Sardinien

Unsere Überfahrt von Korsika nach Sardinien durch die berüchtigte Straße von Bonifacio verläuft ruhig, bei absoluter Windstille. Dafür bekommen wir wieder reichlich Besuch von Delphinen und in der Ferne sehen wir eine Walherde vorbeiziehen. Ein Wal kreuzt tatsächlich unsere Route, es ist beeindruckend den riesigen Körper dicht an der Wasseroberfläche zu sehen, der Rücken hebt sich in regelmäßigen Abständen aus dem Wasser, das Ausblasen ist zu hören.

Wir ankern Abends im Norden von Sardinien, im Windschatten der Isola Piana. Das Wasser ist türkis-blau, der Strand schneeweiss und die Landschaft sehr karg. Es herrscht emsiges Treiben in der Bucht, es ist Hochsaison und die Italiener sind sehr quirlig. Wir vermissen die ruhigen korsischen Buchten!

erste Ankerbucht im Norden Sardiniens

Am nächsten Morgen wählen wir die Fornelli Passage zwischen der Isola Piana und der Isola Asinara. Dazu müssen wir die vorgegebene Peilung aufnehmen und einen genauen Kurs wählen, die Passage ist eng und voller tückischer Unterwasserfelsen. Puh, es ist ein Moment der Anspannung, aber da gibt es zwei Landbaken und wenn die beiden östlich auf 072° in einer Flucht zu sehen sind, müssen wir den Kurs auf 252° ändern. Geschafft! Rückwirkend betrachtet: ein Kinderspiel, haha!

Weiter geht es die Westküste hinunter, unsere Reise ist getaktet, Amei hat ihren Rückflug in Cagliari gebucht, wir haben damit einen festen Termin. Doch angesichts der hohen Tagestemperaturen, verbringen wir die Tage gerne auf dem Meer und lassen die Landschaft an uns vorbeiziehen. Wir vermissen den Wind und wenn er sich zeigt, dann grundsätzlich nur von vorne! Also bleibt uns nichts anderes übrig, als die Motoren zu nutzen.

Wir stoppen in Alghero und besichtigen die schöne Altstadt aus der spanischen Besatzungszeit. In der Marina fragen wir den Marinero, ob wir das Dinghi an der Pier für ein paar Stunden festmachen dürfen. Er antwortet von weitem in einem Tonfall, der uns erst zusammenzucken lässt, doch dann verstehen wir, dass er uns seine Zustimmung gegeben hat. Wir müssen uns wohl erst an das italienische Temperament gewöhnen, die Italiener klingen für uns Norddeutsche manchmal etwas ruppig!

Amei und Pascale in Alghero

Alghero ist sehr hübsch, doch leider in der Hochsaison ziemlich überlaufen. Es herrscht gerade ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Touristen und Einwohnern!

Weiter geht es entlang der Küste, es gibt zahlreiche Buchten mit großen Sandstränden und glasklarem Wasser.

Auffallend sind die großen Militärsperrgebiete auf Sardinien, überall stehen Antennen und es wird davor gewarnt, nahe der Militärgebiete zu ankern, da Schießübungen abgehalten werden. Kollateralschaden nennt man das dann wohl…! Das wollen wir nicht riskieren, jetzt wo Mojito gerade repariert ist.;-)

In Cagliari wechselt unser Besuch, unsere Tochter Amei verlässt uns, dafür kommen unser Sohn Neels und sein Freund Hendrik an Bord. Auch jetzt läuft die Uhr, denn die beiden haben ihren Rückflug in Olbia gebucht, an der Nordostküste Sardiniens. Da der Wind auch weiterhin entweder fehlt, oder aus der verkehrten Richtung weht, oder nur am Ankerplatz als unangenehmer Fallwind auftritt, bleibt uns auch hier nur der Motor zur Fortbewegung. Gerrit stellt sich schon die Frage, wozu man eigentlich Segel braucht…!?

wir nutzen die kühle Morgenluft für kleine Wandertouren in der Umgebung. Blick auf Mojito in der Ankerbucht
Esel grasen im Olivenhain

 

Die Männer vertreiben sich die Zeit, für unsere neueste Errungenschaft, ein Standup-Paddel, eine weitere Nutzungsvariante zu finden. Kurzerhand wird das Surfbrett mittels einer Leine an Mojitos Heck befestigt und Gerrit und Neels nutzen es abwechselnd als Wakeboard, und lassen sich hinter Mojito durch das Wasser ziehen, es geht auch mit weniger PS, was für ein Spaß!

Neels surft auf dem Standup-Paddel

Die Ostküste wird immer touristischer. Stark frequentierte Strände wechseln sich mit einsamen Buchten und mit gesperrten Militärgebiete ab. Die Zahl der Superyachten nimmt dramatisch zu und damit verbunden eine große Unruhe durch den Zubringerservice der Yachten  und durch ihr reichhaltige „Spielzeugangebot“, wie nervtötende Jetskis.

So viele Superyachten an einem Fleck haben wir bislang weder auf den Balearen, noch an der Côte d´Azur und schon gar nicht in der Karibik gesehen, hier ballt sich der Jetset. 

Die Menschen an der Ostküste werden immer unfreundlicher, dieses Mal ist es nicht nur der ruppige Tonfall, nein, sie sind wirklich unfreundlich. Unser größtes Problem seit Cagliari ist die Müllentsorgung. Scheinbar gehen die einzelnen Regionen auf Sardinien dieses Problem unterschiedlich an. Hier an der Ostküste lösen sie das Müllproblem ganz einfach (wahrscheinlich nach dem Vorbild unser Heimatgemeinde, die machen es nämlich ähnlich!): es werden einfach keine öffentlichen Mülltonnen aufgestellt. Keine Mülltonnen – kein Müll, ganz einfach. Fragen wir vorsichtig, wo wir unseren Müll entsorgen können, ernten wir wüste Beschimpfungen und die Gestik vermittelt uns, wir sollen unseren Müll wieder mitnehmen. Die Verständigung ist etwas mühsam, da fast kein Englisch gesprochen wird. Stattdessen ergießt sich ein Wortschwall auf Italienisch, ungeachtet dessen, dass wir kein Wort verstehen.

Es fällt uns auf, dass die Landschaft hier extrem vermüllt ist, warum wohl? Wir schleppen dauernd unsere Müllsäcke mit uns herum, stets auf der verzweifelten Suche nach einer Entsorgungsmöglichkeit. Gerrit´s Kommentar: „ das nennt man Mülltourismus..!“ Ach so! 

Dieses Problem kriminalisiert uns: wir sehen Mülltonnen  durch Zaun und Sicherheitssysteme gesichert. Hendrik tippt sich auf gut Glück wahllos durch das Menü und, siehe da, wie von Zauberhand öffnet sich die Tür (ha!ha! scheint eine Sicherheitslücke zu geben ). Schnell werden die Müllsäcke in die Tonnen verstaut und dann nichts wie weg! Die Videoüberwachung hat sich aktiviert und hat unsere „Schandtat“ gefilmt. Bin gespannt, ob wir das nächste Mal durch die Passkontrolle kommen!

Schade, die Ostküste will sich keinen Platz in unserem Herzen suchen, der Funke springt nicht über. Die Menschen sind unfreundlich, die Orte sind entweder Ferienorte aus der Retorte oder trist und runtergekommen. Die Landschaft ist grandios: schöne Steilküsten wechseln sich mit bizarren Steinformationen ab, dazu das blaue Wasser in allen Schattierungen. Leider fällt uns auf, dass es hier fast kein Leben unter Wasser gibt. Es gibt nur sehr wenige Fische, fast keine Seeigel oder ähnliches und das Seegras wirkt farblos, fast abgestorben.

Am nördlichsten Zipfel der Costa Smeralda finden wir endlich eine „Wohlfühlbucht“ und verbringen zwei schöne Tage bevor Neels und Hendrik wieder abreisen müssen. 

Neels und Hendrik erkunden die Küste

Wie bei Neels letztem Besuch in Guadeloupe, bekommen wir hier am Vorabend seiner Abreise Starkwind. Damals in Guadeloupe ist uns dann der Mast gebrochen, nein, nicht schon wieder…! Während der Nacht sind wir heftigen Fallwinden ausgesetzt und werden immer wieder durchgeschüttelt, schlafen können wir alle nicht, doch unser Anker hält zuverlässig.

Gerrit bringt Neels und Hendrik an Land zum Taxi und wir wollen heute den Wind nutzen um uns südwärts zu bewegen. Zwei Tage Wind sind gemeldet, sogar aus der richtigen Richtung, 4-5 Beaufort, das müssen wir ausnutzen.

Wir wollen Anfang September nach Deutschland fliegen, eine Familienfeier ist geplant, die einzige bezahlbare Marina um Mojito zu parken ist im Süden, auf der Isola Pietro, in Carloforte. Also machen wir uns auf dem Weg und sausen die Küste entlang Richtung Süden. Der Wind nimmt zu und durch die vorgelagerten Felseninseln, beschleunigen die Windböen auf Stärke 6-7 Beaufort, das war aber nicht gemeldet!

So richtig können wir diesen Segeltörn noch nicht genießen, die Mastbruch-Erfahrung ist noch nicht überwunden. Doch der zweite Tag verläuft gefühlsmäßig entspannter, wir merken, alles hält, alles funktioniert. Die neuen Segel sind grandios, es macht wieder Spaß zu segeln, das beklemmende Gefühl schwindet.

Wir erreichen die schöne Südküste, die Menschen sind wieder nett und…., wir trauen unseren Augen nicht: es gibt wieder Mülltonnen und niemand schimpft, wenn man Müll entsorgt.

Ankern wo schon die Phönizier, Karthager und Römer geankert haben, bei Nora auf der Halbinsel Capo di Pula
Capo di Pula, drei Häfen der Antike
Ausgrabungen der römischen Siedlung Nora

schöne Mosaike aus Naturstein – 3000 Jahre Geschichte

Wir sehen viele wunderschöne Ankerbuchten, doch leider auch hier, wie so oft auf Sardinien, ein Militärsperrgebiet. Das Handbuch drückt sich unklar aus, auch der Plotter zeigt eine temporäre Sperrung an. Wir lesen, dass es im Juli und August keine Schießübungen gibt und sehen andere Boote ankern, dann dürfen wir das auch…!

Wir genießen die schönste Ankerbucht in wunderschöner Natur mit einer Hand voll Boote unterschiedlicher Nationen, ein Traum. Am nächsten Morgen vernehmen wir laut dröhnende Schiffsmotoren, wir hätten eigentlich schneller schalten müssen: unverkennbar für die Coastguard. Allgemeine Hektik breitet sich in der gerade noch so ruhigen Bucht aus, alle lichten ihren Anker, eine Frau muss ihr bereits flüchtendes Boot noch schwimmend erreichen. Wir alle fliehen gemeinsam vor der Polizei, was für ein Spaß. Die Coastguard notiert von jedem Schiff die Registrierungsnummer, mal sehen ob es ein „Ticket“ gibt! 

Oh, wenn wir so weiter machen, haben wir bald ein ganzes Strafregister hier in Italien! Aber die Bucht war es wert!

die verbotene Traumbucht
Standup-Paddeln durch die Bucht

Schließlich erreichen wir die Marina Sifredi in Carloforte. Eine sehr nette und saubere Marina, doch wir werden wohl nie Marina-Lieger. Wir vermissen das freie Ankern, morgens eine Runde Stand-up-Paddel, anschließend schwimmen – das ist Lebensqualität pur! Aber was soll’s, dafür haben wir Wasser satt und können Mojito putzen und unsere Wäsche waschen. Carloforte zeigt sich als charmanter Ort mit verwinkelten Gassen und zahlreichen Piazzas. Überall verweilen entspannte Menschen, Abends sind die Aperitif-Bars angesagt. Ein Ort zum flanieren und wohlfühlen!

Carloforte

Wenn wir aus Deutschland zurück kommen, dann werden wir uns auf dem Weg nach Sizilien machen und dort in einer Marina überwintern.