Sizilien – Licata

Licata – Liebe auf dem dritten Blick

Licata ist eine ältere, in die Jahre gekommene, einst elegante Dame. Ihre Schönheit verbirgt sich hinter einer maroden Fassade. Auf den ersten Blick wirkt Licata heruntergekommen und ungepflegt. Der Umgang der Bevölkerung mit der Müllentsorgung lässt uns unsere deutsche Nase rümpfen. Entweder liegen die Müllsäcke auf der Straße oder falls sie tatsächlich in Müllcontainern gesammelt werden, so sind diese stets geöffnet.Dies liegt aber auch an der schlecht organisierten Müllabfuhr.

Ich mag mir den Gestank während der Sommermonate nicht vorstellen…!  Die zahlreichen herrenlosen Hunde in der Stadt durchwühlen die Müllsäcke nach essbarem, dadurch fliegt der Müll ungehindert durch die Straßen. Die Sizilianer scheinen es hinzunehmen, was uns verblüfft, da die Sizilianer sehr viel Wert auf ihr Äußeres legen, stets elegant gekleidet.

Leider wird hier alles mehrfach in Plastik eingepackt und oft achtlos weggeschmissen. Wir geben uns Mühe die Plastiktüten zu verweigern und ernten entweder Unverständnis oder Lob (vielleicht schleicht sich langsam ein Umweltbewusstsein ein)

Blick auf Licata, hinten links unsere Marina

Aber zurück zu Licata: zunächst konnten wir nicht den rechten Zugang zu dieser Stadt finden, auch weil das Wetter im Oktober ungewöhnlich schlecht war. Die Einheimischen versicherten uns, so ein schlechtes Wetter hätte es hier noch nicht gegeben. In der Tat befand sich ganz Italien in einer zerstörerischen Schlechtwetterzone, mit Erdrutschen, Starkwinden und einigen Toten. Zum Glück sind wir hier in Licata vom Schlimmsten verschont geblieben, außer zahlreichen überschwemmten Straßen und Wind der Stärke 8-9, was wahrlich nicht angenehm war.

zahlreiche streunende Hunde, nicht alle sind freundlich

Nun haben wir wieder sommerliches Wetter, wodurch sich Licata bei den zahlreichen Spaziergängen in unser Herz schleicht. Der morbide Charme dieser Stadt mit den zahlreichen verfallenen Palazzos, engen Gassen und schmiedeeisernen Balkonen ist reizend.

Es gibt jeden Tag neues zu entdecken, dafür werden die Wintermonate nicht reichen.

Die Menschen in Licata sind äußerst freundlich, viele haben als Gastarbeiter in Deutschland gearbeitet und fühlen sich verbunden. Nur die deutsche Sprache fiel ihnen oft schwer, erzählen sie, wen wundert´s – uns fällt die italienische auch schwer!

wir werden von einer Familie nach der Stadtführung bekocht: Tabouleh, Pastas, selbstgepresstes Olivenöl mit Brot und Rotwein.
Nur die oberste Wohnung ist nicht bewohnt!

Die sizilianische Küche ist ein Traum, wir haben noch längst nicht alles probiert und der sizilianische Wein mundet auch…! Gleich bei der Marina um die Ecke gibt es eine der zehn besten Gelaterias Italiens, das Eis dort ist ein Genuss! Zum Glück macht sie nun Winterpause, sonst hätten unsere Hosen im Frühjahr sicher nicht mehr gepasst!

Wir genießen das sommerliche Wetter und tragen im November noch Shorts und T-Shirts. Doch seitdem ich so im Supermarkt stand und die Sizilianer mit langer Hose, Pullover, Winterschuhen und Jacken gekleidet waren, weiß ich wie sich ein Außerirdischer fühlen muß, wenn er auf der Erde landet!

Hier in der Marina laufen zum Glück all die Nordeuropäer auch so leicht gekleidet herum, da fällt man nicht auf. Die Segler, die hier überwintern sind ein bunt gemischter Haufen und alle sehr nett. Zweimal pro Woche treffen wir uns zur Happy Hour und sitzen mit kleinen Häppchen und netten Getränken zwanglos zusammen. Sonntags gibt es ein gemeinsames Barbecue und in der Woche werden Sportstunden, gemeinsames Singen und Italienischkurse angeboten. Langeweile kommt wahrlich nicht auf.

Siarra aus Australien und Felix aus Deutschland angeln Fische für ihre Katze. Siarra nimmt die Fische fachmännisch aus und schneidet sie in Stücke. Alltag der Bootskinder!

Dazu organisiert die Marina auch Sonderprogramme, wie z.B. Stadtbesichtigung, Wanderung durch den Weinberg mit anschließender Verkostung, Weihnachtsbacken sizilianisch usw.

Sonnenuntergang am Strand von Licata

Derweil schleicht sich die alte Dame Licata immer weiter in unser Herz, wir entdecken immer wieder neue Sachen.

Besonders die Wanderung durch den Weinberg der Winzerei „Quinones“ hat uns gut gefallen. Die Familie empfängt uns mit Getränken, Keksen und köstlicher Orangenmarmelade. Dann geht es gemeinsam zunächst durch den Olivenhain, vorbei an den Weinreben hinauf auf den Berg. Überall wachsen wilde Kräuter, Krokusse, wilde Orchideen, wilde Artischocken und Fenchel – eine Augenweide.

Alfredo, der Winzer, empfängt uns mit Getränken, Keksen und Orangenmarmelade
Wanderung durch die Olivenhaine

ein 400 Jahre alter Olivenbaum
mit dem Hofhund „Julia“ oben auf dem Berg. Blick zum Meer. Auch hier wird Gemüse unter Plastik kultiviert.

Zurück in der Winzerei wartet ein prall gefüllter Tisch voller Antipastis auf uns und natürlich der Hauswein: es gibt den Vino bianco, den neuen Nero D’Avola (der sizilianische Rotwein) und einen älteren Rotwein. Danach kommen zwei verschiedene Pastagerichte auf den Tisch und dann die typischen sizilianischen Grillwürstchen, mit Orangen und verschiedenen Gewürzen. Zum Schluß noch ein Nachttisch mit Ricotta, Kaffee und Canolli…! Was für ein wunderbarer Tag! Als wir dann, bunt gemischt, im Kleinbus auf dem Rückweg sitzen, fängt Eva an zu singen. Plötzlich stimmen die Franzosen aus dem Elsaß mit erstaunlicher Textsicherheit ein, und gemeinsam singen sie das Lied „es gibt kein Bier auf Hawai..“  Ach, denke ich, wie schön, das ist Europa – und das muss unbedingt bestehen bleiben!

Antipasti
der gute Wein
Secondi Piatti, die Pasta!
Danach gibt es gegrillte Salsiccie (sizilianische Würstchen) und Nachtisch

Auch die vielen Sehenswürdigkeiten auf Sizilien locken, da nehmen wir das Angebot von unseren französischen Freunden gerne an und fahren mit ihnen gemeinsam durch die wunderschöne Landschaft zu einer römischen Ausgrabungsstätte mit atemberaubenden Mosaiken. Auf dem Weg besichtigen wir noch Piazza Armerina, eine mittelalterliche Stadt inmitten von Pinien und Eukalyptuswäldern. Auch hier bewundern wir die zahlreichen Kirchen, Palazzos und Castellos. Als wir uns einen Innenhof ansehen, winkt uns eine Dame zu und lädt uns ein einzutreten. Wir befinden uns in der alten Bibliothek mit mittelalterlichen Büchern und reichlich verzierten Stuckdecken, leider stark renovierungsbedürftig, aber wunderschön.

Piazza Armerina

die eindrucksvolle Biblioteca Communale
Mosaikkunst in der römischen Villa Casale. Aus 120 Mio. geschnittenen Steinwürfeln zeigt sich eine beeindruckende Mosaikkunst
die Mosaiken zeigen Wildtierfang in Afrika und Verschiffung der Tiere
die Bikini-Mädchen,
wer hat gedacht, dass der Bikini im 20 Jhdt. kreiert wurde??
es ging auch freizügig zu, bei den Römern 😉

 

Die Fahrt erweist sich als etwas abenteuerlich, da der Zustand der Straßen sehr schlecht ist. Man benötigt sehr viel Zeit um eine kurze Distanz zu überwinden. Durch die vergangenen starken Regenfällen sind riesige Löcher in die Straße gerissen, immer wieder sind Schlammmoränen abgegangen und versperren die Straßen. Jean-Michel, als ehemaliger Hubschrauberpilot beim Militär, läßt sich nicht beeindrucken und fährt mit Anlauf durch die tiefen Löcher. „Nur nicht anhalten…“ so seine Devise, derweil halten wir die Luft an.

Was für ein wunderbarer Tag, und eins wissen wir bestimmt: es gibt unglaublich viele Sehenswürdigkeiten auf Sizilien zu bewundern. Sizilien ist eine Reise wert und wir sind glücklich hier sein zu können!