Immer wenn der Wind günstig ist, versuchen wir weiter Richtung Norden zu kommen. Der reparierte Motor auf Steuerbord scheint seine Aufgabe anstandslos zu meistern. Gerrit misst ständig die Temperatur am Motor, wie bei einem kranken Patienten. Es gibt keine Beanstandungen, es ist alles im grünen Bereich, wie schön. Langsam können wir uns entspannen und die schöne Landschaft Galiciens genießen. Obgleich uns gleichzeitig auch bewusst ist, dass wir hier an der Costa da Morte, der Todesküste, entlang segeln. Eine sehr gefährliche Küste, da macht es schon Sinn, dass an Bord alles verlässlich funktioniert! Abends ankern wir vor Finisterre, der berühmteste Ort an der Todesküste, früher vermutete man hier das Ende der Welt. Der Ort sieht aus der Ferne einladend aus, wie das übrige Galicien auch, schade dass wir in Corona-Zeiten nicht an Land dürfen.
Am nächsten Tag führt uns unser Weg an der nördlichen Costa da Morte, in Richtung A Coruna. Das Wetter erlaubt den kürzeren Weg, mitten durch die Inselgruppe Islas Sisargas, ein Naturschutzgebiet mit mehreren unbewohnten Vogelinseln und vielen Untiefen. Der laue Wind lässt das Segeln nicht mehr zu, also bergen wir die Segel und starten die Motoren. Genau in dem Moment, indem wir uns zwischen all den Unterwasserfelsen befinden, fängt der Steuerbordmotor an zu qualmen. Es kann ja wohl nicht wahr sein!! Warum zickt denn jetzt der zweite Motor auch noch? Warum gerade jetzt, es sind so viele Untiefen um uns, hier kann man so etwas überhaupt nicht gebrauchen!! Doch dieses Mal können wir zum Glück den Motor rechtzeitig ausstellen, bevor ein Schwelbrand entstehen kann, wenigstens das. Mit einem Motor und einem mulmigen Gefühl fahren wir weiter und erreichen Abends die schöne Ankerbucht von A Coruna. Gerrit sieht sich den Schaden genauer an und muss feststellen, es ist das gleiche Problem wie bereits beim Backbordmotor, nur mit weniger Schaden! Der beständige Nordostwind lässt eine Überquerung der Biskaya nicht zu, so haben wir genügend Zeit für die nötige Reparatur. In Baiona hatten wir zunächst den falschen Wassersammler bestellt und mussten noch einen zweiten bestellen. Diese Fehlbestellung passt aber nun genau auf die Steuerbordseite, so ein Glück. Gerrit ist ja nun in Übung und die Reparatur ist zügig erledigt.
Die Guardia Civil besucht uns umgehend und klärt uns darüber auf, dass wir selbstverständlich hier ankern dürfen und ein passendes Wetterfenster abwarten dürfen, aber dass wir nicht an Land dürfen. Wie immer, sind sie sehr freundlich und fahren mindestens einmal täglich vorbei, um nachzusehen ob wir uns an ihre Vorgaben halten.
Die Bucht ist wieder einmal wunderschön, wir können uns nicht sattsehen. Wenn man vor Anker liegt, dann ändert man mehrmals täglich die Perspektive. Je nach Wind und Strömung schwojt das Boot um den Anker. Das ist wunderbar, so wechseln sich die schönen Strände und Felsformationen mit sanften Hügellandschaften ab, oder man blickt auf bewaldete Flächen und dann wieder auf kleine Dörfer. Morgens werden wir von zahlreichen Vogelstimmen geweckt, ihren Gesang haben wir im Mittelmeer vermisst. Diese Bucht ist wirklich ein Wohlfühlort, hier kann man verweilen.
Ab und zu kommen ein paar Tagessegler vorbei, das Leben in Spanien scheint sich etwas zu lockern, die Menschen dürfen nun täglich eine Stunde nach draußen. Ein übermütiger Segler hat ausgerechnet uns als Wendeboje für sein Segelmanöver ausgesucht und überschätzt dabei leider sein Können. Wir sind in dieser riesigen Bucht das einzige ankernde Boot und er schafft es tatsächlich uns seitlich zu rammen, Bingo, wir sind fassungslos! Ausgerechnet die Backbordseite, unsere schöne Schokoladenseite, da diese nach dem Mastbruch repariert und makellos ist. Nun leider nicht mehr!! Gerrit darf nun wieder spachteln und schleifen und sich maßlos über so viel Dummheit ärgern. Komisch, dass uns immer wieder die Frage gestellt wird, ob uns das Leben auf dem Boot nicht langweilig wird. Ich denke, diese Frage beantwortet sich an dieser Stelle von selbst!
Ein bescheidenes Wetterfenster zeigt sich nach einer Woche vor Anker, um die Biskaya queren zu können, der Wind soll auf Nordwest drehen. Es ist nicht perfekt, wir müssten hart am Wind segeln (also Wind von schräg vorne), kein guter Kurs für einen Catamaran, aber machbar. Es gibt sogar Hoffnung dass der Wind weiter dreht und wir dann südwestliche Winde bekämen, das wäre super, also los! Wer nichts wagt, der nichts gewinnt!
Die See ist kabbelig und bleibt es auch die ganze Zeit, wir können zwar segeln, brauchen aber meist einen Motor zur Unterstützung um nicht seitlich abzudriften, da wir zu hart am Wind sind. Dafür werden wir zum Schluss belohnt und können schließlich auf den Motor verzichten. Nun segeln wir bei schönstem Morgenlicht an der bretonischen Küste entlang, von der Strömung werden wir direkt in den Ärmelkanal gesogen. Mit achterlichem Wind, dem Sog und einer glatten See rauschen wir mit 13 Knoten Geschwindigkeit völlig schwerelos an der Ile de Quessant vorbei, was für ein Erlebnis! „Qui voit Quessant boit son sang“, ein alter Spruch der bretonischen Seeleute und heißt: wer Quessant sieht, trinkt sein Blut. Dieses Gebiet ist berüchtigt, es gibt hier zahlreiche Wracks, es haben sich hier viele Tragödien ereignet. Das gilt dieses Mal nicht für uns, zum Glück. Die Insel präsentiert sich aus der Ferne in einem wundervollen Licht und zeigt ihre windgeschliffene, bretonische Schönheit. Außerdem duftet es nach Heu und getrockneten Kräutern, und das hier draußen auf See! Wir werden die Ile de Quessant in bester Erinnerung behalten, für ein unglaublich schönes Licht, eine tolle Stimmung und ein unvergleichliches Segelerlebnis. Da kann man wieder sehen, das alles anders kommt als man denkt. Ausgerechnet vor dieser Stelle hatten wir uns etwas gefürchtet und nun das…!
Wir ziehen weiter durch und wollen in Richtung Roscoff, in die Marina. Leider erreichen wir die Marina erst um Mitternacht, die Ansteuerung durch das Tidengebiet erweist sich etwas spannend. Manchmal hat man bei nächtlichen Ansteuerungen so viele Blinkzeichen, dass sie sich schwer deuten lassen oder man gar geblendet wird. Hier in der Bretagne scheinen sie diesbezüglich einen Sparkurs zu fahren. Die zahlreichen Untiefen sind durch weiße Blinkfeuer gekennzeichnet, doch für die Hafenzufahrt hatten sie wohl nur noch eine einzige grüne Leuchttonne übrig, mehr nicht…! Ich bin etwas angespannt und bewundere Gerrit´s Ruhe, wenngleich seine nun wortkarge Art mich auch nervt. Gerade jetzt verspüre ich einen großen Diskussionsbedarf über diese dusselige Befeuerung und bekomme kein Feedback! Irgendwie schaffen wir es tatsächlich in die Marina und machen Mojito am Steg fest, was für ein schöner und erlösender Moment!
Roscoff zeigt sich als ein überaus reizvoller bretonischer Ort und das Beste ist: wir dürfen uns wieder frei bewegen und nach mehr als 8 Wochen eingesperrt sein, dürfen wir nun gemeinsam spazieren gehen, es ist unglaublich! Fast fühlen wir uns, als müssten wir das Laufen neu erlernen!
Wir hatten uns bei unserer Reiseplanung vor der Corona-Zeit so sehr auf die Bretagne gefreut, auf Crêpes, Baguette und andere Delikatessen. Doch nun haben wir die Hoffnung begraben, dass wir in diesen Genuss kommen und freuen uns einfach über diesen schönen Ort. Wir können unser Glück nicht fassen, als wir tatsächlich eine geöffnete Crêperie sehen, natürlich nur außer Haus Verkauf, aber immerhin. Wir genehmigen uns jeweils eine Crêpe mit salzigem Karamell und genießen sie mit Blick auf den alten Hafen. Hm.., was für ein Leben!
Zurück auf Mojito erfüllt sich ein weiterer Herzenswunsch. Unser Stegnachbar ist zufällig der Bruder eines Bäckers. Er bringt uns am nächsten Morgen zwei Croissants, eine Baguette und ein traditionelles bretonisches Brot. Es ist eine hervorragende Baguette, pures Lebensglück, nun fehlt nur noch der Ziegenkäse und der Rotwein! Aber man kann nicht alles haben. Die Windvorhersage zeigt uns, dass wir aufbrechen müssen. Die ortskundigen Segler bestärken uns darin, also lösen wir schweren Herzens die Leinen und machen uns weiter auf den Weg Richtung Nordosten. Eines Tages kommen wir wieder, das ist sicher!
Wir haben achterlichen Wind und die Gezeitenströmung läuft mit uns, alles ist perfekt. Es wäre perfekt wenn wir in Alderney, eine der Kanalinseln, ankern dürften. Aber ein Anruf beim örtlichen Hafenmeister zerschlägt unsere Hoffnung, Alderney ist wegen Coronamaßnahmen gesperrt. Wir könnten Guernsey anlaufen und dort an ein Schwimmsteg anlegen ohne an Land zu dürfen. Doch Guernsey bringt uns etwas vom Kurs ab, also beschließen wir weiter zu segeln, es läuft außerdem gerade so gut. Wir segeln weiter durch die Nacht, die unruhige See macht es zwar nicht komfortabel, aber wir kommen trotz Gegenströmung voran. Am nächsten Tag überlegen wir Le Havre anzulaufen, doch das würde einige Seemeilen Umweg bedeuten und der starke Wind von hinten bringt uns gut vorwärts, also lieber weiter. Ja, man sollte nicht übermütig werden im Seglerleben, dann bekommt man gleich die Quittung. Gerade wähnten wir uns noch in einer entspannten Situation: das haben wir uns alles viel schwieriger vorgestellt, aber es läuft recht easy. Na ja, die See könnte etwas ruhiger sein, die Welle schräg von hinten schüttelt uns doch unsanft durch, aber wir wollen ja nicht meckern. Gegen Abend schlägt die Strömung um, nun kommt sie uns entgegen. Von einem Moment zum nächsten türmt sich die Welle auf und es entsteht eine steile, kurze und extrem hohe Welle, dazu bläst der Wind von achtern in Böen mit Windstärke 7-8 Bft. und schickt uns in regelmäßigen Abständen lange Wellen von hinten. Mojito wird nun zum Spielball der Gewalten. Was nun folgt ist ein Höllenritt, der sich durch die ganze Nacht zieht und an unsere Nerven zerrt. Ein Einsteiger (große Welle von hinten) schlägt mit großem Getöse quer durchs Cockpit und flutet alle Backskisten. Oh Mann, das sind die Momente in denen man sich aufs heimische Sofa sehnt, mit der Fernbedienung in der Hand und der einzigen Sorge, das richtige Fernsehprogramm zu wählen. Anstatt dass der Wind, wie gemeldet, ab Mitternacht abnimmt, bläst er kontinuierlich und wir brausen mit, auf nur 15 qm gerefften Segel (statt sonst gut 150 qm) durch die raue See und erreichen Geschwindigkeiten von 6-8 Knoten. Bei diesen Bedingungen ist es gefühlt viel zu schnell, die Welle knallt laut von unten gegen das Brückendeck, es lässt sich aber gerade leider nicht ändern.
Der schönste Moment nach so einem Erlebnis ist es, wenn man dann einen Hafen oder Ankerplatz erreicht. Wir sind Morgens in Boulogne-sur-Mer, die Sonne scheint, gleich machen wir uns ein schönes Frühstück und dann holen wir den versäumten Schlaf nach. Schließlich haben wir zwei Nächte wenig geschlafen. Was für schöne Aussichten! Doch da stehen plötzlich, wie aus dem Nichts, drei Männer an unserem Boot, sie sehen offiziell aus, es steht „Douane“ (Zoll) auf ihre Uniform. Sie erklären uns freundlich aber bestimmt, dass sie zu uns an Bord kommen möchten. Mist, dazu haben wir nun überhaupt keine Lust. Ich erkläre ihnen also ebenso freundlich, dass wir gerade angekommen sind und eine blöde nächtliche Segeltour hinter uns haben. Das versteht doch sicher jeder sensible Mensch, was ich eigentlich sagen will: „passt gerade nicht, kommt doch einfach später noch mal wieder.“ Ja, entgegnen sie, sie haben uns ankommen sehen und deshalb sind sie jetzt hier! Ach so, na dann…! Sie suchen nach Drogen, große Mengen an Zigaretten, Alkohol (da fallen mir gleich unsere Weinvorräte aus Spanien ein. Müssen wir die angeben? Ich weiß gar nicht wie viel erlaubt ist, wir sagen nichts!) und große Geldmengen, so ab 10 000 €. Haha! Das wäre toll, wenn sie die finden würden! Tatsächlich gehen sie zu dritt durch Mojito und drehen alles auf links. Sie sind aber sehr nett und völlig begeistert von unserem Boot, das hört man gerne! Schließlich verlassen sie das Boot ohne den von uns erhofften Geldbetrag gefunden zu haben. Dafür haben sie unseren Weinvorrat auch nicht entdeckt, haha! Doch wir denken, der bewegt sich noch im Rahmen des Legalen. Aber man weiß ja nie!