Das neue Jahr hat so einige Veränderungen mit sich gebracht.
Angefangen im Januar, während unseres Aufenthaltes in Ostfriesland mussten wir Abschied nehmen von Gerrit’s Mutter, die im Alter von 90 Jahren verstorben ist. Es war gut, dass wir diese Zeit Zuhause hatten und in Ruhe Abschied nehmen konnten.
Wir haben sieben Wochen in unserer alten Heimat verbracht und es war schön Zeit zu haben, für die Familie und für Freunde. Wir haben viele schöne Stunden mit netten Menschen verbracht, die wir natürlich in der Ferne vermissen. Umso mehr schätzen wir die gemeinsame Zeit, die wir während eines längeren Aufenthaltes intensiv nutzen. Doch leider reichte die Zeit nicht ganz, um jedem gerecht zu werden. So hätten wir gerne noch mehr Zeit mit dem einen oder anderen verbracht, das nächste Mal, hoffentlich!
Auch nutzten wir die Zeit in Ostfriesland für fällige Arztbesuche, was uns letztendlich auch veranlasst unsere diesjährigen Reisepläne etwas zu ändern. Eine schwierige Augenoperation steht bei Gerrit an, so werden wir unsere diesjährig geplante, zweite Atlantiküberquerung um ein Jahr verschieben. Doch las ich vor kurzem einen schönen Spruch: „Du musst dir deinen Plan B so gut gestalten, das du dich freust wenn sich Plan A nicht realisieren lässt“
So ist es tatsächlich nun bei uns. Es gibt so viele Wunschziele, dass es uns nicht schwer fällt, einfach Plan B zu nehmen und einen weiteren Winter in Europa zu verbringen, vielleicht auf den Kanaren? We will see!
Unser Rückflug von Düsseldorf nach Catania hält wieder eine nette Begegnung für uns bereit. Als wir ins Flugzeug steigen und vorm Cockpit warten müssen, kommen wir ins Gespräch mit dem Piloten. Er erkennt, dass wir Segler sind und erzählt uns, dass er von genau so einem Leben träumt, wie wir es führen.“ Ein paar Jahre noch, dann möchte ich jeden Morgen in einer anderen Bucht aufwachen“, erzählt er. Später, während des Fluges, kommt der Stewart zu uns und gibt uns auf Anweisung des Piloten einen Drink aus, wie nett! Beim Ausstieg haben wir noch ein kurzes Gespräch und tauschen Adressen aus. Vielleicht begegnen wir uns eines Tages wieder, wir würden uns sehr freuen!
Es sind Begegnungen mit so vielen netten Menschen, die uns zeigen, dass man das Gute nicht aus den Augen verlieren darf. Man neigt dazu den schlechten Menschen auf der Welt oder auch im näheren Umfeld zu viel Raum zu geben, zu viel Gewichtung. Dabei gibt es so viele nette Menschen, die man mehr wahrnehmen sollte.
Wir sind wir seit Mitte Februar wieder in Licata auf unserem Boot und genießen das sizilianische Leben in vollen Zügen.
Die Segler hier in Licata haben eine sehr aktive Community, ich berichtete bereits darüber. So lernt man immer wieder Menschen kennen oder es gibt andere vielfältige Angebote. Langeweile bleibt ein Fremdwort.
Bereits im Herbst haben wir hier Frank und Eva aus dem Saarland kennen gelernt, sie leben, so wie wir, seit zwei Jahren auf ihrer Reincke-Alu-Yacht. Das lustige daran ist, dass wir ihr Boot „Eira“ bereits kannten bevor sie es selbst kannten. „Eira“ lag nämlich in Greetsiel, in Ostfriesland, dort haben sie das Schiff gekauft. Die Welt ist doch ein Dorf! Mit Eva und Frank verbringen wir viele schöne Stunden und machen den einen oder anderen gemeinsamen Ausflug, praktisch für uns, weil sie einen Mietwagen haben und so lieb sind, uns mitzunehmen, danke!
So erkunden wir gemeinsam einen Teil von Sizilien, besichtigen Städte oder wandern durch Naturschutzgebiete. Da die Straßen auf Sizilien sehr schlecht sind, kann man sich höchstens in einem Radius von 100 Km bewegen. Mehr ist an einem Tag einfach nicht zu schaffen. Der Zustand der Straßen ist wirklich abenteuerlich. Die riesigen Schlaglöcher sind noch am harmlosesten. Manchmal sind Straßenabschnitte einfach weggespült, die werden dann sehr provisorisch abgesichert, zum reparieren fehlt das Geld. Ein Großteil der Straßen ist auf Betonpfeiler gebaut, sie durchschneiden so die weitläufigen Täler majestätisch. Schaut man sich jedoch die Pfeiler genauer an, dann bröckelt das majestätische Aussehen gewaltig! Beim Anblick der maroden Bausubstanz wird einem ganz schlecht und es wundert nicht, dass es in Italien Brücken gibt, die „einfach“ einstürzen. Während unserer gemeinsamen Fahrten über eben diese Brücken, reden wir uns den Zustand einfach schön: „ sie wird doch nicht ausgerechnet heute einstürzen…!“ Sicher ist, in Deutschland wären diese Straßen gesperrt! Nun ja, vielleicht sind wir auch einfach immer noch „zu deutsch“.
Trotzdem fühlen wir uns auf Sizilien pudelwohl. Die sizilianische Lebensart, dieses unglaublich fruchtbare Land, diese vielseitige Landschaft und die große Anzahl an Kulturdenkmälern, die all die unterschiedlichen Völker einst auf Sizilien hinterlassen haben. Und natürlich, immer wieder, die fantastische sizilianische Küche. Wir haben hier so viele neue Sachen probiert, es ist pure Lebensfreude das alles zu erleben. Die Sizilianer sind stolz auf ihr Land, auf ihre Produkte und sie essen sehr gerne. Das ist es, was uns an dieser Lebensform auf dem Boot so gut gefällt: man hat Zeit in das Land einzutauchen. Sicher kann man ein Land zügig bereisen und alle Sehenswürdigkeiten abhaken. Aber mittlerweile gefällt es uns besonders gut, sich einfach in ein Straßencafé zu setzen, einen Cappucino zu trinken und die Atmosphäre um sich herum wahrzunehmen. Wir werden sie vermissen, die Sizilianer, die maroden und trotzdem schönen Häuser, die typischen kleinen Lastautos, die dreirädigen Ape, in all ihrer Vielfalt, die Straßenhunde (jeder eine Persönlicheit mit Stammplatz), die kleinen Gemüsehändler verteilt in den Straßen, die blühende Vielfalt der Pflanzen auch im Winter und so vieles mehr. Wahrscheinlich wären wir nie nach Sizilien gekommen, hätten wir kein Segelboot. Wenn doch, dann hätten wir nicht so viel Zeit dort verbracht und das wäre sehr schade gewesen, denn wir hätten Sizilien nicht so intensiv kennengelernt.
Anlässlich Gerrit´s 60. Geburtstages hatten wir uns kurzfristig entschieden die Tage in Catania zu verbringen und buchten dort ein Zimmer in einem Bed and Breakfast . Dort angekommen zeigte uns eine junge Dame unser Zimmer. Auf unsere Frage wo wir denn frühstücken können, bekamen wir als Antwort: „nein, Frühstück gibt es nicht“. Ach? Okay, also Bed and Breakfast without breakfast??? Haha! Da sieht man mal wieder, dass man das Kleingedruckte stets beachten sollte, man lernt nie aus…!
Catania präsentierte sich uns als sehr schöne barocke Stadt, immer mit dem Panorama des Ätnas. Der Ätna ist hier so präsent, hat er doch Catania mit seiner Lava mehrfach zerstört. Er hat in der Stadt viele Spuren hinterlassen, z.B. im Benedektinerkloster, wo die einst erste Etage nun der Keller ist, da sie von einer 12 Meter dicken Lavaschicht umgeben ist. Überhaupt ist der schwarze Lavastein hier ein gebräuchliches Baumaterial, und immer in der Ferne der rauchende, imposante Ätna.
So ließen wir es uns nicht nehmen und haben Gerrit´s Geburtstag oben auf dem Ätna in 3000 m Höhe verbracht, mit einem traumhaften Ausblick, einer merkwürdigen Landschaft, halb Schnee halb Lava und Asche, und einem wirklich eiskalten Wind (gefühlt minus 20 Grad) aber mit warmen Füßen, da der Vulkan stets aktiv ist. Ein bleibendes Erlebnis!
Nun bereiten wir uns auf die Saison vor. Überall in der Marina wird eifrig geputzt und gearbeitet.
Ein kurzer Werftaufenthalt wurde nötig. Ein Borddurchlass ließ sich nicht mehr schließen, das heißt, wir mussten aus dem Wasser.
Als Mojito im Kran hing, zeigte die Kranwaage tatsächlich zwei Tonnen mehr an. Haha, da kann ich mich diebisch freuen, geht es ihm wie uns allen auf Sizilien! Dazu meint Gerrit entschuldigend: „die haben die Waage nicht auf null gestellt, das kann nicht sein!“. Ja, das Problem kenne ich. Das sag ich mir auch immer, wenn die Waage mal wieder mehr anzeigt, ! Aber egal, um mit Eva´s Worten zu sprechen: „ jeder Kilo ist es wert!“ So!
Wir haben auf der Werft gleich alle Borddurchlässe gewechselt, da sie ja schon 10 Jahre alt sind. Zusammen mit Patrice, ein französischer Segler aus der Marina, hat Gerrit alle Arbeiten erledigen können und wir konnten bereits nach drei Tagen wieder ins Wasser. Gerrit und Patrice haben auch die Opferanoden getauscht und die Saildrives (Antriebe) überarbeitet. Ich habe während dessen das Antifouling ausgebessert. Da wir als Antifoulinganstrich Coppercoat haben, beschränkt sich die Arbeit auf die Überarbeitung. Sehr easy!
Super nett war, dass wir jeden Abend auf einem Boot zum Essen eingeladen waren, damit wir selbst nicht kochen brauchen. Das nenne ich Freundschaft. 🙂
Alles ging Hand in Hand, so konnten wir bereits nach drei Tagen wieder ins Wasser. Erleichterung, alle Borddurchlässe sind dicht, gute Arbeit Jungs!!
Unvorhergesehen mussten wir unsere Batterien austauschen. Auch hier hatten wir wieder Glück im Unglück. Hatte Gerrit sich doch gerade Abends über den warmen Fußboden gefreut, als ihm dämmerte dass da etwas nicht stimmt..! Warum ist der Fußboden warm?! Ursachenforschung! Die Ursache war schnell gefunden – eine Batterie kochte bereits und hatte sich schon völlig verformt. Gerade noch rechtzeitig bemerkt, puh! Doch was jetzt?! Man sollte keine neue Batterie in eine drei Jahre alte Batteriebank integrieren. Überhaupt stellten wir uns die Frage, warum ist eine Batterie nach nur drei Jahren defekt? Mittlerweile wissen wir die Antwort: diese Gelbatterien sind nur für Temperaturen von bis zu 25°C geeignet. In der Karibik lagen die Temperaturen ständig deutlich höher. Leider weisen die Batteriehersteller darauf nur bedingt hin, die meisten Segler wissen es nicht. Nun ja, wir wissen es nun! 🙁
Also mussten wir überlegen, was wir nun tun. Wir haben uns für eine Umrüstung auf Lithium-Eisenphosphat Batterien entschieden. Gerrit hat die Batterien umgebaut. Nun können wir die Sonnenenergie besser nutzen und wir können mehr Energie speichern, und warmes Wasser mit der Solaranlage bereiten, was für ein Gewinn!
Wenn noch die eine oder andere Umrüstung erfolgt ist, können wir sogar in Zukunft auf unseren Generator verzichten. Dann könnten wir den Wassermacher nur mit Solarenergie betreiben! Das wäre super, daran werden wir arbeiten!
So, jetzt bleiben noch alljährliche Wartungsarbeiten, das Polieren des Gelcoats, Segel wieder anschlagen, Gasherd austauschen und dann kann es losgehen, in die neue Saison voller neuer Abenteuer, yippieh!
Zwischenzeitlich bieten Mariella und ihr Mann Angelo wieder ein Kochevent bei ihnen Zuhause an. Gemeinsam bereiten wir frische Pasta con Brokkoli frittata zu. Ein unglaublich leckeres Gericht nach einem Rezept von Mariellas Großmutter, mit viel Olivenöl und Cadiocavallo, dem typischen sizilianischen Käse. Dazu stehen auf dem Tisch Oliven, eingelegte Artischocken und Tomaten (alles aus dem eigenen Garten), ein Ricotta-Käse und natürlich Rotwein. Hmm! Das ist ein typisches Gericht während der Fastenzeit, erklärt Mariella. Also hat Fasten gar nichts mit Hungern zu tun?? Okay, dann will ich nur noch fasten!
Es ist, wie immer, ein wunderbarer Tag. Wir sind sieben Nationen an einem Tisch, mischen die unterschiedlichen Sprachen und unterhalten uns prächtig, es wird viel gelacht, das ist gelebtes Europa!
Zur Abrundung dieses köstlichen Fastenessens hat ihre Tochter Angelica die typische sizilianische Granita di Limone (Zitronensorbet) mit selbstgebackenen Briochebrötchen vorbereitet. Auf Sizilien wird das Eis gerne im Briochebrötchen gegessen, im Sommer ein typisches Frühstück. Es schmeckt köstlich! Was für ein schöner Tag, obwohl es draußen stürmt und regnet, ein Wetter wie in Norddeutschland. Der Winter ist dieses Jahr ungewöhnlich lang, sagen die Sizilianer. Nicht einmal die Mandelbäume haben geblüht, es war zu kalt. In diesem Augenblick, in dieser netten Gesellschaft ist es mir egal, es könnte draußen schneien, das Leben ist so schön!
Wir sind nun fast zwei Jahre unterwegs und wenn ich ein Resümee ziehe über diese Zeit und mich frage: war es der richtige Schritt? Ja, das war er. Es ist nicht immer einfach, denn schließlich bedeutet das Reisen auch immer das Verlassen der Komfortzone. Man muss die gewohnte Umgebung verlassen, man muss sich immer wieder von liebgewonnenen Menschen verabschieden, man muss immer wieder loslassen können. Doch nur so kann man frei für neue Erfahrungen und Erlebnisse sein. Ich kann nichts neues kennenlernen, wenn ich nicht bereit bin das Alte loszulassen. Vielleicht ist es auch gerade die Bereitschaft zum Abschied, das Wissen um die Endlichkeit des Augenblicks, das uns das Leben spüren lässt. Es ist ein unglaublich intensives Leben, sowohl im negativen wie auch im positiven Erleben. Wenn man manchmal die geballte Kraft der Natur zu spüren bekommt, dann wünscht man sich in die Komfortzone zurück. Aber umso schöner empfindet man den Moment wenn sich alles beruhigt, die Sonne scheint und man scheinbar am schönsten Platz der Welt ist! Deshalb ist es gut ab und zu die Komfortzone zu verlassen, erst dann weiß man die guten Momente zu schätzen.
„ Die Gewohnheit ist eine gefährliche, eitle Göttin. Sie lässt nichts zu, was ihre Regentschaft unterbricht. Sie tötet eine Sehnsucht nach der anderen…….Sie verhindert zu leben, wie man will. Weil wir aus Gewohnheit nicht mehr nachdenken, ob wir noch wollen, was wir tun.“ (Nina George)
Ich kann für mich sagen, das dieses jetzige Leben mich spüren lässt, dass ich lebendig bin. Das Leben in der Natur schärft die eigenen Sinne. Man achtet auf das Wetter, auf verdächtige Geräusche, ob vielleicht der Anker rutscht und vieles mehr.
Die uns Zuhause am häufigsten gestellte Frage ist: „wie hält man es als Paar auf so engem Raum aus?“
Zugegeben es ist nicht immer einfach. Aber ist es einfacher, wenn man mehr Raum hat?
Auch unsere Partnerschaft ist auf dem Boot eine Achterbahn der Gefühle. Es gibt wundervolle Momente und es gibt schwierige Momente. Manchmal diskutieren wir, manchmal streiten wir, aber dann gibt es auch die Momente in denen wir aufeinander angewiesen sind und funktionieren müssen, ohne Diskussion (für mich sehr, sehr schwierig!). Und besonders dann ist es toll zu merken, dass wir uns bedingungslos aufeinander verlassen können. In unserer Zweiercrew bringt jeder von uns seine eigene Stärken ein, wir ergänzen uns gegenseitig. Auch wenn ich weiß, dass es Gerrit zu Kopf steigen wird 😉 : ich kann mir für mich keinen besseren Captain an Bord vorstellen.
Dann gibt es die Momente, in einer schönen Ankerbucht, mit einem wunderbaren Essen und einem Glas Wein. Wenn beide dies zu schätzen wissen, dann ist das Glück perfekt! Aber auch das alltägliche Leben an Bord macht Spaß, da man sich oft über ganz banale Sachen riesig freuen kann.
Was aber auch sehr wichtig für uns ist, das ist unsere Familie Zuhause, die hinter uns steht, mit dem was wir tun. Besonders unsere beiden Kinder bestärken uns in unserem Tun stets positiv, das ist sehr schön. Wenn sie nicht gewisse Sachen für uns regeln würden, könnten wir dieses Leben nicht führen. Vielen, vielen Dank dafür, ihr Lieben!
Eine andere häufig gestellte Frage lautet: „wie lange wollt ihr das noch machen?“
Wir machen so lange weiter, so lange es uns beiden Freude bereitet und wir gesundheitlich dazu in der Lage sind! In unserem „alten“ Leben galt ein voller Terminkalender als eine Art Statussymbol – in unserem jetzigen Leben ist es das größte Privileg Zeit zu haben.
„Hast du die Wahl zwischen einer Truhe voller Gold und deiner Zeit, so wähle die Zeit. Hast du die Wahl zwischen einem Palast und einem kostbaren, unvergesslichen Augenblick, so wähle diesen Augenblick. Kein Gut ist wertvoller als die Zeit, kein Luxus kann je größer sein.“