St. Vincent und die Grenadinen

Martin, Caro und ihre drei Kinder von „Tamouré“ wollen mit uns zusammen zu den Grenadinen segeln. Sie haben diverse technische Schwierigkeiten und möchten die Strecke daher nicht alleine segeln. Wir haben auf Barbados ausklariert und möchten noch im Norden von Barbados zollfrei tanken. Wir haben zwar nur 200 Liter Diesel für die Atlantiküberfahrt gebraucht, aber auch bei 200 Liter ist zollfrei tanken verlockend. Da sie langsamer segeln als wir, vereinbaren wir, dass sie schon lossegeln und wir sie wieder einholen.
Sie senden kein AIS-Signal aus, daher können wir sie nicht sehen, aber sie können unser AIS-Signal sehen und der Kurs auf Union Island ist ja auch klar. Wie geplant, haben wir sie Abends wieder eingeholt und wir passen uns ab hier ihrer Geschwindigkeit an. Eins haben wir während der Atlantiküberquerung gelernt: langsames Segeln ist entspannter. Auch bei dieser Überfahrt bewahrheitet es sich. Es ist eine Nacht voller Squalls, wir werden tüchtig abgeduscht und haben reichlich Wind. Wir haben die Genua ein Drittel gerefft und kein Großsegel gesetzt und segeln immer noch 6 Knoten. Nachts funken wir immer wieder mit Caro oder Martin und tauschen uns über unsere Positionen und die jeweiligen Squalls aus. Morgens sind die Grenadinen in Sicht!

Die Grenadinen, das sind 35 , meist unbewohnte, Inseln zwischen Grenada und St. Vincent. Wir steuern die südlichste Insel an, Union Island, ein Port of Entry, hier können wir einklarieren.

Schon während der Ansteuerung bekommen wir einen Eindruck von der Schönheit dieses Reviers. Vorbei an Palm Island sehen wir das türkisblaue Wasser, die Wellen brechen sich am Riff. Es erfordert Konzentration bei der Ansteuerung, man muss das Riff umfahren, die Betonnung ist hier anders als in Europa: Steuerbord ist rot getonnt, Backbord grün.
Weit draußen werden wir von dem ersten „Boatsboy“ abgefangen, er will uns einweisen. „Boatsboys“, das sind Einheimische in kleinen, schnellen Booten, die sich durch allerlei Dienstleistungen ihren Lebensunterhalt verdienen. Die meisten sind freundlich zurückhaltend, aber es gibt auch die forschen, aufdringlichen. Wir erklären, dass wir ankern möchten und keine Boje möchten, doch er lässt sich nicht davon abbringen, uns eine Boje zuzuweisen. Wir trauen uns nicht zu widersprechen, also hängen wir kurze Zeit später unglücklich an einer Boje. Der Boatsboy stellt sich als „Skipper“ vor und möchte dann auch gleich 100 EC$ kassieren, umgerechnet 30,- €. Leider (oder zum Glück!) sind wir noch nicht im Besitz von EC$, wir müssen erst einen Geldautomaten suchen und einklarieren, dann wollen wir ihn bezahlen. Glücklich sind wir nicht, wollten wir doch ankern, so wie es in unserem Handbuch über Clifton steht. Für eine kurze Zeit ist unsere Laune etwas gedämpft, da bekommen wir das nächste Schauspiel zu sehen: Anflug Airport Clifton, direkt an der Bucht, aus dem Nichts erscheint eine kleine Propellermaschine über den Berg und stürzt sich steil nach unten auf die sehr kurze Landebahn. Ich muss an Filmszenen mit Harrisson Ford denken, es sieht sehr abenteuerlich aus. Was für ein Gefühl muss es als Passagier sein! Puh, dann doch lieber mit dem Segelboot einreisen!

Die nächste Erkenntnis: die Karibik ist ein Dorf! Wir sehen lauter bekannte Yachten um uns herum und wir werden von allen Seiten mit „lautem Hallo“ begrüßt, wie schön!
Wir gehen an Land, nun sind wir wirklich in der Karibik! Bunte Häuser, ein wuseliges Treiben, wir werden gegrüßt und fühlen uns wohl!
Wir erfahren, dass“ Skipper“ uns eine Boje vermieten wollte, die ihm gar nicht gehört, also wechseln wir die Boje und nehmen eine offizielle.
Es dauert nicht lang, da kommt der nächste Boatsboy ans Boot und bietet uns diverses zum Kauf an. Er bietet uns ein Bananabread an, nicht gerade günstig, aber okay, das können wir ja probieren (es schmeckt sehr lecker, erinnert an Honigkuchen). Er hat auch Baguette, sagt er. „Nein, danke“ meine Antwort, Gerrit ist nicht abgeneigt eins zu kaufen. Es beginnt eine lebhafte Diskussion zwischen uns, der Boatsboy blickt stumm von einem zum anderen. Nach einer Weile reicht er Gerrit das Bananabread und sagt aufmunternd zu ihm: “ ohh, glaub mir, es ist überall das selbe auf der Welt, immer diese Diskussionen mit den Frauen! Don´t worry!“ Ja, wenn das so ist, dann können wir uns doch all die Diskussionen gleich sparen, oder nicht? Haha!

Zum Ausklang dieses Tages und der gesegelten Nacht gönnen wir uns einen leckeren Rumpunch in der schönen Bar direkt am Wasser, da kommt die französische Familie von Luna Bay vorbei und tragen die kleine Leonie ins Dinghi. Sie ist gefallen und hat eine Platzwunde am Knie. Nachdem wir unseren Rumpunch ausgetrunken haben, beschließen wir noch schnell ein paar Gummibären als Trostpflaster für Leonie rüber zu Luna Bay zu bringen.
Guillaume und Jeniffer sind ganz aufgelöst, sie können ihre SteriStripes nicht finden und überhaupt fühlen sie sich überfordert. „Kennst du dich ein bisschen damit aus?“, so Jenniffers ängstliche Frage. „Nun ja, ich bin eigentlich Krankenschwester, aber das ist schon sehr lange her…, und außerdem habe ich schon einen Rumpunch getrunken….“ Schwupps, da sind sich Guillaume und Jeniffer sofort einig, sie übertragen mir nun diese Aufgabe, schwitz! Nachdem wir unsere SteriStripes von Bord geholt haben, wird Leonie auf dem Cockpit-Tisch gelegt und verarztet. Die Szene erinnert an ein Lazarett, wir haben unseren Spaß, Leonie fragt ängstlich nach, ob wir ihr weh tun werden. Nöh.., vertraue uns, alles wird gut!
Die Wunde ist verarztet, es hat nicht weh getan, nun bin ich Leonie´s Freundin 🙂 und Guillaume und Jeniffer bestehen darauf, uns zum Dank noch einen Rumpunch zu servieren. Oh je, wenn das hier so weiter geht…!
Unsere erste Nacht in Clifton verbringen wir in einem tiefen Schlaf!

Clifton, Union Island

Am nächsten Tag bekommen wir Besuch von unserem Nachbarn Heinz. Er segelt schon seit vielen Jahren in der Karibik, früher mit seiner Frau, seit ihrem Tod nun alleine. Er ist über 70 Jahre alt und segelt seinen Katamaran, eine Lagoon 440, alleine, wir haben großen Respekt. Er hat sein Schiff sehr gut gepflegt und wir treffen ihn später an anderen Orten wieder. Heinz gibt uns viele gute Tips und erklärt uns wie wir mit den Boatsboys umgehen sollen, das ist goldwert. Auch bestärkt er uns darin, lieber unserem Anker zu vertrauen als einer Mooring-Boje, die doch manchmal sehr abenteuerlich am Grund befestigt sind.

Nach zwei Tagen in Clifton legen wir noch einen Ankerstop in der wunderschönen, naturbelassenen Chatham Bay ein. Hier treffen wir Per-Erik und Lotta von der schwedischen Yacht „Voyageur“ wieder. Nach einem Strandspaziergang entschließen wir uns spontan zum Essen in der Strandbar von Seckie. Seckie und seine Frau Vanessa zaubern uns ein perfekt gewürztes Abendessen mit Fisch und Hühnchen auf einem spartanischen Grill, wir sind ihre einzigen Gäste, es ist ein schöner Abend!

Seckie´s Strandbar zusammen mit Per-Erik und Lotta

 

Bummel über Mayreau

Wir segeln über Mayreau zu den Tobago Cay´s, das sind kleine unbewohnte Inseln umgeben von türkisblauem Wasser und Korallenriffen, sie sind als Nationalpark geschützt. Es gibt viele große Schildkröten, das Schnorcheln ist traumhaft, die Kulisse errinnert an eine Postkarte, so schön! Mit den Schildkröten zu schnorcheln ist ein unvergessliches Erlebnis. Wirken die Tiere an Land so plump, sind sie unter Wasser sehr grazieus. Sonst so scheu, scheinen sie unter Wasser keine Notiz von uns zu nehmen, schwimmen sehr nah an uns vorbei. Es gibt viel zu sehen: unterschiedliche Seeigel, die lustigen Kofferfische, die mithilfe eines Wasserstrahls den Sand aufwühlen, ein Adlerrochen schwimmt elegant vorbei und wir bestaunen die unterschiedlichen Korallen, was für ein Erlebnis!

Ankern in den Tobago Cay´s
Blick von der unbewohnten Insel „Petit Rameau“ auf die Tobago Cay´s

Es gibt eine Überraschung als plötzlich die Yacht „Rubicon“ ins Ankerfeld einfährt. Das sind Lisa und Johan aus Schweden, sie haben ihre Kinder Mathilda und Markus zu Besuch. Die Wiedersehensfreude ist riesig und sie möchten gerne ein Barbecue am Strand mit uns haben, sie können nicht so lange bleiben, ihre Kinder haben den Rückflug von Martinique schon gebucht. Na ja, es gibt schlimmeres im Leben als noch ein Barbecue am Strand 😉

Überraschungsbesuch „Rubicon“
Barbecue mit Lisa, Johan, Mathilda und Markus

Wir nehmen Abschied von Rubicon und von Voyageur, hoffen sie noch einmal wieder zu treffen. Rubicon plant die Passage durch den Panama-Kanal, sie möchten gerne nach Alaska segeln. Voyageur weiss noch nicht so richtig, wohin ihre Reise geht. Wir wissen, wir wollen die Atlantikrunde segeln und erst danach entscheiden, wie es weiter geht.
Auch wenn Johan und Lisa uns bearbeiten, mit ihnen zu segeln und die Vorstellung reizvoll ist, nein, wir bleiben bei unseren Plänen. Lisa verspricht uns ein „Revival-Treffen“ in Schweden. Da bin ich gespannt, Lisa ist nämlich so inspiriert von den bunten Karibik-Häuser. Vielleicht sehen wir dann ein pinkes oder violettes Schwedenhaus in der Nähe von Göteborg. 😉

Wir beschließen die Weihnachtstage in den wunderschönen Tobago Cay´s zu verbringen , zusammen mit einigen befreundeten Yachten. Jeremy hat ein Barbecue am Strand organisiert mit gegrilltem Lobster, Reis, Knoblauchkartoffeln und Salat. Es ist ein herrlicher Tag, mit netten Menschen aus unterschiedlichen Nationen in traumhafter Umgebung.
Die Kinder sind noch ganz aufgekratzt und erzählen von ihren Weihnachtsgeschenken. Jeder hat Heilig Abend unterschiedlich verbracht, es war nicht einfach ein festliches Essen zu zaubern. Es gibt hier nicht viel zu kaufen und wenn, dann ist es unglaublich teuer. Doch die Wertschätzung der Lebensmittel ist nun ganz anders. In Clifton gibt es ein kleines französisches Geschäft mit allerlei Leckereien. Gerrit und ich haben uns die Nase an der Kühltruhe platt gedrückt, doch die Preise haben uns abgeschreckt. Jeniffer erzählt mir verstohlen, sie haben sich ein Stück Rockefort zu Weihnachten gegönnt. Sie haben es so genossen. Tatiana von Infinity erzählt von ihrem Schokoladenkuchen zum Nachtisch: er war außen etwas angebrannt und innen etwas flüssig. Aber da sie so lange keinen Nachtisch mehr hatten, hat es himmlisch geschmeckt! Wir hatten noch Gänseleberpastete von Zuhause mitgebracht und haben unsere letzte Flasche Wein genossen. Etwas wehmütig haben wir an unsere früheren, gemeinsamen Weihnachten mit unseren Kindern Amei und Neels gedacht.

„Weihnachts-Barbecue“ am Strand von „Petit Bateau“
Die Lobster sind vorbereitet
Strandbar Salt Whistle Bay auf Mayreau

Wir sind ein bunt gemischter Haufen, verschiedener Nationalitäten.
Die beiden französischen Familien amüsieren sich über unser Mißverständnis auf See, während der Atlantiküberquerung: wir drei Katamarane haben während der letzten Strecke der Überquerung häufig in Funkkontakt, in französischer Sprache, gestanden. Tagsüber plauderte ich mal mit Jeniffer, abends gab mir Guillaume seine Wetterdaten durch. Eines Abends, während meiner ersten Wache, lauschte ich dem Funkgespräch zwischen Guillaume und Jeremy. Auf Jeremys´s Frage „alles gut bei euch?“, hörte ich Guillaume antworten: „ja alles gut, wir haben gegessen, die Kinder schlafen nun und Jeniffer … prend son quart..!“
Aha, denke ich, das ist ja wieder typisch für die Franzosen: „elle prend son quart“ heißt für mich übersetzt: sie nimmt ihren Viertel! Klar, sie trinkt ihren Wein, was sonst!? Na, die lassen es sich ja gut gehen auf den französischen Booten! In meiner Vorstellung sah ich Jenniffer genüßlich ihren Wein schlürfen und die Weite des Ozeans geniessen. Ja, dachte ich, das ist der Vorteil auf einem französischen Boot zu sein! Einige Funkgespräche später fragt mich Jenniffer, wie ich denn so meine „quarts“ einteile. Da frage ich doch noch einmal nach, was sie denn mit „quart“ meint. „na ja, die Wache!“
Ach sooo….!

Nach der wunderbaren Zeit in den Tobago Cay´s geht es für uns noch einmal nach Clifton zum Einkaufen und Wäsche waschen. Abends gehen wir dann zu Lambi und lauschen der Steel-Band, erstaunlich wieviele Töne sie aus den Blechtrommeln zaubern.
Am nächsten Tag geht es Richtung Bequia, bei Windstärke 6-7 Bft! Wir segeln hart am Wind, ein unangenehmer Kurs, wir haben die Welle gegen uns und leiden mit Mojito. Das harte Stampfen ist eine Belastung für das Boot und für die Crew. Deshalb beschließen wir nicht, wie geplant, nach Mustique zu segeln, sondern gleich Kurs auf Bequia zu nehmen. Auf Mustique haben viele Prominente, u.a. Mick Jagger ein Haus, wir werden später vielleicht noch hin segeln, da muss Mick Jagger sich noch etwas gedulden!

Wir beschließen auch den Jahreswechsel auf Bequia zu verbringen, auch hier werden wir einige bekannte Yachten wieder treffen: Luna Bay, Infinity, Rogue und vielleicht noch die eine oder andere aus der „Sail the Odyssee“-Gruppe.

Dinghy-Dock in Clifton
auch in der Admirality Bay auf Bequia gibt es gute Anlegestellen für die Dinghys
Lieferung von Diesel, Wasser, Eiswürfel, Wäscheservice, Müllentsorgung…

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