Atlantiküberquerung

„…du spürst die Lebensenergie, die durch dich durchfließt, das Leben wie noch nie, in Harmonie und genießt – es gibt nichts zu verbessern, nichts was noch besser wär außer dir und jetzt und hier und dem Tag am Meer…“  (Fantastischen Vier „Tag am Meer“)

 

Nach drei Wochen auf den Kap Verden wird es nun Zeit wieder weiter zu segeln. Unsere Gruppe hat sich um sieben Boote vergrößert, da die Teilnehmer der Atlantik-Odyssey dazu gekommen sind. Die Atlantik-Odyssey-Gruppe ist die Rallye, die direkt von Teneriffa nach Barbados startet. Innerhalb dieser Gruppe segeln einige Teilnehmer auch über die Kap Verden, haben dort aber nur eine knappe Woche Aufenthalt.

 

Leider ist, für die Tage nach unserem Start, nur wenig Wind gemeldet. Jede Crew hat nun ihre eigene Strategie, welche Route gewählt wird. Schon Tage vorher wird  das Für und Wieder jeder Route diskutiert. Wir entscheiden uns in südlicher Richtung zu segeln und hoffen dann auf die Passatwinde zu treffen. Das ist die längere Route, aber die Chancen auf Wind zu treffen sind höher, hoffen wir. Aber egal welche Route wir wählen, wir werden wohl öfter die Motoren starten müssen.

So verbringen wir die ersten Tage damit jedes Lüftchen irgendwie mit dem Segel einzufangen, in der übrigen Zeit müssen wir den Motor nutzen. Doch wir müssen unseren Dieselvorrat gut einteilen, für die gesamte Strecke reicht er bei weitem nicht.

 

Windstille auf dem Atlantik

Es ist  so schön wieder auf dem Meer zu sein! Tagsüber genießen wir das wunderschöne Blau der Tiefsee und realisieren erst wie klar das Wasser ist, als uns mal wieder eine Delfinschule besucht. Sogar die tiefer schwimmenden Delfine sehen zum Greifen nah aus. Sie begleiten uns ein ganzes Stück, es ist immer wieder schön! Ein anderes Mal können wir einen Teufelsrochen beobachten, wie er immer wieder aus dem Wasser springt und dabei mit seinen Flossen Flugbewegungen macht.

Auch die flinken fliegende Fische erheitern uns, es scheint, als würden sie darum wetteifern am weitesten zu fliegen. Leider landet dabei der eine oder andere Kandidat bei uns an Deck, was er dann mit dem Leben bezahlt, da sie meist zu spät entdeckt werden. Ein fliegender Fisch hatte Glück im Unglück: er flog nachts gegen Gerrit´s Arm, und konnte wieder zurück ins Wasser beordert werden. Wahrscheinlich hat er nur eine Beule am Kopf !  Auf Barbados sind fliegende Fische eine Delikatesse, doch unsere Exemplare sehen ziemlich mitgenommen aus, die wollen wir dann doch nicht probieren! 

 

Nachts bin ich immer wieder vom Sternenhimmel beeindruckt, diese Leuchtkraft habe ich vorher noch nicht gesehen.  

Aber ein besonderes Schauspiel ist das Meeresleuchten, verursacht durch fluoreszierendes Plankton. Dadurch leuchtet das Meer als würde eine Fee mit ihrem Zauberstab spielen. Unsere Boot zieht zwei Leucht-Schweife hinter sich her. Gerrit hatte während seiner Wache Besuch von Delfinen, auch sie zogen Leucht-Schweife hinter sich her, es war wie ein „Unterwasser-Feuerwerk“!

 

Die Tage verfliegen, es wird nie langweilig. Nachts wechseln wir uns mit den Wachen ab. Ich übernehme die erste Wache von 20 Uhr bis Mitternacht, danach übernimmt Gerrit bis um 4 Uhr. Anschließend muss noch jeder zwei Stunden wachen und die Nacht ist vorbei. Dann gibt es ein ausgedehntes, leckeres Frühstück!

 

wir segeln in die Nacht

 

Tagsüber versuchen wir uns im Fischfang. Wir haben unsere Ausrüstung verbessert, nun muss es doch klappen. Als wir im Mittelmeer unsere erste große Zahnbrasse gefangen hatten, da waren wir überzeugt, dass das Angeln eine einfache Angelegenheit ist! Pustekuchen! Seitdem sah es ziemlich mau aus, mit den Fischen. Ich gab zwischendurch zu bedenken, dass wir uns für den Wert dieser Ausrüstung eine Menge Fisch in den örtlichen Markthallen hätten kaufen können. Ja, aber der ist ja nicht so frisch, meint Gerrit. Doch, ich staune als Gerrit einen ziemlich großen Fisch aus dem Wasser zieht, 1 m lang! Es ist eine Königsmakrele. Er wird gleich ausgenommen, filetiert und vakuumiert, genug für vier Mahlzeiten. Und Gerrit hat Recht, der Fisch schmeckt köstlich. Aber angeln tun wir erst wieder wenn unser Fisch gegessen ist. Schließlich wollen wir ja nachhaltig fischen, nur so viel wie wir brauchen.

 

unser Fang : eine Königsmakrele

 

Es begegnen uns immer wieder große Fischtrawler, besonders Japaner aber auch Spanier. Wir machen uns wirklich große Sorgen um das Meer, nicht nur wegen der Überfischung. Erschrocken sind wir über die Vielzahl der Algenteppiche hier draußen fast 2000 Km vom Festland entfernt. Es sind dichte  gestrüppartige Gebilde, teilweise blühend. Sie überziehen das Meer so weit das Auge blicken kann,  kurz hinter den Kap Verden haben wir die ersten Algen gesichtet. Es gab schon den ganzen Sommer eine Algenplage an der spanischen Küste, an der Algarve und auf den Kanaren. Dort waren es übelriechende, schmierige Teppiche. Wir fragen uns, ob es mit der Erwärmung des Atlantiks zusammenhängt, wir werden Martin nach unserer Ankunft auf Barbados danach fragen.

Es ist so wie so noch etwas mit Martin zu klären: hatte er uns doch bei seinem Vortrag über seine Arbeit mit den Messbojen erklärt, dass es höchst unwahrscheinlich sei, solch eine Boje auf See zu treffen. Nun, wir haben schon die zweite getroffen! Die erste hat uns gerammt, es gab einen Knall, aber keinen Schaden auf beiden Seiten. Jeder setzte seinen Weg in entgegengesetzter Richtung fort. Die zweite Boje schwamm zwei Tage später an uns vorbei. Gebe es hier eine Möglichkeit einen Lottoschein auszufüllen, dann würden wir es sofort tun, das wäre bestimmt der Hauptgewinn!

 

immer wieder Algenteppiche! Was passiert mit dem Ozean?

Eigentlich sind wir auf unserer Route ziemlich alleine. Die meisten haben die nördliche und damit kürzere Route gewählt. Am zweiten Tag ist das Boot Rogue aus Neuseeland hinter uns. Er gehört auch zur Atlantik-Odyssey-Gruppe und soll ein Profi-Regattasegler sein. Wir versuchen mit ihm über Funk Kontakt aufzunehmen, ohne Erfolg. Wind haben wir beide nicht, er nutzt die volle Kraft seines Motors und zieht an uns vorbei.

 

Zwei Tage später kommen zwei französische Katamarane, auch aus unserer Gruppe, vorbei. Es sind zwei befreundete Familien und wir haben regen Funkkontakt unter einander, eine nette Abwechslung. Sie haben beide einen Outremer-Katamaran, die besonders schnell sind. Doch auch sie legen großen Wert auf Sicherheit und verkleinern ihre Segel in der Nacht. Auch wir wollen nicht aufs Äußerste gehen, so passen wir von der Geschwindigkeit ganz gut zusammen. Wir sind zwar nicht in Sichtweite, aber in Funkweite und auf AIS können wir uns sehen, das fühlt sich gut an.

 

Nach fünf Tagen und vier Fischmahlzeiten beschließen wir langsam wieder den Fischfang zu starten. Gerrit wirft den Köder aus und zehn Minuten später rattert die Angelrolle, upps..! Wollten wir eigentlich gemütlich frühstücken, das müssen wir nun verschieben. Aber der arme Fisch an der Angel hatte sich seinen Tag heute auch anders vorgestellt, ich hab ja schon etwas Mitleid…! Also spulen wir die Angelschnur auf und siehe da…, wieder eine Königsmakrele, nur noch größer!! Es ist ein sehr schmackhafter Fisch, aber jeden Tag den gleichen Fisch essen kann auch eine Last sein! Der Fischfang wird nun bis Barbados eingestellt und wir freuen uns auf eine Portion Spaghetti. 

 

Königsmakrele Nr.2!

 

Heute haben wir die Hälfte der Strecke überschritten! Zur Feier des Tages  haben wir ausnahmsweise mit einem Glas Wein angestoßen, sonst gibt es keinen Alkohol auf See.

 

Der 10.Tag auf dem Atlantik!

Während unserer Vorbereitungsseminare auf Teneriffa, hatte Diona uns mental auf mögliche Probleme auf See vorbereitet. Sie sagte:“ falls euch was kaputt geht…, nein…,

es wird euch ganz sicher etwas kaputt gehen. In diesem Fall ist es wichtig ,die Situation so anzunehmen wie sie ist und zu versuchen das Beste daraus zu machen.“

Bei uns ist es nun so weit, unsere Ruderanlage bereitet uns Probleme. Es fing zaghaft tagsüber an und wurde nachts richtig schlimm (warum werden Probleme nachts immer schlimmer??) Das Ruder vibriert und klappert im Ruderschacht, es schüttelt zeitweise das ganze Schiff durch. Besonders ärgerlich ist dabei, dass wir endlich richtig guten Wind haben und eine konstante Geschwindigkeit zwischen 7 und 10 Knoten haben. Aber genau das ist auch unser Problem, denn ab 7,5 Knoten meldet sich die Ruderanlage mit lautem Protest. Gerrit macht sich Sorgen, während ich noch versuche das Problem als nicht so wichtig anzusehen. Sehe ich doch unser „Rekord“-Etmal von 200 sm zum Greifen nah…! (ein Etmal sind die gesegelten Seemeilen von 24 Stunden) Doch nachdem Gerrit die Ruderanlage inspiziert hat, sehe ich ein, dass die Sicherheit vor geht. Schließlich sind wir noch 700 Seemeilen von der Küste entfernt. Also wechseln wir das Segel um die Geschwindigkeit zu drosseln, „seufz!“ In Barbados werden wir  wohl oder übel in die Werft müssen und das Ruderlager austauschen müssen.

 

Auch unsere Energieversorgung bleibt ein Problem. Nachts benötigen wir viel Strom für die Navigationsgeräte, den Autopiloten und besonders für unser Radar. Aber nachts liefern unsere Sonnenkollektoren keine Energie. Da werden wir uns noch eine Lösung einfallen lassen müssen.

 

Nun haben wir zwei Drittel der Strecke bewältig, bleiben noch 700 sm. Es ist schon komisch, wie man sich an diese Strecken gewöhnt. Früher fanden wir eine Strecke von 100 sm sehr lang und heute sagen wir: „ och, nur noch 700 sm und dann sind wir schon da!“

Letzte Nacht hatten wir zwei Squalls. Squalls sind plötzlich auftretende, lokale Regengebiete, meist mit starken Winden. Sie sind in der Karibik häufig und hier auf der zweiten Hälfte der Atlantikroute auch. Wenn man sie erblickt, hat man noch 5 – 10 Minuten Zeit Vorkehrungen zu treffen. Zum Glück kann man sie in der Nacht sehr gut auf dem Radar erkennen. Für uns bedeutet es, dass wir den Gennaker bergen müssen. Der Gennaker ist ein Leichtwindsegel, der starken Winden nicht widerstehen kann. Das Problem bei diesen Leichtwindsegel ist, dass sie sich bei starkem Wind schlecht bergen lassen, weil sie extrem windanfällig sind. Also muss das Bergen abgeschlossen sein, wenn die Böen auftreten. Letzte Nacht hat Gerrit mich geweckt und da war es, das gefürchtete Wort:“Squall!“ Oh…., alles muss ganz schnell gehen: Gennaker rein, Sturmfock raus und abwarten. Es kam ein heftiger, warmer Regen danach etwas Wind aber keine starken Böen, das hätte unser Gennaker auch ausgehalten. Aber…, das weiss man ja nicht vorher, wie stark der jeweilige Squall ausfällt. Und als erster Squall reicht uns auch ein kleiner, dann können wir erst mal den Umgang üben. Und weil es so gut geklappt hat, dürfen wir die Übung nach zwei Stunden noch einmal wiederholen!  Und am Tag auch noch einmal! Soll mal einer sagen, es wäre Langweilig über den Atlantik zu segeln!!

Mehrere Hundert Seemeilen und einige Squalls weiter befinden wir uns im Endspurt auf Barbados. Die Squalls haben, dank der Technik an Bord, ihren Schrecken verloren. Erblickt man bedrohliche Regenwolken am Horizont, haben wir die Möglichkeit unser Radar einzuschalten. Schon hat man die Möglichkeit den Squall in seiner Größe, Zugrichtung und Geschwindigkeit zu beurteilen. Das macht die Entscheidung, ob wir unsere Segel ändern müssen oder nicht, um einiges leichter. Die Technik erleichtert das Leben an Bord sehr, wenn sie funktioniert! Doch darüber brauchen wir nicht zu klagen, bis auf einige kleine Aussetzer, hat die Technik prima funktioniert. Luna Bay, die französische Familie, die wir immer wieder treffen, hat da mehr Probleme: ihr Autopilot hat während eines Squalls Wasser abgekriegt und nun macht er immer mal wieder eigenmächtige Kursänderungen. Das sind Dinge, die man auf dem Atlantik nicht braucht!

 

ein Squall bildet sich hinter uns

 

Wir sind sehr zufrieden mit Mojito und das Problem mit unser Ruderanlage ließ sich gut managen, zum Glück. 

 

Wir steuern Barbados an, hissen unsere gelbe Einklarierungsflagge und nehmen Kontakt zu den offiziellen Funkstellen auf. Die Küstenfunkstelle antwortet auf „Barbados-Englisch“ und ist sehr schwer zu verstehen. Wir hatten schon über den speziellen Dialekt auf Barbados gelesen, aber dass er so… speziell ist, hatten wir nicht gedacht. Zum Glück ist Luna Bay vor uns und wir können erst einmal ihrem Funkgespräch lauschen, und wir merken dass sie ganz schön ins Schwitzen kommen.

Danach kommt für uns die erste Einklarierung, zum Glück durch Cornell-Sailing organisiert. Trotz allem beansprucht die Prozedur viel Zeit, es müssen Listen in 6-facher Ausführung ausgefüllt werden, wir müssen drei Behörden konsultieren bis wir schließlich einklariert haben, die gelbe Flagge dürfen wir wieder einholen und wir dürfen nun offiziell an Land. Puh! Wie bequem haben wir es doch mit Europa, so einfach die Grenzen zu überschreiten, welch ein Luxus!

 

unsere Ankerbucht vor Bridgetown, die Carlisle Bay

Aber.., das Wichtigste realisieren wir jetzt: hatten wir im letzten Jahr das Lied aus den 90Jahren als Ohrwurm im Kopf: „Yeah, we are going to Barbados…“ so können wir nun singen: “ Yeah, we are in Barbados“!!! Und…: wir haben den Atlantik überquert!!!

 

Beach in der Carlisle Bay, Yacht-Club Barbados

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