Die Saison geht zu Ende, auf nach Sizilien

Die Saison geht zu Ende, der Herbst kommt mit großen Schritten.

Im Mittelmeer macht sich eine wunderbare Stimmung breit. Es sind deutlich weniger Boote unterwegs, meist ankern wir alleine, die Langfahrtsegler suchen langsam ihre Überwinterungsplätze auf. Auch wir arbeiten uns langsam in Richtung Sizilien.

Unser Problem ist die unstimmige Wettervorhersage, wir beobachten dies schon seit einigen Tagen. Es ist eine Mistral-Lage vorhergesagt und auch Wind aus dem Golf von Genua, beides nicht gut für uns. Wir haben eine Passage von 160 sm zu bewältigen und möchten weder Gegenwind noch Mistral haben!

Endlich scheint das Wetter passend, wir beschließen aufzubrechen. Wir haben Sorge, dass wir zu wenig Wind haben, doch wenn wir warten, laufen wir Gefahr eine Woche schlechtes Wetter abwettern zu müssen.

Wir nutzen die windstille Zeit zum angeln und fangen tatsächlich eine Goldmakrele! Wir haben ja schon Mitleid mit unseren gefangenen Fischen, das Töten fällt uns nicht leicht. Um es dem Fisch so angenehm wie möglich zu machen, bekommen er zunächst einen kräftigen Schluck Rum in die Kiemen, das betäubt..! Dann zappelt er nicht mehr so stark und Gerrit kann das Messer gezielter ansetzen um den Fisch nicht so lange leiden zu lassen. Wir beruhigen dann unser Gewissen und sind überzeugt, dass der Fisch einen glücklichen Tod hatte, im Vollrausch!

eine leckere Goldmakrele

Meine Freundin Ann schickt mir eine Nachricht über WhatsApp: in Ostfriesland bläst ein kräftiger Wind. „Dann schick was rüber“, so meine spontane, unüberlegte Antwort. Konnte ich doch nicht ahnen, dass sie es so wörtlich nimmt!

Während unserer Überfahrt nimmt unser Wind stetig zu, die Wellen auch, es gibt kein zurück, da müssen wir durch. Mojito fliegt über die Wellen, wir erreichen Geschwindigkeiten bis 10 Knoten und reffen ständig die Segel, ein komfortables Reisen sieht anders aus!

Die Wellen steigern sich auf drei bis vier Meter Höhe, der Wind erreicht in Böen Windstärke 8, es kommen starke Regenschauer hinzu. An Schlafen ist während der Nacht nicht zu denken, wir werden von den Wellen durchgeschüttelt und von den Böen beschleunigt, dazu gibt es abwechselnd eine Salzwasser- oder Süßwasser-Dusche. Da sind sie wieder die Momente in denen man sich aufs heimische Sofa wünscht, die Fernbedienung in der Hand….!

Drei Wetterberichte und keiner hatte diese Wetterlage gemeldet! Damit nicht genug – die letzten 30 sm können wir mit Gegenwind und seitlicher Welle motoren und bewegen uns nur mühsam voran. Mojito knallt in die Wellen und arbeitet sich tapfer dadurch.

ein kleiner erschöpfter Passagier! Auch ihm macht der starke Wind zu schaffen, er darf sich bei uns ausruhen

Am späten Nachmittag erreichen wir Marettimo, die westlichste Insel der Ägadischen Inseln, und lassen todmüde den Anker fallen. Wir sind erleichtert aber auch stolz gemeinsam diese ungemütliche Überfahrt gemeistert zu haben und holen nach einem Abendessen den überfälligen Schlaf nach.

Wir merken schnell, die Ägadischen Inseln vor Sizilien sind ein Wohlfühlort. Sie gehören zum größten Marinereservat des Mittelmeers, es gibt viele Fische, schönes Wasser und ein wunderbares Panorama. Das Licht ist wunderschön, wir können uns nicht satt sehen! Da kommt die Wasserschutzpolizei und fragt, ob wir eine Erlaubnis haben hier zu liegen. Schluck, äh…nein und jetzt? Wir haben uns extra eine von den vielen freien Ankerbojen genommen, um das Seegras zu schützen. Der Polizist ist sehr freundlich, kann leider nur ein paar Brocken Englisch, er erklärt uns, dass wir eine Erlaubnis online beantragen können und fährt weiter, wie nett!

Wir möchten sowieso zur Hauptinsel, zur Isola Favignana, also lösen wir die Leinen und segeln bei blauem Himmel und wenig Wind hinüber zur Nachbarinsel. Vergessen ist die raue Überfahrt von gestern, nun möchten wir auf keinen Fall auf dem heimischen Sofa sitzen mit der Fernbedienung in der Hand, oh nein…!

Auch die Isola Favignana ist ein äußerst sympathischer Ort – ein kleiner Hafen mit einem Fähranleger für die Fähren aus Palermo und von der Nachbarinsel Levanzo. Wir möchten ankern aber der einzige passende Platz ist direkt vor dem Hafen. Da sind wir schon wieder so „deutsch“ und zweifeln, ob dieser Platz erlaubt ist. Wir erwarten vom Platz verwiesen zu werden, doch nichts passiert. Statt dessen kommen noch weitere Yachten hinzu und in kurzer Zeit liegen wir mit vier Katamaranen und drei Segelbooten, wo wir gerade noch gezweifelt hatten, ob wir hier irgend jemandem im Weg liegen!

Es ist so schön hier, der Ort ist zwar touristisch, aber authentisch, das macht ihn sympathisch. Die Menschen hier sind sehr freundlich und entspannt. Als erstes geniessen wir eine Portion Eis auf der Piazza, herrlich!

ankern  zwischen dem Hafen von Favignana und der ehemaligen Thunfischfabrik
ehemalige Thunfischfabrik, im Vordergrund die schweren Anker für die Netze
Piazza auf Favignana

 

Palazzo Florio
ein alter Mann erzählt uns auf italienisch (wir haben fast nichts verstanden)von den guten alten Zeiten, als dieses Schiff noch zum Fischfang genutzt wurde und seufzt sehnsuchtsvoll (seine Gestik war international!)

Die Insel lebte hauptsächlich vom Thunfischfang, es gibt hier die ehemalige Thunfischfabrik zu besichtigen, wir ankern direkt davor, ein imposanter Bau.

 

Dieses beeindruckende und geschmackvolle Gebäude ist ein Eldorado für jeden Fotografen! Immer wieder zeigen sich bezaubernde Blicke durch schmiedeeiserne Fenster und Tore auf das Meer gesäumt von wunderschönen Rundbögen und grünen Innenhöfen, was für eine Architektur!

Eingang in die Fabrik
die Fabrik wird auch für Kunstausstellungen genutzt
Mojito hinter dem Tor
alte Holzschiffe für den Thunfischfang
direkter Zugang zum Wasser

 

in den zahlreichen Kupferkessel wurde der Thunfisch gekocht
in Dosen verpackt…

Bilder aus früheren Zeiten:
die Frauen in der Thunfischfabrik (ob das der heutigen Hygieneverordnung standhalten würde…?)

Wäre da nicht der bittere Tropfen mit dem äußerst blutigen Thunfischfang. Überall die Spuren der traditionellen Thunfischfangmethode, der sogenannten „Mantazza“(das heißt übersetzt: abschlachten). Dafür wurden riesige Netze von einer Insel zur Nachbarinsel gelegt und mit schweren Ankern fixiert. Die großen Thunfischschwärme, die im Frühjahr zum Laichen aus dem Atlantik ins östliche Mittelmeer zogen, wurden hier durch ein Netz-System in immer kleinere Kammern gelenkt. Die letzte Kammer ist die Todeskammer, hier gibt es kein Entkommen, die mächtigen Tiere wurden hier brutal abgeschlachtet, wie die zahlreichen Bilder dokumentieren. Noch heute ist diese Fangmethode eine gängige Methode, in japanischen Sushi-Bars werden hohe Preise für Thunfische gezahlt, die auf solch eine rituelle Weise gefangen werden. Heute kommen fast keine Thunfischschwärme mehr hier an, sie werden weit draußen von den großen Fischtrawlern abgefangen und gleich verarbeitet, auch keine Alternative und sicher geht es dort auch nicht tiergerecht zu.

das Abschlachten der Thunfische, die Mattanza

Uns vergeht der Appetit auf Thunfisch beim Anblick der blutrünstigen Bildern mit den Massen an leblosen Fischkörpern, ihrer Würde beraubt. Bei diesem Schlachtfest war die gesamte Bucht von Favignana blutgetränkt, das ist sicher.

Später sitzen wir in der kleinen Strandbar und bestellen zwei Panninis – „mit Thunfisch?“ – „oh nein, bitte nur Tomaten….!“

Wir möchten die letzten Tage auf See noch auskosten und in Buchten ankern, bevor es weitergeht nach Sizilien. Also suchen wir das Büro des Nationalparks auf, um eine Erlaubnis zum Ankern in den besonders geschützten Arealen zu bekommen. Gerrit hat es online probiert und sich durch die ausschließlich italienische Seite durchgekämpft, doch ohne Erfolg. Das Büro ist in einem schönen Palazzo untergebracht und der Mitarbeiter ist sehr freundlich.

Leider scheitert auch er am System, da muss sein Kollege kommen und als er uns die Gepflogenheiten für das Reservat auf englisch erklärt hat, und wir uns damit einverstanden erklärt haben, muss der dritte Kollege gerufen werden, denn er hat den Block für die Genehmigung! Aber sie sind hier alle so nett und das Gebäude so schön, wir fühlen uns pudelwohl und verlassen das Gebäude mit der Erlaubnis für zwei Ankertage und haben  dafür 60,-€ gezahlt. Das tun wir gerne, es kommt dem Nationalpark zugute!

Die zwei gebuchten Tage an der Ankerboje verbringen wir bei sehr viel Wind. (da hab ich doch mehr Vertrauen in unserem Anker, als in die Boje, von der man nie weiss ob sie wirklich gut befestigt ist!). Das Wetter beruhigt sich, nun geht es  Richtung Sizilien. Abends ankern wir direkt vor den Ausgrabungsstätten von Selinunte, eine griechische Siedlung aus dem 7 Jhd. v. Chr..

ankern vor Selinunte, Sizilien, unterhalb der Tempelruine

Wir ankern alleine vor dieser atemberaubenden Kulisse der mächtigen Tempelanlage, die wir natürlich gleich am nächsten Tag besichtigen wollen. So viel Geschichte an diesem Ort. Wer wohl schon alles genau hier geankert hat?! Wie viele blutige Schlachten und Dramen haben sich genau hier abgespielt, als die Karthager die griechische Kolonie zerstörten und als dann die Römer, 200 Jahre später auch wieder die neu aufgebaute Stadt endgültig zerstörten. Scheinbar geriet Sizilien ständig in die Schusslinie der Mächte! Und nun sind wir hier, an so einem geschichtsträchtigem Ort!

Weiter geht es die Küste entlang, bei herrlichem Segelwetter, wir mögen nicht daran denken, dass die Saison für uns zu Ende geht. Wir vermissen die schönen Ankerplätze jetzt schon und es fällt uns sehr schwer in einer Marina liegen zu müssen. Doch die Anzeichen sind unmißverständlich: der Herbst kommt mit großen Schritten, wie schade!

Nun geht es für mehrere Monate in die Marina di cala del Sole in Licata, Sizilien.