Vor 35 Jahren bereisten wir schon einmal Norwegen, damals als „Landtouristen“ mit einem Campingbulli.
Nun ist es an der Zeit Norwegen noch einmal zu besuchen, doch dieses Mal von See aus. Wir sind gespannt was uns erwartet und wie sich Norwegen von See aus präsentieren wird.
Wie bereits erwähnt, haben unsere schwedischen Freunde, Johan und Lisa, uns dazu gebracht, unsere ursprünglich geplante Route zu überdenken. Wir haben uns entschieden den Oslofjord auszulassen, es würde zu viel Zeit kosten, den Fjord hinein und wieder hinaus zu segeln. Lieber möchten wir die Zeit vor den anstehenden norwegischen Ferien ausnutzen, man sagt uns, dann wird es sehr voll.
Norwegen hat eine Küstenlänge von 2.500 Kilometer, zählt man die vielen Inseln und Buchten hinzu, dann sind es sogar 29.000 Kilometer! Dafür reicht unser Leben nicht aus, also folgen wir Johan und Lisas Rat und beschränken uns auf die Südküste. Sie ist bei den Norwegern als Urlaubsregion sehr beliebt und gilt als Norwegens Riviera, aufgrund der (für Norwegen!) milden Temperaturen. Bei den übrigen Touristen ist diese Küste eher unbekannt und wird, wenn, nur für die Durchreise genutzt oder für Angelurlaube an den Flüssen.
In unserer Erinnerung gab es bei unserer ersten Norwegenreise nur schlechtes Wetter, sogar Schnee und es gab sehr selten Gemüse zu kaufen, und wenn, dann unbezahlbar.
Gerrit hat große Bedenken nach Norwegen zu segeln und zählt die negativen Seiten auf: das unbeständige Wetter; schlechte Ankerbedingungen aufgrund der großen Tiefen und dazu wenig geeignete Ankerbuchten und Häfen für einen Katamaran.
Wir beschließen einfach zu probieren was geht und können, falls es nicht passt, jederzeit den Kurs wechseln und wieder nach Dänemark segeln.
Die Norweger waren stets ein Volk von Seefahrern, angesichts der bescheidenen Fruchtbarkeit ihres Landes, machten sie sich schon in frühen Zeiten auf dem Weg in die weite Welt. Das spürt man noch heute. Die Infrastruktur für den Bootstourismus ist perfekt ausgebaut. Wir fühlen uns als Segler überall willkommen, die Häfen sind preisgünstig, dazu gibt es zahlreiche kostenlose Naturhäfen mit liebevoll angelegten Steganlagen. Das muss man anerkennen, der norwegische Staat tut viel für seine Bürger und die Menschen wissen dies zu schätzen und behandeln die Sachen pfleglich.
Von seinen fünf Millionen Einwohnern besitzt gefühlt (!), jeder Norweger ein Haus, dazu ein Sommerhaus, ein oder mehrere Boote und vielleicht noch ein Haus in einem norwegischen Skigebiet. Die Kinder lernen den Umgang mit einem Boot schon sehr früh. Zur Grundausstattung gehört selbstverständlich das Tragen einer Schwimmweste. Damit ausgerüstet, geht es für Kinder und Jugendliche hinaus aufs Wasser, ohne Begleitung von Erwachsenen. Sie treffen sich, statt mit Mofas, häufig mit ihren Booten und cruisen gemeinsam durch die Gewässer, Benzin scheint nicht das Problem zu sein!
Kein Wunder, dass auch dieses skandinavische Land seit Jahren um den Titel des glücklichsten Volk der Erde stets die Nase vorn hat. Eigentlich wechseln sich diese skandinavischen Länder nur mit Island um den Titel ab und belegen immer die ersten Plätze.
Was uns gleich auffällt und uns immer wieder staunen lässt, sind die wunderschönen Lichtverhältnisse und der strahlend blaue Himmel. Diese Lichtintensität haben wir so noch nirgends gesehen.
Um aus dem Svinesund kommend, den Oslofjord zu queren , müssen wir zunächst nach Süden segeln, durch den Ytre Hvaler Nationalpark. Der direkte Weg ist uns aufgrund einer festen und, für uns, zu niedrigen Brücke versperrt.
Unsere erste Nacht in Norwegen verbringen wir im Nationalpark vor der Insel Akeröy, an einem historischen Ankerplatz. Obwohl wir inmitten einer niedrigen Felsenlandschaft ankern, liegen wir hier sehr geschützt, direkt unter den Resten einer alten Festung. Auf der Insel leben einige Schafe, ihr Blöken hallt durch die Bucht. Außerdem gibt es zahlreiche Kanuten, die ihr Zelt für die Nacht richten und gemeinsam am Lagerfeuer sitzen. Eine friedliche Abendstimmung, bei stimmungsvollem Abendlicht, hier fühlt man sich geborgen.
Weiter geht es am nächsten Morgen, wir starten früh und wollen die Einfahrt zum Oslofjord queren und in Richtung Langesund segeln. Hier soll sie beginnen, die Riviera am Skagerrak. Die Zeitschrift „The Independent“ hat diese Region als die „coolste Riviera Europas“ gekürt. Angeblich finden sich nirgends sonst in Norwegen solch reine Landschaftsformen, wie sie die über 3000 Schären dieser Region bieten, solch karibisch schöne Strände im Saum tiefer Wälder und prächtiger Holzbaustädte. Diese Küste ist bekannt für ihre weißen Küstenorte, mit verwinkelten Kopfsteinpflastergassen und stolzen Villen, von Rosen umrankt. All diese Städte haben ihren einstigen Wohlstand dem Holz- und Lachshandel zu verdanken.
Abends laufen wir die Insel Haöya an und ankern in der Paradisbukta (Paradiesbucht), na, wenn das nicht vielversprechend ist! Wir trauen uns nicht in den inneren Teil der Bucht hinein, da die Durchfahrt sehr eng scheint und ankern lieber in der vorderen Bucht. Schon hier ist es traumhaft schön. Dicke runde Felsen, mit Bäumen bewachsen, umrahmen diese malerische Bucht mit türkisblauem Wasser. Wow! Da gehen wir doch gleich ein paar Runden schwimmen, wenn man lang genug im Wasser ist, fühlt es sich auch nicht mehr so kalt an! In der inneren Bucht gibt es einen Naturhafen, das heißt, Boote können hier an einer Steganlage, oder direkt am Felsen an Schärennägeln, festmachen. An Land gibt es mehrere Grillmöglichkeiten, mit Sitzgelegenheiten (teilweise wettergeschützt), Müllentsorgung und Toiletten, alles kostenlos und in einem tadellosem Zustand. Zudem starten von hier markierte Wanderwege, wirklich ein Traum. Nach dem Abendessen fahren wir mit dem Dinghy an Land und wandern eine wunderschöne Tour mit grandiosen Ausblicken über die Landschaft. Es ist eine Abenteuertour mit steilen Kletterpassagen verbunden mit einem riesigen Spaßfaktor. Zurück am Ausgangspunkt werden wir von einer norwegischen Familie angesprochen, sie sind mit drei Erwachsenen und vier Kindern auf einem Segelboot unterwegs. Ein Katamaran ist hier sehr selten, wir fallen auf. Wir plaudern nett miteinander, sie geben uns noch einige Tipps, wir werden diese nette Familie später noch einige Male wieder treffen. Es ist so herrlich in dieser Paradiesbucht!
Am nächsten Morgen frühstücken wir ausgiebig und genießen weiterhin die Stimmung, doch plötzlich schlägt das Wetter um, der Wind fegt mit großer Gewalt durch die schmale Öffnung der Bucht, es fängt an heftig zu regnen. Unser eigentlich zuverlässiger Anker kapituliert unter diesen Bedingungen (Wind und felsiger, tiefer Ankergrund), Mojito treibt gefährlich auf die Felswand zu, wir müssen eiligst den Anker lichten und aus dieser Bucht raus. Das eigentlich türkisblaue Wasser wechselt in ein unfreundliches Grau, das Wasser ist aufgepeitscht, die Paradiesbucht sieht nicht mehr so paradiesisch aus! Wir sind froh, durch die schmale Zufahrt hinaus zu kommen, doch auch draußen ist es sehr ungemütlich. Von der Umgebung können wir nichts erkennen, die Sicht ist schlecht, es gibt keine geschützte Bucht in erreichbarer Entfernung. Da hilft kein Jammern, wir müssen uns durch dieses Wetter kämpfen und erreichen nach ein paar Stunden den Hafen von Kragerö. Erleichtert machen wir am Steg fest und müssen uns erst wieder sortieren. Hauptsache wir liegen erst mal geschützt. Wir haben an einem der ersten Außenstege festgemacht und fühlen uns wie im Parkhaus. Es ist ein Kommen und Gehen von Menschen, die von den umliegenden Schären mit ihren kleinen Booten hier anlegen und zum Einkaufen in den Ort gehen. In Norwegen braucht man tagsüber in den Häfen nicht zu bezahlen, erst abends ab 18 Uhr. Das ist super, man kann die Städte tagsüber besichtigen oder einkaufen gehen und abends wieder ablegen. Man darf selbstverständlich auch kostenlos Wasser tanken und den Strom nutzen, das ist wirklich ein toller Service! Wir schauen vom Boot aus dem geschäftigem Treiben an unserem Steg zu, bewundern die unterschiedlichen Boote und staunen über die Mengen an Alkohol, die aus dem Vinmonopolet heraus geschleppt werden. Wenn eine Stadt mehr als 2700 Einwohner zählt, erhält sie das Stadtrecht und hat Recht auf ein Vinmonopolet. Das ist das offizielle und staatlich geführte Geschäft, das Alkohol verkaufen darf. Die Preise sind exorbitant hoch, mindestens das dreifache wie in Deutschland. Alkohol trinken in der Öffentlichkeit ist in Norwegen verboten, ausgenommen sind Restaurants und Bars.
Kragerö ist die erste der weißen Städte an der Südküste Norwegens. Diese zauberhaften Städtchen mit ihren weißen Holzhäusern säumen die Südküste und sind allesamt sehenswert. Die Südküste gilt bei den Norwegern als ihre Riviera, da sie als sonnenreich gilt, mit milden Temperaturen. Davon spüren wir wenig. Es ist zwar sonnig, aber das Thermometer steigt selten über 20 Grad, dazu gibt es einen starken, eisigen Nordwestwind, der die Temperatur, gefühlt, um einige Grade sinken lässt. Während die Norweger hier in Shorts oder luftigen Kleidchen den kalendarischen Sommer genießen, frösteln wir oft mit unseren Fleecepullovern und zweifeln an unserem Temperaturempfinden.
Wir beobachten das Kind von unserem Nachbarboot, dass bei 12 Grad Wassertemperatur wiederholt jauchzend ins Wasser springt und zwischendurch nass im kalten Wind steht. Keine Frage, da sind sie wieder die Wikinger-Gene! Kein Wunder, dass die Wikinger bei Wind und Wetter über die Weltmeere segeln konnten.
Uns ist häufig kalt und dazu macht uns der stetige Nordwestwind das Segeln unmöglich, da unser Weg uns von Ost nach West führt, also müssen wir mal wieder unter Maschine fahren.
Wir finden immer wieder Ankerbuchten, doch das Ankern bleibt speziell, da der Untergrund meist felsig ist und die großen Tiefen eine Herausforderung bleiben. Auch das tägliche Schwimmen fehlt uns dieses Jahr schmerzhaft. Es ist immer ein besonderer Luxus direkt vom Boot aus ins Meer zu springen und mehrere Runden um Mojito zu drehen. Die niedrigen Wassertemperaturen ( 8 bis 14 Grad!) erschweren dies zum einen, aber auch die unzähligen Quallen lassen es meist nicht zu. Das ist für uns wirklich ein Wermutstropfen, denn die Quallen lassen sich nicht ignorieren, da es sich ausschließlich um, teils, gewaltige Feuerquallen handelt, mit denn man sich keinen Hautkontakt wünscht!
Aber die wunderschöne Küste entschädigt für all die übrigen Einschränkungen und wir besuchen abwechselnd die allesamt wunderschönen weißen Städte, dazwischen malerische Buchten in den Schären und immer wieder atemberaubende Passagen, das alles in unglaublichem Licht.
Eine besondere Perle unter den weißen Städten entlang der Südküste ist das reizende Städtchen Risör. Der Hafen ist gut belegt, doch wir entdecken ganz vorne in der Ecke noch einen passenden Platz. Wir spazieren über die Kopfsteinpflasterstraßen und bewundern die schönen Villen und Holzhäuser. Risör gilt als eine der besterhaltenen Holzbaustädte Europas und ist wirklich sehenswert. Zurück im Hafen macht uns unser norwegischer Nachbar darauf aufmerksam, dass unser Platz vielleicht eine zu geringe Wassertiefe haben könnte. Momentan reicht das Wasser noch, das hatten wir beim Anlegen im Blick. Doch durch die Gezeiten wird der Wasserstand um 30 cm sinken, dann könnte es knapp werden, der gewaltige Unterwasserfels wirkt etwas bedrohlich. Also gut, wir beschließen doch lieber auf Nummer sicher zu gehen und verlassen abends den Hafen und suchen uns eine Ankerbucht.
Eine besonders schöne Passage soll der Schärenkanal Blindleia sein, ein Gebiet zwischen der schönen Stadt Lillesand und Kristiansand. Die Hauptroute bleibt uns in Teilen verwehrt, entweder aufgrund einer zu niedrigen Brücke oder zu engen Passagen. Wir fahren die Strecke in Abschnitten und kommen uns aufgrund der vielen schnellen Boote wie auf einem Highway vor. Deshalb entscheiden wir uns dafür die Hauptroute zu verlassen und befahren eine Nebenstrecke, die wir landschaftlich dann sogar viel reizvoller finden. Und auch hier finden wir eine schöne Ankerbucht, ankern in 16 Meter Tiefe auf steinigem Untergrund und wettern den kräftigen Wind der kommenden Tage im Schutz der hohen Küste ab.
Wir fühlen uns sehr wohl in Norwegen. Die Menschen sind unglaublich freundlich und entspannt. Immer wieder werden wir angesprochen und gefragt, wo wir denn herkommen, so nett und immer höflich distanziert.
In Norwegen wird überall mit Kreditkarte bezahlt, Bargeld ist die Ausnahme und unnötig, das finden wir als Touristen großartig, es erspart uns das lästige Wechseln in Fremdwährung. Als ich in Mandal an einem Marktstand die Erdbeeren nicht bezahlen kann, weil das Kartenlesegerät defekt ist, bietet sich ein Herr an, dieses für mich zu übernehmen. Das ist mir peinlich, doch bevor ich etwas erwidern kann, hat er das Geld hinübergereicht und ist gegangen. Ich bin sprachlos, besonders weil die Erdbeeren wirklich nicht billig sind!
Häufig treffen wir in Abständen die selben Yachten wieder, da unser Weg der gleiche ist. So treffen wir immer mal wieder Andrea und Guido auf ihrer SY Anna aus Deutschland und verbringen nette Abende miteinander. Sie haben schon ihre Erfahrungen mit dem Anlegen am Felsen gesammelt und assistieren uns bei unserem ersten Versuch. Nachdem wir eine Nacht in der Mitte der schönen Bucht NY Hellesund geankert haben, bietet sich am nächsten Tag eine Chance, als eine Yacht ihren Platz am Felsen verlässt. Guido inspiziert mit seinem Standup-Paddelboard die Stelle auf mögliche Unterwasserfelsen und schlägt einen zusätzlichen Schärennagel für uns ein. Das Anlegen klappt perfekt und es fühlt sich gut an, so windgeschützt am Felsen gekuschelt zu liegen. Wir fühlen uns nun fast als „locals“!
Wie überall entlang der Küste, finden sich auch hier große Bunker- und Befestigungsanlagen aus der deutschen Besatzungszeit. Von der Ankerbucht NY Hellesund starten wir einen Landgang und staunen über die Vielzahl an Bunker, Schützengräben, Flaggstellungen und Reste der Unterkünfte, die hier einst gebaut worden sind. Es ist alles so belassen worden, dadurch fühlt es sich bedrückend authentisch an, so als wären die deutschen Soldaten gerade erst abgezogen. Teile der Ausrüstung stehen noch dort, die Bunkeranlagen sind frei zugänglich. Es ist gespenstig und ebenso bedrückend. Aber eins ist sicher: die Deutschen sind Weltmeister im Betonbau. Kein Beton ist so haltbar wie der der Wehrmacht!
Unsere letzte Stadt an der Südküste, bevor wir das Kap Lindeness umrunden, ist das charmante Städtchen Mandal. Auch hier suchen wir Schutz vor dem stetig starken Nordwestwind, der uns so langsam wirklich nervt!
Wir nutzen die Zeit und packen unsere Fahrräder aus und fahren am Fluss Mandalselva entlang, ein beliebter Angelplatz für Lachse. Der Fluss führt durch schöne Landschaften und beeindruckt immer wieder mit reißenden Stromschnellen. Hier schwimmen die Lachse vom Meer herein und schwimmen gegen den Strom, gegen Stromschnellen, den Fluss hinauf bis zu ihren Laichplätzen. Was für eine Quälerei, die armen. Warum nur hat sich die Natur solch eine Strapaze ausgedacht! Wie gut, dass ich nicht als Lachs geboren wurde!
Unsere Tour führt uns durch eine so schöne Landschaft, dass wir auf dem Rückweg beschließen noch eine Bonusrunde zu nehmen und die Tour auszudehnen. Was wir Ostfriesen leider zu spät bemerken, ist, dass diese Tour stetig bergauf führt, dazu mit Gegenwind, das ist definitiv die Steigerung zum Fahrradfahren mit Gegenwind in Ostfriesland!! Die Oberschenkel brennen, wir kämpfen uns im kleinsten Gang Meter für Meter hinauf, immer in der Hoffnung den Pik gleich zu erreichen. Den erreichen wir nach fünf Kilometern steil bergauf, ein Anwohner zollt uns oben Respekt und versichert uns, dass wir gleich mit schönen Ausblick belohnt werden, immerhin!
Auch Mandal verzaubert uns und wir bleiben drei Tage an diesem schönen Platz. Wir erfahren, dass die Einwohner von Mandal Mandalitten (ein reizender Name) heißen und vom Lachsfang und vom Holzhandel mit Holland gelebt haben.
Ihr Motto heißt: „Lachs in den Taschen, Eier in den Schuhen und Brot im Hut“, dann ist die Welt in Ordnung!
In Mandal wechseln wir im Hafen den Platz und liegen nun neben Lars aus Deutschland. Er hat ein Erasmus-Semester in Göteborg absolviert und befindet sich mit seiner kleinen, feinen, 45 Jahre alten Segelyacht nun auf dem Weg nach Amsterdam. Hier in Mandal besucht ihn seine Familie und wir staunen, dass sie alle vier Platz finden auf diesem 26 Fuß kleinem Segelboot. Wir haben schon ein schlechtes Gewissen und fühlen uns etwas dekadent, dass wir zu zweit auf dem Katamaran wohnen, während sie sich zu viert in ihrer winzig kleinen Kajüte zusammenquetschen. Doch sie sind gutgelaunt und die beiden Kinder scheinen dieses Abenteuer sehr zu genießen. Lars beeindruckt uns durch seine Freundlichkeit und Entspanntheit und seinem Optimismus im Hinblick auf seine bevorstehende, nonstop Überfahrt in Richtung Niederlande.
Bevor wir den südlichsten Punkt Norwegen, das Kap Lindeness, umrunden, ankern wir in einer wunderschönen Bucht und unser abendlicher Spaziergang durch den kleinen Ort wirkt schon kitschig, wie aus einem Film und erfüllt alle denkbare Klischees über Norwegen. Ein Häuschen schöner als das andere, die Anwohner grüßen uns freundlich. Eine Frau im Blümchenkleid läuft mit frisch gebackenem, duftenden Kuchen an uns vorbei, alle Menschen sind gut gelaunt, hier muss das Schlaraffenland sein!
Bevor wir Norwegen verlassen, möchten wir noch wenigstens in einem richtig großen Fjord gewesen sein. Also umrunden wir das Kap Lindeness und segeln durch den Flekkefjord zur Stadt Flekkefjord.
Auf dem Weg ankern wir erst in einer kleinen Ankerbucht am Fjordanfang. Die Einfahrt ist so eng und verwinkelt, dass wir sie erst erkennen, als wir genau davor stehen. Dicke Wolken hängen tief über die Felsen und lässt die Stimmung mystisch erscheinen. Es fehlt entweder ein Troll oder mindestens ein Elch, dann wäre das Bild perfekt! Was für ein Ort, mitten im Nirgendwo!
Der Fjord ist so schön, wir beschließen noch einen Naturhafen anzulaufen und machen an der Steganlage fest, gleich hinter der SY Anna. Guido und Gerrit angeln abends noch einen Fisch, den wir vier gemeinsam verspeisen und damit einen weiteren netten Abend zusammen verbringen. Anschließend fallen wir todmüde in einem tiefen Schlaf aus dem wir frühmorgens durch lautes Klopfen am Rumpf, abrupt aus den Träumen geweckt werden. Aus dem Tiefschlaf gerissen, sind wir zunächst etwas orientierungslos und stolpern an Deck, um nachzusehen, wer uns da wecken möchte. Am Steg stehen drei Männer in voller Montur, es sind die Seenotretter, nanu! Sie erklären uns, dass sie eine Distress-Meldung (einen Notruf) von Mojito erhalten hätten und deshalb ausgerückt wären um nach dem Rechten zu schauen. Häh??! Warum sendet Mojito einen Notruf während wir schlafen?? Was sind denn das für neue Marotten?! Wir können es uns nicht erklären. Unser Funkgerät ist ausgeschaltet, wer soll da einen Notruf gesendet haben? Plötzlich hat Gerrit eine Idee: unsere Rettungswesten. Wir haben unsere Rettungswesten mit einem zusätzlichen MOB-Sender (man over bord) ausgestattet. Wenn einer von uns über Bord fällt, wird der Sender aktiviert und sendet Alarm aus. Wir holen die Rettungswesten aus der Kiste und siehe da, ein Sender hat sich einfach von alleine aktiviert, mitten in der Nacht, während wir friedlich schliefen, na sowas! Es ist uns sehr unangenehm, dass wir einen Rettungseinsatz ausgelöst haben, wir entschuldigen uns dafür. Die Seenotretter sind überaus freundlich und versichern uns, dass für sie alles okay ist und sie froh sind, dass es kein Notfall ist und bei uns alles in Ordnung sei. Sie deaktivieren den Notruf, der in diesem Fall über Rescue Bremen geht und wünschen uns noch einen schönen Tag.
Nach diesem Schreck geht es weiter zur Stadt Flekkefjord. Auch dieses charmante weiße Städtchen erobert sofort unser Herz. Der einstige Holzhandel mit Holland hat hier Spuren hinterlassen, es gibt hier ein sehr schönes holländisches Viertel.
Wir mieten uns eine Draisine und fahren auf den alten Schienen entlang des Fjords, durch alte tropfende Tunnel und entlang schöner Landschaften, eine durchaus schweißtreibende Angelegenheit mit großem Spaßfaktor. Auf der Rücktour reißt die Kette der Draisine von Guido und Andrea. Zum Glück fahren sie ein Stück vor uns, so können wir gemeinsam die Draisine von den Schienen heben. Weiter geht es zu viert auf einer Draisine, wobei Gerrit und Guido in die Pedale treten müssen und Andrea und ich auf der Kinderbank Platz nehmen. Die Männer schlagen unser Angebot aus, sie beim Treten abzulösen. Zu viert haben wir eine gewaltige Schwungmasse, die uns die abschüssigen Abschnitte der Strecke hinabsausen lassen. Bergauf feuern wir natürlich die beiden Männer an, so schaffen wir es schließlich die 17 Km zurück zum alten Bahnhof. Ein schöner Abschluss unserer Norwegenreise.
Kulinarisch hat uns Norwegen nicht so gepackt, außer natürlich das wunderbare Angebot an fangfrischem Fisch und der vorzüglichen skandinavischen Garnelen. Leider hatten wir beim eigenen Fischfang kein Glück. Der ersehnte selbst gefangene Lachs blieb uns leider verwehrt.
Das Angebot an Gemüse hat sich doch in den letzten Jahren deutlich gewandelt, es gibt, im Vergleich zu früher, ein großes Angebot. Leider ist jedes Gemüse in Folie eingeschweißt, aus Umweltsicht nicht nachvollziehbar, da enttäuschen uns die Norweger.
Wir haben uns noch einmal an dem norwegischen Braunkäse, dem Brunost, probiert. Aber so wie damals auch, können wir keinen Gefallen daran finden. Er schmeckt süß, wie Karamell, und hat eine klebrige Konsistenz. Da gibt es schmackhaftere Käse!
Ein Blick auf die Wetterkarte zeigt uns, dass wir die Gelegenheit nutzen sollten, wenn wir den Skagerrak queren möchten um nach Dänemark zu kommen. Wind und Welle ändern sich hier ständig, man muss den Zeitpunkt gut abpassen. Entweder es ist zu viel Wind oder zu wenig, aber dann mit alter Welle (dann meutert die Crew!) oder der Wind kommt komplett aus der falschen Richtung. Die Passage von Lindeness nach Thyborön beträgt 90 sm, da muss der Wind passen damit wir es in einem Tag schaffen.
Wie immer fällt der Abschied schwer, auch wenn dieses Revier nicht unser Lieblingsrevier mit dem Katamaran ist. Trotzdem bleibt uns Norwegen mit seinen sehr überaus liebenswerten Menschen, seiner atemberaubenden Landschaft, seinem faszinierendem Licht und seiner wohltuenden Entspanntheit in sehr guter Erinnerung.