Eigentlich ist die Saison 2023 gut gestartet. Mojito ist repariert, der aller letzte Schleifstaub mühsam entfernt, frisch gewachst wartet er am Steg der Bremer Winkler-Werft auf den Start in die neue Saison. Zunächst geht es die Weser hinunter, um dann über die Nordsee nach Norderney zu segeln, und schließlich in den geschützten Greetsieler Hafen zu kommen. Es ist April, es ist kalt, es sind nur vereinzelt Boote unterwegs, auf Norderney liegen wir ziemlich einsam am Steg, sehr ungewöhnlich. Das Segeln läuft perfekt, wir können sogar unseren Parasailor nutzen, was für ein fantastischer Start! Es fühlt sich alles wieder gut an, wer hätte das letztes Jahr gedacht!
Wir sind voller Tatendrang, haben schon die Pläne geschmiedet für diese Saison. Dieses Jahr soll uns unsere Reise nach Frankreich führen, in die Bretagne, so der Plan. Es gibt noch ein paar Aufgaben zu erledigen, an Land und am Boot, und dann soll es im Mai losgehen.
Aber…, es passiert mal wieder etwas Unvorhergesehenes: ich trage eine volle Proviantkiste an Bord, verfehle die einzige Stufe, knicke mit dem Fuß um, und dann ist es passiert: Mittelfußfraktur! So ein Pech!
Nun folgt eine gefühlt endlose Zeit der Bewegungseinschränkung und damit verbundenen Übellaunigkeit meinerseits! Der Arzt verstärkt meine Übellaunigkeit indem er von mindestens 12 Wochen Regenerationszeit spricht. Damit nicht genug, denn er erklärt mich für verrückt, überhaupt darüber nachzudenken dieses Jahr auf ein Segelboot zu gehen. Das ist sehr schwer zu akzeptieren, wollen wir doch mal sehen, ob das so hingenommen wird!
Es folgt die Zeit der Akzeptanz und schließlich finden wir einen Weg auch mit Gehhilfen wenigstens die Wochenenden im Greetsieler Hafen an Bord zu verbringen, das wirkt sich positiv auf die Laune und die Genesung aus! Kleine Opfer müssen wir bringen: Neptun schnappt sich eine meiner Gehhilfen, was auch immer er damit will? Doch das haben wir in all den Jahren gelernt, Neptun kann alles gebrauchen, Werkzeug, Wäscheklammern, Handtücher…, und nun Gehhilfen, warum nicht?!
Trotz der ärztlichen Einwände starten wir schließlich 9 Wochen später, mein Fuß fühlt sich wieder ganz gut an, ich muss etwas vorsichtiger und bedachter mit meinen Bewegungen an Bord sein, und dann wird alles gut, Hauptsache los!
Die Zeit reicht jedoch nicht mehr um in die Bretagne zu segeln, wir haben neue Pläne gemacht, man muss ja flexibel bleiben.
Unsere Planänderung lautet nun: dort weitermachen, wo wir letztes Jahr abgebrochen haben und die Werft aufsuchen mussten. Wir wollen nach Dänemark, durch den Limfjord, dieses Mal mit mehr Zeit, und in die Ostsee, das Versäumte nachholen. Darauf freuen wir uns!
Wir beschließen erst Helgoland anzulaufen um unseren Tank mit zollfreiem, günstigen Diesel zu füllen. Doch als wir die Tankstelle ansteuern, tankt gerade eine große Luxusmotorjacht, na toll! Eine Stunde (!) dauert es, bis die Jacht die 3000 Liter getankt hat. Derweil schippern wir gemeinsam mit mehreren Booten im Hafen umher und warten. Als Segler ist man angeblich geduldig! Dann legt auch noch der große Hamburg-Katamaran ab, es wird nun wirklich eng im Hafenbecken, denn durch seine Antriebe entsteht eine unangenehme Sogwelle, puh, immer diese Stressmomente! Endlich ist es so weit, die Jacht hat ihren Tank gefüllt, es scheint doch noch Diesel für uns übrig zu bleiben, ein Wunder bei der durstigen Luxusjacht. Der Tankstellenbetreiber brüllt Anweisungen oben von der Pier, ohne einen Handschlag zu helfen. Ich hab nicht wenig Lust ihm den passenden Kommentar zurück zu pfeifen, doch ich weiß um unsere Abhängigkeit, wir wollen seinen Diesel, also beherrsche ich mich und schweige! Endlich ist unser Tank auch gefüllt, nun können wir zum entspannten Teil des Tages übergehen. Wir haben keine Lust in den Hafen zu gehen, dort ist es eng und überfüllt. Man liegt dort schnell mit mehreren Booten im Päckchen, das macht keine Freude. Wir wollen ankern, zwischen Helgoland und Düne gibt es eine ausgewiesene Reede, da wollen wir hin. Hm, leider sieht es in der Praxis doch nicht so einfach aus. An der einen Stelle ist zu viel Wind, an der anderen zu viel Strömung, es herrscht reger Verkehr, wir sind gefrustet. Schließlich lassen wir einfach den Anker fallen und haben das Gefühl mitten auf einem Autobahnkreuz zu ankern. Fähren, kleine Ausflugschiffe, Windparkversorgungsschiffe fahren an uns vorbei, es ist sehr rummelig. Einzige Alternative bleibt der Hafen und den möchten wir nicht, also durchhalten. Wir sind sicher, auch die Helgoländer werden irgendwann schlafen gehen, und so verwandelt sich später unser Ankerplatz doch noch zum Guten. Ein schöner Platz in der Abendsonne, Ruhe kehrt ein, Seehunde schwimmen vorbei, die Seevögel übernehmen das Sagen.
Am nächsten Morgen geht es früh in Richtung Sylt. Ein wunderschöner Segeltag, perfekter Wind, strahlende Sonne, und die Nordsee kann sogar blau erscheinen, herrlich!
Im Norden von Sylt, bei List, gibt es eine weitläufige Ankerbucht, sie scheint für uns perfekt. Der Anker fällt, wir genießen die Abendstimmung beim Abendessen und einem Glas Wein, das Leben ist schön!
Doch am nächsten Morgen ändert sich leider der scheinbar perfekte Platz. Der Wind braust auf und passt nicht zur jeweiligen Gezeitenstömung. Beide Kräfte zerren gegenläufig an Mojito und machen das Liegen sehr unangenehm. Obwohl ein Katamaran bezüglich Schwell sehr leidensfähig ist, müssen wir kapitulieren. Auf der Suche nach einem geeigneten Platz wechseln wir von der Ostseite zur Westseite der Insel, wo wir bei strahlender Sonne Windschutz für den Tag finden. Abends lässt der Wind (entgegen der Vorhersage!) leider nicht nach, also suchen wir Schutz bei der Nachbarinsel Römö, vergeblich. Der Wind nimmt weiter zu, die Sonne verschwindet in der Abenddämmerung hinter Wolken, es wird ungemütlich, der Gasthafen von Römö ist für uns zu klein. Gefrustet beschließen wir einfach im Fischereihafen festzumachen. Die Kutter sind draußen zum Fischen, bis morgen früh sind sie weg, derweil nutzen wir deren Hafenplatz. Einziges Problem ist der Tidenhub. Ohne Schwimmstege bedeutet es für uns lange Leinen auszulegen und Nachts alle drei Stunden aufstehen und die Lage kontrollieren. Hauptsache wir liegen ruhig und Windgeschützt und bekommen etwas Schlaf, wenn auch nur im Stundentakt, morgen sehen wir weiter!
Am frühen Morgen werden wir wach und hören die Kutter zurückkommen, also schnell die Leinen lösen und den Platz frei machen. Zum Frühstücken ankern wir kurz vor dem Hafen, bevor es zurückgeht nach Sylt, der Wind hat etwas nachgelassen und erlaubt einen Landgang. Das Anlanden mit dem Dinghi am Strand klappt auch mit „Fußhandicap“ gut. Wir genießen die Sylter Atmosphäre, bei Sonnenschein und guter Laune. Wir probieren die Sylter Austern (wenn schon nicht Austernessen in der Bretagne, dann auf Sylt!) und können einen kurzen Blick auf die schöne Landschaft werfen. Der erste Eindruck gefällt uns gut. Doch zurück an Bord spüren wir, dieser Ankerplatz geht wieder nicht für die Nacht. Also wieder Anker lichten und zurück nach Römö, dort ist die Bucht etwas geschützter, Strömung und Wind sind heute nicht ganz so stark.
Das muss erst einmal reichen, nun geht es auf zum Limfjord!
Der Limfjord beeindruckt mit seiner weiten Landschaft, endlosen Wasserflächen und einem beeindruckenden Wolkenhimmel. Was für ein schönes Segelrevier! Die Landschaft, mal riesige Ackerflächen, mal Weideland mit Kühen, dann wieder Wald, dazwischen vereinzelte Häuser, landwirtschaftliche Betriebe und Kirchen und immer wieder kleine Inseln, schöne Naturreservate. Die Landschaft wirkt mit ihren aneinander gereihten Farben wie ein Gemälde und strahlt dabei eine wohltuende Ruhe aus, einfach „hyggelig“, das Lieblingswort der Dänen für Gemütlichkeit.
Abwechselnd steuern wir mal kleine, zauberhafte Orte an und dann wieder ruhige Ankerplätze inmitten schöner Natur. Immer wieder sind wir beeindruckt von der Freundlichkeit und der natürlichen Gelassenheit der Menschen, hier kann man die Seele baumeln lassen, es tut so gut.
Einziger Wermutstropfen bleibt das Wetter! Es dürften gerne 3 – 4 Grad wärmer sein und der sehr starke Westwind lässt die Temperatur noch niedriger erscheinen. Wir besuchen die Stadt Lemvig und ankern vor der Insel Venö. Manchmal ist es sportlich genügend Schutz vor den Winden zu finden, so flüchten wir uns schließlich in den kleinen Hafen von Doverodde und wettern den Wind in Böen bis Windstärke 8 ab. Ein holländisches Segelboot liegt vor uns am Steg und hat durch den Seitenwind eine extreme Schieflage. Gerrit und ich frotzeln darüber, ob ihnen der Tee aus dem Becher schwappt. Der Eigner scherzt am nächsten Tag, er habe die Nacht „auf seiner Frau verbracht“, bei der Schräglage kullerten beide auf einer Seite!
Aber auch solche Tage können schön sein. Wir lernen Maik, Silke und ihre Tochter Lieke von der SY Kule kennen und verbringen gemeinsam eine nette Zeit miteinander und treffen uns auch später immer wieder an unterschiedlichen Orten im Limfjord. Wir bekommen einige Tipps von ihnen, bevor wir Abschied nehmen, sie müssen wieder nach Hause, ihr Urlaub ist vorbei.
Der extrem starke Wind hat an unserer Persenning gezerrt und eine Naht gelöst. Gerrit fragt einen Segler im Hafen von Thisted nach einem Segelmacher. Sofort wird telefoniert, der Segelmacher kommt, die Naht wird repariert und die Persenning wieder zum Boot gebracht. Das gleiche für eine erforderliche Schweißarbeit an einer Relingstütze. Wird gleich gemacht, immer freundlich, immer hilfsbereit. So nett!
Es bläst unaufhörlich, wenn wir segeln freut es uns, aber mitunter nervt uns der starke, sehr kalte Westwind. Wir wundern uns immer wieder über die Nordlichter. Sie scheinen ihre Bekleidung nicht nach dem tatsächlichen Wetter auszuwählen, sondern dies einfach kalendarisch zu tun. Bei Temperaturen weit unter 18 Grad sieht man die Männer in Shorts und T-Shirts und die Frauen in luftigen Blümchenkleider und Sandalen. Wir beobachten sommerlich gekleidete Menschen, die unbeirrt mit ihrem Hund spazieren, bei gefühlt arktischen Temperaturen und peitschendem Wind, der in Böen den Vierbeiner locker bis nach Schweden pusten könnte. Selbst Regenschauer scheinen sie nicht zu beeindrucken, sie setzen ihren Weg ohne Eile fort. Kein Zweifel, es fließt Wikingerblut in ihren Adern, anders ist es nicht zu erklären!
Wir besuchen die kleinen Inseln Fur und Livö. Eine schöner als die andere und immer wieder eine naturbelassene Schönheit.
Am Ende des Limfjords steht noch ein Stadtbesuch in der kleinen Stadt Aalborg an. Eine sehr gemütliche Stadt mit alten Häusern, viel Kunst, wie z.B. Street-Art an Häuserfasaden und dänisches Design und Architektur im Utzon-Center, benannt nach dem gleichnamigen Architekten Jörn Utzon, der Zeichner des Sydney Opera House.
In Aalborg wollen wir eigentlich schick essen gehen, denn Maik, Silke und Lieke haben uns wärmstens ein gutes Restaurant in Aalborg empfohlen. Leider ist es nur an wenigen Tagen geöffnet und passt nicht in unseren Zeitplan. Einige andere ansprechende Restaurants scheinen die Corona-Zeit nicht überstanden zu haben, das fällt uns in anderen Städten leider auch auf.
Etwas wehmütig nehmen wir Abschied vom Limfjord, es geht hinaus in die Ostsee, die uns gleich mit Böen bis 30 Knoten empfängt, puh. Wir sind froh, abends Schutz im Hafen von Saeby zu finden. Saeby ist ein netter Ort mit einem malerischen Stadtkern aus dem Mittelalter und Kopfsteinpflaster. Obwohl Touristenort, herrscht auch hier eine wohltuende Ruhe und Gelassenheit.
Die nächste Insel ruft, es geht hinüber nach Laesö, wir sind gespannt ob wir Aussicht auf einen Platz im Hafen haben. Es wäre schön, wir möchten gerne Fahrradfahren. Das gestaltet sich im Hafen deutlich einfacher als wenn man die Fahrräder mit dem Dinghy an Land bringen muss.
Der Hafen ist klein, die Einfahrt eng für einen Katamaran. Der Hafenmeister winkt uns heran, weist uns einen perfekten Platz zu und hilft uns beim Anlegen. Er ist so freundlich und bringt uns gleich noch Infomaterial über die Insel. Der Hafen von Vesterö ist wieder „dänisch gemütlich“, die Insel wunderschön, hier können wir bleiben, es gibt viel zu sehen!
Unser Highlight auf Laesö ist der Besuch der Tang-Häuser, die es nur auf dieser Insel gibt. Ein Museums-Haus gibt uns Einblick über diese besonderen Häuser mit dem imposanten Dach aus Seegras. Zudem haben wir Glück, ein Teil des Hauses wird gerade neu gedeckt und wir können diese einmalige Technik live mit ansehen.
Das Seegras wurde früher im Südteil der Insel gesammelt und getrocknet. Da die Männer meist auf See waren, war es Aufgabe der Frauen und der Kinder. Es wurden lange Bündel zu Würste gedreht, die dann um die angebrachten Latten gewunden wurden. Danach wurde loses Seegras darüber gelegt und festgetreten, das wiederum war die Aufgabe der Kinder. Was für eine schwere Arbeit! Diese Dächer sind sehr robust, einige sind 400 Jahre alt. Das Seegras kann nicht brennen, es isoliert so gut wie Merinowolle und hält Ungeziefer wie Mäuse, Ratten und Flöhe fern. Ein perfektes Baumaterial, welches wieder Beachtung findet, wie wir bereits im Utzon-Center in Aarlborg erfahren durften, sehr interessant. Zudem ist das alte Museumshaus mit einem Fachwerk aus Treibholz gebaut, außerdem wurden Teile eines gestrandeten Schiffs verwendet. Na, das nennt man doch Nachhaltigkeit!
Das Holz verwendeten die Bewohner von Laesö lieber für die Salzsiederei, dahin führt unser nächster Besuch. In holzbefeuerten, riesigen Siedepfannen wird hier das Meerwasser erhitzt und so das Salz gewonnen. Der Ursprung dieser Salzsiederei liegt im Mittelalter. Die Kirche lockte damals die Bauern nach Laesö mit dem Versprechen, Steuern mit Siedesalz bezahlen zu können. Noch heute werden die Siedepfannen befeuert, das Laesö-Salz kann man hier kaufen. Interessant, doch einen Umweltengel gibt es für diese Art der Salzgewinnung sicher nicht. Da erscheinen uns die Salinen im Süden Europas, die die Sonne nutzen, deutlich umweltfreundlicher.
Auf unserem Weg nach Süden ankern wir wieder einmal auf einem unserer Lieblingsplätze, im Vejdyb, ein Naturhafen unmittelbar vor dem Hafen von Egense. Hier liegt man geschützt inmitten der vorgelagerten Sandbänke, die Ostseewelle bricht sich an der großen Sandbank. Bei Windstärke 4 – 5 liegen wir ruhig inmitten dieser Idylle und genießen das schöne Licht und die einmalige Stimmung. Es erinnert uns sehr an die Karibik, wenn wir hinter den Riffbänken geankert haben.
Maik gibt uns den Tipp eines dänischen Seglers weiter und empfiehlt uns den nächsten dänischen Fjord zu besuchen, den Mariagerfjord, er gilt als der schönste Fjord Dänemarks. Warum nicht? Das Wetter ist eher herbstlich, sehr starker Wind ist für die kommenden Tage gemeldet, da kann ein behaglicher Fjord schon locken.
Der Mariagerfjord erweist sich wirklich als ein besondere Perle, abseits der Touristenströme.
Uns erwarten eine Vielzahl geschützter Ankerplätze, einer schöner als der andere. Dazu gibt es wunderschöne Wander- und Fahrradwege, die wir Abschnittsweise nutzen.
Am Ende des Fjords rundet ein Besuch des Wikingerortes Fyrkat das Ganze ab. Unsere derzeitige Bordlektüre führt uns in Form eines historischen Romans in die Zeit von König Harald Blauzahn. In Fyrkat gibt es eine der drei verbliebenen Ringburgen aus dieser Wikingerzeit, mit einem Durchmesser von 120 Metern. Dazu kann man die typischen Langhäuser aus der Wikingerzeit besichtigen. Sehr beeindruckend, besonders wenn man das Buch liest. Klare Empfehlung: „Die Abenteuer des röde Orm“ von Frans G. Bengtsson. Ein schönes Buch, wenn man sich an die besondere Ausdrucksweise der Wikinger gewöhnt hat, wird man auf ihre spannende Reise mitgenommen.
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Wir haben den Mariagerfjord ausgiebig erkundet und müssen nun eine Schlechtwetterfront passieren lassen, es sind Böen bis Windstärke 9 gemeldet. Danach geht es wieder in die Ostsee, langsam südlicher zur Insel Samsö, so der Plan.