Weiter in Richtung Westen

Nach einigen schönen Tagen auf Sardinien genießen wir noch einen kurzen Aufenthalt auf der vorgelagerten Insel San  Piedro. Das schöne Städtchen Carloforte ist uns schon bei unserem letzten Besuch ans Herz gewachsen und wir nehmen hier etwas wehmütig Abschied von Italien. Wir genehmigen uns einen letzten Aperitif, mit den typischen, dazu servierten, kleinen Leckereien und holen uns noch beim örtlichen Pizzabäcker eine super leckere Pizza auf die Hand, was für ein Genuss. Wir werden es vermissen, da sind wir uns sicher!

Die Windvorhersage ist nicht sehr vielversprechend, wir haben mal wieder die Wahl: entweder zu wenig Wind oder, falls wir warten, Gegenwind. Das heißt, wir haben mal wieder die Wahl zwischen Pest und Cholera – es ist wirklich zum Verzweifeln.

Also entscheiden wir uns für die Version „zu wenig Wind“ und machen uns auf den Weg nach Menorca. Dann plötzlich entscheidet sich der Wind doch für uns und, was für eine Freude, wir können tatsächlich segeln und rauschen mit 7 bis 8 Knoten Geschwindigkeit in die stockdunkle Nacht (das ist wieder nicht so schön…, aber bloß nicht meckern, wir freuen uns über den Wind!). Leider behält der Wind nicht seine Kraft und schon während der Nacht geht das bekannte Wechselspiel wieder los: Segel rein, Motor an, Segel raus, Motor aus.

Nach 36 Stunden erreichen wir endlich in der finsteren Nacht die Bucht von Mahon auf Menorca.

Vor einigen Jahren haben wir bereits dort geankert und kennen die Bucht, denken wir, also sollte es doch kein Problem sein sie bei Nacht anzulaufen. Man fährt erst das Fahrwasser an, alles relativ einfach, man braucht sich nur an die roten und grünen Blinklichter zu orientieren. Der einzige, der uns die Anfahrt erschwert ist ausgerechnet das Leuchtfeuer. In regelmäßigen Abständen leuchtet er uns frontal entgegen und macht uns für einen kurzen Moment völlig blind. Hat das Auge sich gerade von diesem Flash erholt, kommt wieder der nächste. Demnach sind Leuchtfeuer nicht immer toll.

Wir müssen aus dem Fahrwasser abbiegen und einen Seitenarm nehmen bis zur Ankerbucht, alles ist dunkel, es gibt keine beleuchtete Bojen mehr. Ich gehe aufs Vorschiff und leuchte mit einer Lampe die Umgebung aus, damit wir uns besser orientieren können. Komisch ich hatte es ganz anders in Erinnerung. Die von mir angestrahlten Felsen wirken gespenstisch, unsere blubbernde Fahrgeräusche ebenso, ab und zu taucht plötzlich eine Boje auf, wir müssen aufpassen sie nicht zu rammen.  Das Anfahren einer Ankerbucht ist, so wie auch das Anlegemanöver im Hafen, immer eine besondere Prüfung im Eheleben eines Seglerpaares. Da gibt es manchmal Kommunikationsprobleme zwischen Mann und Frau, entweder durch unklare Anweisungen oder einfach durch die schlecht übertragene Akustik vom Steuerstand (Gerrit) zum Vorschiff (Pascale) und umgekehrt.

Man möchte nur ungern schreien, aber die Entfernung auf dem Boot ist für die Kommunikation schon eine große Herausforderung. Das Anfahren einer Ankerbucht bei Nacht setzt dem Ganzen  noch eine Stufe drauf. In der Ankerbucht hat sich bereits die Nachtruhe eingestellt, man sieht noch vereinzelt Lichter auf den anderen Booten, hier und da wird leise gesprochen, da kommen wir uns vor  wie Störenfriede. Jedes von uns gesprochene Wort scheint diese Stille dröhnend zu durchschlagen. Also laufe ich ständig hin und her, natürlich mit meiner Taschenlampe, damit wir uns gemeinsam auf einen geeigneten Ankerplatz einigen können. Das wiederum bringt mir eine Ermahnung von Gerrit ein, ich würde ihn mit meiner Lampe blenden. Okay, nun bin ich eingeschnappt, also Lampe aus, dann sehen wir halt nicht mehr viel, selber Schuld. Diese Konfliktdiskussion im Flüsterton, Nachts in der Ankerbucht, das kann zu kleinen Disharmonien an Bord führen. Doch trotz dieser Widrigkeiten schaffen wir es tatsächlich in der gut gefüllten Bucht einen einigermaßen geeigneten Platz für uns zu finden und lassen den Anker fallen. Müde aber auch ein wenig stolz diese besondere Anforderung gemeistert zu haben, versöhnen wir uns bei einem Glas Wein und freuen uns wieder eine Nacht durchschlafen zu können.

Menorca ist immer wieder schön, besonders im September, wenn die Hauptsaison zu Ende geht und die Ankerbuchten sich leeren. Die wunderschöne Natur, das türkisblaue Wasser, die schönen Wanderwege und die sehr schönen Städte Mahon und Cituadella bescheren uns wieder einmal wunderbare Tage auf Menorca.

die lange Fjord-ähnliche Bucht von Mahon
Mahon
schöne Buchten auf Menorca
Abendspaziergang entlang der Küste
Einfahrt von Cituadella
Arkaden in Cituadella
die Markthallen

Aber der Wind bestimmt unser Leben, wir müssen früher als geplant nach Mallorca segeln, sonst bleiben wir länger als wir wollen auf Menorca stecken, die Windvorhersage kündigt für die nächste Zeit nur Gegenwind an. Das passt nicht in unserem Zeitplan, also los, auf nach Mallorca, schließlich sind wir flexibel.

Auf Mallorca wartet eine schöne Überraschung auf uns, wir treffen Johann, ein Freund aus unserem „alten Leben“, aus  Ostfriesland. Er fährt uns mit seinem Boot entgegen und da treffen sich  „Mojito“ und „Don´t smoke“, zwei Boote mit dem gemeinsamen Heimathafen Norddeich in Ostfriesland, zum ersten Mal ausgerechnet auf Mallorca. Wir verbringen zwei Tage mit Johann und sammeln  viele Eindrücke und lernen dabei Cala Rajada kennen und schätzen. 

Treffen mit Johann auf Mallorca

Wir hatten bereits vor einigen Jahren zwei Tage vor Cala Rajada geankert und konnten keinen richtigen Zugang zu diesem Ort finden. Wir sahen die Partymeile an der Hauptstraße, das überwiegend deutsche Party-Publikum, angetrunkene Jugendliche am Hafen, all das passte zum Klischee. Das war nicht unsere Welt.

Johann zeigt uns nun eine andere Seite von Cala Rajada. Entgegen unserer Prinzipien entscheiden wir uns in den Hafen anzulegen. Das Ankern war schon bei unserem letzten Besuch nicht sehr komfortabel, da die Bucht sehr offen ist und meist eine unangenehme Dünung in die Bucht steht. 

Wir sind sehr überrascht eine angenehme und ruhige Atmosphäre hier zu erleben, da müssen wir unsere vorherige Meinung doch revidieren. Mit Johann verbringen wir einen sehr schönen Abend, essen Tapas und trinken einen leckeren mallorquinischen Wein direkt am Hafen, das ist Lebensfreude pur. Als absolute Krönung lädt uns Johann am nächsten Morgen ein mit seinem originalen alten Käfer Cabrio, den er liebevoll restauriert hat, zum nahegelegenen Leuchtturm und Aussichtspunkt zu fahren. Was für ein Erlebnis, ich glaube es ist länger als 35 Jahre her, dass ich in solch einem VW Käfer saß, wow! Das schönste daran, ist die Reaktion der Passanten, wenn wir vorbeifahren. Ich komme mir vor wie eine Königin, so viel Aufmerksamkeit bekommt man ja sonst selten. Es ist beeindruckend zu sehen, wie viel Lächeln und Freude so ein altes Auto bei den Menschen hervorzaubert. Wir sehen eine wunderschöne Landschaft, herrliche Pinienwälder, schöne Buchten. Ein großartiges Erlebnis! Danke Johann!

Blick auf den Hafen von Cala Rajada
Pascale, Johann und Gerrit, im Hintergrund Mojito
im Cabrio durch die Straßen
Johann und sein schöner Käfer Cabrio

 Gerrit hatte sich in der Karibik darüber beklagt, dass wir Deutschen nicht wie die Franzosen über eigene Inseln in der Südsee oder Karibik verfügen. Nun stellen wir fest, wir Deutschen haben dafür Mallorca, ha! Als wir uns einen Kaffee bestellen wollen und ich noch mühsam meine spanischen Vokabeln aus den untersten Hirnwindungen wieder hervorhole und dabei versuche sie von den italienischen Vokabeln zu trennen, antwortet mir schon der spanische Kellner auf deutsch „okay, Kaffee mit ein wenig Milch“. Ja stimmt, wir sind doch fast in Deutschland. In den Straßen hört man mehr deutsche als spanische Worte, für uns noch gewöhnungsbedürftig aber durchaus bequem!

Das nächste Highlight wartet schon auf uns: wir haben uns mit Frank und Eva,  Freunde aus unserer gemeinsamen Zeit in Licata, verabredet. Wir wollen uns auf der Isla Cabrera treffen, der vorgelagerten Naturschutzinsel. Für dieses maritime Schutzgebiet gelten strenge Regeln, man muss online eine Genehmigung beantragen und im Voraus eine Boje buchen. Wir wollten schon immer dort hin, nie hat es geklappt. Dieses Mal soll es klappen. Die Boje ist gebucht und wir sind voller Vorfreude.

Leider meldet der Wetterbericht nichts gutes und mit jedem Tag wird die Vorhersage unerfreulicher. Schließlich entscheiden wir uns wieder einmal gegen Cabrera (schade!) und dafür lieber für einen geschützten und sicheren Platz auf Mallorca. Wir ziehen es vor eine Anker-Boje in Portocolom zu nehmen, Frank und Eva tun das gleiche in Andratx, wie schade!  Wir erleben ein heftiges Unwetter mit Sturmböen, Gewitter und Hagelschauer und sind schließlich doch froh uns so entschieden zu haben. Das Unwetter dreht ständig über die Balearen und hält uns länger als gewollt in der Bucht fest, aber zum Glück sind wir hier sicher.

Ankerbucht von Portocolom
Portocolom
das Unwetter kommt..
..mit einem heftigen Hagelschauer
zum Glück gibt es Pausen zum Verpusten! Aber die Sprayhood von unserem Nachbarboot ist zerfetzt.
zwischen zwei Schlechtwetterphasen fahren wir mit dem Bus nach Palma
Palma ist so schön, vorausgesetzt es sind nicht mehrere Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen

So bald sich das Wetter einigermaßen beruhigt hat, ergreifen wir die Gelegenheit um die Passage nach Ibiza zu bewältigen. Wie alle längeren Passagen dieses Jahr, ist auch diese kein Vergnügen. Viel zu viel Welle, der Wind schräg von vorne, nicht der Lieblingskurs für einen Katamaran, aber wir drei müssen uns durchbeißen. 

Müde und angenervt erreichen wir Abends Ibiza, das Wetter macht es uns schwer eine geeignete Ankerbucht zu finden. Die einzige perfekte Ankerstelle ist nun Schutzgebiet für das Poseidongras geworden, damit ist das Ankern dort verboten.

Wir steuern die nächsten Buchten an, doch sie sind zu offen, überall tritt eine unangenehme Dünung ein, kein guter Platz für die einbrechende Nacht.

 Die Crew steht mal wieder kurz vor einer Meuterei, als sich zum Glück doch noch eine Ankermöglichkeit bei Santa Eulalia findet. Nicht perfekt, aber einigermaßen geschützt und nachdem wir einen zusätzlichen Heckanker ausgebracht haben, sind die Schiffsbewegungen auch erträglich.

Am nächsten Morgen sieht die Welt wieder besser aus und wir sind wieder auf Ibiza, wie schön. Ibiza war schon immer eine unserer Lieblingsinseln. Die  felsigen Steilküsten, die unzähligen Buchten und herrlichen Sandstrände, die weitläufigen Pinienwälder und dazu das fantastische Licht, wir können uns nicht sattsehen. 

Hier treffen wir auch endlich Eva und Frank und verbringen eine schöne, gemeinsame Zeit, schließlich haben wir uns so viel zu erzählen, da wird es nicht langweilig.

Gemeinsam ankern wir vor Es Vedra, eine imposante, steil aufragende Felseninsel im Südwesten von Ibiza. Es Vedra  verbreitet eine einzigartige Stimmung und ist je nach Lichteinfall immer wieder beeindruckend. Es ranken sich viele Mythen um diese unbewohnte Insel, z.B. dass sie der Ort mit dem drittstärksten Magnetismus der Welt sei und dass hier schon öfters UFOs gesichtet wurden. Na ja, unser Kompass verhält sich wie immer und UFOs haben wir auch nicht gesichtet, das ist sicher auch davon abhängig was für ein Kraut man geraucht hat!

Wir freuen uns wieder  Es Vedra, Ibiza und Formentera zu besuchen, es ist fantastisch und auch einmalig. Hier findet man einsame Fincas und Luxusherbergen, Hippies und Jetset, Luxusjachten, klassische Segelboote oder Fahrtenjachten. Auf Ibiza ist alles gemischt, es ist ein „leben und leben lassen“, Ibiza ist einfach Ibiza!

Ankern vor Ibiza
Eva und Frank kommen zum Aperitif
freudiges Wiedersehen mit Eva und Frank
Mojito am Anker
Es Vedra, ein UFO ist nicht zu sehen!
Ankerbucht und Strandrestaurant mit Blick auf Es Vedra
hier gibt es eine leckere Paella zusammen mit Eva und Frank
wunderschönes Ibiza und Mojito
dramatische Sonnenuntergänge

Doch auch hier bestimmt das Wetter unser Leben und es heißt wieder Abschied nehmen, wir müssen den Wind nutzen um einigermaßen zum spanischen Festland zu gelangen. Frank und Eva wollen nach Valencia, aber wir sehen uns wieder, irgendwo und irgendwann, wir freuen uns drauf!

Uns bleiben noch ein paar wunderbare Tage entlang der spanischen Küste, in dieser Jahreszeit ist es immer wieder ein Genuss. Die Costa Blanca ist an vielen Orten gnadenlos zugebaut worden, konzentrieren sich hier eine große Anzahl an Wolkenkratzern, die teilweise an Orte wie Las Vegas oder Hongkong erinnern. Doch es gibt auch durchaus reizvolle Landstriche an dieser Küste und das Licht ist einzigartig. Wir gleiten bei glatter See und wenig Wind mit 4 Kn Geschwindigkeit entlang der Küste und lassen die Landschaft an uns vorbei ziehen, wie schön, das ist Ankern mit Fortbewegung!

Immer wieder ankern wir gerne vor Calpe, auch hier ein städtebaulicher Irrsinn, da hat sich sicher manch einer eine goldene Nase verdient. Es ist ein Hochhausghetto für Residenten, absolut nicht unser Geschmack, aber es scheint Menschen zu geben denen es gefällt.  Was uns hier gefällt, ist der gigantische Felsen des Penón de Ifac. Er galt  schon zu Zeiten der Phönizier als sicherer Ankerplatz. Dieser Felsen ist mehr als 300 m hoch und ragt einen Kilometer weit ins Meer, er steht unter Naturschutz und ist fest in Vogelhand. Es ist immer wieder beeindruckend vor dieser Felswand zu ankern, dabei die vielen Seevögel zu beobachten und die unterschiedlichen Vogelstimmen zu hören. Bei unserem letzten Besuch vor drei Jahren konnten wir den Ifac nicht bis zum Gipfel besteigen, es war Brutzeit, überall waren aufgeplusterte Jungvögel, die von den Eltern gut bewacht wurden. Dieses Mal ist der Aufstieg erlaubt, er ist sehr anspruchsvoll und abenteuerlich, aber wir werden oben auf dem Gipfel mit einem Ausblick belohnt, wie aus dem Flugzeug, großartig!

Der Penón de Ifac bei Calpe
dieses Mal wollen wir zum Gipfel!
bereits auf halber Strecke ist der Ausblick fantastisch
Dreiviertel der Strecke
geschafft!
Selfie vom Gipfel
Blick auf die gnadenlos zugebaute Küste von Calpe. Mojito wartet unten am Anker auf uns!

Unsere Saison neigt sich dem Ende zu. Wir werden mit Mojito in Torrevieja, unserem früheren Hafen in Spanien, überwintern und Pläne für das nächste Jahr schmieden. Wieder einmal haben wir unsere ursprünglichen Pläne geändert und planen nun zeitig im Frühjahr entlang der portugiesischen Küste nach Norden zu segeln, mal sehen wo uns Wind und Wetter hin treiben.

Wir lieben dieses Leben als Seenomaden und wir lieben unser Boot „Mojito“, haben wir doch gemeinsam schon so vieles erlebt!  Dieses Jahr sind wir 3000 sm gereist. Mojito ist unser Zuhause und unser Fortbewegungsmittel und ermöglicht uns damit eine grandiose Form des Lebens und Reisens. Wir empfinden dieses Leben als unglaublich spannend und abwechslungsreich und sind so dankbar dieses Abenteuer erleben zu dürfen. Es ist eine großartige Zeit und wir hoffen dieses noch einige Jahre fortsetzen zu können.  

Die Winterzeit werden wir nutzen um notwendige Reparaturen am Boot durchzuführen, kleine Verbesserungen vorzunehmen, unsere Familie und Freunde zu besuchen und auch um all das Erlebte zu verarbeiten. Wir sind schon jetzt voller Vorfreude auf die kommende Saison und werden dann natürlich weiter berichten.

„Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen“ (Kurt Marti)