Unsere Segelsaison 2022 startet und auch dieses Jahr schreiben wir einen Blog und laden jeden Interessierten gerne dazu ein, uns gedanklich zu begleiten.
Unsere Planung für dieses Jahr war ursprünglich eine andere. Wir wollten in den Bothnischen Meerbusen, die Ostküste Schwedens ganz nach Norden segeln und dann entlang der finnischen Küste zurück ins Baltikum. Doch angesichts der augenblicklich angespannten Lage durch Putins Krieg und der damit verbundenen militärischen Präsenz in dieser Gegend, sahen wir uns genötigt, den ursprünglichen Plan zu überdenken. Recht kurzfristig haben wir uns daher lieber für Plan B entschieden! Plan B bedeutet, wir segeln durch Dänemark nach Norden, hinüber nach Schweden und dann in Richtung Norwegen – so der grobe Plan. Sind wir in Norwegen, werden wir je nach Wind und Wetter entscheiden, wie weit und wann wir zurück segeln.
Zunächst müssen wir Mojito aus dem Winterschlaf wecken. Das Wetter ist noch kalt und nass, da fällt es schwer, sich für die notwendigen Arbeiten am Schiff aufzuraffen. Überhaupt fällt es bei den Temperaturen sehr schwer sich vom heimischen Sofa zu erheben und daran zu denken hinaus ins Ungewisse zu reisen. Es ist ja so bequem Zuhause! Aber genau diese Bequemlichkeit wollen wir nicht zulassen, also heißt es aufstehen, rausgehen..!
Mojito steht im Winter auf einem Außenplatz mit Blick auf Norderney, leider auch dem norddeutschen Wind und Wetter ausgesetzt! Wir beginnen also erst innen und arbeiten uns mit den langsam steigenden Temperaturen nach außen. Der Anfang fällt schwer, schon aufgrund der niedrigen Temperaturen, doch nach und nach arbeiten wir uns weiter und schließlich sind die ersten Arbeiten geschafft! Der Inverter und die Impeller-Pumpen sind getauscht, die Schränke sind gesäubert, die Rümpfe sind gewachst, das Teakdeck vom Grünspan befreit und neu behandelt, die Antriebe neu gestrichen. Mojito kann ins Wasser gekrant werden. Los geht es, zunächst soll es für ein paar Tage nach Greetsiel gehen, um die restlichen nötigen Vorbereitungen abzuarbeiten.
Wir merken jedoch schon gleich, dass eins der beiden Ruder sehr schwergängig ist. Wir versuchen es zunächst schön zu reden und hoffen, dass es von alleine wieder gängig wird. Das klappt leider nicht, wie schade. Das bedeutet, dass Mojito wieder aus dem Wasser muss, hm! Es ist wie es ist!
Aber erst einmal freuen wir uns wieder in Greetsiel zu sein und vielen netten Menschen zu begegnen, alle sind voller Vorfreude auf die bevorstehende Saison. Als Highlight steht für uns außerdem ein Treffen mit Angela und Christoph an. Sie sind mit ihrem Boot auf dem Weg in die Ostsee und wollen in Greetsiel Halt machen. Vor fünf Jahren fassten wir gemeinsam den Plan über den Atlantik zu segeln, doch sie sind dann erst ein Jahr nach uns gestartet. Wir haben uns seit fünf Jahren nicht gesehen und haben genügend Gesprächsstoff über all unsere Erlebnisse in der Karibik und anderswo. Es ist ein schönes Wiedersehen, so als wäre unser letztes Treffen gerade gestern gewesen.
Die restlichen Arbeiten an Bord sind erledigt, wir haben wieder reichlich proviantiert, die letzten „Landtermine“ sind erledigt. Bleibt nur noch das Ruderproblem, dafür muss ein Krantermin bei der Werft vereinbart werden. Wenn alles nach Plan verläuft, könnten wir das auf dem Weg erledigen, das wäre prima! Das Timing ist speziell, wir müssen mit auflaufendem Wasser von Greetsiel nach Norddeich, dort kranen, reparieren und noch bei Hochwasser wieder ins Wasser um noch Norderney erreichen zu können, das wäre perfekt, aber auch sportlich! Da uns dieses Ruderproblem bereits bekannt ist, und wir die nötige Reparatur kennen, hat Gerrit das passende Werkzeug und den Ausbau des Ruders vorbereitet, alles läuft nach Plan, Mojito ist eine Stunde später wieder im Wasser, das Ruder läuft wieder leicht und wir erreichen Norderney am späten Nachmittag. Nun kann die Saison starten!
In aller Frühe verlassen wir am nächsten Morgen Norderney und segeln hinaus in die windige, graue Nordsee. Es ist ein ruppiger Törn mit unangenehmer Welle, es ist kalt, die Nordsee wirkt grau und unfreundlich. Mojito und Gerrit machen ihren Job prima, nur ich bin etwas seekrank, da müssen wohl noch erst die „Seebeine“ wachsen!
Gerne wären wir den direkten Weg nach Dänemark gesegelt, doch der Wind passt nicht. So können wir leider nicht, wie ursprünglich geplant, auf Helgoland zollfrei tanken, das ist bei den aktuellen Spritpreisen natürlich sehr schade. Statt dessen geht es nun durch den Nord-Ostsee-Kanal, aber zunächst laufen wir Cuxhaven an. Als wir am nächsten Morgen in Cuxhaven tanken, kommt ein Mann auf uns zugerannt und wir staunen, als wir ihn schließlich erkennen. Es ist Martin! Er ist zusammen mit seiner Familie, mit dem Katamaran „Tamouré“, in der „Sail The Odysee“-Gruppe mit uns über den Atlantik gesegelt. Gemeinsam sind wir später nach Union Island gesegelt, dort trennten sich unsere Wege. Nun, fünf Jahre später, treffen wir uns zufällig in Cuxhaven an der Tankstelle wieder!! Was für ein Zufall und was für eine Freude, die Welt ist so klein. Es ist leider nur ein kurzes Wiedersehen. Wir müssen die Tankstelle freimachen und Martin bereitet sich mit seiner Crew auf eine Regatta vor. Mal sehen, wo wir uns das nächste Mal treffen. Vielleicht wenn wir Martins Wohnort, die Bretagne, bereisen. Dieses Ziel steht definitiv auf unserer Wunschliste und ein Wiedersehen, mit mehr Zeit, wäre wunderbar!
Der NOK spuckt uns in die Ostsee aus und wir suchen gleich „unseren“ Ankerplatz in der Kieler Förde auf, direkt vor Heikendorf. Der Sonnenuntergang ist mal wieder spektakulär, die Farben wirken fast übertrieben.
Am nächsten Tag frühstücken wir gemütlich und lassen uns Zeit, laut Vorhersage haben wir wenig Wind zu erwarten. Noch beratschlagen wir, ob es überhaupt Sinn macht heute zu segeln oder ob wir heute einfach vor Anker liegen bleiben. Wir beschließen schließlich, es ganz gemütlich angehen zu lassen. Wir segeln ein paar Seemeilen, mal sehen wie weit wir kommen, so der Plan.
Kaum gestartet nimmt der Wind zu und wir brausen mit 7 – 9 Knoten Geschwindigkeit durch die Kieler Förde. Es ist ein Regatta-Wochenende, mit vielen Regattafeldern und dazu kommen noch unzählige Wochenendsegler. Wir fühlen uns ein wenig wie auf einem Autobahnkreuz, so haben wir uns unser „gemütliches Segeln“ heute definitiv nicht vorgestellt! Wir müssen höllisch aufpassen nicht versehentlich in eines der vielen Regattafelder zu kommen, dazu noch die Vorfahrtregeln mit den übrigen Segelbooten beachten. Hui! Da steigt der Adrenalinspiegel durchaus mal kurz an! Geschafft! Wir sind raus aus der Förde und rauschen hinaus in die Ostsee, nun haben wir viel Platz und können entspannen. Wir machen viel mehr Strecke als gedacht und ankern abends schon in Dänemark. Unterwegs fangen wir sogar noch einen schönen Hornhecht, was für ein Tag! Abends essen wir zum ersten Mal einen Hornhecht, er schmeckt vorzüglich und die blaugrünen Gräten wirken sehr stylisch und lassen sich sehr gut finden, wie praktisch! Warum haben nicht alle Fische farbige Gräten?!
Unser Weg führt uns zunächst durch Sönderborg zum Kleinen Belt. Die Landschaft ist wunderschön, es gibt schöne Ankerplätze und würde das Wetter auch mitspielen, dann wäre es das Paradies!
Leider ist es vornehmlich grau und kalt, schade. Um der Temperatur zu trotzen und um Gerrit ein wenig zu imponieren, springe ich trotz allem ins 12 Grad kalte Wasser, puh!! Kleiner Trost: es strafft das Gewebe! Hoffentlich!
Wir ankern schließlich vor Kolding. Die Stadt ist unter den 10 Highlights Dänemarks in unserem Reiseführer aufgelistet. Es ist kalt und es regnet, ein perfekter Tag für einen Museumsbesuch, wenn man nicht mit dem Dinghi hinfahren müsste! Als Segler ist man ja bekanntlich hart im Nehmen, so sagt man, also warm anziehen und dann geht es los. Der Weg ist lang, die Welle kommt von der Seite und es regnet. Eins ist sicher: wir werden nass, von oben und von der Seite! Nun noch eine passende Anlegemöglichkeit suchen und an Land klettern, alles nicht so einfach!
Geschafft, nun sehen wir uns dänische Kunst und Design an. Die Ausstellung packt uns nicht wirklich, dafür bekommen wir im stark geheizten Museum, aufgrund unserer warmen Kleidung, Hitzewallungen und beschließen nach dem Museumsbesuch wieder zurück, durch die graue Bucht, zum Boot zu fahren. Dieses Mal schwappt die Welle von der anderen Seite ins Boot, nun wird Gerrit nass, ha, geteiltes Leid..!
Kurzer Stopp an Bord, dann geht es wieder mit dem Dinghi in Richtung Stadt. Dieses Mal gegen die Welle, nun werden wir beide gleichermaßen nass! Soll noch einer sagen, das Bordleben sei ein Luxusleben, tsse!
Nach diesen Strapazen möchten wir zunächst eine Kleinigkeit essen, bevor wir die Besichtigungstour durch Kolding starten. Ein Smörrebröd wäre gut. In Dänemark befindet sich schließlich die Wiege des Smörrebröd. Wer nun denkt, es handelt sich hier nur um ein Butterbrot, der irrt sich! Um diese Delikatesse richtig zubereiten zu können, muss man in Dänemark ein dreijährige Ausbildung absolvieren und darf sich dann „Smörrebrödjomfru“ nennen, was übersetzt so viel wie „Butterbrotjungfrau“ heißt, auch für Männer (da wäre doch mal gendern angebracht!!)
Wir studieren die Aushänge, doch nirgends steht Smörrebröd im Angebot, dafür immer wieder Tapas und Burger!! Tapas essen wir in Spanien, nicht hier, und Burger konnten uns noch nie locken! Trotzig beschließen wir statt dessen dann eben ein Hotdog zu essen. Das ist zwar auch nicht unser Favorit, aber immerhin auch das ist typisch dänisch! Ich erblicke am Ende der Straße ein Geschäft, geschmückt mit dänischen Fahnen und der Aufschrift „Hot G…“, was für mich Hot Grill heißt. Voller Vorfreude eile ich dort hin. Hätte ich meine Brille gehabt, dann hätte ich mir den Weg gespart. Als ich vor dem vermeintlichen Imbiss stehe, entpuppt es sich als Sex-Shop, auf dem Schild steht „Hot-Girl“! Das war wohl nix! Nun steuern wir einen Pölsevogn (Hotdog-Wagen) in der Fußgängerzone an und kaufen uns ein Hotdog „traditional“ mit allem drum und dran. Danach noch ein Dänisches Eis und unser Bedarf ist endgültig gedeckt, uns ist beiden schlecht! Das nächste Mal werden wir die Suche nach einem Smörrebröd intensivieren!
Dafür ist das Koldinghus sehr beeindruckend. Eins der bedeutendsten Königsschlösser Dänemarks aus dem 13. Jhdt. Nach einem Brand im 19. Jhdt blieb nur noch eine Ruine übrig. Aus der Schlossruine hat ein Architektenpaar über viele Jahre eine architektonische Meisterleistung vollbracht. Über begehbare Gerüste, durch geschwungene Holzsäulen gehalten, präsentiert sich ein wirklich gelungenes Gesamtwerk. Durch eine raffinierte Beleuchtung wird das Ganze hervorragend in Szene gesetzt. Wir sind sehr beeindruckt.
Unser nächstes Ziel ist die Insel Samsö. Wir staunen als wir die Ankerbucht anlaufen, denn dort ankert bereits ein Katamaran und dann auch noch eine Privilège. Wir dachten, wir wären hier im Norden einzigartig, falsch gedacht! Es sind Brigitte und Christian mit ihrem Katamaran „Emma Marie“ aus Stralsund. Auch sie waren bereits in der Karibik. Wir haben alle eine Menge zu erzählen, die Zeit verfliegt wie im Zeitraffer. Wir haben grob die gleichen Pläne für diesen Sommer, mal sehen ob und wo wir uns wieder treffen.
Samsö ist zauberhaft! Wir erkunden Teile der Insel zu Fuß und wechseln auch zweimal den Ankerplatz. Wir spüren die dänische Lebensart, es ist hier „hyggelig“- gemütlich. Wir verstehen nun, weshalb Dänemark stets eins der ersten drei Plätze im Ranking des „World Happiness Report“ der Vereinten Nationen belegt. Zum Vergleich: Deutschland liegt auf Platz 26!
Samsö ist bekannt für seine Kartoffeln. Man kann sie, und weiteres Gemüse, vor privaten Häusern kaufen, auf Holzregalen ausgelegt, das Geld steckt man in eine Büchse. „Dänisch Einkaufen“!
Hier auf Samsö könnten wir länger bleiben, es ist so heimelig. Aber unsere Reise beginnt gerade, da können wir nicht schon gleich sesshaft werden!
Der Wind zeigt uns die Richtung, wir müssen starten wenn wir nach Norden möchten. Der Wecker klingelt um 4 Uhr morgens, der Wind ist jetzt günstig. Es ist super, dass es in dieser Jahreszeit in Skandinavien so früh hell wird, da fällt es leichter so früh aufzustehen.
Wir peilen die Insel Laesö an, doch unterwegs ändern wir aufgrund der wechselnden Windrichtung und der vorhandenen Welle unser Vorhaben. Wir segeln statt dessen nach Anholt, eine kleine dänische Insel im Kattegatt, genau zwischen Dänemark und Schweden. Zum Glück finden wir dort genügend Schutz vor dem starken Westwind und ankern mitten im Nirgendwo auf der Ostseite von Anholt. Die Nacht wird unruhig, es ist ständig Schwell, Mojito schwoit unruhig am Ankerplatz, die Kette knarzt unentwegt. Wie gut, dass wir unserem Anker vertrauen können, hat er doch in der Karibik seine Zuverlässigkeit mehrfach bewiesen.
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Dinghi zum Strand und machen uns von dort auf dem Weg in Richtung Zivilisation. Wir fühlen uns ein wenig wie Robinson Crusoe. Ein endloser, menschenleerer Strand, türkisblaues Wasser und eine Menge unterschiedlicher Vögel, die scheinbar keine Notiz von uns nehmen. Wir laufen über Dünen, durch Heidelandschaft und finden nach gefühlter Ewigkeit endlich einen Sandweg, an dessen Ende wir Zivilisation vermuten. Tatsächlich erreichen wir nach 6 km den Ort, ein paar Häuser, wie aus einer anderen Zeit. Wir finden tatsächlich das einzige kleine Café im Ort, ein zauberhaftes B&B, essen einen Dänischen Apfelkuchen und trinken ein Glas Wasser. Die Rechnung holt uns zurück in die Wirklichkeit, raus aus der verträumten Idylle.
Wir stellen mal wieder fest: essen gehen in Dänemark ist entweder teuer, sehr teuer oder unfassbar teuer!
Egal, die kurzzeitige Schnappatmung ist überwunden, der verwunschene Ort war es wert! Wir laufen den endlos langen, unberührten Strand kilometerweit zurück zum Boot. Hier muss es doch irgendwo Bernstein geben. Schließlich gibt es hier nur sehr wenige Menschen, demnach steigt die Wahrscheinlichkeit einen Bernstein zu ergattern. Wir finden zahlreiche mögliche Exemplare, man soll sie vorsichtig gegen einen Zahn klopfen, ein weicher Ton verrät einen erfolgreichen Fund. Unsere Fundstücke klingen alle hart, also sind es nur gewöhnliche Steine. Nach mehreren erfolglosen Test knirscht dafür der Sand zwischen den Zähnen.
Dafür finden wir wenigstens einen „Hühnergott“. Ein Hühnergott ist ein Feuerstein mit einem oder mehreren Löchern. Diese besonderen Steine sollen gegen die böse Dämonin Kikimora schützen, die allgemein Unglück bringt, speziell soll sie Hühner am Eierlegen hindern oder auch Hühner stehlen. Hühner haben wir keine an Bord, aber wenn der Stein uns allgemein gegen Unglück schützt, dann ist es auch gut. Nun liegt er an Bord und schützt uns hoffentlich gegen Kikimora, auf jeden Fall ist er ein Andenken an Anholt.
Dänemark hat uns verzaubert. Wir verstehen, weshalb es so viele Menschen in den Urlaub hierher zieht. Für uns ist Dänemark perfekt, es gibt unzählige, wunderschöne Ankermöglichkeiten, die das Reisen mit einem Katamaran zum Genuss machen. Stets ankern wir über Sand, dadurch hält der Anker perfekt. Karibikfeeling pur!
Wir freuen uns schon, wenn wir auf dem Rückweg wieder durch Dänemark kommen. Erst einmal geht es weiter in Richtung Schweden.