Italien – wir erkunden den Fuß des Stiefels

Unser Weg nach Griechenland führt uns am Fuß von Italien entlang. 

 Die Griechen haben sich ab diesem Jahr eine weitere Steuer für Bootsbesitzer ausgedacht. Um es sich einfacher zu machen, wird immer für den gesamten Monat abgerechnet auch wenn man am Ende des Monats ankommt. Wir können ja verstehen, dass die Griechen Geld brauchen, aber unsere „Spendenbereitschaft“ hält sich doch in Grenzen. Wir haben daher beschlossen nicht vor dem 1. Juni dort einzuklarieren, so  bleibt uns auch genügend Zeit um den Fuß des italienischen Stiefels zu erkunden.

Ich erinnere mich an meine Grundschulzeit, als ich in meinem neuen, braunen Diercke Atlas blätterte und eine unglaubliche Entdeckung machte: Italien hatte die Form eines Stiefels! Ich war mir sicher, keinem war es vor mir aufgefallen und meldete es begeistert meiner Lehrerin. Doch an ihrer Reaktion merkte ich, dass ich  wohl doch nicht die erste war, diese Entdeckung zu machen. Schade!

Trotzdem behielt dieser Stiefel für mich eine gewisse Faszination und nun würden wir tatsächlich den Fuß näher kennen lernen, ich war schon sehr gespannt!

Wir starten am frühen Morgen aus der Bucht von Syrakusa, der Ätna und die barocke Altstadt im Licht der aufgehenden Sonne, was für ein Anblick! Wir hoffen auf Wind, schließlich haben wir mehr als 90 sm zu bewältigen und unter Segel sind wir meist schneller als unter Maschine. Leider erfüllen sich unsere Erwartungen nicht und wir müssen einen Großteil der Strecke motoren, wie so oft im Mittelmeer – entweder zu viel Wind oder überhaupt keinen Wind. „Im Mittelmeer segeln, heißt von Sturm zu Sturm motoren!“, sagen die Segler.

die Altstadt von Syrakusa und der Ätna im Morgenlicht

Als wir die Stiefelspitze erreichen, staunen wir über diese reich bewaldeten, hohen Berge, die bis nah ans Meer reichen. Was für eine üppige und wunderschöne Natur.

In einiger Entfernung zum Meer erkennen wir Dörfer, die sich malerisch an die Berge schmiegen. Die kilometerlangen Sandstrände wirken menschenleer, ein Paradies! Doch leider nicht wirklich für uns Segler, da es an dieser Küste keine Buchten gibt.

Man ankert zwar auf Sand, der Anker hält dadurch fantastisch, aber es gibt keinen Schutz vor Wind und Welle, da die Küste sehr gerade verläuft.

Südküste Kalabriens – 260 Km fast durchgehender Sandstrand

Abends gibt es eine kleine Meuterei an Bord, ich habe keine Lust im Dunkeln bis Roccella Ionica zu fahren, angeblich die erste geschützte Ankermöglichkeit. Also ankern wir 15 sm früher, an der offenen Küste, kochen uns Spaghettis und fallen tot müde ins Bett!

Der Schwell ist unangenehm, wir werden die ganze Nacht geschüttelt, an Tiefschlaf ist nicht zu denken. Doch den Höhepunkt dieser unruhigen Nacht bringt der nächtliche Besuch der Coastguard. Sie umrunden Mojito mit ihrem Schnellboot mehrfach und schütteln uns dadurch so richtig durch. Dazu beleuchten sie uns mit ihrem grellen Suchscheinwerfer, im Boot ist es taghell! Außerdem diskutieren sie laut und lebhaft untereinander, vielleicht: „verhaften oder versenken?“ ( kleiner Scherz! ) Wir warten derweil ab was draußen passiert und lassen uns nicht blicken. Sollen sie doch klopfen, wenn sie was wollen!

Wir fühlen uns ein wenig wie ertappte Schwerverbrecher, und überlegen ob wir vielleicht mit erhobenen Händen an Deck gehen sollen. Dabei ankern wir rechtmäßig mit 200m Meter Abstand zum Strand, also… wo ist das Problem?? Das scheinen sie nun auch zu merken, sie können uns nichts vorwerfen und nachdem sie uns ordentlich durchgeschüttelt haben, ziehen sie unverrichteter Dinge ab und lassen uns zufrieden, an Schlaf ist nicht mehr zu denken!

Am nächsten Tag geht es weiter nach Roccella Ionica, dort soll es vor der Hafeneinfahrt eine geschützte Ankermöglichkeit geben. Immer entlang dieser traumhaften Küste, die nahezu unbesiedelt ist. Früher hatten sich die Menschen aus Furcht vor Überfällen und vor Malaria von der Küste zurückgezogen. Dann wurde im 20.Jhdt. die Eisenbahn parallel zur Küste verlegt, was heute eine Ansiedlung von Hotelburgen verhindert. Dadurch wurden diese natürlichen Strände erhalten und der Tourismus ist hier zurückhaltend und angenehm.

In Rocella Ionica erwartet uns ein  netter kleiner Ort, doch der Ankerplatz bietet nur wenig Schutz vor der Welle, also geht das Schütteln an Bord weiter! Zum Glück schaukelt sich unser Katamaran nicht so hoch wie ein Einrumpf-Segelboot. Neben uns ankert Jürgen, sein Boot wirkt manchmal wie der Zeiger eines Metronoms, da bleibt sicher nichts auf dem Tisch stehen. Nach zwei Nächten gehen wir doch in die Marina, um endlich wieder ruhig zu schlafen. Auch weil wir ein Auto gemietet haben und  bei diesen Bedingungen Mojito nicht den ganzen Tag alleine am Anker lassen wollen.

Ankern vor Roccella Ionica, schöne Kulisse, doch leider unruhige See
der Strand von Roccella Ionica

Unsere Tour führt uns durch das Aspromonte, das Gebirge voller Tannen- und Buchenwälder mit blühendem Ginster und atemberaubenden Ausblicken. Wir fahren durch halbverlassene Bergdörfer, durch Olivenhaine und blühenden Wildblumenwiesen, entlang riesiger Fiumare, das sind sommertrockene, kilometerbreite Schotterflussbetten. Sie lassen uns erahnen was für Wassermassen während der Wintermonate hier durchrauschen. Eine wunderschöne Gegend, die es bestimmt wert ist erwandert zu werden!

Weizenfeld mit Wildblumen
Bergdorf in Aspromonte, im Hintergrund ein sommertrockenes Schotterflussbett
ein Fiumare, ein sommertrockenes Schotterflussbett
die wilde, weite Landschaft Kalabriens
La Cattolica – eine winzige, byzantinische Ziegelkirche aus dem 10. Jh.




Die Sommertemperaturen lassen weiterhin auf sich warten. Der Wind ist mitunter eisig kalt, beim Segeln benötigen wir gute winddichte Kleidung. „Gutes, beständiges Wetter kommt langsam!“ predigt mir Gerrit, der alte, weise Landwirt, schon seit Tagen. Es fällt mir schwer  zu glauben. Meiner Meinung nach ist das Wetter irgendwo stecken geblieben oder hat den falschen Weg genommen. Hier ist es nicht, vielleicht in Norddeutschland!?

Weiter geht es schließlich entlang der Küste, da bekommen wir in der nächsten größeren Einbuchtung, im Golfo di Squillace, wieder mal die unangenehme Seite des Mittelmeers zu spüren. Obwohl nur ein schwacher Wind gemeldet war, nimmt der Wind plötzlich bis auf 40 Knoten (Windstärke 8) zu. In solchen Momenten sind wir noch stets angespannt, aber das Vertrauen kehrt immer mehr zurück, Mojito kämpft sich tapfer durch die aufgewühlte See. Dieser Küstenabschnitt ist bekannt für seine Wetterkapriolen, ja das haben wir gespürt!

Wir werden weiterhin täglich von der Coastguard „beguckt“, sie haben uns im Blick!

Von anderen Seglern hören wir, dass sie ständig kontrolliert werden und dass schnell mal willkürlich Bußgelder verteilt werden. Jürgen, zum Beispiel, ist von der Adria bis hierher dreizehn Mal kontrolliert worden und musste über 300,- €  Bußgeld bezahlen. Davon sind wir bis jetzt zum Glück verschont geblieben!

Nun bleibt noch die Überquerung des Golf di Taranto, also vom Fuß zum Absatz, oder von Kalabrien nach Apulien. Gallipoli heißt unser Ziel.

Auch hier entscheiden wir uns ganz früh morgens zu starten, der Wind soll Nachmittags einschlafen, bis dahin können wir schon zweidrittel der Strecke geschafft haben. Wir setzen die Segel, haben halben Wind, alles läuft gut. 

Wir sehen auf unseren Plotter, dass wir ein militärisches Übungsgebiet kreuzen. Dieses Gebiet ist mehr als 20 sm breit (also etwa 40 Km) und zieht sich durch das gesamte Gebiet von Nord nach Süd. Wir lesen dass es sich um ein Schießgebiet für U-Boote handelt. „Urg“, frage ich besorgt „woher wissen wir, wann sie Schießübungen machen und wann nicht…!“ Gute Frage…!

Es dauert nicht lange, da sehen wir ein Schnellboot Kurs auf uns nehmen – entweder Piraten oder Coastguard – man weiß nicht immer was besser ist…! Es ist die Coastguard. Nun ist es wohl so weit, nun sind wir dran, denken wir.

Nein, sie informieren uns, dass heute Schießübungen stattfinden und wir bitte unseren Kurs ändern sollen. Wir sollen nun auf Kurs 340 ° gehen für 13 sm. Okay, Widerrede nützt wohl nichts. Weder bringt uns dieser Kurs an unser Ziel nach Gallipoli, noch passt der Kurs zum Segeln. Also bergen wir die Segel und nehmen Kurs 340 °, wie befohlen. Es gibt noch eine Segelyacht mit dem gleichen Kurs wie wir, 2 – 3 sm vor uns, aber ohne AIS, also elektronisch nicht sichtbar. Was ist denn mit ihr, fragen wir uns, wollen aber nicht petzen. Vielleicht sind das dann später die sogenannten Kolateralschäden?? Wir beneiden die Segelyacht für ihr ungehindertes Durchfahren, vielleicht sollten wir beim nächsten Mal das AIS ausschalten und uns kurz „unsichtbar“ machen. Die Fischer machen das auch immer wieder.

Wir haben nicht viel Zeit darüber nachzudenken, es dauert nicht lang und wir bekommen einen Anruf über Funk, von der Coastguard: wir möchten doch bitte unseren Kurs ändern und nun 90 ° nehmen. Das ist ja ein Zickzackkurs, wir fühlen uns wie bei einer Schnitzeljagd. Dieser Kurs passt aber wieder zum Wind, also wieder Großsegel hoch (da wir keine elektrische Winsch für das Großsegel haben, stählt diese Übung Gerrit`s Körper, haha!). Die Freude über das Segeln ist von kurzer Dauer, da meldet sich wieder die Coastguard um uns einen neuen Kurs zu melden, nun sollen wir 2 sm südlich und 8 sm parallel zum Militärgebiet und dann dürfen wir wieder das Militärgebiet kreuzen. „Also doch Schnitzeljagd oder finde den Kurs, irgend so ein Spiel“ meine ich. „Ne“ meint Gerrit „die brauchen ein Ziel vor ihrer Linse“. Es fällt mir schwer darüber zu lachen, denn nachvollziehbar sind ihre Anweisungen nicht wirklich. Zum Glück wird auch ein Frachter angewiesen den gleichen Kurs zu fahren, der gibt uns doch dann hoffentlich Feuerschutz, schwitz! Mittlerweile ist der Wind eingeschlafen, also Segel bergen und Motor an. Dieser Zickzackkurs hat uns einen Umweg von 10 sm beschert, heißt fast zwei Stunden mehr!!

Wir sind nun in Apulien, dem Stiefelabsatz. Das krasse Gegenteil zu Kalabrien – es ist flach und es gibt mehr Touristen. Aber die Bucht von Gallipoli lockt mit klarem Wasser, netten Stränden, gesäumt von einer dichten Macchia.

Nachdem wir die nette Altstadt besichtigt haben und genug von dem dort angebotenem Touristenkitsch gesehen haben, ändern wir unseren Ankerplatz und bleiben ein paar Tage im südlichen Teil der Bucht von Gallipoli um den heftigen Wind der nächsten Tage abzuwettern. Dies ist der einzige, geeignete Platz dafür und hier lässt es sich gut aushalten: klares Wasser, Naturstrand und ab und zu eine kleine Strandbar. Es gibt hier wenig Menschen, doch im Sommer soll es hier dem Ballermann gleichen. Gut, dass wir jetzt die Ruhe genießen können und ein paar Arbeiten an Bord erledigen können. Es gibt immer noch Arbeiten nach unserem Mastbruch, die noch abgearbeitet werden müssen. Außerdem gibt es ein Problem mit der Elektrik. Wenn wir Abends das Ankerlicht einschalten, schaltet sich irgendwann von Geisterhand die Dreifarbenlaterne an, die besagt das wir in Bewegung sind und segeln. Hat sie sich einmal eingeschaltet, lässt sie sich nicht wieder ausschalten, es sei denn wir machen das Ankerlicht aus, was aber auch nicht klug ist, weil wir dann ohne Beleuchtung für andere Schiffe sind. So hat Gerrit einiges zu tun und alle Kabeln zu messen, um den Übeltäter zu finden.

Gallipoli, eine verwinkelte Altstadt
.. mit schönen Innenhöfen
und kleinen Aperitif-Bars, direkt an der Stadtmauer
Starkwind abwettern – in dieser Bucht lässt es sich aushalten

Als der Wind nachlässt geht es weiter nach Maria di Leuca, der südlichste Punkt von Italien. Hier nehmen wir Abschied von Italien, wir genießen einen Aperitif in der Abendsonne und denken gerne an die letzten sieben Monate in Sizilien und Italien zurück. Eine schöne Zeit!

in Santa Maria di Leuca gibt es zahlreiche stilvolle Sommervillen aus den Anfängen des 20. Jhdts.
der südlichste Zipfel des italienischen Stiefels. Hier treffen sich das Ionische und das Adriatische Meer. Finis terrae – Ende der Welt


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