Galicien, Biskaya und der Ärmelkanal

Immer wenn der Wind günstig ist, versuchen wir weiter Richtung Norden zu kommen. Der reparierte Motor auf Steuerbord scheint seine Aufgabe anstandslos zu meistern. Gerrit misst ständig die Temperatur am Motor, wie bei einem kranken Patienten. Es gibt keine Beanstandungen, es ist alles im grünen Bereich, wie schön. Langsam können wir uns entspannen und die schöne Landschaft Galiciens genießen. Obgleich uns gleichzeitig auch bewusst ist, dass wir hier an der Costa da Morte, der Todesküste, entlang segeln. Eine sehr gefährliche Küste, da macht es schon Sinn, dass an Bord alles verlässlich funktioniert! Abends ankern wir vor Finisterre, der berühmteste Ort an der Todesküste, früher vermutete man hier das Ende der Welt. Der Ort sieht aus der Ferne einladend aus, wie das übrige Galicien auch, schade dass wir in Corona-Zeiten nicht an Land dürfen.

Finisterre

Am nächsten Tag führt uns unser Weg an der nördlichen Costa da Morte, in Richtung A Coruna. Das Wetter erlaubt den kürzeren Weg, mitten durch die Inselgruppe Islas Sisargas, ein Naturschutzgebiet mit mehreren unbewohnten Vogelinseln und vielen Untiefen. Der laue Wind lässt das Segeln nicht mehr zu, also bergen wir die Segel und starten die Motoren. Genau in dem Moment, indem wir uns  zwischen all den Unterwasserfelsen befinden, fängt der Steuerbordmotor an zu qualmen. Es kann ja wohl nicht wahr sein!! Warum zickt denn jetzt der zweite Motor auch noch? Warum gerade jetzt, es sind so viele Untiefen um uns, hier kann man so etwas überhaupt nicht gebrauchen!! Doch dieses Mal können wir zum Glück den Motor rechtzeitig ausstellen, bevor ein Schwelbrand entstehen kann, wenigstens das. Mit einem Motor und einem mulmigen Gefühl fahren wir weiter und erreichen Abends die schöne Ankerbucht von A Coruna. Gerrit sieht sich den Schaden genauer an und muss feststellen, es ist das gleiche Problem wie bereits beim Backbordmotor, nur mit weniger Schaden! Der beständige Nordostwind lässt eine Überquerung der Biskaya nicht zu, so haben wir genügend Zeit für die nötige Reparatur. In Baiona hatten wir zunächst den falschen Wassersammler bestellt und mussten noch einen zweiten bestellen. Diese Fehlbestellung passt aber nun genau auf die Steuerbordseite, so ein Glück. Gerrit ist ja nun in Übung und die Reparatur ist zügig erledigt.

Die Guardia Civil besucht uns umgehend und klärt uns darüber auf, dass wir selbstverständlich hier ankern dürfen und ein passendes Wetterfenster abwarten dürfen, aber dass wir nicht an Land dürfen. Wie immer, sind sie sehr freundlich und fahren mindestens einmal täglich vorbei, um nachzusehen ob wir uns an ihre Vorgaben halten.

Die Bucht ist wieder einmal wunderschön, wir können uns nicht sattsehen. Wenn man vor Anker liegt, dann ändert man mehrmals täglich die Perspektive. Je nach Wind und Strömung schwojt das Boot um den Anker. Das ist wunderbar, so wechseln sich die schönen Strände und Felsformationen mit sanften Hügellandschaften ab, oder man blickt auf bewaldete Flächen und dann wieder auf kleine Dörfer. Morgens werden wir von zahlreichen Vogelstimmen geweckt, ihren Gesang haben wir im Mittelmeer vermisst. Diese Bucht ist wirklich ein Wohlfühlort, hier kann man verweilen.

Die Ankerbucht bei A Coruna

Ab und zu kommen ein paar Tagessegler vorbei, das Leben in Spanien scheint sich etwas zu lockern, die Menschen dürfen nun täglich eine Stunde nach draußen. Ein übermütiger Segler hat ausgerechnet uns als Wendeboje für sein Segelmanöver ausgesucht und überschätzt dabei leider sein Können. Wir sind in dieser riesigen Bucht das einzige ankernde Boot und er schafft es tatsächlich uns seitlich zu rammen, Bingo, wir sind fassungslos! Ausgerechnet die Backbordseite, unsere schöne Schokoladenseite, da diese nach dem Mastbruch repariert und makellos ist. Nun leider nicht mehr!! Gerrit darf nun wieder spachteln und schleifen und sich maßlos über so viel Dummheit ärgern. Komisch, dass uns immer wieder die Frage gestellt wird, ob uns das Leben auf dem Boot nicht langweilig wird. Ich denke, diese Frage beantwortet sich an dieser Stelle von selbst!

Ein bescheidenes Wetterfenster zeigt sich nach einer Woche vor Anker, um die Biskaya queren zu können, der Wind soll auf Nordwest drehen. Es ist nicht perfekt, wir müssten hart am Wind segeln (also Wind von schräg vorne), kein guter Kurs für einen Catamaran, aber machbar. Es gibt sogar Hoffnung dass der Wind weiter dreht und wir dann südwestliche Winde bekämen, das wäre super, also los! Wer nichts wagt, der nichts gewinnt!

Die See ist kabbelig und bleibt es auch die ganze Zeit, wir können zwar segeln, brauchen aber meist einen Motor zur Unterstützung um nicht seitlich abzudriften, da wir zu hart am Wind sind. Dafür werden wir zum Schluss belohnt und können schließlich auf den Motor verzichten. Nun segeln wir bei schönstem Morgenlicht an der bretonischen Küste entlang, von der Strömung werden wir direkt in den Ärmelkanal gesogen. Mit achterlichem Wind, dem Sog und einer glatten See rauschen wir mit 13 Knoten Geschwindigkeit völlig schwerelos an der Ile de Quessant vorbei, was für ein Erlebnis! „Qui voit Quessant boit son sang“, ein alter Spruch der bretonischen Seeleute und heißt: wer Quessant sieht, trinkt sein Blut. Dieses Gebiet ist berüchtigt, es gibt hier zahlreiche Wracks, es haben sich hier viele Tragödien ereignet. Das gilt dieses Mal nicht für uns, zum Glück. Die Insel präsentiert sich aus der Ferne in einem wundervollen Licht und zeigt ihre windgeschliffene, bretonische Schönheit. Außerdem duftet es nach Heu und getrockneten Kräutern, und das hier draußen auf See! Wir werden die Ile de Quessant in bester Erinnerung behalten, für ein unglaublich schönes Licht, eine tolle Stimmung und ein unvergleichliches Segelerlebnis. Da kann man wieder sehen, das alles anders kommt als man denkt. Ausgerechnet vor dieser Stelle hatten wir uns etwas gefürchtet und nun das…!

Wir ziehen weiter durch und wollen in Richtung Roscoff, in die Marina. Leider erreichen wir die Marina erst um Mitternacht, die Ansteuerung durch das Tidengebiet erweist sich etwas spannend. Manchmal hat man bei nächtlichen Ansteuerungen so viele Blinkzeichen, dass sie sich schwer deuten lassen oder man gar geblendet wird. Hier in der Bretagne scheinen sie diesbezüglich einen Sparkurs zu fahren. Die zahlreichen Untiefen sind durch weiße Blinkfeuer gekennzeichnet, doch für die Hafenzufahrt hatten sie wohl nur noch eine einzige grüne Leuchttonne übrig, mehr nicht…! Ich bin etwas angespannt und bewundere Gerrit´s Ruhe, wenngleich seine nun wortkarge Art mich auch nervt. Gerade jetzt verspüre ich einen großen Diskussionsbedarf über diese dusselige Befeuerung und bekomme kein Feedback! Irgendwie schaffen wir es tatsächlich in die Marina und machen Mojito am Steg fest, was für ein schöner und erlösender Moment!

Roscoff zeigt sich als ein überaus reizvoller bretonischer Ort und das Beste ist: wir dürfen uns wieder frei bewegen und nach mehr als 8 Wochen eingesperrt sein, dürfen wir nun gemeinsam spazieren gehen, es ist unglaublich! Fast fühlen wir uns, als müssten wir das Laufen neu erlernen! 

Wir hatten uns bei unserer Reiseplanung vor der Corona-Zeit so sehr auf die Bretagne gefreut, auf Crêpes, Baguette und andere Delikatessen. Doch nun haben wir die Hoffnung begraben, dass wir in diesen Genuss kommen und freuen uns einfach über diesen schönen Ort. Wir können unser Glück nicht fassen, als wir tatsächlich eine geöffnete Crêperie sehen, natürlich nur außer Haus Verkauf, aber immerhin. Wir genehmigen uns jeweils eine Crêpe mit salzigem Karamell und genießen sie mit Blick auf den alten Hafen. Hm.., was für ein Leben!

Zurück auf Mojito erfüllt sich ein weiterer Herzenswunsch. Unser Stegnachbar ist zufällig der Bruder eines Bäckers. Er bringt uns am nächsten Morgen zwei Croissants, eine Baguette und ein traditionelles bretonisches Brot. Es ist eine hervorragende Baguette, pures Lebensglück, nun fehlt nur noch der Ziegenkäse und der Rotwein! Aber man kann nicht alles haben. Die Windvorhersage zeigt uns, dass wir aufbrechen müssen. Die ortskundigen Segler bestärken uns darin, also lösen wir schweren Herzens die Leinen und machen uns weiter auf den Weg Richtung Nordosten. Eines Tages kommen wir wieder, das ist sicher!

Mojito eingebettet im sicheren Hafen von Roscoff
der Kran auf Stelzen, bei mehr als 5 Meter Tidenhub
der alte Hafen von Roscoff fällt bei Niedrigwasser trocken
das Leben kehrt zurück – Boules-spielen nach Corona
Kapelle in Roscoff

Wir haben achterlichen Wind und die Gezeitenströmung läuft mit uns, alles ist perfekt. Es wäre perfekt wenn wir in Alderney, eine der Kanalinseln, ankern dürften. Aber ein Anruf beim örtlichen Hafenmeister zerschlägt unsere Hoffnung, Alderney ist wegen Coronamaßnahmen gesperrt. Wir könnten Guernsey anlaufen und dort an ein Schwimmsteg anlegen ohne an Land zu dürfen. Doch Guernsey bringt uns etwas vom Kurs ab, also beschließen wir weiter zu segeln, es läuft außerdem gerade so gut. Wir segeln weiter durch die Nacht, die unruhige See macht es zwar nicht komfortabel, aber wir kommen trotz Gegenströmung voran. Am nächsten Tag überlegen wir Le Havre anzulaufen, doch das würde einige Seemeilen Umweg bedeuten und der starke Wind von hinten bringt uns gut vorwärts, also lieber weiter. Ja, man sollte nicht übermütig werden im Seglerleben, dann bekommt man gleich die Quittung. Gerade wähnten wir uns noch in einer entspannten Situation: das haben wir uns alles viel schwieriger vorgestellt, aber es läuft recht easy. Na ja, die See könnte etwas ruhiger sein, die Welle schräg von hinten schüttelt uns doch unsanft durch, aber wir wollen ja nicht meckern. Gegen Abend schlägt die Strömung um, nun kommt sie uns entgegen. Von einem Moment zum nächsten türmt sich die Welle auf und es entsteht eine steile, kurze und extrem hohe Welle, dazu bläst der Wind von achtern in Böen mit Windstärke 7-8 Bft. und schickt uns in regelmäßigen Abständen lange Wellen von hinten. Mojito wird nun zum Spielball der Gewalten. Was nun folgt ist ein Höllenritt, der sich durch die ganze Nacht zieht und an unsere Nerven zerrt. Ein Einsteiger (große Welle von hinten) schlägt mit großem Getöse quer durchs Cockpit und flutet alle Backskisten. Oh Mann, das sind die Momente in denen man sich aufs heimische Sofa sehnt, mit der Fernbedienung in der Hand und der einzigen Sorge, das richtige Fernsehprogramm zu wählen.  Anstatt dass der Wind, wie gemeldet, ab Mitternacht abnimmt, bläst er kontinuierlich und wir brausen mit, auf nur 15 qm gerefften Segel (statt sonst gut 150 qm) durch die raue See und erreichen Geschwindigkeiten von 6-8 Knoten. Bei diesen Bedingungen ist es gefühlt viel zu schnell, die Welle knallt laut von unten gegen das Brückendeck, es lässt sich aber gerade leider nicht ändern.

Der schönste Moment nach so einem Erlebnis ist es, wenn man dann einen Hafen oder Ankerplatz erreicht. Wir sind Morgens in Boulogne-sur-Mer, die Sonne scheint, gleich machen wir uns ein schönes Frühstück und dann holen wir den versäumten Schlaf nach. Schließlich haben wir zwei Nächte wenig geschlafen. Was für schöne Aussichten! Doch da stehen plötzlich, wie aus dem Nichts, drei Männer an unserem Boot, sie sehen offiziell aus, es steht „Douane“ (Zoll) auf ihre Uniform. Sie erklären uns freundlich aber bestimmt, dass sie zu uns an Bord kommen möchten. Mist, dazu haben wir nun überhaupt keine Lust. Ich erkläre ihnen also ebenso freundlich, dass wir gerade angekommen sind und eine blöde nächtliche Segeltour hinter uns haben. Das versteht doch sicher jeder sensible Mensch, was ich eigentlich sagen will: „passt gerade nicht, kommt doch einfach später noch mal wieder.“  Ja, entgegnen sie, sie haben uns ankommen sehen und deshalb sind sie jetzt hier! Ach so, na dann…!     Sie suchen nach Drogen, große Mengen an Zigaretten, Alkohol (da fallen mir gleich unsere Weinvorräte aus Spanien ein. Müssen wir die angeben? Ich weiß gar nicht wie viel erlaubt ist, wir sagen nichts!) und große Geldmengen, so ab 10 000 €. Haha! Das wäre toll, wenn sie die finden würden! Tatsächlich gehen sie zu dritt durch Mojito und drehen alles auf links. Sie sind aber sehr nett und völlig begeistert von unserem Boot, das hört man gerne! Schließlich verlassen sie das Boot ohne den von uns erhofften Geldbetrag gefunden zu haben. Dafür haben sie unseren Weinvorrat auch nicht entdeckt, haha! Doch wir denken, der bewegt sich noch im Rahmen des Legalen. Aber man weiß ja nie!

Boulogne sur Mer

Zweiter Ausbruchsversuch- nun muss es klappen!

Wir sitzen in Cadiz fest und es scheint sich in absehbarer Zeit keine nennenswerte Änderung in Sachen Corona zu ergeben. Immer wieder legen Boote der Guardia Civil neben uns an, um die Nacht im Hafen zu verbringen. Wir kommen ins Gespräch, sie sind überaus freundlich, und auch sie raten uns möglichst zeitnah nach Deutschland zu gehen. Für uns ist aber eins klar: Mojito muss mit! Entweder wir gehen zu dritt oder überhaupt nicht. Mojito hier in Spanien zurück zu lassen und nicht zu wissen, wann wir wieder nach Spanien fliegen dürfen, ist für uns indiskutabel. Vielleicht herrscht in zwei Monaten wieder Normalität, vielleicht auch nicht, wer weiß das schon. Außerdem war es von Anfang an unser Plan mit Mojito nach Deutschland zu segeln und das ziehen wir jetzt durch.

Wir beobachten auf AIS jede Schiffsbewegung, es sind nur wenige, und immer wieder sehen wir Yachten, die wieder umdrehen, aus welchen Gründen auch immer, um dann wieder zurück zu ihrem Startpunkt zu segeln. Das ist so bitter, wir wissen  zu genau wie sich das anfühlt, die Armen!

Wir fühlen uns von der Botschaft und vom Auswärtigen Amt im Stich gelassen. Außer ein paar warme Worte gibt es keinerlei Unterstützung. Der Konsul von Malaga rät nun den deutschen Bürgern dringend zur Heimreise, da sich die Situation in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Es wäre nett, wenn wir von offizieller Seite ein klein wenig Unterstützung bekämen, zumindest eine Zusage, dass wir in Portugal irgendwo ankern dürfen. Nichts dergleichen!

Wir kontaktieren unseren Trans-Ocean Verein, ein Verein für Langfahrtsegler, sie haben ein Programm ins Leben gerufen um die Karibik-Rückkehrer zu unterstützen. Einer der Hauptakteure ist Johannes, wir kennen uns persönlich aus unserer gemeinsamen Zeit in der Karibik. Johannes versorgt uns mit Infos und will versuchen etwas für die Rückkehrer aus dem Mittelmeer zu erreichen. Sie leisten für die Rückkehrer eine großartige Arbeit, dafür gebührt ihnen viel Lob!

Scheinbar haben die offiziellen Seiten, wie z.B. das Auswärtige Amt, die Segler aus dem Mittelmeer oder den Kanaren nicht auf den Schirm. Dabei haben wir uns beim Auswärtigen Amt auf der dafür vorgegebenen Seite registriert, doch das scheint die Mühe nicht wert!

Wir wissen nun endgültig, dass wir keine Hilfe zu erwarten haben, wir müssen uns selbst helfen und uns auf den Weg machen. Gerrit checkt das Wetter und sieht plötzlich ein neues Wetterfenster: wenn wir uns an der Südküste Andalusiens und Portugal entlangkämpfen, bekommen wir tatsächlich einige Tage Südwestwinde vor der Westküste Portugals. Diese Winde sind so selten, das ist unsere jetzige Chance, demnach müssen wir morgen früh los. Wir kontaktieren die Marina und können tatsächlich sofort unsere Rechnung begleichen (obwohl Sonntagabend!), der Wecker ist gestellt, morgen früh soll es los gehen.

Es fühlt sich gut an, aus der Marina herauszufahren, endlich wieder ein Stück Freiheit. Komisch ist nur das Gefühl zu wissen, dass wir nun nirgends anlanden dürfen, in Portugal gar unerwünscht sind, es fühlt sich feindselig an. Diese Gedanken verdrängen wir, wir haben ein Ziel, möglichst weit nach Norden zu kommen. Eine Stunde später sind wir mitten in ein Schlechtwettergebiet mit Windböen bis 40 Knoten, oh je, wenn das nun so weiter geht…! Mojito kämpft sich tapfer durch Wind und Welle, wir dürfen nicht jammern, nein, wir können uns über jede geschaffte Seemeile freuen. Die Welle ist unangenehm, mir ist etwas flau im Magen, hoffentlich wird es besser wenn wir das südliche, portugiesische Kap Sagres geschafft haben, bis dahin dauert es ein Tag und eine Nacht.

Das Kap präsentiert sich bei Tagesanbruch in einem wundervollem Licht, die See ist glatt, es gibt fast keinen Wind. Wir müssen mal wieder die Motoren nutzen, zum segeln reicht der Wind nicht. Dafür können wir draußen duschen, bei herrlichem Sonnenschein frühstücken und uns über die schöne Landschaft freuen. Gerrit bemerkt, dass die Backbordmaschine etwas qualmt, also nicht sauber verbrennt. Er überprüft den Motor, misst mit der Messpistole die Temperaturen, alles im grünen Bereich, wir scheinen unsauberen Diesel in Cadiz getankt zu haben. Die Steuerbordmaschine qualmt auch leicht, das untermauert unsere Theorie.

Das Wetter hält, was uns der Wetterbericht versprochen hat, wir haben südliche Winde, mal weniger, mal mehr bis stürmisch aufbrausend, aber immerhin aus Südwest! Die Welle ist leider aus Nordwest, das macht das Ganze sehr unangenehm. Mojito knallt in die Wellentäler und vibriert wenn die Welle unter das Brückendeck schlägt. Die Schiffsbewegung ist ruppig, ich habe eine dauerhafte leichte Übelkeit, aber auch hier hilft kein Jammern, da muss ich jetzt durch. Am meisten tut uns Mojito leid, er bekommt wirklich harte Schläge. Gemeinsam schaffen wir es tatsächlich an Portugal komplett vorbei zu segeln, vier Tage und drei Nächte, 460 sm, eine stolze Leistung unter diesen Gegebenheiten. Wir beschließen Baiona anzulaufen, die erste Ankermöglichkeit in Spanien. Bei dem Gedanken eine Nacht durchschlafen zu können, ohne von den hohen Wellen durchgeschüttelt zu werden, kommt Freude auf. Auch  ein gemütliches Abendessen mit einer riesigen Portion Spaghetti sehe ich schon bildlich vor mir…, oh Baiona, wir kommen, was für eine schöne Vorstellung! Wir beratschlagen, ob wir Traffic Controll anfunken sollen und um Erlaubnis fragen sollen. Ich erinnere an unseren Kapitän von dem Frachtschiff „Dijksgracht“: auf unsere Frage, ob er sich in den Hoheitsgewässern anmelden würde, verneinte er dies und meinte: sollen sie uns doch anfunken, wenn sie was wissen wollen. So! Genauso machen wir es auch. Wer viel fragt, kriegt auch viele Antworten. In Portugal haben wir versucht uns anzuschleichen und haben vorher unser AIS ausgeschaltet, doch wir wurden sofort entdeckt. Warum sollen wir uns anmelden, wenn sie uns doch alle auf ihrem Radarschirm sehen. Auch unser AIS-Signal ist für alle sichtbar. Also verschwenden wir keine weitere Gedanken daran und nehmen die Ansteuerung in den Fokus.

Vor der Bucht braust der Wind noch einmal richtig auf, die Wellen brechen sich eindrucksvoll an der Küste, die See um uns scheint zu brodeln. Wir starten die Motoren, bergen die Segel und steuern die Bucht an, die Sicht ist schlecht, gut dass wir heutzutage einen Plotter haben. Wir sind auf die Ansteuerung konzentriert, die vielen Untiefen und die Gefahrentonnen müssen beachtet werden, wir versuchen uns zu orientieren. Plötzlich sehen wir, dass die Backbordmaschine dicke Rauchschwaden von sich gibt, ein denkbar ungünstiger Moment, wobei es fraglich ist, ob es dafür überhaupt einen günstigen Moment gibt! Ein brennender Motor ist immer ein worst case auf einem Schiff! Gerrit stellt sofort den Motor ab, nun geht es mit einer Maschine weiter. Ein Catamaran ist dann nur eingeschränkt manövrierfähig, aber immerhin, wir haben eine zweite Maschine, für einen Monohull wäre dies noch schlimmer. Wir haben jetzt, an dieser Stelle, keine andere Wahl als weiter die Bucht anzulaufen. Mit nur einer Maschine haben wir keine Chance umzudrehen. Die Anspannung bleibt hoch, die See ist unruhig und der Wind braust auf 25 Knoten von der Seite auf. Wir beraten uns und beschließen die Motorluke erst einmal nicht zu öffnen, um dem vermutlichen Schwelbrand  keinen Sauerstoff zuzuführen. Im Motorraum haben wir Fireballs installiert, die sich ab einer bestimmten Temperatur selbst auslösen, auf die setzen wir nun unser Vertrauen. Zusätzlich holen wir noch einen weiteren Feuerlöscher, den wir für den Fall der Fälle bereithalten. Ich beobachte weiter die Rauchentwicklung, während Gerrit Mojito langsam Richtung sichere Bucht steuert.  Die 4 Meter hohe Atlantikwelle schiebt uns von hinten, es ist schwierig mit nur einer Maschine Mojito grade zu halten, es besteht große Gefahr querzuschlagen, ein Albtraum. Die Tiefe nimmt schnell ab, das macht die See so brodelnd, dazu kommen die zahlreichen Riffe und Felsen, gefühlt befinden wir uns in einem Hexenkessel.  Es geht quälend langsam voran, der Adrenalinspiegel steigt stetig, dafür bilden wir uns ein, dass der Rauch langsam weniger wird. Oder ist es nur ein Wunschdenken? Wir funken die Marina an und erhoffen uns eventuell Hilfestellung beim Anlegen (mit nur einer Maschine), leider bekommen wir keine Rückmeldung. Also beschließen wir zu ankern. Der Wind lässt deutlich nach, je tiefer wir in die Bucht kommen. Hauptsache der Anker greift beim ersten Versuch, denn wir haben keine Möglichkeit mehrere Ankermanöver zu fahren. Laut Handbuch soll der Ankergrund hier schlecht haltend sein, auch das noch! Unser Rocna-Anker lässt uns auch dieses Mal nicht im Stich und greift sofort, wow!!  Ein Blick im Motorraum zeigt das Ausmaß der Zerstörung: es gab einen Schwelbrand am Auspuff, der Wassersammler ist geschmolzen, es stinkt nach verbranntem Plastik. Das Wichtigste: es brennt nichts mehr, soweit ist alles gut. Nun werden wir uns erst von dem Schreck erholen, essen, schlafen und morgen sehen wir uns das alles genauer an. Weitere Verluste/Schäden auf dieser Reise: unsere portugiesische Gastlandflagge ging verloren (das hat Symbolcharakter!!), eine Segellatte hat sich gelöst und das Lazzybag ist durch die Reffleinen eingerissen. Doch das lässt sich alles reparieren oder ersetzen.

Zum Glück lässt sich am nächsten Morgen der Motor kurz starten, demnach ist es kein Totalschaden, das ist doch schon mal sehr positiv. Vor Freude tanze ich jubelnd durch den Salon. Gerrit verbringt den ganzen Tag im Motorraum, baut die beschädigten Teile aus, kontrolliert alle anderen und sucht nach der Ursache. Der Wassersammler ist komplett geschmolzen, ebenso der Abgasschlauch. Der gesamte Motorraum ist verrußt. Wir versuchen den ansässigen Volvo-Penta-Händler zu kontaktieren, erfahren aber auf Spanisch, dass heute der 1. Mai ist, dann Wochenende und vor Montag also nichts zu machen ist. Wir hätten die jetzigen südlichen Winde so gerne genutzt, um die Biskaya zu queren, es wäre perfekt gewesen. Nun ja, das Seglerleben zeigt mir immer wieder, dass ich mich in Geduld üben muss, wahrlich nicht meine Stärke, aber ich lerne! Derweil schauen wir uns sehnsüchtig von unserem Ankerplatz das Land an und erkennen einen beschaulichen Ort.

In den Hafen von Baiona lief 1493 die Karavelle von Christoph Kolumbus ein und brachte die Nachricht von der Entdeckung der neuen Welt, von Amerika, mit. Trotz der dicken Regenwolken sieht es sehr schön aus, diese weitläufige Bucht mit ihren Stränden, umgeben von sanften bewaldeten Hügeln. Auf der angrenzenden Halbinsel gibt es eine große Burg mit einer weitläufigen Wehrmauer, heute ein Parador (Hotel). Ach, wie gerne würden wir auf Erkundungstour gehen, so selbstverständlich wie wir es vor Corona taten.

                                                                                                                                     Wir staunen als uns eine nette Email erreicht. Hello, schreiben sie uns auf Englisch, wir sind Mihai and Ioana  und wir sehen euren schönen Catamaran von unserer Terrasse aus. Wir heißen euch willkommen in Baiona und wenn wir etwas für euch tun können, lasst es uns wissen. Auch teilen sie uns mit, dass es noch keinen Covid-Fall in Baiona gegeben hat, wir uns also keine Sorgen machen müssen. Wie nett! Wie herzerwärmend es immer wieder ist, so lieben Menschen zu begegnen. Als sie von unseren technischen Problemen erfahren, bieten die beiden uns sogar an, wenn nötig, uns mit dem Auto zu fahren. Sie schicken uns auch eine Karte, in der sie den besten Supermarkt gekennzeichnet haben und ein Fischgeschäft empfehlen. Vielen, vielen Dank dafür, das ist wirklich sehr lieb! Schon gleich ist das alles gar nicht mehr so schlimm und Galicien hat ganz sicher einen Platz in unserem Herzen!  

Marina Puerto Sherry
das Unterwasserschiff wird gesäubert
Die nötigen Besorgungen lassen einen kurzen Blick auf die Sehenswürdigkeiten zu. Hier die Stierkampfarena von El Puerto De Santa Maria
während die einen in den Winterschlaf geschickt werden, müssen andere arbeiten. Ameisen schleppen gemeinsam eine Blüte weg
Die Burg von Baiona
die weitläufige Bucht von Baiona
unser geschmolzener Wassersammler