Zweiter Ausbruchsversuch- nun muss es klappen!

Wir sitzen in Cadiz fest und es scheint sich in absehbarer Zeit keine nennenswerte Änderung in Sachen Corona zu ergeben. Immer wieder legen Boote der Guardia Civil neben uns an, um die Nacht im Hafen zu verbringen. Wir kommen ins Gespräch, sie sind überaus freundlich, und auch sie raten uns möglichst zeitnah nach Deutschland zu gehen. Für uns ist aber eins klar: Mojito muss mit! Entweder wir gehen zu dritt oder überhaupt nicht. Mojito hier in Spanien zurück zu lassen und nicht zu wissen, wann wir wieder nach Spanien fliegen dürfen, ist für uns indiskutabel. Vielleicht herrscht in zwei Monaten wieder Normalität, vielleicht auch nicht, wer weiß das schon. Außerdem war es von Anfang an unser Plan mit Mojito nach Deutschland zu segeln und das ziehen wir jetzt durch.

Wir beobachten auf AIS jede Schiffsbewegung, es sind nur wenige, und immer wieder sehen wir Yachten, die wieder umdrehen, aus welchen Gründen auch immer, um dann wieder zurück zu ihrem Startpunkt zu segeln. Das ist so bitter, wir wissen  zu genau wie sich das anfühlt, die Armen!

Wir fühlen uns von der Botschaft und vom Auswärtigen Amt im Stich gelassen. Außer ein paar warme Worte gibt es keinerlei Unterstützung. Der Konsul von Malaga rät nun den deutschen Bürgern dringend zur Heimreise, da sich die Situation in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Es wäre nett, wenn wir von offizieller Seite ein klein wenig Unterstützung bekämen, zumindest eine Zusage, dass wir in Portugal irgendwo ankern dürfen. Nichts dergleichen!

Wir kontaktieren unseren Trans-Ocean Verein, ein Verein für Langfahrtsegler, sie haben ein Programm ins Leben gerufen um die Karibik-Rückkehrer zu unterstützen. Einer der Hauptakteure ist Johannes, wir kennen uns persönlich aus unserer gemeinsamen Zeit in der Karibik. Johannes versorgt uns mit Infos und will versuchen etwas für die Rückkehrer aus dem Mittelmeer zu erreichen. Sie leisten für die Rückkehrer eine großartige Arbeit, dafür gebührt ihnen viel Lob!

Scheinbar haben die offiziellen Seiten, wie z.B. das Auswärtige Amt, die Segler aus dem Mittelmeer oder den Kanaren nicht auf den Schirm. Dabei haben wir uns beim Auswärtigen Amt auf der dafür vorgegebenen Seite registriert, doch das scheint die Mühe nicht wert!

Wir wissen nun endgültig, dass wir keine Hilfe zu erwarten haben, wir müssen uns selbst helfen und uns auf den Weg machen. Gerrit checkt das Wetter und sieht plötzlich ein neues Wetterfenster: wenn wir uns an der Südküste Andalusiens und Portugal entlangkämpfen, bekommen wir tatsächlich einige Tage Südwestwinde vor der Westküste Portugals. Diese Winde sind so selten, das ist unsere jetzige Chance, demnach müssen wir morgen früh los. Wir kontaktieren die Marina und können tatsächlich sofort unsere Rechnung begleichen (obwohl Sonntagabend!), der Wecker ist gestellt, morgen früh soll es los gehen.

Es fühlt sich gut an, aus der Marina herauszufahren, endlich wieder ein Stück Freiheit. Komisch ist nur das Gefühl zu wissen, dass wir nun nirgends anlanden dürfen, in Portugal gar unerwünscht sind, es fühlt sich feindselig an. Diese Gedanken verdrängen wir, wir haben ein Ziel, möglichst weit nach Norden zu kommen. Eine Stunde später sind wir mitten in ein Schlechtwettergebiet mit Windböen bis 40 Knoten, oh je, wenn das nun so weiter geht…! Mojito kämpft sich tapfer durch Wind und Welle, wir dürfen nicht jammern, nein, wir können uns über jede geschaffte Seemeile freuen. Die Welle ist unangenehm, mir ist etwas flau im Magen, hoffentlich wird es besser wenn wir das südliche, portugiesische Kap Sagres geschafft haben, bis dahin dauert es ein Tag und eine Nacht.

Das Kap präsentiert sich bei Tagesanbruch in einem wundervollem Licht, die See ist glatt, es gibt fast keinen Wind. Wir müssen mal wieder die Motoren nutzen, zum segeln reicht der Wind nicht. Dafür können wir draußen duschen, bei herrlichem Sonnenschein frühstücken und uns über die schöne Landschaft freuen. Gerrit bemerkt, dass die Backbordmaschine etwas qualmt, also nicht sauber verbrennt. Er überprüft den Motor, misst mit der Messpistole die Temperaturen, alles im grünen Bereich, wir scheinen unsauberen Diesel in Cadiz getankt zu haben. Die Steuerbordmaschine qualmt auch leicht, das untermauert unsere Theorie.

Das Wetter hält, was uns der Wetterbericht versprochen hat, wir haben südliche Winde, mal weniger, mal mehr bis stürmisch aufbrausend, aber immerhin aus Südwest! Die Welle ist leider aus Nordwest, das macht das Ganze sehr unangenehm. Mojito knallt in die Wellentäler und vibriert wenn die Welle unter das Brückendeck schlägt. Die Schiffsbewegung ist ruppig, ich habe eine dauerhafte leichte Übelkeit, aber auch hier hilft kein Jammern, da muss ich jetzt durch. Am meisten tut uns Mojito leid, er bekommt wirklich harte Schläge. Gemeinsam schaffen wir es tatsächlich an Portugal komplett vorbei zu segeln, vier Tage und drei Nächte, 460 sm, eine stolze Leistung unter diesen Gegebenheiten. Wir beschließen Baiona anzulaufen, die erste Ankermöglichkeit in Spanien. Bei dem Gedanken eine Nacht durchschlafen zu können, ohne von den hohen Wellen durchgeschüttelt zu werden, kommt Freude auf. Auch  ein gemütliches Abendessen mit einer riesigen Portion Spaghetti sehe ich schon bildlich vor mir…, oh Baiona, wir kommen, was für eine schöne Vorstellung! Wir beratschlagen, ob wir Traffic Controll anfunken sollen und um Erlaubnis fragen sollen. Ich erinnere an unseren Kapitän von dem Frachtschiff „Dijksgracht“: auf unsere Frage, ob er sich in den Hoheitsgewässern anmelden würde, verneinte er dies und meinte: sollen sie uns doch anfunken, wenn sie was wissen wollen. So! Genauso machen wir es auch. Wer viel fragt, kriegt auch viele Antworten. In Portugal haben wir versucht uns anzuschleichen und haben vorher unser AIS ausgeschaltet, doch wir wurden sofort entdeckt. Warum sollen wir uns anmelden, wenn sie uns doch alle auf ihrem Radarschirm sehen. Auch unser AIS-Signal ist für alle sichtbar. Also verschwenden wir keine weitere Gedanken daran und nehmen die Ansteuerung in den Fokus.

Vor der Bucht braust der Wind noch einmal richtig auf, die Wellen brechen sich eindrucksvoll an der Küste, die See um uns scheint zu brodeln. Wir starten die Motoren, bergen die Segel und steuern die Bucht an, die Sicht ist schlecht, gut dass wir heutzutage einen Plotter haben. Wir sind auf die Ansteuerung konzentriert, die vielen Untiefen und die Gefahrentonnen müssen beachtet werden, wir versuchen uns zu orientieren. Plötzlich sehen wir, dass die Backbordmaschine dicke Rauchschwaden von sich gibt, ein denkbar ungünstiger Moment, wobei es fraglich ist, ob es dafür überhaupt einen günstigen Moment gibt! Ein brennender Motor ist immer ein worst case auf einem Schiff! Gerrit stellt sofort den Motor ab, nun geht es mit einer Maschine weiter. Ein Catamaran ist dann nur eingeschränkt manövrierfähig, aber immerhin, wir haben eine zweite Maschine, für einen Monohull wäre dies noch schlimmer. Wir haben jetzt, an dieser Stelle, keine andere Wahl als weiter die Bucht anzulaufen. Mit nur einer Maschine haben wir keine Chance umzudrehen. Die Anspannung bleibt hoch, die See ist unruhig und der Wind braust auf 25 Knoten von der Seite auf. Wir beraten uns und beschließen die Motorluke erst einmal nicht zu öffnen, um dem vermutlichen Schwelbrand  keinen Sauerstoff zuzuführen. Im Motorraum haben wir Fireballs installiert, die sich ab einer bestimmten Temperatur selbst auslösen, auf die setzen wir nun unser Vertrauen. Zusätzlich holen wir noch einen weiteren Feuerlöscher, den wir für den Fall der Fälle bereithalten. Ich beobachte weiter die Rauchentwicklung, während Gerrit Mojito langsam Richtung sichere Bucht steuert.  Die 4 Meter hohe Atlantikwelle schiebt uns von hinten, es ist schwierig mit nur einer Maschine Mojito grade zu halten, es besteht große Gefahr querzuschlagen, ein Albtraum. Die Tiefe nimmt schnell ab, das macht die See so brodelnd, dazu kommen die zahlreichen Riffe und Felsen, gefühlt befinden wir uns in einem Hexenkessel.  Es geht quälend langsam voran, der Adrenalinspiegel steigt stetig, dafür bilden wir uns ein, dass der Rauch langsam weniger wird. Oder ist es nur ein Wunschdenken? Wir funken die Marina an und erhoffen uns eventuell Hilfestellung beim Anlegen (mit nur einer Maschine), leider bekommen wir keine Rückmeldung. Also beschließen wir zu ankern. Der Wind lässt deutlich nach, je tiefer wir in die Bucht kommen. Hauptsache der Anker greift beim ersten Versuch, denn wir haben keine Möglichkeit mehrere Ankermanöver zu fahren. Laut Handbuch soll der Ankergrund hier schlecht haltend sein, auch das noch! Unser Rocna-Anker lässt uns auch dieses Mal nicht im Stich und greift sofort, wow!!  Ein Blick im Motorraum zeigt das Ausmaß der Zerstörung: es gab einen Schwelbrand am Auspuff, der Wassersammler ist geschmolzen, es stinkt nach verbranntem Plastik. Das Wichtigste: es brennt nichts mehr, soweit ist alles gut. Nun werden wir uns erst von dem Schreck erholen, essen, schlafen und morgen sehen wir uns das alles genauer an. Weitere Verluste/Schäden auf dieser Reise: unsere portugiesische Gastlandflagge ging verloren (das hat Symbolcharakter!!), eine Segellatte hat sich gelöst und das Lazzybag ist durch die Reffleinen eingerissen. Doch das lässt sich alles reparieren oder ersetzen.

Zum Glück lässt sich am nächsten Morgen der Motor kurz starten, demnach ist es kein Totalschaden, das ist doch schon mal sehr positiv. Vor Freude tanze ich jubelnd durch den Salon. Gerrit verbringt den ganzen Tag im Motorraum, baut die beschädigten Teile aus, kontrolliert alle anderen und sucht nach der Ursache. Der Wassersammler ist komplett geschmolzen, ebenso der Abgasschlauch. Der gesamte Motorraum ist verrußt. Wir versuchen den ansässigen Volvo-Penta-Händler zu kontaktieren, erfahren aber auf Spanisch, dass heute der 1. Mai ist, dann Wochenende und vor Montag also nichts zu machen ist. Wir hätten die jetzigen südlichen Winde so gerne genutzt, um die Biskaya zu queren, es wäre perfekt gewesen. Nun ja, das Seglerleben zeigt mir immer wieder, dass ich mich in Geduld üben muss, wahrlich nicht meine Stärke, aber ich lerne! Derweil schauen wir uns sehnsüchtig von unserem Ankerplatz das Land an und erkennen einen beschaulichen Ort.

In den Hafen von Baiona lief 1493 die Karavelle von Christoph Kolumbus ein und brachte die Nachricht von der Entdeckung der neuen Welt, von Amerika, mit. Trotz der dicken Regenwolken sieht es sehr schön aus, diese weitläufige Bucht mit ihren Stränden, umgeben von sanften bewaldeten Hügeln. Auf der angrenzenden Halbinsel gibt es eine große Burg mit einer weitläufigen Wehrmauer, heute ein Parador (Hotel). Ach, wie gerne würden wir auf Erkundungstour gehen, so selbstverständlich wie wir es vor Corona taten.

                                                                                                                                     Wir staunen als uns eine nette Email erreicht. Hello, schreiben sie uns auf Englisch, wir sind Mihai and Ioana  und wir sehen euren schönen Catamaran von unserer Terrasse aus. Wir heißen euch willkommen in Baiona und wenn wir etwas für euch tun können, lasst es uns wissen. Auch teilen sie uns mit, dass es noch keinen Covid-Fall in Baiona gegeben hat, wir uns also keine Sorgen machen müssen. Wie nett! Wie herzerwärmend es immer wieder ist, so lieben Menschen zu begegnen. Als sie von unseren technischen Problemen erfahren, bieten die beiden uns sogar an, wenn nötig, uns mit dem Auto zu fahren. Sie schicken uns auch eine Karte, in der sie den besten Supermarkt gekennzeichnet haben und ein Fischgeschäft empfehlen. Vielen, vielen Dank dafür, das ist wirklich sehr lieb! Schon gleich ist das alles gar nicht mehr so schlimm und Galicien hat ganz sicher einen Platz in unserem Herzen!  

Marina Puerto Sherry
das Unterwasserschiff wird gesäubert
Die nötigen Besorgungen lassen einen kurzen Blick auf die Sehenswürdigkeiten zu. Hier die Stierkampfarena von El Puerto De Santa Maria
während die einen in den Winterschlaf geschickt werden, müssen andere arbeiten. Ameisen schleppen gemeinsam eine Blüte weg
Die Burg von Baiona
die weitläufige Bucht von Baiona
unser geschmolzener Wassersammler

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