Zurück nach Europa, Mittelmeer wir kommen wieder!

Morgens sehen wir den Frachter „Dijksgracht“ in die Bucht von Le Marin einlaufen, Anker werfen und Ballast-Tanks lehren – ein imposanter Anblick. 

Wir sind etwas aufgeregt, heute wird „Mojito“ verladen, wir gehen auch an Bord – viele neue Eindrücke, wir sind gespannt.

Unser Verladetermin steht für 13.00 Uhr fest, vorher werden noch andere Yachten verladen, wir beobachten alles von unserem Ankerplatz.

DIJKSGRACHT

Nun sind wir dran: wir gehen längsseits an „Dijksgracht“ und bekommen Anweisungen, die zugeworfenen Festmacher auf unserer Klampe zu belegen. Dann plötzlich hören wir ein gewaltiges Aufklatschen direkt hinter unserem Schiff und kurz danach taucht ein Gesicht aus dem Wasser und lacht uns fröhlich an: „hello, I´m Jack!“ Jack ist mit einem Sprung wieder aus dem Wasser und steht triefend nass bei uns an Deck. Wir können es nicht fassen, er ist tatsächlich von der „Dijksgracht“ ins Wasser gesprungen, eine gewaltige Höhe! Jack erklärt uns, er sei einer der Lademeister und würde die Gurte unter Wasser kontrollieren, um sicher zu gehen, dass alles am rechten Platz sitzt. Kurze Zeit später wird eine Strickleiter runtergelassen und es kommen vier Arbeiter und ein weiterer Lademeister an Bord, es folgen Zurrgurte und Schützer für die Gurte. Alles wird fachmännisch angebracht, der Kran lässt die Gurte runter, Jack kontrolliert unter Wasser ob alles sitzt, und erst als alle ihr „okay“ geben, bekommt der Kranführer über Funk die Anweisung zu liften. Sobald wir die Deckhöhe erreicht haben, können wir über die Reling steigen und an Bord der „Dijksgracht“ wechseln. Für „Mojito“  geht es noch weiter in die Höhe, um dann schließlich seinen endgültigen Platz an Deck zu bekommen. Die Crew steht schon bereit und „Mojito“ wird mit Hilfe von Böcken und Gurten fest verzurrt, die beiden englischen Lademeister haben dabei das Kommando. Ein großes Schiff soll noch verladen werden, das dauert bis in den Abend, wir erfahren, dass wir erst am nächsten Morgen auslaufen werden. Es ist den Schiffen nicht erlaubt die Bucht von Le Marin bei Dunkelheit zu befahren, es lauern hier zu viele Untiefen.

MOJITO wird verladen

und an Deck verzurrt
unser Freund Albert ist neugierig und kommt um uns ein letztes Mal zu winken

Wir beziehen derweilen unsere Kabine, oben auf dem Offiziersdeck, und sind angenehm überrascht, wir haben eine geräumige Kabine mit Stockbetten. Anschließend sollen wir auf die Brücke und uns beim Kapitän melden, das machen wir doch gerne!

unsere Kabine

Der Kapitän und die meisten Offiziere sind aus Russland, die übrige Crew ist von den Philippinen und der Schiffskoch ist von den Kap Verden.

Der Kapitän empfängt uns freundlich, erledigt mit uns den erforderlichen Papierkram und gibt uns Anweisungen über das Bordleben. Zunächst ist er ein wenig zurückhaltend, das ändert sich schlagartig als er hört, dass wir mit unserem Boot den Atlantik überquert haben! Er kann sich nicht vorstellen, dass man mit einem „Plastikschiff“ so etwas machen kann. „ You are crazy!“, so seine Einschätzung. „Pöh“, denken wir, denn Gerrit konnte sich bislang nicht vorstellen mit einem Eisenschiff den Atlantik zu überqueren, doch das behalten wir lieber für uns, wir möchten doch keine Fronten aufbauen, wir müssen ja schließlich noch 12 Tage miteinander auskommen! 😉

Abends bekommen wir unseren ersten Eindruck von der Bordküche. „Dino“, der Schiffskoch, erwartet uns schon freudig und angesichts der Mengen, die er uns auftischt, scheinen wir ja einen ausgehungerten Eindruck zu machen. Hatte ich gehofft, durch Seekrankheit und/oder schlechter Bordküche, ein paar Pfunde los zu werden, so muss ich feststellen, dass das wohl schwierig wird! Die leckeren Cocktails und Accras in der Karibik haben doch ihre Spuren auf den Hüften hinterlassen!

Wir bekommen die Essenszeiten zugewiesen und sollen gemeinsam mit den Offizieren essen, machen wir, wir mussten schließlich vorher unterschreiben, dass wir der Crew gehorchen müssen!

Auch mussten wir unterschreiben, dass wir keine Waffen mitbringen, keinen Alkohol konsumieren dürfen und keine Drogen nehmen, und nicht angetrunken an Bord gehen dürfen. Oha…!

Als erstes findet Gerrit eine Sektflasche in seinem Schrank, oh Schreck, leider leer! „Sollen wir sie verschwinden lassen? Wir können sie ja auf einer anderen Etage entsorgen!“

Wir beschließen die Flasche einfach nach hinten in den Schrank zu schieben, es wird ja wohl keine Spind-Kontrolle geben, oder??

Blick auf die Bucht von Le Marin vom Bug der Dijksgracht

Die erste Nacht haben wir prima auf der „Dijksgracht“ hinter uns gebracht, wir haben ein reichhaltiges Frühstück genossen und nun geht es los! Die beiden englischen Lademeister haben uns verlassen und fliegen zu ihrem nächsten Einsatz. Eine karibische Lotsin ist an Bord und lotst uns aus der Bucht. Als sie das Schiff verlassen hat, geht es zwischen Martinique und St.Lucia auf den Atlantik, wow!

alle Boote sind geladen, vorne rechts Mojito
wir verlassen die Bucht von Le Marin

Nun wollen wir erst einmal das Schiff inspizieren, so eine Gelegenheit bekommen wir so schnell nicht wieder. Der Kapitän hatte uns gesagt, wir wären immer auf der Brücke willkommen, also los! Was für ein Erlebnis auf der Brücke zu stehen und diesen imposanten Ausblick zu haben. Alle an Bord sind sehr freundlich und beantworten geduldig all unsere Fragen. Es ist für uns sehr interessant mal die „andere Seite“ zu sehen, wie die Frachter uns Segelschiffe wahrnehmen – oder auch nicht! Nun verstehen wir die Frachter besser, sie sehen uns Segelschiffe häufig nicht und, wie uns der Kapitän erzählt, haben die Sportbootfahrer manchmal ein komisches Verhalten. Upps! Doch wohl hoffentlich nur die anderen, wir doch nicht!! Aber seitdem wir wissen, dass es in einigen Ländern keine Führerscheinpflicht für Sportboote gibt, wundert es uns nicht!

Die „Dijksgracht“ ist ein normales Frachtschiff und transportiert dieses Mal für das Tochterunternehmen „Sevenstar“ nur Boote. Vorher hatten sie Gerste geladen, die sie von der Ukraine nach Mexiko gebracht hat. Dann haben sie in Florida die ersten Boote geladen, die sind im Schiffsrumpf verschwunden, die übrigen Boote wurden in St.Kitts, Antigua und dann in Martinique geladen und an Deck sichtbar verzurrt. Für die „Dijksgracht“ ist diese Fahrt fast wie eine Leerfahrt, hat sie doch nur 900 Tonnen Gewicht mit den Booten geladen, sonst lädt sie 14 000 Tonnen!

Wir werden angewiesen an den Rettungsübungen teilzunehmen. Erste Übung: wir müssen das Schiff verlassen!

Alles wird genau durchgeprobt und durchgesprochen. Als ich diese furchtbaren Rettungswesten (Feststoffwesten ohne Schrittgurt!!) sehe, würde ich am liebsten fragen, ob ich meine eigene von Bord holen darf..! Dann werden wir Passagiere tatsächlich aufgefordert in das Free-fall-boat einzusteigen, das ist das rote Rettungsboot, dass immer schräg am Heck der Frachter hängt. Ich wollte ja schon immer wissen wie das da drin aussieht..! Der zweite Offizier leitet uns an und sagt: „da geht keiner von uns gerne rein…!“ Nun weiss ich warum, puh! Erst ist es verdammt steil da rein zu klettern und sitzt man endlich, will man nur noch raus, weil es so eng und stickig ist. Ich schwöre, ich werde mich nie wieder über zu wenig Beinfreiheit im Flugzeug beschweren! Der zweite Offizier erklärt uns in allen Einzelheiten was wir zu beachten haben, währenddessen sende ich Stoßgebete, dass keiner von den Jungs draußen am Auslösemechanismus rumspielt und das Ding aus Versehen auslöst und wir uns dann im „free-fall“ verabschieden! Bin ich froh als wir endlich wieder hinausklettern dürfen!

das Free-fall-boat im Fallen, zum Glück ohne uns!

Wir werden wirklich sehr zuvorkommend von der gesamten Crew behandelt. Gerrit fragt, ob er einen Blick in den Maschinenraum werfen darf, schon gibt es eine ausführliche Führung mit dem Chef-Ingenieur!

Führung durch den Maschinenraum mit Chef-Ingenieur „Josef“
die Hauptmaschine – 13 000 PS,                       500 Umdrehungen pro Minute

Vorbildlich zeigt sich die Müllentsorgung an Bord: brennbare Stoffe werden in der eigenen Müllverbrennungsanlage verbrannt, der Rest wird gepresst, aufbewahrt und an Land entsorgt. Essensreste werden in einer speziellen Anlage geschreddert und nur außerhalb der 12 Meilen Zone im Meer entsorgt.

Das Wasser aus den Ballasttanks wird in der Mitte des Atlantiks getauscht, damit kein US-Wasser nach Europa gelangt oder umgekehrt.

Und wir dachten, die Frachter kippen alles ins Meer. Das dachten sie umgekehrt von uns Seglern auch. Aber, nein, da konnten wir auch Vorurteile abbauen – auch wir sammeln den Müll und entsorgen ihn an Land. 

Ebenso kam ihrerseits die Nachfrage, ob wir Segler denn auch ein Logbuch führen müssen? Und ob wir auch einklarieren müssen? Ja, das müssen wir auch alles. Sie staunen, das haben sie nicht gedacht. Ist doch gut, wenn man sich ab und zu austauscht!

Nur in einem Punkt bekommen sie definitiv keinen Umwelt-Engel, das ist ihr Treibstoff. Ihr Schweröl hinterlässt überall an Deck eine dicke, schwarze Rußschicht. Der Kapitän meint, wenn man dieses Schweröl nicht erhitzt, kann man Straßen damit asphaltieren. Das glaube ich sofort, wenn ich meine Schuhsohlen betrachte. Für diese Atlantiküberquerung hat die „Dijkskracht“ 250 000 Liter Treibstoff verbraucht! Zum Vergleich: wir haben für unsere erste Altlantiküberüberquerung 600 Liter Diesel verbraucht (von Portugal bis Barbados).

Die Tage auf dem Atlantik ziehen dahin. Ungewohnt für uns, ist der dauernde Schiffslärm und die ständigen Vibrationen im Schiff, Tag und Nacht, ohne Pause. Wir haben Glück mit dem Wetter: mäßige Winde und ruhige See. Uns macht die mangelnde Bewegung zu schaffen – außer Treppen steigen und an Deck entlang spazieren, gibt es nicht viel Bewegung. Dazu das reichhaltige Essen von Dino: morgens Frühstück mit Rührei, Würstchen, selbst gebackenem Brot. Mittags 3-Gänge Menü mit einer Vorsuppe, dann reichlich Fleisch mit vielen Beilagen und ein Dessert. Abends warmes Essen mit Fleisch und Beilage, zum Nachtisch Obst. Dino steht immer parat und geht auf Sonderwünsche ein, ist aber auch traurig, wenn man nichts essen möchte. Also schaufeln wir brav das Essen in uns rein und liegen später mit dicken Bäuchen in unserer Koje.

Wir fragen den Kapitän ob wir vielleicht auf unserem Boot arbeiten dürfen. Kein Problem! Er organisiert, dass uns eine gesicherte Leiter an Mojito angebracht wird und wir brauchen uns nur bei ihm ab- und anzumelden wenn wir auf unser Boot gehen. Prima, so können wir einige Instandhaltungsarbeiten vornehmen, all das erledigen, wozu man sonst keine Lust  oder Zeit hat und uns ein wenig Bewegung verschaffen.

Nach 9 Seetagen steuern wir auf das europäische Festland zu. Wir werden Gibraltar zwischen Mitternacht und ein Uhr morgens passieren, das wollen wir hautnah miterleben und gehen auf die Brücke. Dieser Moment ist unglaublich bewegend, dieses erhabene Gefühl auf der Brücke, dieser Rundumblick – links Gibraltar rechts Ceuta, Gänsehaut pur! Wir fahren im Verkehrstrennungs-gebiet, das ist wie eine Autobahn für Frachter, die Fahrtrichtung ist hier vorgegeben. Auf der Brücke herrscht eine leichte Anspannung, zu dritt wird Ausschau nach möglichen Hindernissen gehalten. Der Kapitän schimpft über einen Fischer, der seine Netze hier ausgelegt hat: „denkt er, den besten Fisch gibt es ausgerechnet im Verkehrstrennungsgebiet? Warum kontrolliert die Coastgard nicht?“ Recht hat er! Wir müssen nur schmunzeln, dass unsere Probleme so ähnlich sind, ob großes Schiff oder kleines Boot!

Ein Tag später laufen wir in die Bucht von Palma ein und legen an der Pier an. Eigentlich wollte die „Dijksgracht“ hier nur sechs Boote abladen und Abends wieder auslaufen, doch sie bekommen eine andere Anweisung der Reederei: ein Eigner hat es sich anders überlegt und möchte nun schon in Palma ausgeladen werden und nicht wie ursprünglich geplant nach Genua. Pech dabei: das Boot befindet sich im unteren Schiffsrumpf, d.h. die vorderen Boote an Deck müssen abgeladen und danach wieder aufgeladen werden. Dijksgracht bleibt damit zwei Tage länger in Palma. Die Mannschaft nimmt es gelassen:“that´s seamen´s live…!“

Anlegemanöver in Palma

Mojito wird als erstes abgeladen, es heißt Abschied nehmen, etwas Wehmut ist dabei. Der Kapitän versichert uns zum Abschied, dass er uns fast überall auf der Welt abholen würde, wir brauchen sie nur zu kontaktieren. Haha, gut zu wissen. Schön war es mit der netten Crew von Dijksgracht, vielen Dank für dieses grandiose Erlebnis! Und…, da sieht man mal wieder: nichts ist im Leben so schlecht, dass es nicht auch etwas gutes gibt!

Mojito wird abgeladen. See you Dijksgracht!

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