Wir segeln von den Îles d´Hyères zur Côte d´Azur und sind angenehm überrascht von dieser Küste. Die französischen Segler sind entspannt und freundlich, kein Vergleich mit den französischen Seglern, die wir sonst so oft übellaunig empfunden haben. Wir erwarteten überfüllte Ankerbuchten, es ist schließlich Hauptsaison. Doch wir finden beschauliche, ruhige Ankerbuchten und sehr viel Platz.
Aber wir merken auch, dass wir erst wieder in das „normale“ Bootsleben zurückfinden müssen, ohne ständig über irgendwelche Reparaturen nachdenken zu müssen.
Es gibt nicht nur „Wolke-Sieben-Tage“ auf dem Segelboot, nein, es gibt auch Tage an denen man sich die Frage stellt: „ warum bin ich hier, ich könnte so entspannt auf meinem Wohnzimmersofa sitzen und durchs heimische Fernsehprogramm zappen!“
Das sind z.B. jene Tage an denen man, mit zwei vollgepackten Schmutzwäsche-Taschen, bei über 30 Grad Hitze, den örtlichen Waschsalon sucht…
Oder, jene, wenn man Nachts wach wird, weil ein unangenehmer Schwell in die Ankerbucht rein rauscht, der einem das Gefühl gibt in einem Cocktailshaker zu sitzen, man aber den Morgen abwarten muss, um sich einen neuen Ankerplatz zu suchen.
Oder, wenn die angebliche Traumbucht gar nicht so traumhaft ist oder der Anker einfach nicht greifen will, oder….!
Aber dann gibt es auch wieder die andere Seite, die uns dann wieder mit dieser Lebensform versöhnt:
Man steuert Buchten oder Küstenabschnitte an, die man sonst niemals angefahren hätte und ist überwältigt.
Man schließt nette Bekanntschaften mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern und erlebt diese wunderschönen Stimmungen und Lichtspiele auf dem Meer oder in den Ankerbuchten, dazu noch ein Besuch von den unterschiedlichen Meeresbewohnern und man ist einfach nur glücklich!
Wir bestaunen die Côte d´Azur in ihrer ganzen Vielfalt, ankern in St.-Tropez, wunderschön, und genießen die kulinarischen Verführungen der Provence.
Weiter geht es nach St. Raphael, wo wir Christelle und Thibault treffen, beide kennen wir von der Odyssee, sie sind im November ein Stück bei ihren Freunden Thierry und Michelle mit gesegelt, es gibt ein freudiges Wiedersehen.
Von dort aus geht es weiter Richtung Antibes, eine wunderschöne Stadt in der wir uns bei den Markthallen ein Glas Wein und eine Quiche gönnen und diese Stimmung auf uns wirken lassen. Auch hier kommen wir mit einem Paar aus Zürich ins Gespräch und die Zeit verfliegt bei dem interessanten Austausch. Schließlich kommt noch der Inhaber des kleinen Weinkellers hinzu und wir erfahren, dass auch er ein Segler ist und dass er sein Boot in der Martinique hat, in Le Marin, so ein Zufall. Sein Lebenskonzept ist sehr einleuchtend: während der Sommersaison arbeitet er in Antibes, die Wintersaison verbringt die ganze Familie auf dem Segelboot in der Karibik. Die Kinder können problemlos die Schule dort besuchen, es ist ja Frankreich. Alex sagt, die Schule dort ist qualitativ vielleicht nicht so gut wie in Frankreich, doch für die Kinder wäre es wichtig unterschiedliche Sichtweisen zu entwickeln, und das tun sie dort in der Karibik. Wie recht er hat! Man merkt, dass Frankreich eine Segler-Nation ist, und dass das Schulsystem es den Eltern ermöglicht andere Lebenswege gehen zu können. Da gibt es in Deutschland noch Nachholbedarf!
In Beaulieu-sur-Mer bekommen wir die Dekadenz des Jetsets zu spüren: wir ankern zwischen unglaublich vielen Luxusyachten. Dachten wir auf den Balearen schon viel gesehen zu haben, so werden wir hier eines Besseren belehrt. Es gibt doch eine Menge unglaublich reicher Menschen!
Da gibt es einen riesigen, futuristischen Motor-Trimaran, der scheint aus einem James Bond Film entsprungen zu sein, wir staunen!
Neben uns ankern zwei Schiffe des Multimilliardärs Abramowitsch, die große „Eclipse“ leuchtet nachts wie ein Kreuzfahrtschiff und das zweite Schiff kennen wir aus der Karibik: „Le Grand Bleu“.
Dieses Schiff ankerte bereits auf Guadeloupe unweit von uns und damals dachte ich, wie kann man sich so ein hässliches Schiff bauen lassen, wenn man so viel Geld hat. Die Besonderheit dieses Schiffes: es hat vorne an Deck eine 60 Fuß Segelyacht geladen, auf der anderen Seite eine ebenso große Motoryacht, dann ein U-Boot und im Schiffsrumpf einen Helikopter. Die ganzen übrigen Spielzeuge, wie Jetskis und diverse Beiboote nicht zu vergessen. Der Gästebereich ist doch sehr ansprechend gestaltet, also habe ich meine Meinung geändert: sollte Herr Abramowitsch uns mal zum Tee einladen, ich würde nicht nein sagen!
Eigentlich wollten wir einen Abstecher nach Tourettes-sur-Loup machen, wo mein Vater aufgewachsen ist, doch die Zeit drängt und angesichts der hohen Tagestemperaturen beschließen wir, dies bei unserem nächsten Besuch nachzuholen. Weiter geht es nach Menton, ein reizendes Städtchen, welches sich nicht recht entscheiden kann, ob es französisch oder italienisch ist, da es direkt an der französisch-italienischen Grenze liegt. Von hier aus wollen wir nach Korsika übersetzen, obwohl wir auch gerne die Italienische Riviera weitergesegelt wären. Wir kommen wieder, das ist sicher!
Auf unserer Passage nach Korsika bekommen wir überraschend viel Wind und viel Welle (das macht es unangenehm), anders als gemeldet, wie so oft! Dabei kann man doch die Anspannung bei der Crew spüren, puh! Wir müssen erst wieder Vertrauen zum Rigg entwickeln, das ist leider noch nicht der Fall. Das Vorstag passt nicht hundertprozentig, der Bolzen muß noch mal ausgetauscht werden, das Kutterstag und die Unterwanten sind noch nicht genügend gespannt.
So sind wir doch froh, Abends die Nordwestküste Korsikas zu erreichen und in einer wunderschönen Ankerbucht bei Saint-Florent den Anker zu schmeißen. Auch hier gibt es eine Vielzahl an romantischen Ankerbuchten, mit wenig Yachten und viel Natur. Der erste Eindruck von Korsika ist überwältigend, was für eine Landschaft!
Amei kommt zu Besuch, gemeinsam wollen wir die Westküste Korsikas entlang segeln und schließlich nach Sardinien. Wir merken schnell, auch hier reicht die Zeit nicht um diesen wunderschönen Landstrich zu erkunden, was für eine Natur und dazu reizende Städtchen. Korsika ist wirklich eine Reise wert!
Besonders gut gefällt uns die Natürlichkeit Korsikas, es wirkt authentisch. Die Menschen sind freundlich, die heimischen Lebensmittel von hervorragender Qualität. Wir haben aber tatsächlich nicht das Gefühl in Frankreich zu sein, ich ertappe mich immer wieder dabei zu zögern die Menschen auf Französisch anzusprechen. Sie bewahren wirklich ihre korsische Ursprünglichkeit.
Ein unvergesslicher Törn bleibt das Naturschutzgebiet „La Scandola“, mit den leuchtend roten Felsformationen kombiniert mit dem kristallklarem Wasser, die ihresgleichen suchen. Ich kenne keine vergleichbare Naturschönheit. Abends ankern wir in der Bucht von Girolata und fühlen uns an die Karibik erinnert: viele kleine einfache Strandbars, freilaufende Kühe am Strand – herrlich. Robert und Lesley aus Australien fragen, ob wir mit ihnen ins kleine Strandrestauran gehen möchten. Klar, wir sind dabei – ein netter Abend, ein leckeres Essen mit Blick über die Bucht auf das Naturschutzgebiet, was will man mehr…!
Der Abschied von Korsika fällt uns schwer. Mal sehen ob Sardinien unsere hohe Erwartungshaltung bedienen kann, Korsika hat nun sehr hohe Maßstäbe gesetzt!