Auf unsere Frage ob wir denn mit Bankkarte bezahlen können, lacht sie uns aus. Okay, ich erkläre mich bereit durch den Hafen zu laufen um Wechselgeld zu organisieren und um die fälligen 15,- € zu bezahlen. Draußen warten mehrere Segler, kein Wunder dass die Bearbeitung so lange dauert! Schließlich erhalten wir  die ersehnten und abgestempelten Papiere, Mojito hat  drei Monate Aufenthaltsrecht in Griechenland. Dass man sich über solche Kleinigkeiten so freuen kann, auch das gehört zum Seglerleben! Nun haben wir uns den Kaffee am Hafen verdient und treffen uns mit Alain und Fabiola, um eine Lösung für ihr Problem zu finden. Wir beschließen  ihre Gebühren von unserer deutschen Bank zu überweisen und es klappt wie erhofft, sie sind erleichtert. Da denkt man wir sind in Europa, aber da gibt es doch noch Unterschiede. Trotzdem erweist sich Europa für uns immer wieder als wertvolles Gut, das es unbedingt wert ist zu erhalten. Ich mag mir diese bürokratischen Hürden nicht vorstellen, wenn es Europa nicht gebe.

Abends gehen wir gemeinsam mit Alain und Fabiola essen, und sind froh, diese erste Hürde gemeistert zu haben!

In Corfu nehmen wir unsere Tochter Amei an Bord, wir freuen uns mit ihr gemeinsam die Ionischen Inseln zu erkunden. Noch ist es ziemlich kalt, wir müssen Amei mit einer Fleecejacke aushelfen und machen uns Abends einen norddeutschen Grog mit unserem letzten karibischen Rum aus  Martinique (eine gelungene Kombination, schmeckt hervorragend). Zum nächtlichen Ankern verlegen wir lieber auf die kleine, unbewohnte  Insel vor Corfu. Der Besuch von Corfu-Stadt konnte uns nicht überzeugen – eine reine Touristenstadt, nicht wirklich sehenswert. Landschaftlich wirkt die Insel Corfu sehr schön: grün bewachsen mit zahlreichen schönen Stränden und ohne große Hotelburgen. 

Amei, noch mit Fleece-Jacke

Amei fliegt in 10 Tagen wieder von Patras nach Deutschland, in dieser Zeit wollen wir die Ionischen Inseln erkunden, also los!

Scheinbar hat Amei den von uns ersehnten Sommer aus Deutschland mitgebracht, denn endlich steigen die Temperaturen. Der Sprung ist aber gewaltig, es geht gleich auf 30 Grad, puh, das geht auf den Kreislauf.

Unser erstes Ziel ist die Insel Paxos, mit ihrer Traumbucht Lakka – türkisblaues Wasser und ein netter kleiner Ort. Die Bucht ist sehr gut besucht, aber  jeder findet einen Ankerplatz, das Panorama ist reizvoll, hier lässt es sich aushalten. Endlich lohnt es sich unsere Standup-Paddelboards aufzupumpen, die Saison kann beginnen!

Lakka, Traumbucht auf Paxos
.. als würde man schweben
Tauchen gemeinsam mit Alain. Unter Wasser gibt es keine Sprachbarriere
Abendessen mit Blick auf die Ankerbucht

Unser Weg führt uns weiter über  die kleine Nachbarinsel Antipaxos nach Lefkas. Hier wollen wir in den Kanal von Lefkas und müssen dafür die  schwimmende und drehbare Brücke passieren. Diese Brücke bildet  die Verbindung zwischen der Insel Lefkas und dem Festland. An dieser Stelle gibt es viel Wind, da  hier der Kap-Effekt und der Wind aus dem Abrakkischen Golf vorherrschen. Zum Glück sind wir das einzige Segelboot, es gibt genügend Platz zum Festmachen, so können wir recht entspannt die stündliche Öffnungszeit abwarten. Für unsere Breite muss sich die Brücke nicht nur öffnen, sondern auch drehen, ein imposantes Schauspiel.

durch die Gaios-Bay auf Antipaxos
die Schwimmbrücke bei Lefkas
weite Lagunenlandschaft im Kanal von Lefkas

Der Kanal von Lefkas zieht sich durch eine lagunenartige Landschaft, die früher zur Salzgewinnung diente. Die Landschaft erinnert uns stark an Friesland, weitläufige Wiesen und Flachwasserzonen glitzern in der Abendsonne. Wir steuern die Ankerbucht bei Nidri an, doch wir sind uns schnell einig das Weite zu suchen. Die Ankerbucht ist überlaufen, der Ort wirkt von weitem wie ein reiner Touristenort. Wir bevorzugen kleine Ankerbuchten und werden auch fündig, zum Glück! 

Viele Anlegestellen sind kostenlos, aber es wird erwartet, dass man in der dazugehörigen Taverne essen geht. Wir mögen lieber draußen ankern, so können wir nach Lust und Laune schwimmen gehen. Möchten wir essen gehen, können wir uns die Taverne frei aussuchen. Zusätzlich gibt es, ähnlich wie auf Sizilien, eine schlecht organisierte Müllentsorgung und damit verbunden ein Rattenproblem. Deshalb vermeiden wir eine Verbindung über Leinen zum Festland – eine Ratte an Bord ist wirklich das Letzte was man sich wünscht!

zwei reizende Damen in Spartochorion auf Meganisi
Dorfkirche

Eine Abwasserleitung ist verstopft, Gerrit muss sie ausbauen und austauschen, dafür muss er tiefer als üblich in die Bilge kriechen. Und siehe da, er fördert eine voll bepackte und vergessene Proviantkiste  zu Tage. Sie gehört noch zum Proviant unserer Atlantiküberquerung, upps. Also…, Dosentomaten, Kichererbsen, Nudeln und Reis brauchen wir nun erst einmal nicht mehr zu kaufen, die gibt es nun reichlich an Bord!

Sollte ich eines Tages als Tier wiedergeboren werden, wäre das Eichhörnchen das passende Tier für mich – ich sorge ständig vor für schlechte Zeiten und ab und an vergesse ich, wo ich etwas versteckt habe! 

Das Licht im Ionischen Meer fasziniert uns immer wieder aufs neue. Die Landschaft ist sehr schön und es gibt auf jeder Insel schöne Ankerbuchten und entzückende Orte.

Die Menschen hier leben meistens vom Tourismus, die ortsansässigen kleinen Fischer fangen kaum noch Fische, das Meer ist restlos überfischt. Dabei ist die Saison im Tourismus sehr kurz, sie fängt nun im Juni gerade an und endet bereits im September. Reichtümer lassen sich so nicht erwirtschaften, Griechenland hat wahrlich einen schweren Stand.

Über die Inseln Meganisi, Skorpios, Kalamos, Kastos, Athokos und Ithaka geht es schließlich zum Golf von Patras. Das Ionische Meer gefällt uns gut, was uns nicht gefällt ist der Mangel an Wind – die meiste Strecke müssen wir unter Maschine fahren 🙁   

Wandern auf Kalamos
Port Leone auf Kalamos – ein verlassenes Dorf. Ein Erdbeben 1953 zerstörte die Lebensgrundlage der Einwohner, sie wanderten aus, meist in die USA. Reste der alten Olivenölpresse
das einzigartige Licht im Ionischen Meer

Amei´s  Abflug rückt näher, wir suchen eine passende Ankerbucht in Flughafennähe.

Die erste Ankermöglichkeit ist nur 1,5 Kilometer von der Startbahn entfernt, doch leider gibt es keine Möglichkeit mit dem Dinghi anzulanden. Außerdem müssten wir mit dem Koffer über den Strand laufen, auch nicht so toll. Unsere Wahl fällt auf den nächsten kleinen Fischerort. Wir ankern außerhalb und fahren mit dem Dinghi in den Hafen. Der kleine Hafen hat sicher schon einmal bessere Zeiten gesehen, er wirkt ungepflegt wie der gesamte Ort. Unser Plan war es eigentlich in einer Taverne essen zu gehen und ein Taxi zum Flughafen für den nächsten Tag zu organisieren. In der ersten Taverne vergeht uns der Appetit und wir haben Zweifel ob der Fisch noch frisch ist, es scheinen nicht viele Gäste hier zu sein.

Der Fisch in der zweiten Taverne sieht da besser aus, die Küche macht einen sauberen Eindruck. Wir haben den Eindruck ein gutes Werk zu tun, wenn wir hier etwas Geld lassen. So endet unser letzter gemeinsamer Abend mit Amei doch noch schön, auch wenn es kein „Traumort“ ist, dafür aber authentisch, sagt Gerrit!

Das Inhaberpaar kann nicht glauben, dass wir auf einem Segelschiff wohnen. Sie sind aber sehr bemüht unsere Bitte zu erfüllen und bestellen einen befreundeten Taxifahrer für den nächsten Tag zu ihrer Taverne.

Nun heißt es Abschied nehmen von Amei – schade, es waren so schöne Tage!

Italien – wir erkunden den Fuß des Stiefels

Unser Weg nach Griechenland führt uns am Fuß von Italien entlang. 

 Die Griechen haben sich ab diesem Jahr eine weitere Steuer für Bootsbesitzer ausgedacht. Um es sich einfacher zu machen, wird immer für den gesamten Monat abgerechnet auch wenn man am Ende des Monats ankommt. Wir können ja verstehen, dass die Griechen Geld brauchen, aber unsere „Spendenbereitschaft“ hält sich doch in Grenzen. Wir haben daher beschlossen nicht vor dem 1. Juni dort einzuklarieren, so  bleibt uns auch genügend Zeit um den Fuß des italienischen Stiefels zu erkunden.

Ich erinnere mich an meine Grundschulzeit, als ich in meinem neuen, braunen Diercke Atlas blätterte und eine unglaubliche Entdeckung machte: Italien hatte die Form eines Stiefels! Ich war mir sicher, keinem war es vor mir aufgefallen und meldete es begeistert meiner Lehrerin. Doch an ihrer Reaktion merkte ich, dass ich  wohl doch nicht die erste war, diese Entdeckung zu machen. Schade!

Trotzdem behielt dieser Stiefel für mich eine gewisse Faszination und nun würden wir tatsächlich den Fuß näher kennen lernen, ich war schon sehr gespannt!

Wir starten am frühen Morgen aus der Bucht von Syrakusa, der Ätna und die barocke Altstadt im Licht der aufgehenden Sonne, was für ein Anblick! Wir hoffen auf Wind, schließlich haben wir mehr als 90 sm zu bewältigen und unter Segel sind wir meist schneller als unter Maschine. Leider erfüllen sich unsere Erwartungen nicht und wir müssen einen Großteil der Strecke motoren, wie so oft im Mittelmeer – entweder zu viel Wind oder überhaupt keinen Wind. „Im Mittelmeer segeln, heißt von Sturm zu Sturm motoren!“, sagen die Segler.

die Altstadt von Syrakusa und der Ätna im Morgenlicht

Als wir die Stiefelspitze erreichen, staunen wir über diese reich bewaldeten, hohen Berge, die bis nah ans Meer reichen. Was für eine üppige und wunderschöne Natur.

In einiger Entfernung zum Meer erkennen wir Dörfer, die sich malerisch an die Berge schmiegen. Die kilometerlangen Sandstrände wirken menschenleer, ein Paradies! Doch leider nicht wirklich für uns Segler, da es an dieser Küste keine Buchten gibt.

Man ankert zwar auf Sand, der Anker hält dadurch fantastisch, aber es gibt keinen Schutz vor Wind und Welle, da die Küste sehr gerade verläuft.

Südküste Kalabriens – 260 Km fast durchgehender Sandstrand

Abends gibt es eine kleine Meuterei an Bord, ich habe keine Lust im Dunkeln bis Roccella Ionica zu fahren, angeblich die erste geschützte Ankermöglichkeit. Also ankern wir 15 sm früher, an der offenen Küste, kochen uns Spaghettis und fallen tot müde ins Bett!

Der Schwell ist unangenehm, wir werden die ganze Nacht geschüttelt, an Tiefschlaf ist nicht zu denken. Doch den Höhepunkt dieser unruhigen Nacht bringt der nächtliche Besuch der Coastguard. Sie umrunden Mojito mit ihrem Schnellboot mehrfach und schütteln uns dadurch so richtig durch. Dazu beleuchten sie uns mit ihrem grellen Suchscheinwerfer, im Boot ist es taghell! Außerdem diskutieren sie laut und lebhaft untereinander, vielleicht: „verhaften oder versenken?“ ( kleiner Scherz! ) Wir warten derweil ab was draußen passiert und lassen uns nicht blicken. Sollen sie doch klopfen, wenn sie was wollen!

Wir fühlen uns ein wenig wie ertappte Schwerverbrecher, und überlegen ob wir vielleicht mit erhobenen Händen an Deck gehen sollen. Dabei ankern wir rechtmäßig mit 200m Meter Abstand zum Strand, also… wo ist das Problem?? Das scheinen sie nun auch zu merken, sie können uns nichts vorwerfen und nachdem sie uns ordentlich durchgeschüttelt haben, ziehen sie unverrichteter Dinge ab und lassen uns zufrieden, an Schlaf ist nicht mehr zu denken!

Am nächsten Tag geht es weiter nach Roccella Ionica, dort soll es vor der Hafeneinfahrt eine geschützte Ankermöglichkeit geben. Immer entlang dieser traumhaften Küste, die nahezu unbesiedelt ist. Früher hatten sich die Menschen aus Furcht vor Überfällen und vor Malaria von der Küste zurückgezogen. Dann wurde im 20.Jhdt. die Eisenbahn parallel zur Küste verlegt, was heute eine Ansiedlung von Hotelburgen verhindert. Dadurch wurden diese natürlichen Strände erhalten und der Tourismus ist hier zurückhaltend und angenehm.

In Rocella Ionica erwartet uns ein  netter kleiner Ort, doch der Ankerplatz bietet nur wenig Schutz vor der Welle, also geht das Schütteln an Bord weiter! Zum Glück schaukelt sich unser Katamaran nicht so hoch wie ein Einrumpf-Segelboot. Neben uns ankert Jürgen, sein Boot wirkt manchmal wie der Zeiger eines Metronoms, da bleibt sicher nichts auf dem Tisch stehen. Nach zwei Nächten gehen wir doch in die Marina, um endlich wieder ruhig zu schlafen. Auch weil wir ein Auto gemietet haben und  bei diesen Bedingungen Mojito nicht den ganzen Tag alleine am Anker lassen wollen.

Ankern vor Roccella Ionica, schöne Kulisse, doch leider unruhige See
der Strand von Roccella Ionica

Unsere Tour führt uns durch das Aspromonte, das Gebirge voller Tannen- und Buchenwälder mit blühendem Ginster und atemberaubenden Ausblicken. Wir fahren durch halbverlassene Bergdörfer, durch Olivenhaine und blühenden Wildblumenwiesen, entlang riesiger Fiumare, das sind sommertrockene, kilometerbreite Schotterflussbetten. Sie lassen uns erahnen was für Wassermassen während der Wintermonate hier durchrauschen. Eine wunderschöne Gegend, die es bestimmt wert ist erwandert zu werden!

Weizenfeld mit Wildblumen
Bergdorf in Aspromonte, im Hintergrund ein sommertrockenes Schotterflussbett
ein Fiumare, ein sommertrockenes Schotterflussbett
die wilde, weite Landschaft Kalabriens
La Cattolica – eine winzige, byzantinische Ziegelkirche aus dem 10. Jh.




Die Sommertemperaturen lassen weiterhin auf sich warten. Der Wind ist mitunter eisig kalt, beim Segeln benötigen wir gute winddichte Kleidung. „Gutes, beständiges Wetter kommt langsam!“ predigt mir Gerrit, der alte, weise Landwirt, schon seit Tagen. Es fällt mir schwer  zu glauben. Meiner Meinung nach ist das Wetter irgendwo stecken geblieben oder hat den falschen Weg genommen. Hier ist es nicht, vielleicht in Norddeutschland!?

Weiter geht es schließlich entlang der Küste, da bekommen wir in der nächsten größeren Einbuchtung, im Golfo di Squillace, wieder mal die unangenehme Seite des Mittelmeers zu spüren. Obwohl nur ein schwacher Wind gemeldet war, nimmt der Wind plötzlich bis auf 40 Knoten (Windstärke 8) zu. In solchen Momenten sind wir noch stets angespannt, aber das Vertrauen kehrt immer mehr zurück, Mojito kämpft sich tapfer durch die aufgewühlte See. Dieser Küstenabschnitt ist bekannt für seine Wetterkapriolen, ja das haben wir gespürt!

Wir werden weiterhin täglich von der Coastguard „beguckt“, sie haben uns im Blick!

Von anderen Seglern hören wir, dass sie ständig kontrolliert werden und dass schnell mal willkürlich Bußgelder verteilt werden. Jürgen, zum Beispiel, ist von der Adria bis hierher dreizehn Mal kontrolliert worden und musste über 300,- €  Bußgeld bezahlen. Davon sind wir bis jetzt zum Glück verschont geblieben!

Nun bleibt noch die Überquerung des Golf di Taranto, also vom Fuß zum Absatz, oder von Kalabrien nach Apulien. Gallipoli heißt unser Ziel.

Auch hier entscheiden wir uns ganz früh morgens zu starten, der Wind soll Nachmittags einschlafen, bis dahin können wir schon zweidrittel der Strecke geschafft haben. Wir setzen die Segel, haben halben Wind, alles läuft gut. 

Wir sehen auf unseren Plotter, dass wir ein militärisches Übungsgebiet kreuzen. Dieses Gebiet ist mehr als 20 sm breit (also etwa 40 Km) und zieht sich durch das gesamte Gebiet von Nord nach Süd. Wir lesen dass es sich um ein Schießgebiet für U-Boote handelt. „Urg“, frage ich besorgt „woher wissen wir, wann sie Schießübungen machen und wann nicht…!“ Gute Frage…!

Es dauert nicht lange, da sehen wir ein Schnellboot Kurs auf uns nehmen – entweder Piraten oder Coastguard – man weiß nicht immer was besser ist…! Es ist die Coastguard. Nun ist es wohl so weit, nun sind wir dran, denken wir.

Nein, sie informieren uns, dass heute Schießübungen stattfinden und wir bitte unseren Kurs ändern sollen. Wir sollen nun auf Kurs 340 ° gehen für 13 sm. Okay, Widerrede nützt wohl nichts. Weder bringt uns dieser Kurs an unser Ziel nach Gallipoli, noch passt der Kurs zum Segeln. Also bergen wir die Segel und nehmen Kurs 340 °, wie befohlen. Es gibt noch eine Segelyacht mit dem gleichen Kurs wie wir, 2 – 3 sm vor uns, aber ohne AIS, also elektronisch nicht sichtbar. Was ist denn mit ihr, fragen wir uns, wollen aber nicht petzen. Vielleicht sind das dann später die sogenannten Kolateralschäden?? Wir beneiden die Segelyacht für ihr ungehindertes Durchfahren, vielleicht sollten wir beim nächsten Mal das AIS ausschalten und uns kurz „unsichtbar“ machen. Die Fischer machen das auch immer wieder.

Wir haben nicht viel Zeit darüber nachzudenken, es dauert nicht lang und wir bekommen einen Anruf über Funk, von der Coastguard: wir möchten doch bitte unseren Kurs ändern und nun 90 ° nehmen. Das ist ja ein Zickzackkurs, wir fühlen uns wie bei einer Schnitzeljagd. Dieser Kurs passt aber wieder zum Wind, also wieder Großsegel hoch (da wir keine elektrische Winsch für das Großsegel haben, stählt diese Übung Gerrit`s Körper, haha!). Die Freude über das Segeln ist von kurzer Dauer, da meldet sich wieder die Coastguard um uns einen neuen Kurs zu melden, nun sollen wir 2 sm südlich und 8 sm parallel zum Militärgebiet und dann dürfen wir wieder das Militärgebiet kreuzen. „Also doch Schnitzeljagd oder finde den Kurs, irgend so ein Spiel“ meine ich. „Ne“ meint Gerrit „die brauchen ein Ziel vor ihrer Linse“. Es fällt mir schwer darüber zu lachen, denn nachvollziehbar sind ihre Anweisungen nicht wirklich. Zum Glück wird auch ein Frachter angewiesen den gleichen Kurs zu fahren, der gibt uns doch dann hoffentlich Feuerschutz, schwitz! Mittlerweile ist der Wind eingeschlafen, also Segel bergen und Motor an. Dieser Zickzackkurs hat uns einen Umweg von 10 sm beschert, heißt fast zwei Stunden mehr!!

Wir sind nun in Apulien, dem Stiefelabsatz. Das krasse Gegenteil zu Kalabrien – es ist flach und es gibt mehr Touristen. Aber die Bucht von Gallipoli lockt mit klarem Wasser, netten Stränden, gesäumt von einer dichten Macchia.

Nachdem wir die nette Altstadt besichtigt haben und genug von dem dort angebotenem Touristenkitsch gesehen haben, ändern wir unseren Ankerplatz und bleiben ein paar Tage im südlichen Teil der Bucht von Gallipoli um den heftigen Wind der nächsten Tage abzuwettern. Dies ist der einzige, geeignete Platz dafür und hier lässt es sich gut aushalten: klares Wasser, Naturstrand und ab und zu eine kleine Strandbar. Es gibt hier wenig Menschen, doch im Sommer soll es hier dem Ballermann gleichen. Gut, dass wir jetzt die Ruhe genießen können und ein paar Arbeiten an Bord erledigen können. Es gibt immer noch Arbeiten nach unserem Mastbruch, die noch abgearbeitet werden müssen. Außerdem gibt es ein Problem mit der Elektrik. Wenn wir Abends das Ankerlicht einschalten, schaltet sich irgendwann von Geisterhand die Dreifarbenlaterne an, die besagt das wir in Bewegung sind und segeln. Hat sie sich einmal eingeschaltet, lässt sie sich nicht wieder ausschalten, es sei denn wir machen das Ankerlicht aus, was aber auch nicht klug ist, weil wir dann ohne Beleuchtung für andere Schiffe sind. So hat Gerrit einiges zu tun und alle Kabeln zu messen, um den Übeltäter zu finden.

Gallipoli, eine verwinkelte Altstadt
.. mit schönen Innenhöfen
und kleinen Aperitif-Bars, direkt an der Stadtmauer
Starkwind abwettern – in dieser Bucht lässt es sich aushalten

Als der Wind nachlässt geht es weiter nach Maria di Leuca, der südlichste Punkt von Italien. Hier nehmen wir Abschied von Italien, wir genießen einen Aperitif in der Abendsonne und denken gerne an die letzten sieben Monate in Sizilien und Italien zurück. Eine schöne Zeit!

in Santa Maria di Leuca gibt es zahlreiche stilvolle Sommervillen aus den Anfängen des 20. Jhdts.
der südlichste Zipfel des italienischen Stiefels. Hier treffen sich das Ionische und das Adriatische Meer. Finis terrae – Ende der Welt