Griechenland – die Ionischen Inseln

Wir starten von Leuca (Apulien) einen Tag früher als ursprünglich geplant, die Windvorhersage klingt erwartungsvoll, schließlich möchten wir segeln!

Der Wind nimmt stetig zu, bis zu 25 Knoten, eigentlich herrlich, wenn da nicht diese unangenehme, seitliche Welle wäre. Die Welle ist hoch und heftig, direkt aus der Adria, volle Breitseite für uns! Wir beschließen die Segel zu reffen, um so den Druck abzubauen und damit das Schiff und die Crew zu schonen. Mir wird bei dieser unangenehmen Schiffsbewegung zunehmend mulmig, ein Gefühl von aufkommender Seekrankheit, das ich lange nicht mehr kannte. Zum Glück haben wir eine gut bestückte Reiseapotheke, da lässt sich ein geeignetes Gegenmittel schnell finden. Die Entscheidung zum Reffen war richtig, die Schiffsbewegungen werden angenehmer. Ein befreundeter Katamaran-Segler beschreibt es so: „ein Katamaran ist ein Autist, er spricht nicht mit dir, wie es ein Einrumpf-Segelboot tut. Ist zu viel Druck im Segel, wird er sich nicht zur Seite neigen. Deshalb ist es wichtig, dass du es rechtzeitig fühlst und dementsprechend handelst“. Damit hat er das Problem eines Katamarans sehr treffend beschrieben.

Abends erreichen wir Griechenland, geplant ist die Nacht auf Othonoi zu verbringen, die kleine Insel nordwestlich von Corfu. Wir wollen am nächsten Tag weiter nach Corfu, um dort die nötigen Anmeldeformalitäten zu erledigen. Uns fällt gleich die  erste Bucht ins Auge, westlich vom Hafen. Das Wasser ist kitschig türkisfarben, der Strand leuchtet weiß, das wollen wir uns näher ansehen. Die Bucht gehört einer großen Vogelkolonie, die von unserem Erscheinen nicht begeistert ist. Wir lassen uns vom lauten Vogelprotest nicht abschrecken und betreten zum ersten Mal griechischen Boden. Was für eine Natur, nur die Vögel und wir. Die Vögel beruhigen sich schnell wieder, hier möchten wir bleiben – „ein Wohlfühlort“. Solche Ankerplätze lieben wir! Der erste Eindruck von Griechenland fällt sehr positiv aus!

unsere erste Ankerbucht in Griechenland

Am nächsten Tag segeln wir, dank achterlichem Wind, mit unserem Parasailor  durch die Meerenge zwischen Corfu und Albanien. Die Bergwelt von Albanien bietet uns ein imposantes Panorama. Albanien ist sicher auch ein lohnendes Ziel, vielleicht beim nächsten Mal.

Dieser herrlicher Segeltag versöhnt uns wieder mit dem Segelalltag, die unangenehme See von gestern ist vergessen, was für ein herrlicher Tag.

In der Bucht von Gouvia, auf Corfu, erwarten uns bereits bekannte Crews aus Licata – Zarazoe und Va´a, ein nettes Wiedersehen!

Gouvia ist ein Port of Entry, hier kann man einklarieren.  Alain und Fabiola, unsere französischen Freunde vom Katamaran Va´a, klären uns über die Gegebenheiten auf. Obwohl sie schon einen Tag früher hier angekommen sind, haben sie noch nichts erreichen können. Die neu eingeführte, griechische Steuer scheint die offiziellen Behörden stark zu beanspruchen, sie benötigen ca. eine Stunde Bearbeitungszeit pro Boot, heißt es. Also morgens früh aufstehen und gleich als erster beim Polizeibüro sein – das ist der Plan.

Tatsächlich sind Fabiola und Alain schon vor uns da, für Franzosen nicht schlecht! 😉 Dafür verweigert ihre Bank die Überweisung nach Griechenland, ein Problem das scheinbar viele französische Crews haben. Es gibt auch keine Möglichkeit bar zu bezahlen, ein großes Dilemma. Unsere Bank hat zum Glück die Überweisung akzeptiert, wir können uns weiter durch die Bürokratie kämpfen. Die Zollbeamtin verlangt unsere Passports, wir reichen unsere Personalausweise. „Das sind keine Passports“ kritisiert sie! Nein, in der Tat, die liegen gut versteckt an Bord. „Aber“, kontere ich „wir sind doch in Europa, da reichen doch die Personalausweise?“ Sie schaut uns verunsichert an und gibt mir schließlich Recht. Puh, zum Glück. Sonst hätten wir alles noch einmal von vorne machen können. Es folgen unzählige Fotokopien unserer und Mojito´s Dokumente (wo bleiben all diese Papiere? Werden die vielleicht wieder geschreddert oder tatsächlich ordentlich abgeheftet?), mehrere abgestempelte Zettel und die letzte zu zahlende Gebühr. Die letzte Gebühr wird fällig, wenn man über das Ausland nach Griechenland einreist. Hm! Wie soll man denn sonst einreisen, wenn nicht über das Ausland? Vom Himmel fallen vielleicht? Egal, keine überflüssigen Fragen, wir wollen nur unsere abgestempelten Papiere. Wir reichen ihr einen 20,- € Schein, aber die Zollbeamtin hat kein Wechselgeld. Auf unsere Frage ob wir denn mit Bankkarte bezahlen können, lacht sie uns aus. Okay, ich erkläre mich bereit durch den Hafen zu laufen um Wechselgeld zu organisieren und um die fälligen 15,- € zu bezahlen. Draußen warten mehrere Segler, kein Wunder dass die Bearbeitung so lange dauert! Schließlich erhalten wir  die ersehnten und abgestempelten Papiere, Mojito hat  drei Monate Aufenthaltsrecht in Griechenland. Dass man sich über solche Kleinigkeiten so freuen kann, auch das gehört zum Seglerleben! Nun haben wir uns den Kaffee am Hafen verdient und treffen uns mit Alain und Fabiola, um eine Lösung für ihr Problem zu finden. Wir beschließen  ihre Gebühren von unserer deutschen Bank zu überweisen und es klappt wie erhofft, sie sind erleichtert. Da denkt man wir sind in Europa, aber da gibt es doch noch Unterschiede. Trotzdem erweist sich Europa für uns immer wieder als wertvolles Gut, das es unbedingt wert ist zu erhalten. Ich mag mir diese bürokratischen Hürden nicht vorstellen, wenn es Europa nicht gebe.

Abends gehen wir gemeinsam mit Alain und Fabiola essen, und sind froh, diese erste Hürde gemeistert zu haben!

In Corfu nehmen wir unsere Tochter Amei an Bord, wir freuen uns mit ihr gemeinsam die Ionischen Inseln zu erkunden. Noch ist es ziemlich kalt, wir müssen Amei mit einer Fleecejacke aushelfen und machen uns Abends einen norddeutschen Grog mit unserem letzten karibischen Rum aus  Martinique (eine gelungene Kombination, schmeckt hervorragend). Zum nächtlichen Ankern verlegen wir lieber auf die kleine, unbewohnte  Insel vor Corfu. Der Besuch von Corfu-Stadt konnte uns nicht überzeugen – eine reine Touristenstadt, nicht wirklich sehenswert. Landschaftlich wirkt die Insel Corfu sehr schön: grün bewachsen mit zahlreichen schönen Stränden und ohne große Hotelburgen. 

Amei, noch mit Fleece-Jacke

Amei fliegt in 10 Tagen wieder von Patras nach Deutschland, in dieser Zeit wollen wir die Ionischen Inseln erkunden, also los!

Scheinbar hat Amei den von uns ersehnten Sommer aus Deutschland mitgebracht, denn endlich steigen die Temperaturen. Der Sprung ist aber gewaltig, es geht gleich auf 30 Grad, puh, das geht auf den Kreislauf.

Unser erstes Ziel ist die Insel Paxos, mit ihrer Traumbucht Lakka – türkisblaues Wasser und ein netter kleiner Ort. Die Bucht ist sehr gut besucht, aber  jeder findet einen Ankerplatz, das Panorama ist reizvoll, hier lässt es sich aushalten. Endlich lohnt es sich unsere Standup-Paddelboards aufzupumpen, die Saison kann beginnen!

Lakka, Traumbucht auf Paxos
.. als würde man schweben
Tauchen gemeinsam mit Alain. Unter Wasser gibt es keine Sprachbarriere
Abendessen mit Blick auf die Ankerbucht

Unser Weg führt uns weiter über  die kleine Nachbarinsel Antipaxos nach Lefkas. Hier wollen wir in den Kanal von Lefkas und müssen dafür die  schwimmende und drehbare Brücke passieren. Diese Brücke bildet  die Verbindung zwischen der Insel Lefkas und dem Festland. An dieser Stelle gibt es viel Wind, da  hier der Kap-Effekt und der Wind aus dem Abrakkischen Golf vorherrschen. Zum Glück sind wir das einzige Segelboot, es gibt genügend Platz zum Festmachen, so können wir recht entspannt die stündliche Öffnungszeit abwarten. Für unsere Breite muss sich die Brücke nicht nur öffnen, sondern auch drehen, ein imposantes Schauspiel.

durch die Gaios-Bay auf Antipaxos
die Schwimmbrücke bei Lefkas
weite Lagunenlandschaft im Kanal von Lefkas

Der Kanal von Lefkas zieht sich durch eine lagunenartige Landschaft, die früher zur Salzgewinnung diente. Die Landschaft erinnert uns stark an Friesland, weitläufige Wiesen und Flachwasserzonen glitzern in der Abendsonne. Wir steuern die Ankerbucht bei Nidri an, doch wir sind uns schnell einig das Weite zu suchen. Die Ankerbucht ist überlaufen, der Ort wirkt von weitem wie ein reiner Touristenort. Wir bevorzugen kleine Ankerbuchten und werden auch fündig, zum Glück! 

Viele Anlegestellen sind kostenlos, aber es wird erwartet, dass man in der dazugehörigen Taverne essen geht. Wir mögen lieber draußen ankern, so können wir nach Lust und Laune schwimmen gehen. Möchten wir essen gehen, können wir uns die Taverne frei aussuchen. Zusätzlich gibt es, ähnlich wie auf Sizilien, eine schlecht organisierte Müllentsorgung und damit verbunden ein Rattenproblem. Deshalb vermeiden wir eine Verbindung über Leinen zum Festland – eine Ratte an Bord ist wirklich das Letzte was man sich wünscht!

zwei reizende Damen in Spartochorion auf Meganisi
Dorfkirche

Eine Abwasserleitung ist verstopft, Gerrit muss sie ausbauen und austauschen, dafür muss er tiefer als üblich in die Bilge kriechen. Und siehe da, er fördert eine voll bepackte und vergessene Proviantkiste  zu Tage. Sie gehört noch zum Proviant unserer Atlantiküberquerung, upps. Also…, Dosentomaten, Kichererbsen, Nudeln und Reis brauchen wir nun erst einmal nicht mehr zu kaufen, die gibt es nun reichlich an Bord!

Sollte ich eines Tages als Tier wiedergeboren werden, wäre das Eichhörnchen das passende Tier für mich – ich sorge ständig vor für schlechte Zeiten und ab und an vergesse ich, wo ich etwas versteckt habe! 

Das Licht im Ionischen Meer fasziniert uns immer wieder aufs neue. Die Landschaft ist sehr schön und es gibt auf jeder Insel schöne Ankerbuchten und entzückende Orte.

Die Menschen hier leben meistens vom Tourismus, die ortsansässigen kleinen Fischer fangen kaum noch Fische, das Meer ist restlos überfischt. Dabei ist die Saison im Tourismus sehr kurz, sie fängt nun im Juni gerade an und endet bereits im September. Reichtümer lassen sich so nicht erwirtschaften, Griechenland hat wahrlich einen schweren Stand.

Über die Inseln Meganisi, Skorpios, Kalamos, Kastos, Athokos und Ithaka geht es schließlich zum Golf von Patras. Das Ionische Meer gefällt uns gut, was uns nicht gefällt ist der Mangel an Wind – die meiste Strecke müssen wir unter Maschine fahren 🙁   

Wandern auf Kalamos
Port Leone auf Kalamos – ein verlassenes Dorf. Ein Erdbeben 1953 zerstörte die Lebensgrundlage der Einwohner, sie wanderten aus, meist in die USA. Reste der alten Olivenölpresse
das einzigartige Licht im Ionischen Meer

Amei´s  Abflug rückt näher, wir suchen eine passende Ankerbucht in Flughafennähe.

Die erste Ankermöglichkeit ist nur 1,5 Kilometer von der Startbahn entfernt, doch leider gibt es keine Möglichkeit mit dem Dinghi anzulanden. Außerdem müssten wir mit dem Koffer über den Strand laufen, auch nicht so toll. Unsere Wahl fällt auf den nächsten kleinen Fischerort. Wir ankern außerhalb und fahren mit dem Dinghi in den Hafen. Der kleine Hafen hat sicher schon einmal bessere Zeiten gesehen, er wirkt ungepflegt wie der gesamte Ort. Unser Plan war es eigentlich in einer Taverne essen zu gehen und ein Taxi zum Flughafen für den nächsten Tag zu organisieren. In der ersten Taverne vergeht uns der Appetit und wir haben Zweifel ob der Fisch noch frisch ist, es scheinen nicht viele Gäste hier zu sein.

Der Fisch in der zweiten Taverne sieht da besser aus, die Küche macht einen sauberen Eindruck. Wir haben den Eindruck ein gutes Werk zu tun, wenn wir hier etwas Geld lassen. So endet unser letzter gemeinsamer Abend mit Amei doch noch schön, auch wenn es kein „Traumort“ ist, dafür aber authentisch, sagt Gerrit!

Das Inhaberpaar kann nicht glauben, dass wir auf einem Segelschiff wohnen. Sie sind aber sehr bemüht unsere Bitte zu erfüllen und bestellen einen befreundeten Taxifahrer für den nächsten Tag zu ihrer Taverne.

Nun heißt es Abschied nehmen von Amei – schade, es waren so schöne Tage!

Italien – wir erkunden den Fuß des Stiefels

Unser Weg nach Griechenland führt uns am Fuß von Italien entlang. 

 Die Griechen haben sich ab diesem Jahr eine weitere Steuer für Bootsbesitzer ausgedacht. Um es sich einfacher zu machen, wird immer für den gesamten Monat abgerechnet auch wenn man am Ende des Monats ankommt. Wir können ja verstehen, dass die Griechen Geld brauchen, aber unsere „Spendenbereitschaft“ hält sich doch in Grenzen. Wir haben daher beschlossen nicht vor dem 1. Juni dort einzuklarieren, so  bleibt uns auch genügend Zeit um den Fuß des italienischen Stiefels zu erkunden.

Ich erinnere mich an meine Grundschulzeit, als ich in meinem neuen, braunen Diercke Atlas blätterte und eine unglaubliche Entdeckung machte: Italien hatte die Form eines Stiefels! Ich war mir sicher, keinem war es vor mir aufgefallen und meldete es begeistert meiner Lehrerin. Doch an ihrer Reaktion merkte ich, dass ich  wohl doch nicht die erste war, diese Entdeckung zu machen. Schade!

Trotzdem behielt dieser Stiefel für mich eine gewisse Faszination und nun würden wir tatsächlich den Fuß näher kennen lernen, ich war schon sehr gespannt!

Wir starten am frühen Morgen aus der Bucht von Syrakusa, der Ätna und die barocke Altstadt im Licht der aufgehenden Sonne, was für ein Anblick! Wir hoffen auf Wind, schließlich haben wir mehr als 90 sm zu bewältigen und unter Segel sind wir meist schneller als unter Maschine. Leider erfüllen sich unsere Erwartungen nicht und wir müssen einen Großteil der Strecke motoren, wie so oft im Mittelmeer – entweder zu viel Wind oder überhaupt keinen Wind. „Im Mittelmeer segeln, heißt von Sturm zu Sturm motoren!“, sagen die Segler.

die Altstadt von Syrakusa und der Ätna im Morgenlicht

Als wir die Stiefelspitze erreichen, staunen wir über diese reich bewaldeten, hohen Berge, die bis nah ans Meer reichen. Was für eine üppige und wunderschöne Natur.

In einiger Entfernung zum Meer erkennen wir Dörfer, die sich malerisch an die Berge schmiegen. Die kilometerlangen Sandstrände wirken menschenleer, ein Paradies! Doch leider nicht wirklich für uns Segler, da es an dieser Küste keine Buchten gibt.

Man ankert zwar auf Sand, der Anker hält dadurch fantastisch, aber es gibt keinen Schutz vor Wind und Welle, da die Küste sehr gerade verläuft.

Südküste Kalabriens – 260 Km fast durchgehender Sandstrand

Abends gibt es eine kleine Meuterei an Bord, ich habe keine Lust im Dunkeln bis Roccella Ionica zu fahren, angeblich die erste geschützte Ankermöglichkeit. Also ankern wir 15 sm früher, an der offenen Küste, kochen uns Spaghettis und fallen tot müde ins Bett!

Der Schwell ist unangenehm, wir werden die ganze Nacht geschüttelt, an Tiefschlaf ist nicht zu denken. Doch den Höhepunkt dieser unruhigen Nacht bringt der nächtliche Besuch der Coastguard. Sie umrunden Mojito mit ihrem Schnellboot mehrfach und schütteln uns dadurch so richtig durch. Dazu beleuchten sie uns mit ihrem grellen Suchscheinwerfer, im Boot ist es taghell! Außerdem diskutieren sie laut und lebhaft untereinander, vielleicht: „verhaften oder versenken?“ ( kleiner Scherz! ) Wir warten derweil ab was draußen passiert und lassen uns nicht blicken. Sollen sie doch klopfen, wenn sie was wollen!

Wir fühlen uns ein wenig wie ertappte Schwerverbrecher, und überlegen ob wir vielleicht mit erhobenen Händen an Deck gehen sollen. Dabei ankern wir rechtmäßig mit 200m Meter Abstand zum Strand, also… wo ist das Problem?? Das scheinen sie nun auch zu merken, sie können uns nichts vorwerfen und nachdem sie uns ordentlich durchgeschüttelt haben, ziehen sie unverrichteter Dinge ab und lassen uns zufrieden, an Schlaf ist nicht mehr zu denken!

Am nächsten Tag geht es weiter nach Roccella Ionica, dort soll es vor der Hafeneinfahrt eine geschützte Ankermöglichkeit geben. Immer entlang dieser traumhaften Küste, die nahezu unbesiedelt ist. Früher hatten sich die Menschen aus Furcht vor Überfällen und vor Malaria von der Küste zurückgezogen. Dann wurde im 20.Jhdt. die Eisenbahn parallel zur Küste verlegt, was heute eine Ansiedlung von Hotelburgen verhindert. Dadurch wurden diese natürlichen Strände erhalten und der Tourismus ist hier zurückhaltend und angenehm.

In Rocella Ionica erwartet uns ein  netter kleiner Ort, doch der Ankerplatz bietet nur wenig Schutz vor der Welle, also geht das Schütteln an Bord weiter! Zum Glück schaukelt sich unser Katamaran nicht so hoch wie ein Einrumpf-Segelboot. Neben uns ankert Jürgen, sein Boot wirkt manchmal wie der Zeiger eines Metronoms, da bleibt sicher nichts auf dem Tisch stehen. Nach zwei Nächten gehen wir doch in die Marina, um endlich wieder ruhig zu schlafen. Auch weil wir ein Auto gemietet haben und  bei diesen Bedingungen Mojito nicht den ganzen Tag alleine am Anker lassen wollen.

Ankern vor Roccella Ionica, schöne Kulisse, doch leider unruhige See
der Strand von Roccella Ionica

Unsere Tour führt uns durch das Aspromonte, das Gebirge voller Tannen- und Buchenwälder mit blühendem Ginster und atemberaubenden Ausblicken. Wir fahren durch halbverlassene Bergdörfer, durch Olivenhaine und blühenden Wildblumenwiesen, entlang riesiger Fiumare, das sind sommertrockene, kilometerbreite Schotterflussbetten. Sie lassen uns erahnen was für Wassermassen während der Wintermonate hier durchrauschen. Eine wunderschöne Gegend, die es bestimmt wert ist erwandert zu werden!

Weizenfeld mit Wildblumen
Bergdorf in Aspromonte, im Hintergrund ein sommertrockenes Schotterflussbett
ein Fiumare, ein sommertrockenes Schotterflussbett
die wilde, weite Landschaft Kalabriens
La Cattolica – eine winzige, byzantinische Ziegelkirche aus dem 10. Jh.




Die Sommertemperaturen lassen weiterhin auf sich warten. Der Wind ist mitunter eisig kalt, beim Segeln benötigen wir gute winddichte Kleidung. „Gutes, beständiges Wetter kommt langsam!“ predigt mir Gerrit, der alte, weise Landwirt, schon seit Tagen. Es fällt mir schwer  zu glauben. Meiner Meinung nach ist das Wetter irgendwo stecken geblieben oder hat den falschen Weg genommen. Hier ist es nicht, vielleicht in Norddeutschland!?

Weiter geht es schließlich entlang der Küste, da bekommen wir in der nächsten größeren Einbuchtung, im Golfo di Squillace, wieder mal die unangenehme Seite des Mittelmeers zu spüren. Obwohl nur ein schwacher Wind gemeldet war, nimmt der Wind plötzlich bis auf 40 Knoten (Windstärke 8) zu. In solchen Momenten sind wir noch stets angespannt, aber das Vertrauen kehrt immer mehr zurück, Mojito kämpft sich tapfer durch die aufgewühlte See. Dieser Küstenabschnitt ist bekannt für seine Wetterkapriolen, ja das haben wir gespürt!

Wir werden weiterhin täglich von der Coastguard „beguckt“, sie haben uns im Blick!

Von anderen Seglern hören wir, dass sie ständig kontrolliert werden und dass schnell mal willkürlich Bußgelder verteilt werden. Jürgen, zum Beispiel, ist von der Adria bis hierher dreizehn Mal kontrolliert worden und musste über 300,- €  Bußgeld bezahlen. Davon sind wir bis jetzt zum Glück verschont geblieben!

Nun bleibt noch die Überquerung des Golf di Taranto, also vom Fuß zum Absatz, oder von Kalabrien nach Apulien. Gallipoli heißt unser Ziel.

Auch hier entscheiden wir uns ganz früh morgens zu starten, der Wind soll Nachmittags einschlafen, bis dahin können wir schon zweidrittel der Strecke geschafft haben. Wir setzen die Segel, haben halben Wind, alles läuft gut. 

Wir sehen auf unseren Plotter, dass wir ein militärisches Übungsgebiet kreuzen. Dieses Gebiet ist mehr als 20 sm breit (also etwa 40 Km) und zieht sich durch das gesamte Gebiet von Nord nach Süd. Wir lesen dass es sich um ein Schießgebiet für U-Boote handelt. „Urg“, frage ich besorgt „woher wissen wir, wann sie Schießübungen machen und wann nicht…!“ Gute Frage…!

Es dauert nicht lange, da sehen wir ein Schnellboot Kurs auf uns nehmen – entweder Piraten oder Coastguard – man weiß nicht immer was besser ist…! Es ist die Coastguard. Nun ist es wohl so weit, nun sind wir dran, denken wir.

Nein, sie informieren uns, dass heute Schießübungen stattfinden und wir bitte unseren Kurs ändern sollen. Wir sollen nun auf Kurs 340 ° gehen für 13 sm. Okay, Widerrede nützt wohl nichts. Weder bringt uns dieser Kurs an unser Ziel nach Gallipoli, noch passt der Kurs zum Segeln. Also bergen wir die Segel und nehmen Kurs 340 °, wie befohlen. Es gibt noch eine Segelyacht mit dem gleichen Kurs wie wir, 2 – 3 sm vor uns, aber ohne AIS, also elektronisch nicht sichtbar. Was ist denn mit ihr, fragen wir uns, wollen aber nicht petzen. Vielleicht sind das dann später die sogenannten Kolateralschäden?? Wir beneiden die Segelyacht für ihr ungehindertes Durchfahren, vielleicht sollten wir beim nächsten Mal das AIS ausschalten und uns kurz „unsichtbar“ machen. Die Fischer machen das auch immer wieder.

Wir haben nicht viel Zeit darüber nachzudenken, es dauert nicht lang und wir bekommen einen Anruf über Funk, von der Coastguard: wir möchten doch bitte unseren Kurs ändern und nun 90 ° nehmen. Das ist ja ein Zickzackkurs, wir fühlen uns wie bei einer Schnitzeljagd. Dieser Kurs passt aber wieder zum Wind, also wieder Großsegel hoch (da wir keine elektrische Winsch für das Großsegel haben, stählt diese Übung Gerrit`s Körper, haha!). Die Freude über das Segeln ist von kurzer Dauer, da meldet sich wieder die Coastguard um uns einen neuen Kurs zu melden, nun sollen wir 2 sm südlich und 8 sm parallel zum Militärgebiet und dann dürfen wir wieder das Militärgebiet kreuzen. „Also doch Schnitzeljagd oder finde den Kurs, irgend so ein Spiel“ meine ich. „Ne“ meint Gerrit „die brauchen ein Ziel vor ihrer Linse“. Es fällt mir schwer darüber zu lachen, denn nachvollziehbar sind ihre Anweisungen nicht wirklich. Zum Glück wird auch ein Frachter angewiesen den gleichen Kurs zu fahren, der gibt uns doch dann hoffentlich Feuerschutz, schwitz! Mittlerweile ist der Wind eingeschlafen, also Segel bergen und Motor an. Dieser Zickzackkurs hat uns einen Umweg von 10 sm beschert, heißt fast zwei Stunden mehr!!

Wir sind nun in Apulien, dem Stiefelabsatz. Das krasse Gegenteil zu Kalabrien – es ist flach und es gibt mehr Touristen. Aber die Bucht von Gallipoli lockt mit klarem Wasser, netten Stränden, gesäumt von einer dichten Macchia.

Nachdem wir die nette Altstadt besichtigt haben und genug von dem dort angebotenem Touristenkitsch gesehen haben, ändern wir unseren Ankerplatz und bleiben ein paar Tage im südlichen Teil der Bucht von Gallipoli um den heftigen Wind der nächsten Tage abzuwettern. Dies ist der einzige, geeignete Platz dafür und hier lässt es sich gut aushalten: klares Wasser, Naturstrand und ab und zu eine kleine Strandbar. Es gibt hier wenig Menschen, doch im Sommer soll es hier dem Ballermann gleichen. Gut, dass wir jetzt die Ruhe genießen können und ein paar Arbeiten an Bord erledigen können. Es gibt immer noch Arbeiten nach unserem Mastbruch, die noch abgearbeitet werden müssen. Außerdem gibt es ein Problem mit der Elektrik. Wenn wir Abends das Ankerlicht einschalten, schaltet sich irgendwann von Geisterhand die Dreifarbenlaterne an, die besagt das wir in Bewegung sind und segeln. Hat sie sich einmal eingeschaltet, lässt sie sich nicht wieder ausschalten, es sei denn wir machen das Ankerlicht aus, was aber auch nicht klug ist, weil wir dann ohne Beleuchtung für andere Schiffe sind. So hat Gerrit einiges zu tun und alle Kabeln zu messen, um den Übeltäter zu finden.

Gallipoli, eine verwinkelte Altstadt
.. mit schönen Innenhöfen
und kleinen Aperitif-Bars, direkt an der Stadtmauer
Starkwind abwettern – in dieser Bucht lässt es sich aushalten

Als der Wind nachlässt geht es weiter nach Maria di Leuca, der südlichste Punkt von Italien. Hier nehmen wir Abschied von Italien, wir genießen einen Aperitif in der Abendsonne und denken gerne an die letzten sieben Monate in Sizilien und Italien zurück. Eine schöne Zeit!

in Santa Maria di Leuca gibt es zahlreiche stilvolle Sommervillen aus den Anfängen des 20. Jhdts.
der südlichste Zipfel des italienischen Stiefels. Hier treffen sich das Ionische und das Adriatische Meer. Finis terrae – Ende der Welt